BGer 1P.859/2005
 
BGer 1P.859/2005 vom 15.02.2006
Tribunale federale
{T 0/2}
1P.859/2005 /gij
Urteil vom 15. Februar 2006
I. Öffentlichrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Nay,
Gerichtsschreiber Steinmann.
Parteien
- A.________ AG,
- B.________ AG,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lorenz Erni,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, Amtshaus I, Postfach 157, 4502 Solothurn.
Gegenstand
Entsiegelung/Durchsuchung;
Verletzung des rechtlichen Gehörs,
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, vom 22. November 2005.
Sachverhalt:
A.
Das Untersuchungsrichteramt (heute Staatsanwaltschaft) des Kantons Solothurn führt seit 1993 gegen mehrere Personen im Umfeld der A.________ AG ein Verfahren. Am 6. Januar 1999 eröffnete der Untersuchungsrichter gestützt auf neuere Informationen und Anzeigen gegen verschiedene Personen ein ergänzendes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Urkundenfälschung und weiterer Delikte.
Am 1. Februar 2005 verfügte der Untersuchungsrichter, dass gegen verschiedene Verantwortliche der A.________ AG wegen mehrfacher Urkundenfälschung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und ordnungswidriger Führung der Geschäftsbücher ein Ermittlungsverfahren eröffnet werde und u.a. bei der A.________ AG, der C.________ AG, der D.________ AG, der E.________ AG und der B.________ AG eine Hausdurchsuchung durchzuführen sei. Der entsprechende Durchsuchungsbefehl datiert vom 10. Februar 2005.
Dieser Verfügung war eine Aktennotiz des Untersuchungsrichters vorgelagert, wonach die Untersuchung des Falles A.________ AG im Jahre 2004 wieder habe aufgenommen werden können und zu einer Schlussverfügung und einer ergänzenden Voruntersuchungsverfügung geführt habe. In den Jahren 1998 bis 2003 seien neue Anzeigen eingegangen, welche die Gesetzmässigkeit der Jahresrechnungen der A.________ AG in Frage stellten. Die Durchsicht der Jahresrechnungen habe Verdachtselemente bestätigt. Die Jahresrechnungen der A.________ AG seien gekennzeichnet durch buchhalterische Überlebensübungen und eine Bilanzierung nach dem Prinzip Hoffnung.
In den Akten findet sich u.a. eine 11-seitige Zusammenfassung der Sachverhalte. Diese ist den Beteiligten nicht zur Verfügung gestellt worden. Die Beschuldigten hatten Gelegenheit, zu einem Auszug Stellung zu nehmen, aus welchem die zu untersuchenden Vorhalte den Grundzügen nach hervorgehen sollen.
Am 26. April 2005 erfolgten die angeordneten Hausdurchsuchungen. Es wurden Akten und Datenträger sichergestellt und auf Einspruch hin versiegelt. Zur Hausdurchsuchung ist ein Bericht erstellt worden.
B.
Die A.________ AG, C.________ AG, D.________ AG, E.________ AG und B.________ AG erhoben am 6. Mai 2005 beim Obergericht des Kantons Solothurn Beschwerde und beantragten,
- die Durchsuchungsbefehle und Beschlagnahmeverfügungen seien aufzuheben,
- sämtliche sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte seien den Berechtigten mit ungebrochenem Siegel zurückzuerstatten,
- eventualiter sei eine Triage durch das Obergericht vorzunehmen und seien sämtliche nicht verfahrensrelevanten Daten und Akten und sämtliche dem Anwaltsgeheimnis unterstehenden Daten und Akten sowie die unberechtigt und ohne Durchsuchungsbefehl behändigten Akten den Berechtigten zurückzuerstatten.
C.
Am 19. August 2005 erliess der Leitende Staatsanwalt des Kantons Solothurn die Eröffnungsverfügung. Danach wird gegen verschiedene Personen eine Strafuntersuchung eröffnet wegen mehrfacher Urkundenfäschung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und ordnungswidriger Führung der Geschäftsbücher. Die den Beschuldigten zur Last gelegten Vorhalte werden aufgeführt. Den Beschuldigten wird das Recht eingeräumt, in die wesentlichen Verfahrensakten Einsicht zu nehmen, soweit dies der Ermittlungszweck zurzeit nicht ausschliesse.
D.
Mit Urteil vom 22. November 2005 wies die Beschwerdekammer des Obergerichts des Kantons Solothurn die Beschwerde der A.________ AG und der Mitbeteiligten vom 6. Mai 2005 ab und ordnete die Entsiegelung und Sichtung der Informationsträger im Sinne der Erwägungen an. Das Obergericht hielt im Wesentlichen fest, dass die beanstandeten Hausdurchsuchungen und Sicherstellungen von Informationsträgern rechtmässig erfolgten und dass die Beschwerdeführenden hinreichend über die Verdachtselemente informiert worden seien. Die Staatsanwaltschaft sei nunmehr ermächtigt, die Siegelung zu öffnen, die sichergestellten Informationsträger in Anwesenheit der Betroffenen bzw. ihres Vertreters zu sichten und allenfalls relevante Informationsträger förmlich zu beschlagnahmen; alsdann könne gegen die Beschlagnahme Beschwerde erhoben werden.
E.
Gegen dieses Urteil des Obergerichts haben die A.________ AG und die B.________ AG beim Bundesgericht am 20. Dezember 2005 staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie beantragen die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides. Sie rügen im Wesentlichen eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV).
Das Obergericht beantragt unter Verzicht auf Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition. Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu prüfen, ob die Beschwerde unter dem Gesichtswinkel von Art. 87 Abs. 2 OG zulässig ist.
1.1 Die vorliegende Beschwerde ist einzig im Namen der A.________ AG und der B.________ AG erhoben worden. In Bezug auf die C.________ AG, die D.________ AG und die E.________ AG ist das Urteil des Obergerichts nicht angefochten und insoweit in formelle Rechtskraft erwachsen.
1.2 Mit dem angefochtenen Entscheid wird die Staatsanwaltschaft ermächtigt, die sichergestellten Informationsträger in Anwesenheit der Betroffenen bzw. ihrer Rechtsvertreter zu öffnen und diese, soweit sie als verfahrensrelevant erachtet werden, förmlich zu beschlagnahmen. Gegen die Beschlagnahme soll erneut das Beschwerderecht offen stehen.
Mit diesem Verfahren sollen die bereits sichergestellten Informationsträger einer weitern Triage unterworfen und allenfalls erneut förmlich beschlagnahmt werden. Für den Fall, dass von den Betroffenen Geheimhaltungsinteressen geltend gemacht werden, kann nach § 55 Abs. 1 und § 58 Abs. 3 der Strafprozessordnung des Kantons Solothurn (StPO) Einspruch erhoben werden, mit der Folge, dass die Informationsträger versiegelt und verwahrt werden und beim Obergericht Beschwerde geführt werden kann. Diesfalls darf die Durchsuchung erst erfolgen, wenn die Beschwerdefrist unbenützt abgelaufen ist oder das Obergericht die Beschwerde abgewiesen hat.
Aus den Erwägungen des angefochtenen Entscheides und aus der genannten Regelung der Strafprozessordnung ergibt sich, dass über eine Öffnung der Informationsträger und deren Durchsuchung zurzeit noch nicht entschieden worden ist. Hierfür bedarf es weiterer Schritte und Entscheidungen.
Daraus folgt, dass die Öffnung und Durchsicht der Informationsträger nicht unmittelbar bevorsteht und insoweit ein nicht wiedergutzumachender Nachteil gemäss Art. 87 Abs. 2 OG, wie er von Entsiegelungsentscheiden ausgehen kann (vgl. Urteil 1P.501/2002 vom 17. Dezember 2002, BGE 126 II 495), nicht geltend gemacht und auch nicht ersichtlich ist. Einen solchen Nachteil begründet auch der Umstand einer (weitern) Triage durch die Staatsanwaltschaft nicht, da hinsichtlich von Geheimhaltungsinteressen jederzeit die Möglichkeit des Einspruchs und damit der Versiegelung der Informationsträger besteht.
Demnach kann gestützt auf Art. 87 Abs. 2 OG auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
2.
Demnach ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 156 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.
2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. Februar 2006
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: