BGer 2C_106/2007 |
BGer 2C_106/2007 vom 24.07.2007 |
Tribunale federale
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{T 0/2}
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2C_106/2007 /zga
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Urteil vom 24. Juli 2007
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II. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Hungerbühler, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Wurzburger, Bundesrichter Karlen,
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Gerichtsschreiber Merz.
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Parteien
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X.________,
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Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
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Werner Greiner,
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gegen
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Regierungsrat des Kantons Zürich,
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Kaspar Escher-Haus, 8090 Zürich,
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Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Kammer, Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.
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Gegenstand
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Widerruf der Niederlassungsbewilligung,
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Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 4. Kammer, vom 21. Februar 2007.
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Sachverhalt:
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A.
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Der aus Pakistan stammende X.________ (geb. 1969) reiste im Jahre 1992 erstmals in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Dieses wurde mit Verfügung vom 28. März 1995 abgewiesen, welche die Schweizerische Asylrekurskommission mit Urteil vom 3. Juli 1997 letztinstanzlich bestätigte. Innerhalb der anschliessend bis Mitte Oktober 1997 gesetzten Ausreisefrist verliess X.________ das Land nicht. Am 25. Mai 1998 heiratete er eine ursprünglich aus Thailand stammende Schweizer Bürgerin (geb. 1963), worauf ihm im Oktober 1998 eine später mehrmals verlängerte Aufenthaltsbewilligung für den Kanton Zürich zum Verbleib bei der Ehefrau erteilt wurde. Zwischenzeitlich war er mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 7. Juli 1998 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu 18 Monaten Gefängnis bedingt verurteilt worden.
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B.
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Am 17. März 2003 stellte X.________ ein Gesuch um Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, dem am 11. April 2003 entsprochen wurde. Am 19. Mai 2003 reichten er und seine Schweizer Ehefrau ein gemeinsames Scheidungsbegehren ein. Mit Urteil vom 27. August 2003 wurde die kinderlos gebliebene Ehe geschieden, worauf die frühere Ehefrau am 20. September 2003 in Bangladesh einen dortigen Staatsbürger heiratete. X.________ schloss am 4. Oktober 2003 in seiner Heimat die Ehe mit einer Landsfrau. Diese gebar am 6. Mai 2004 einen gemeinsamen Sohn. Am 23. August 2004 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Niederlassungsbewilligung von X.________ und setzte ihm eine Frist zum Verlassen des Kantonsgebiets bis Ende November 2004. Die hiegegen im Kanton erhobenen Rechtsmittel an den Regierungsrat (Beschluss vom 20. September 2006) und an das Verwaltungsgericht (Entscheid vom 21. Februar 2007) blieben erfolglos.
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C.
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Am 30. März 2007 hat X.________ beim Bundesgericht Beschwerde eingereicht. Er beantragt, den Entscheid des Verwaltungsgerichts aufzuheben und von einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung abzusehen.
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D.
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Das Verwaltungsgericht verzichtet ausdrücklich auf eine Vernehmlassung. Für den Regierungsrat beantragt die Staatskanzlei des Kantons Zürich Abweisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt das Bundesamt für Migration.
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E.
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Mit Verfügung vom 9. Mai 2007 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde - antragsgemäss - aufschiebende Wirkung zuerkannt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.
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1.1 Der angefochtene Entscheid des Verwaltungsgerichts ist nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ergangen, weshalb dieses Gesetz und nicht mehr das Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG; BS 3 531) anwendbar ist (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).
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1.2 Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG). Der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung steht nicht im freien Ermessen der Behörden, sondern ist nur zulässig, wenn die entsprechenden bundesrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. nachfolgende E. 2). Der Beschwerdeführer hat daher grundsätzlich einen Anspruch auf den Fortbestand der erteilten Bewilligung; demzufolge ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Widerrufsentscheide zulässig (vgl. für den Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung Urteil 2C_21/2007 vom 16. April 2007, E. 1.2). Das nicht näher bezeichnete Rechtsmittel ist als solche entgegenzunehmen.
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2.
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Gemäss Art. 7 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142.20) hat der ausländische Ehegatte eines Schweizer Bürgers Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung. Des Weiteren hat er nach einem ordnungsgemässen und ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren Anspruch auf die Niederlassungsbewilligung (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG). Wegen Rechtsmissbrauchs besteht indessen dann kein Bewilligungsanspruch, wenn die Ehe eingegangen worden ist, um die Vorschriften über Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und namentlich jene über die Begrenzung der Zahl der Ausländer zu umgehen (sog. Scheinehe; Art. 7 Abs. 2 ANAG). Rechtsmissbrauch ist auch gegeben, wenn die Ehe, auf welche sich der Ausländer im Verfahren um Erteilung einer fremdenpolizeilichen Anwesenheitsbewilligung beruft, nur (noch) formell und ohne Aussicht auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme einer ehelichen Gemeinschaft besteht (BGE 128 II 145 E. 2 S. 151 mit Hinweisen).
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Eine einmal erteilte Niederlassungsbewilligung erlischt nicht automatisch mit dem Wegfall der Ehe; sie kann jedoch widerrufen werden, allerdings nicht nach den allgemeinen Regeln über den Widerruf, sondern nur unter den Voraussetzungen von Art. 9 Abs. 4 ANAG (BGE 112 Ib 161 E. 3 S. 162 f., 473 E. 2 S. 475). Dies setzt voraus, dass der Ausländer die Niederlassungsbewilligung "durch falsche Angaben oder wissentliches Verschweigen wesentlicher Tatsachen erschlichen hat" (Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG).
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3.
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Die Vorinstanzen sind der Ansicht, der Beschwerdeführer habe bei Einreichung seines Gesuchs um Erteilung der Niederlassungsbewilligung im März 2003 wissentlich wesentliche Tatsachen verschwiegen. Er habe die Behörden nämlich nicht darüber informiert, dass er nicht mehr mit seiner damaligen Schweizer Ehefrau zusammenlebte.
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Ein solches Verhalten bildet einen Widerrufsgrund nach Art. 9 Abs. 4 lit. a ANAG (vgl. Urteile 2A.57/2002 vom 20. Juni 2002, E. 2.2 und 4.1, publ. in: Pra 2002 Nr. 165 S. 889; 2A.346/2004 vom 10. Dezember 2004, E. 2.2, publ. in: Pra 2005 Nr. 100 S. 716, je mit zahlreichen Hinweisen). Der Beschwerdeführer stellt dies an sich nicht in Frage. Er meint indes, die Feststellungen zum Getrenntleben erwiesen sich als offensichtlich unrichtig. Gemäss einer bei den Akten befindlichen Anzeige vom 27. Mai 2003 sei die Ehefrau erst am 26. Mai 2003 aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Letztere habe anlässlich ihrer Einvernahme durch die Stadtpolizei am 11. Mai 2004 zudem selber erklärt, sie sei bis zum erwähnten Datum zusammen mit dem Ehemann an der gleichen Adresse angemeldet gewesen und habe bloss "nicht mehr immer" in der gleichen Wohnung gewohnt. Das entspreche exakt seiner Darstellung, wonach seine Ehefrau dann nicht nach Hause kehrte, wenn sie während der Nacht arbeitete.
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4.
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Gemäss Art. 97 Abs. 1 BGG kann vor Bundesgericht die unrichtige Feststellung des Sachverhalts nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann.
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Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers noch aus den Akten ist ersichtlich, dass die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich falsch festgestellt hätte. Anlässlich der soeben erwähnten polizeilichen Einvernahme gab die frühere Ehefrau auf zwei unterschiedliche Fragen an, vor der Scheidung (im August 2003) seit über einem Jahr vom Beschwerdeführer getrennt gewesen zu sein (vgl. Ziff. 12 und 59 des Einvernahmeprotokolls). Ausserdem erklärte sie an anderer Stelle, über drei Jahre mit dem Beschwerdeführer gelebt zu haben; als sie dann eine Arbeit gefunden habe, habe sie sich von ihm getrennt. Anlässlich einer späteren schriftlichen Befragung (im April 2005) durch die Staatskanzlei bestätigte sie erneut, schon lange vor Beantragung der Niederlassungsbewilligung nicht mehr mit dem Beschwerdeführer zusammengelebt zu haben (act. 47 der Akten des Migrationsamtes). Auch wenn die dortigen Angaben nicht in allen Einzelheiten mit den früher zu Protokoll gegebenen Angaben übereinstimmen, so decken sie sich doch im Wesentlichen. Zudem sind keine Gründe ersichtlich, warum die Ehefrau falsche Angaben zulasten des Beschwerdeführers machen sollte. Mit Blick auf die weiteren Umstände - unter anderem gemeinsamer Scheidungsantrag bereits am 19. Mai 2003 und kurzfristige anderweitige Wiederheirat - ist mit den Vorinstanzen davon auszugehen, dass die Eheleute seit geraumer Zeit nicht mehr zusammenlebten bzw. keine eheliche Gemeinschaft mehr bestand, als der Beschwerdeführer am 17. März 2003 die Niederlassungsbewilligung beantragte. Dass die Ehefrau noch bis zum 26. Mai 2003 an der gleichen Adresse wie der Beschwerdeführer angemeldet war, heisst nicht, dass die Eheleute bis zur förmlichen Abmeldung (durch den Beschwerdeführer) noch tatsächlich zusammenlebten. Unter anderem wurde in der Rechtsschrift vom 9. Mai 2003, welche das gemeinsame Scheidungsbegehren enthielt, auch schon eine neue Adresse der Ehefrau angegeben. Nach dem Gesagten ist es nicht glaubhaft und widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, wenn der Beschwerdeführer vorbringt, aus seiner Sicht sei die Ehe bis Mai 2003 nicht zerrüttet gewesen, weswegen für ihn keine Veranlassung bestanden habe, etwas über den Zustand der Ehe mitzuteilen.
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5.
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Das Vorliegen eines Widerrufsgrundes führt nicht zwingend dazu, dass die Niederlassungsbewilligung zu widerrufen ist. Vielmehr ist den besonderen Umständen des Einzelfalles angemessen Rechnung zu tragen (BGE 112 Ib 473 E. 4 und 5 S. 477 ff.; erwähntes Urteil 2A.57/2002, E. 4.3, publ. in: Pra 2002 Nr. 165).
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Der Beschwerdeführer weist vor allem darauf hin, dass er seit bald 15 Jahren in der Schweiz lebt und einer geregelten Arbeit nachgeht. Auch fällt er der öffentlichen Hand derzeit nicht zur Last.
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Die Vorinstanzen halten dem jedoch zurecht entgegen, dass der Beschwerdeführer zuvor 23 Jahre in seiner Heimat gelebt hat und mit den dortigen Verhältnissen vertraut ist. Das zeigt sich auch darin, dass die Ehe mit der Landsfrau seinen Angaben zufolge nach den Traditionen in seiner Heimat geschlossen wurde: Seine Eltern sollen für ihn die Braut ausgesucht haben, welche er am Hochzeitstag zum ersten Mal sah. Sodann lebt diese mit dem gemeinsamen Kind in Pakistan, ebenso die Eltern des Beschwerdeführers. In den Jahren 1996, 1998 und 1999 wurde der Beschwerdeführer einmal zu 10 Tagen, dann zu 18 Monaten und schliesslich zu 21 Tagen Gefängnis verurteilt. Auch wenn die betreffenden Straftaten schon einige Jahre zurückliegen und der Beschwerdeführer seither nicht mehr strafrechtlich aufgefallen ist, sind sie beim Entscheid über den Widerruf mitzuberücksichtigen. Von den bald 15 Jahren in der Schweiz entfielen fünf auf die Zeit als Asylbewerber, wobei er sein Gesuch unter Angabe einer falschen Identität und Nationalität gestellt hatte. Nachdem sein Asylgesuch letztinstanzlich abgewiesen worden war und er auszureisen hatte, hielt er sich knapp ein Jahr unerlaubt in der Schweiz auf. Rund weitere drei Jahre fallen in die Zeit seit dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung durch das Migrationsamt. Inwiefern der Beschwerdeführer neben seiner Arbeit in der Schweiz gut integriert sein soll, legt er mit keinem Wort dar, obwohl ihn insoweit die Darlegungslast trifft, da es sich um Umstände handelt, über die er am besten Bescheid weiss (vgl. BGE 124 II 361 E. 2b S. 365). Schliesslich konnte er sich aufgrund der hiervor beschriebenen Verhältnisse (siehe oben E. 4) vor Ablauf der Fünfjahresfrist nach Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG nur noch auf eine formell bestehende Ehe berufen. Bei korrektem Verhalten (Bekanntgabe des Zustands der Ehe mit der Schweizer Bürgerin) musste er demnach damit rechnen, dass ihm im Jahre 2003 die Niederlassungsbewilligung nicht erteilt und möglicherweise auch seine damalige Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert worden wäre (vgl. E. 2 hiervor). Wie der Regierungsrat zutreffend bemerkt, wurde das gemeinsame Scheidungsbegehren im Übrigen noch vor Ablauf des fünften Ehejahres eingereicht. Insgesamt erweist sich daher der Widerruf der Niederlassungsbewilligung als verhältnismässig.
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6.
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Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist damit nicht bundesrechtswidrig, so dass die Beschwerde als unbegründet abzuweisen ist. Dem unterlegenen Beschwerdeführer sind daher die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens aufzuerlegen (Art. 65 f. BGG). Parteientschädigungen werden keine geschuldet (Art. 68 Abs. 2 und 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht, 4. Kammer, des Kantons Zürich sowie dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. Juli 2007
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
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