BGer B 2/2005 |
BGer B 2/2005 vom 09.08.2005 |
Eidgenössisches Versicherungsgericht
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Tribunale federale delle assicurazioni
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Tribunal federal d'assicuranzas
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Sozialversicherungsabteilung
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des Bundesgerichts
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Prozess
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{T 7}
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B 2/05
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Urteil vom 9. August 2005
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III. Kammer
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Besetzung
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Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiber Nussbaumer
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Parteien
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Aargauische Pensionskasse, Hintere Bahnhofstrasse 8, 5001 Aarau, Beschwerdeführerin,
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gegen
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A.________, 1947, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat André Baur, Greifengasse 1, 4001 Basel
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Vorinstanz
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Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
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(Entscheid vom 16. November 2004)
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Sachverhalt:
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A.
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A.________ (geboren 1947) war vom 1. März bis 31. Oktober 1994 als Angestellte der Sozialversicherungsanstalt des Kantons Aargau bei der Aargauischen Pensionskasse im Rahmen der beruflichen Vorsorge versichert. Ende November 1995 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung (IV) zum Leistungsbezug an. Mit Verfügung vom 13. Dezember 1996 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Solothurn ab 1. Mai 1996 eine halbe und mit Verfügung vom 18. September 1998 ab 1. März 1998 eine ganze Invalidenrente zu. Auf Begehren hin teilte die aargauische Pensionskasse mit Schreiben vom 26. Februar, 9. Juni und 1. November 1999 A.________ mit, dass sie keine Invaliditätsrente auszurichten habe, da die zur Invalidität führende Arbeitsunfähigkeit nicht während der Mitgliedschaft in der Pensionskasse eingetreten sei.
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Mit Eingabe vom 19. Oktober 2001 liess die nunmehr anwaltlich vertretene A.________ bei der IV-Stelle des Kantons Solothurn ein Revisions- und Wiedererwägungsgesuch stellen mit dem Antrag auf rückwirkende Zusprechung einer halben Invalidenrente ab 1. August 1995. Dieses Gesuch hiess die IV-Stelle des Kantons Solothurn mit Verfügung vom 22. Mai 2002 gut und richtete A.________ ab 1. August 1995 eine halbe Invalidenrente aus. Daraufhin gelangte die Versicherte am 14. März 2001 und 23. Mai 2002 wiederum an die Aargauische Beamtenpensionskasse. Diese teilte ihr mit Schreiben vom 27. Mai 2002 mit, zur Prüfung des Anspruchs auf Invaliditätsleistungen müsse sie gemäss den Versicherungsbedingungen ein Zeugnis oder Gutachten eines Vertrauensarztes beibringen, dessen Kosten zu ihren Lasten gehen würden.
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B.
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Mit Eingabe vom 31. Mai 2002 liess A.________ Klage einreichen mit dem Antrag, die Aargauische Pensionskasse sei zu verpflichten, ihr rückwirkend ab 1. August 1995 eine halbe und ab 1. März 1998 eine ganze Invalidenrente gemäss Statuten und Versicherungsbedingungen auszurichten. Mit Teilentscheid vom 26. August 2003 hiess das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Klage gut und stellte fest, dass der Klägerin ab 1. August 1995 eine Rente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 50 % und ab 1. März 1998 eine solche von 100 % zustehe, nebst Verzugszinsen von 5 % ab ab den jeweiligen Fälligkeitsterminen, frühestens ab dem 31. Mai 2002.
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Nach Eintritt der Rechtskraft des Teilentscheides und nach Durchführung eines Schriftenwechsels über Festsetzung und Abrechnung der Rentenleistungen verpflichtete das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 16. Dezember 2003 die Aargauische Pensionskasse, der Klägerin an rückständigen BVG-Renten per 27. November 2003 den Betrag von Fr. 60'866.45 zuzüglich 5 % Zins ab diesem Datum bis zum Überweisungszeitpunkt zu bezahlen. Ab 1. Dezember 2003 habe sie der Klägerin eine monatliche BVG-Rente von derzeit Fr. 677.- zu entrichten. Ferner verpflichtete es die Aargauische Pensionskasse in Ziffer 4 des Urteilsdispositivs, der Klägerin die richterlich auf Fr. 6156.95 (inkl. Fr. 434.85 Mehrwertsteuer) festgesetzten Parteikosten zu ersetzen.
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C.
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Die hinsichtlich der Frage der Parteientschädigung von der Aargauischen Pensionskasse erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde hiess das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 15. September 2004 (B 11/04) in dem Sinne gut, dass Ziff. 4 des Dispositivs des vorinstanzlichen Entscheides vom 16. Dezember 2003 aufgehoben und die Sache an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen wurde, damit dieses über den Anspruch der Beschwerdegegnerin auf Parteientschädigung für das kantonale Verfahren im Sinne der Erwägungen neu entscheide. Zur Begründung hielt es fest, mangels tatsächlicher Feststellungen und zufolge fehlender Begründung könne nicht beurteilt werden, ob die Versicherte mit ihrem Verhalten unnötige Prozesskosten verursacht habe, wie dies die Pensionskasse geltend mache.
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Mit Entscheid vom 16. November 2004 bestätigte das Versicherungsgericht des Kantons Aargau Ziff. 4 ihres Entscheiddispositivs vom 16. Dezember 2003 und verpflichtete die Pensionskasse, "dem Rechtsvertreter der Klägerin die richterlich auf Fr. 6156.95 (inkl. Fr. 434.85 MWSt.) festgesetzten Parteikosten zu bezahlen."
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D.
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Die Aargauische Pensionskasse führt wiederum Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 16. November 2004 sei festzustellen, dass für das vorinstanzliche Verfahren keine Parteientschädigungen zuzusprechen seien.
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A.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen; eventuell sei ihr die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung zu bewilligen. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
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2.
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Nach der Rechtsprechung besteht kein allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz, wonach der obsiegenden, durch einen Anwalt vertretenen Partei eine Parteientschädigung zugesprochen werden muss (Urteil der II. Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2002, 2P.144/2002; zu Art. 4 aBV ergangene, weiterhin anwendbare Rechtsprechung: BGE 117 V 403 Erw. 1b mit Hinweisen, 104 Ia 9). Immerhin haben obsiegende Sozialversicherer bei mutwilliger oder leichtsinniger Beschwerdeführung durch die versicherte Person einen Anspruch auf Parteientschädigung (BGE 126 V 143 Erw. 4). Im erstinstanzlichen Klageverfahren der beruflichen Vorsorge ist es daher in diesem Rahmen dem kantonalen Recht überlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen es einen Anspruch auf Parteientschädigung vorsehen will. Den auf kantonalem Recht beruhenden Entscheid über die Zusprechung oder Verweigerung einer Parteientschädigung hat das Eidgenössische Versicherungsgericht daher nur daraufhin zu überprüfen, ob die Anwendung der entsprechenden kantonalen Bestimmungen zu einer Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG) geführt hat, insbesondere des Verbots der Willkür oder des überspitzten Formalismus (SVR 2001 AHV Nr. 4 S. 11 Erw. 2; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 125 V 408 Erw. 3a, 114 V 86 Erw. 4a, je mit Hinweisen).
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3.
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3.1 Nach § 2 der kantonalen Verordnung über die Rechtspflege in der beruflichen Vorsorge in Verbindung mit § 30 der Verordnung über die Rechtspflege in Sozialversicherungssachen wird auf die Bestimmungen der Zivilprozessordnung des Kantons Aargau verwiesen. Gemäss § 112 Abs. 1 ZPO sind die Parteikosten des Gegners in der Regel der unterliegenden Partei aufzuerlegen. Von diesem Grundsatz kann u.a. nach § 113 lit. d ZPO nur abgewichen werden, "wenn andere besondere Umstände vorliegen, die eine Abweichung von der Regel des § 112 ZPO als billig erscheinen lassen". Objektiv unnötige prozessuale Vorkehren sind ein Anwendungsfall von § 113 lit. d ZPO. Nach der kantonalen Praxis sind solch unnötige prozessuale Vorkehren bei unnötiger oder voreiliger Einleitung eines Verfahrens gegeben (Bühler/Edelmann/Killer, Kommentar zur Aargauischen Zivilprozessordnung, Rz 14 zu § 113 ZPO).
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3.2 Das kantonale Gericht stellte im angefochtenen Entscheid fest, dass die Pensionskasse verlangt habe, die Klägerin müsse sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung stellen, für deren Kosten die Versicherte aufzukommen habe. An diesem Standpunkt habe die Pensionskasse während des ganzen erstinstanzlichen Verfahrens festgehalten. Gemäss dem ersten Urteil vom 26. August 2003 lasse sich diese Kostenregelung zu Lasten der Versicherten zumindest im obligatorischen Bereich nicht halten und sei auch im vorliegenden Fall stossend gewesen. Sodann sei festzustellen, dass die vertrauensärztliche Untersuchung nicht zwingend gewesen sei. Abzuklären sei gewesen, ob die Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt habe, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen der Versicherten und der Ausgleichskasse des Kantons Aargau oder allenfalls während der Nachdeckungsfrist der Beklagten, d.h. in der Zeit zwischen dem 1. Mai 1994 und dem 31. Oktober bzw. 30. November 1994 eingetreten sei. Es handle sich mithin um einen Sachverhalt, der Jahre zurückgelegen habe. Nachdem die Invalidität als solche nicht bestritten worden sei, sei schwerlich einzusehen, inwiefern ein im Jahre 2002 erstellter neuer medizinischer Bericht die zu klärenden Fragen hätte schlüssig beantworten können. Vielmehr hätte die Pensionskasse die vom Gericht vorgenommenen Erkundigungen tätigen müssen. Es werde sodann nicht geltend gemacht und es bestünden dafür keine Hinweise in den Akten, dass die Pensionskasse solche Erkundigungen veranlasst habe und die Versicherte ihrer diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wäre. Aus diesen Gründen lasse sich daher der Vorwurf, die Versicherte habe ihre Mitwirkungspflicht verletzt, nicht aufrechterhalten.
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Was den Einwand betreffe, die Versicherte habe mit der Klageeinreichung eine unnötige prozessuale Vorkehr getroffen, stellte das kantonale Gericht fest, dass die Pensionskasse im Zeitpunkt der Klageeinreichung bereits dreimal das Leistungsbegehren abgewiesen hatte. Danach habe sie zweimal eine vertrauensärztliche Untersuchung verlangt, woran sie auch noch nach der IV-Verfügung vom 22. Mai 2002 festgehalten habe. Im ganzen erstinstanzlichen Verfahren habe sie ihr Vorgehen gerechtfertigt. Wie bereits festgehalten worden sei, sei die Untersuchung nicht zwingend und die Kosten dafür hätten nicht der Versicherten überbunden werden dürfen. Selbst in ihrem letzten Schreiben vom 27. Mai 2002 habe die Pensionskasse nicht zu erkennen geben, dass sie von sich aus auch andere Abklärungsschritte in Erwägung ziehe. Die Klageeinleitung könne daher nicht als voreilig qualifiziert werden. Dies werde auch durch den Umstand bestätigt, dass die Pensionskasse bis zum Schluss des erstinstanzlichen Verfahrens an ihrem Hauptantrag, das Rentenbegehren sei vollumfänglich abzuweisen, festgehalten habe.
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Zusammenfassend sei festzustellen, dass die Versicherte keine Mitwirkungspflichten verletzt habe. Überdies habe sie die Klage nicht übereilt eingeleitet. Demnach lägen keine besonderen Umstände gemäss § 113 lit. d ZPO vor, die ein Abweichen von der allgemeinen Kostenregelung gemäss § 112 Abs. 1 ZPO gebieten würden. Die Parteikosten seien daher der Pensionskasse als unterliegende Partei aufzuerlegen. Nachdem Letztere nur die grundsätzliche Kostenverlegung beanstandet habe, nichts aber in masslicher Hinsicht vorbringe, sei erneut im Sinne der vom Eidgenössischen Versicherungsgericht aufgehobenen Ziff. 4 des Dispositivs des Entscheides vom 16. Dezember 2003 zu erkennen.
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3.3 Diese ausführlichen und sorgfältigen Erwägungen des kantonalen Gerichts beruhen unter dem Blickwinkel der dem Eidgenössischen Versicherungsgericht bei der Überprüfung kantonalrechtlicher Parteientschädigungen zukommenden eingeschränkten Kognition weder auf einer mangelhaften Feststellung des rechtserheblichen Sachverhaltes noch verletzen die rechtlichen Schlussfolgerungen das Verbot der Willkür oder des überspitzten Formalismus. Daran ändern sämtliche Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts. Dass die Versicherte nach den Statuten zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung grundsätzlich verpflichtet gewesen ist, bedeutet entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass eine solche immer stattzufinden hat. Das kantonale Gericht hat eingehend begründet, dass eine solche vertrauensärztliche Untersuchung angesichts der langen Zeitdauer von 8 Jahren seit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr viel gebracht hätte. Diese antizipierte Beweiswürdigung und die daraus gezogene Schlussfolgerung sind weder willkürlich noch überspitzt formalistisch. Da die Beschwerdeführerin die Höhe der Parteientschädigung nicht beanstandet, ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
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4.
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Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 156 und 159 OG). Unter diesen Umständen ist das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung gegenstandlos.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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1.
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Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 900.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
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3.
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Die Aargauische Pensionskasse hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1701.80 (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
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Luzern, 9. August 2005
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Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber:
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i.V.
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