BGer 1P.831/2005 |
BGer 1P.831/2005 vom 20.02.2006 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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1P.831/2005 /ggs
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Urteil vom 20. Februar 2006
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I. Öffentlichrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Nay, Aeschlimann,
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Gerichtsschreiberin Scherrer.
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Parteien
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X.________, Beschwerdeführer,
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gegen
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Direktion der Strafanstalt Pöschwies, Roosstrasse 49, 8105 Regensdorf,
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Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090 Zürich,
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Direktion der Justiz und des Innern des Kantons
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Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich.
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Gegenstand
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Nichtaushändigung eines Headsets,
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Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich vom 8. November 2005.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ befindet sich im Strafvollzug in der Strafanstalt Pöschwies. Zusammen mit verschiedenen anderen PC-Bestandteilen bestellte er sich ein Headset (Kopfhörer mit Mikrofon) in die Anstalt. Als die Teile geliefert wurden, verweigerte die Anstaltsleitung X.________ die Herausgabe des Headsets. Gegen diesen Entscheid gelangte X.________ an die Direktion der Strafanstalt, welche die Beschwerde mit Verfügung vom 7. Juli 2005 abwies.
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B.
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Dagegen erhob X.________ Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich mit dem Begehren, das Headset sei ihm auszuliefern. Er brachte vor, von der Anstaltsleitung sei noch nie ein Verbot zum Besitz eines Headsets veröffentlicht worden. Nachdem auch dem PC-Reglement kein entsprechendes Verbot zu entnehmen sei, müsse ihm das Headset ausgeliefert werden. Ohne dieses werde ihm das Erlernen von Fremdsprachen verunmöglicht.
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Die Direktion der Justiz und des Innern wies den Rekurs mit Verfügung vom 8. November 2005 ab, soweit sie darauf eintrat.
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C.
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Mit Eingabe vom 12. Dezember 2005 erhebt X.________ staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung vom 8. November 2005. Er beantragt, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und es sei ihm eine Parteientschädigung von Fr. 100.- zuzusprechen.
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Das Amt für Justizvollzug und die Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Die Direktion der Strafanstalt Pöschwies hat sich nicht zur Angelegenheit vernehmen lassen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Gegen Anordnungen und Entscheide der Anstaltsleitung steht den Betroffenen der Rekurs an die vorgesetzte Behörde, also an die kantonale Direktion der Justiz und des Innern, offen; deren Entscheide sind im Kanton in Fällen wie dem vorliegenden nicht weiterziehbar (vgl. § 36 des Zürcher Gesetzes vom 30. Juni 1974 über das kantonale Strafrecht und den Vollzug von Strafen und Massnahmen [StVG/ZH] und § 147 der Zürcher Justizvollzugsverordnung vom 24. Oktober 2001 [JVV/ZH] in Verbindung mit § 43 Abs. 1 lit. g und Abs. 2 des Zürcher Gesetzes vom 24. Mai 1959 über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen [VRG/ZH]). Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Entscheid, der ihm die Herausgabe des Headsets verweigert, in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG). Er macht die Verletzung verfassungsmässig garantierter Rechte geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Dazu ist er legitimiert. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
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2.
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Der Beschwerdeführer macht sinngemäss geltend, es fehle an einer hinreichenden Grundlage, um ihm die Herausgabe des Headsets zu verweigern. Das Argument, wonach das Mikrofon die Sicherheit, Ruhe und Ordnung der Anstalt gefährde, sei willkürlich, da Headsets in der Abteilung für Suchtprobleme erlaubt seien. Damit verletzten die kantonalen Behörden das Gleichheits- und Gleichbehandlungsgebot innerhalb derselben Anstalt. Da kein ausdrückliches Verbot für Headsets bestehe, sei die Verweigerung der Herausgabe willkürlich und verstosse gegen Treu und Glauben.
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2.1 Nach ständiger Praxis des Bundesgerichtes darf die Beschränkung der Freiheitsrechte von Gefangenen nicht über das hinausgehen, was zur Gewährleistung der Haftzwecke und zur Aufrechterhaltung eines ordnungsgemässen Gefängnisbetriebes erforderlich ist (BGE 124 I 203 E. 2b S. 204 f.; 123 I 221 E. I./4c S. 228 mit Hinweisen). Sie muss auf gesetzlicher Grundlage beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein; zudem dürfen die verfassungsmässigen Freiheitsrechte weder völlig unterdrückt noch ihres Gehaltes als Institution der Rechtsordnung entleert werden (BGE 124 I 40 E. 3a S. 42, 203 E. 2b S. 205; 123 I 221 E. I/4 S. 226). Falls die Voraussetzungen für den Freiheitsentzug in einem formellen Gesetz ausreichend konkretisiert sind, können die Haftbedingungen in einem materiellen Gesetz (Gefängnisreglement) geregelt werden. Zur wirksamen Durchsetzung von Sicherheitsvorschriften kann das Gefängnisreglement auch eine Disziplinarordnung enthalten und für Widerhandlungen angemessene Disziplinarsanktionen vorsehen (BGE 124 I 203 E. 2b S. 205; 118 Ia 64 E. 3r-t S. 88 ff.). Das Gefängnisreglement hat allerdings ein Mindestmass an Klarheit und Regelungsdichte aufzuweisen (BGE 124 I 203 E. 2b S. 205; 123 I 221 E. I/4a S. 226 mit Hinweisen). Die fragliche Rechtsnorm muss ausreichend zugänglich sein, und der Betroffene soll in hinreichender Weise erkennen können, welche rechtlichen Vorschriften auf einen gegebenen Fall anwendbar sind. Das Gesetz muss mithin so präzise formuliert sein, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach ausrichten und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umständen entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 124 I 40 E. 3b S. 43 mit Hinweisen; Urteil 1P.748/2005 des Bundesgerichts vom 14. März 2005 E. 2.1).
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2.2 Gemäss § 30 StVG/ZH erlässt der Regierungsrat Bestimmungen über die Führung der Anstalten, die Rechte und Pflichten der Eingewiesenen und den Vollzug von Freiheitsstrafen. Ziff. 2 der zitierten Norm hält sodann fest, dass die menschliche Würde des Eingewiesenen zu achten und zu schützen ist. Beim Vollzug sind unnötige Einschränkungen, die sich nicht aus dem Freiheitsentzug selber ergeben, zu unterlassen. § 31 StVG/ZH behält bei der Anwendung der Vollzugsgrundsätze von § 30 die Verfolgung des Straf- und Massnahmezweckes, den Schutz des Anstaltspersonals und der Miteingewiesenen sowie die Gebote der öffentlichen Sicherheit in jedem Fall vor. Die Vollzugsgrundsätze finden sich in der JVV/ZH. § 107 JVV/ZH ermächtigt die Amtsleitung des Amtes für Justizvollzug zusammen mit der Direktion der jeweiligen Anstalt zum Erlass von Betriebs- oder Hausordnungen für die Vollzugseinrichtungen. In Bezug auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt legt § 84 Abs. 2 JVV/ZH fest, dass mitgebrachte oder während des Vollzugs erhaltene Gegenstände aus Gründen der Sicherheit, der Ruhe und Ordnung sowie der Gesundheit und Hygiene abgenommen werden können. Die Hausordnung der Strafanstalt Pöschwies (HO) enthält in § 53 Details zu den Einkaufsmöglichkeiten der Insassen. Die Gefangenen können persönlich oder auf Bestellung mit dem ausbezahlten Barbetrag im Laden der Strafanstalt Gegenstände des persönlichen Bedarfs und Genussmittel einkaufen. Die Anstaltsdirektion legt das Warensortiment fest (Abs. 1). Gemäss Abs. 2 gestattet die Anstaltsdirektion den Gefangenen auf Gesuch mittels Hausbrief die Bestellung weiterer Artikel bei Lieferanten ausserhalb der Strafanstalt, wenn die Bezahlung sichergestellt ist und wenn die gewünschten Artikel Ordnung und Sicherheit der Anstalt sowie den Strafzweck nicht gefährden.
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2.3 Nach Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen).
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2.4 Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer die Anstaltsleitung nicht vorgängig mittels des in § 53 Abs. 2 HO vorgesehenen Hausbriefs von der beabsichtigten Bestellung des Headsets in Kenntnis gesetzt hat. Seiner Meinung nach besteht jedoch keine rechtliche Grundlage, um ihm die Herausgabe des Kopfhörers und des Mikrofons zu verweigern.
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Wenn die kantonalen Behörden argumentieren, es sei nicht ausgeschlossen, dass das kleine, transportable Mikrofon des Headsets in missbräuchlicher Art verwendet werde, etwa zur Abhörung von Gesprächen zwischen Mitarbeitenden der Strafanstalt oder zu unerwünschter Kommunikation mit anderen Insassen, ist dies durchaus nachvollziehbar. Wie das Amt für Justizvollzug im kantonalen Verfahren ausgeführt hat, lässt sich ein mobiles Mikrofon mit einfacher Manipulation an einen portablen Tonträger anschliessen (Kleingeräte für Musikkassetten, Disc-Man- und Mini-Disc-Geräte etc.), was wiederum die heimliche Aufnahme von Gesprächen ermöglichen kann (Vernehmlassung des Amtes für Justizvollzug vom 9. September 2005). Mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung und gestützt auf die in E. 2.2 erwähnten rechtlichen Grundlagen, durften die kantonalen Behörden die Verwendung des Headsets aus Sicherheitsgründen willkürfrei untersagen. Das vom Beschwerdeführer zitierte PC-Reglement ist in diesem Zusammenhang nicht einschlägig: Ein Headset ist nicht zwingend Bestandteil einer PC-Anlage, es kann auch an Musikgeräte angeschlossen werden. Zudem stösst sich die Anstaltsleitung nicht am Headset als solchem, sondern lediglich am Mikrofon. Dass die Zulässigkeit mobiler Mikrofone nicht im PC-Reglement normiert wird, ist naheliegend.
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2.5 Selbst wenn das Sprachstudium durch die Verwendung eines Headsets erleichtert würde, ist es dem Beschwerdeführer trotzdem möglich, auch ohne dieses Hilfsmittel einen Spanischkurs zu absolvieren. Dass er dazu allenfalls auf eine andere Lerntechnik zurückgreifen muss, ist zumutbar. Zudem werden von der Anstalt Kurse in Italienisch und Englisch angeboten, welche ebenfalls der von ihm angestrebten Resozialisierung dienen. Die Weigerung, dem Beschwerdeführer das Headset auszuhändigen, erscheint jedenfalls nicht unverhältnismässig. Auch verstösst es nicht gegen das Gleichheitsgebot, wenn in der Abteilung für Suchtprobleme (ASP) Headsets ausnahmsweise zugelassen werden. Wie die Anstaltsleitung in ihrer Vernehmlassung an das Amt für Justizvollzug vom 2. September 2005 aufgezeigt hat, sind die dortigen Insassen stärker in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und können insbesondere nicht an den Sprachkursen im Sozialzentrum der Anstalt teilnehmen. Die wenigen Bewilligungen bleiben auf diesen eng begrenzten Bereich beschränkt. Sobald ein Insasse der ASP in den Normalvollzug wechselt, muss er das Headset abgeben (siehe Vernehmlassung der Anstaltsleitung vom 2. September 2005 S. 2). Der Direktion der Justiz und des Innern ist darin zuzustimmen, dass die vom Beschwerdeführer gerügte Ungleichbehandlung auf sachlichen Gründen beruht und nicht zu beanstanden ist (vgl. BGE 131 I 91 E. 3.4 S. 103; 129 I 346 E. 6 S. 357, je mit Hinweisen).
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3.
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Daraus ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Mit Blick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ist indes von der Erhebung von Kosten abzusehen (vgl. Art. 153a und 154 OG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (Art. 159 Abs. 2 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Parteientschädigungen werden keine zugesprochen.
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4.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Direktion der Strafanstalt Pöschwies, dem Amt für Justizvollzug, Amtsleitung, und der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Februar 2006
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Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:
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