BGer 2C_60/2007 |
BGer 2C_60/2007 vom 10.04.2007 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2C_60/2007 /leb
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Urteil vom 10. April 2007
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II. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Wurzburger, Müller,
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Gerichtsschreiber Hugi Yar.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Migrationsdienst des Kantons Bern,
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Eigerstrasse 73, 3011 Bern,
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Haftgericht III Bern-Mittelland,
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Amthaus, Hodlerstrasse 7, 3011 Bern.
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Gegenstand
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Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG),
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Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 14. Februar 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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X.________ (geb. 1979) stammt aus der Republik Benin. Das Bundesamt für Migration wies am 28. Juli 2005 sein Asylgesuch ab und forderte ihn auf, das Land bis zum 22. September 2005 zu verlassen. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde an die Schweizerische Asylrekurskommission blieb ohne Erfolg (Urteil vom 11. Oktober 2005), ebenso ein Revisionsgesuch vom 26. Januar 2006 (Urteil vom 10. April 2006).
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B.
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Am 6. Februar 2007 wurde X.________ im Durchgangszentrum Y.________ angehalten, nachdem für ihn ein vom 12. Januar 2007 bis 11. Februar 2007 gültiger Laissez-passer hatte erhältlich gemacht werden können. X.________ weigerte sich jedoch am 9. Februar 2007, in Genf den Rückflug in seine Heimat anzutreten, worauf die Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern-Mittelland seine Festhaltung am 14. Februar 2007 prüfte und bis zum 12. Mai 2007 bestätigte.
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C.
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X.________ ist am 12. März 2007 mit einem Schreiben an das Haftgericht III Bern-Mittelland gelangt, worin er dieses sinngemäss ersuchte, den Haftentscheid noch einmal zu überprüfen. Die Eingabe wurde zuständigkeitshalber an das Bundesgericht weitergeleitet. Der Migrationsdienst, das Haftgericht und das Bundesamt für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen. X.________ hat sich zu den Vernehmlassungen innert Frist nicht mehr geäussert.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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Der angefochtene Entscheid erging am 14. Februar 2007 und damit nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110, AS 2006 1205 ff.); die vorliegende Eingabe ist somit als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen und zu erledigen (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). Da das Wegweisungsverfahren des Beschwerdeführers am 1. Januar 2007 noch hängig war, beurteilt sich die Zulässigkeit seiner Ausschaffungshaft materiell nach den verschärften Bestimmungen gemäss den Änderungen des Asylgesetzes vom 16. Dezember 2005 (AS 2006 S. 4745 ff., dort S. 4769; BGE 133 II 1 E. 4 und 5; Jürg Schertenleib, Zur Teilrevision des Asylgesetzes, in: Asyl 1/06 S. 26 ff.).
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2.
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2.1 Nach Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG kann die zuständige Behörde einen Ausländer zur Sicherstellung des Vollzugs des ihm eröffneten erstinstanzlichen Weg- oder Ausweisungsentscheids in Ausschaffungshaft nehmen, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass er sich der Ausschaffung entziehen will, insbesondere weil er seinen gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft sind spätestens nach 96 Stunden durch die zuständige richterliche Behörde zu überprüfen (Art. 13c Abs. 2 ANAG).
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2.2 Der Beschwerdeführer hat wiederholt erklärt, nicht in seine Heimat zurückkehren zu wollen, und sich am 9. Februar 2007 geweigert, freiwillig den für ihn gebuchten Rückflug nach Cotonou (Benin) anzutreten; es besteht bei ihm somit Untertauchensgefahr im Sinne der Rechtsprechung zu Art. 13b Abs. 1 lit. c ANAG (BGE 130 II 56 E. 3.1 S. 58 f. mit Hinweisen). Die Asyl- und Wegweisungsfrage bildet nicht Gegenstand des Haftprüfungsverfahrens, weshalb auf die diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht weiter einzugehen ist; Anhaltspunkte dafür, dass seine Wegweisung offensichtlich unhaltbar wäre, bestehen nicht; nur in diesem Fall wäre die Haftgenehmigung allenfalls zu verweigern gewesen (BGE 130 II 56 E. 2; 128 II 193 E. 2.2; 125 II 217 E. 2 S. 220).
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2.3
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Entgegen den Ausführungen im angefochtenen Entscheid, wurde die Festhaltung des Beschwerdeführers jedoch zu spät richterlich geprüft:
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2.3.1 Der Beschwerdeführer ist am 6. Februar 2007 im Hinblick auf den für ihn für den 9. Februar 2007 gebuchten Rückflug nach Cotonou (Benin) in Haft genommen worden; ab diesem Zeitpunkt lief die Frist von 96 Stunden gemäss Art. 13c Abs. 2 ANAG und nicht erst ab dem 9. oder ab dem 13. Februar 2007, als der Migrationsdienst den Beschwerdeführer erneut (formell) in Haft nahm bzw. dem Haftgericht beantragte, dessen Festhaltung zu bestätigen (BGE 127 II 174 E. 2). Der Migrationsdienst darf einen Ausländer bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäss Art. 13b ff. ANAG während 96 Stunden ohne richterliche Prüfung festhalten, wenn er aufgrund der konkreten Umstände davon ausgehen kann, dass der Vollzug der Wegweisung innert dieser Frist möglich sein wird; andernfalls muss er dafür sorgen, dass die haftrichterliche Prüfung rechtzeitig erfolgt, d.h. innert 96 Stunden ab der ausländerrechtlich motivierten Festhaltung des Betroffenen (Urteil 2A.520/1999 vom 25. Oktober 1999, E. 2 mit zahlreichen Hinweisen; Hugi Yar, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/ Münch/Geiser/Arnold, Ausländerrecht, Basel/Genf/München 2002, Rz. 7.14; Alain Wurzburger, La jurisprudence récente du Tribunal fédéral en matière de police des étrangers, in: RDAF 53/1997 I S. 337).
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2.3.2 Der Beschwerdeführer wurde am 6. Februar 2007 (Dienstag) in dem ihm zugewiesenen Durchgangszentrum verhaftet, wobei er gemäss Aktennotiz vom 7. Februar 2007 erklärt hat, nicht freiwillig in das Flugzeug nach Cotonou (Benin) zu steigen ("Er hat [...] erklärt, dass er unter keinen Umständen in sein Heimatland zurückkehren werde. Hat sich dabei sehr renitent und unkooperativ verhalten"). Am 9. Februar 2007 (Freitag) hielt der Ausländer- und Bürgerrechtsdienst der Kantonspolizei Bern fest, dass der Beschwerdeführer - "wie anzunehmen war" - den Einstieg ins Flugzeug in Genf verweigert habe. Unter diesen Umständen durften die Berner Behörden mit der Haftprüfung nicht bis zum 14. Februar 2007 (Mittwoch) zuwarten. Die Frist für diese lief am 10. Februar 2007 (Samstag) ab und konnte nicht um weitere 96 Stunden überschritten werden, nachdem voraussehbar gewesen war, dass der Beschwerdeführer sich renitent verhalten würde. Die Haftprüfung hätte vor dem Wochenende des 10./11. Februar 2007 stattfinden bzw. der Beschwerdeführer nach seiner Überstellung von Genf unverzüglich dem Pikettrichter vorgeführt werden müssen (vgl. Urteil 2A.520/1999 vom 25. Oktober 1999, E. 2b/bb).
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2.3.3 Zwar führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Haftentlassung; nach der Rechtsprechung kommt es vielmehr einerseits darauf an, welche Bedeutung den verletzten Vorschriften für die Wahrung der Rechte des Betroffenen zukommt, andererseits kann das Anliegen einer reibungslosen Durchsetzung der Ausschaffung der Freilassung entgegenstehen, wenn der Ausländer die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährdet (vgl. BGE 121 II 105 E. 2c S. 109, 110 E. 2a S. 113). Dies ist hier nicht der Fall: Der Beschwerdeführer ist - abgesehen davon, dass er nicht ausreiste - in der Schweiz nicht straffällig geworden. Er hat sich den Behörden in dem ihm zugewiesenen Durchgangszentrum zur Verfügung gehalten; auch ist er offenbar Ausreisegesprächen nie unentschuldigt ferngeblieben. Ab Dezember 2005 hat er sich an einem freiwilligen Arbeitseinsatz der Asylkoordination Bern beteiligt, wobei er als pünktlich, kooperativ und angenehm im Umgang bezeichnet wurde. Zwar hat der Beschwerdeführer die Überschreitung der Frist von 96 Stunden insofern zu verantworten, als er am 9. Februar 2007 nicht bereit gewesen ist, freiwillig auszureisen, dies war jedoch - wie dargelegt - voraussehbar, weshalb es am Migrationsdienst gelegen hätte, sicherzustellen, dass die Haft umgehend richterlich geprüft werden konnte. Der Anspruch auf - rechtzeitige - richterliche Prüfung der Ausschaffungshaft bzw. von deren Verlängerung in einer mündlichen Verhandlung stellt die zentrale prozessuale Garantie dar, welche vor willkürlichem Entzug der Freiheit schützen soll (BGE 121 II 110 E. 2b S. 113; vgl. Hugi Yar, a.a.O., Rz. 7.34). Art. 13c Abs. 2 ANAG ist zwingender Natur und nicht blosse Ordnungsvorschrift (Urteil 2A.520/1999 vom 25. Oktober 1999, E. 2b/bb mit Hinweis); es rechtfertigt sich deshalb, die umgehende Freilassung des Beschwerdeführers anzuordnen.
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3.
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Die Beschwerde ist somit gutzuheissen, der angefochtene Entscheid aufzuheben und der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen. Die kantonalen Behörden haben mit dem Bundesamt für Migration im Hinblick auf den Ende April bzw. Ende Mai geplanten Sonderflug weiter alles Nötige vorzukehren, um den Beschwerdeführer möglichst rasch ausschaffen zu können. Es steht ihnen dabei frei, diesen zu verpflichten, sich für weitere Abklärungen zur Verfügung zu halten, und gegebenenfalls die hierfür erforderlichen Massnahmen anzuordnen (vgl. etwa eine Eingrenzung gemäss Art. 13e Abs. 1 lit. b oder eine Inhaftierung gemäss Art. 13i ANAG in der Fassung vom 16. Dezember 2005). Es sind keine Gerichtsgebühren und keine Parteientschädigungen geschuldet (vgl. Art. 66 Abs. 4 und Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid vom 14. Februar 2007 der Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern-Mittelland aufgehoben. Der Beschwerdeführer ist unverzüglich aus der Haft zu entlassen.
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2.
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Es werden keine Kosten erhoben.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Migrationsdienst des Kantons Bern (diesem vorab auch per Fax) und dem Haftgericht III Bern-Mittelland sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 10. April 2007
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
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