BGer 9C_145/2008
 
BGer 9C_145/2008 vom 24.06.2008
Tribunale federale
{T 0/2}
9C_145/2008
Urteil vom 24. Juni 2008
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Seiler,
Gerichtsschreiber Ettlin.
Parteien
K.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch CAP Rechtsschutz,
Laupenstrasse 27, 3001 Bern,
gegen
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern
vom 17. Januar 2008.
Sachverhalt:
A.
Die 1949 geborene K.________ meldete sich am 1. Mai 2003 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern verneinte mit Verfügung vom 3. Juni 2004 einen Anspruch auf eine Invalidenrente, woran sie mit Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2004 festhielt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, hiess mit Entscheid vom 26. November 2004 die Beschwerde in dem Sinne gut, als es die Sache zur Durchführung einer interdisziplinären Begutachtung an die IV-Stelle zurückwies, welche die Medizinische Abklärungsstelle (MEDAS) am Spital X.________ mit der Begutachtung rheumatologischer und psychiatrischer Fachrichtung beauftragte. Gestützt auf das Gutachten vom 1. Juni 2006 und in Anwendung der gemischten Methode verfügte die IV-Stelle Bern am 20. Oktober 2006 erneut die Ablehnung eines Rentenanspruches.
B.
Die von K.________ hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 17. Januar 2008 ab.
C.
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei, unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides, mindestens eine Dreiviertelrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Durchführung zusätzlicher Abklärungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme.
Erwägungen:
1.
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).
2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG) und den Umfang des Rentenanspruches (Art. 28 Abs. 1 IVG sowohl in der bis zum 31. Dezember 2003 als auch in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) richtig wiedergegeben. Zutreffend sind ferner die Ausführungen zur Invaliditätsbemessung nach der gemischten Methode (Art. 28 Abs. 2ter IVG in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) und zu den Voraussetzungen, welche die Annahme eines invalidisierenden psychischen Gesundheitsschadens erlauben (BGE 131 V 49 E. 1.2 S. 50, 130 V 352 E. 2.2.3 S. 353 f.). Dem angefochtenen Entscheid lässt sich schliesslich korrekt entnehmen, dass es die Aufgabe des Arztes ist, den Gesundheitszustand zu beurteilen sowie zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person Stellung zu nehmen (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261). Darauf kann verwiesen werden.
3.
3.1 In tatsächlicher Hinsicht hat das kantonale Gericht die Feststellung getroffen, die Beschwerdeführerin sei als Teilerwerbstätige zu qualifizieren und sie ginge im Gesundheitsfall einer Erwerbsarbeit im Pensum von 36 % nach. Der Anteil der Arbeit im Haushalt betrage 64 %. Diese Feststellungen rügt die Beschwerdeführerin als offensichtlich falsch, ihr Ehemann sei seit 2002 pensioniert, weswegen sie vorgesehen habe, das Erwerbspensum auf 60 % anzuheben. Die Vorinstanz verwies indessen zu Recht auf die Abklärungsberichte Haushalt vom 17. Mai 2004 und 26. Juli 2006, wonach die Versicherte als Gesunde im bisherigen Ausmass erwerbstätig geblieben wäre. Die anhand dieser Angaben vorgenommene Aufteilung der Haushalt- und Berufstätigkeit ist nicht offensichtlich falsch im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG, zumal sich die nunmehr angeführten Gründe für ein höheres Erwerbspensum bereits vor den Haushaltabklärungen verwirklicht hatten und demzufolge bereits damals hätten vorgebracht werden können und müssen, wären sie von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Das Bundesgericht ist mithin an die vorinstanzlich festgestellte Aufteilung der Anteile von Haushalt (64 %) und Erwerbstätigkeit (36 %) gebunden.
3.2 Ferner beanstandet die Beschwerdeführerin, das kantonale Gericht sei nicht auf das Argument eingegangen, durch die Belastung im Haushalt werde ihre Leistungsfähigkeit im Beruf einschränkend beeinflusst. Nach der Erledigung des Haushaltes verfüge sie über keine Kraft mehr, im Beruf tätig zu sein. Zwar hat das Gericht zur damit aufgeworfenen Frage der Wechselwirkung keine Feststellungen getroffen; hingegen lässt sie sich aufgrund der Aktenlage beantworten, ohne Notwendigkeit, die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Gemäss der Rechtsprechung kann das infolge der Beanspruchung in der Erwerbsarbeit oder im häuslichen Aufgabenbereich im jeweils anderen Tätigkeitsbereich reduzierte Leistungsvermögen nur berücksichtigt werden, wenn es offenkundig ist und ein gewisses normales Mass überschreitet (BGE 134 V 9 E. 7.3.6 S. 14). Allfällige Wechselwirkungen sind stets vom anteilsmässig bedeutenderen zum weniger bedeutenderen Bereich zu berücksichtigen. Weiter gilt, dass eine allenfalls reduzierte Leistungsfähigkeit im erwerblichen Bereich infolge der Beanspruchung im Haushalt lediglich für den Fall beachtet werden kann, falls Betreuungspflichten (gegenüber Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen etc.) vorhanden sind (BGE 134 V 9 E. 7.3.4 und E. 7.3.5 S. 13 f.). Da der Anteil an Arbeit im Haushalt (64 %) höher ist als derjenige im erwerblichen Betätigungsbereich (36 %), wäre in der hier zu beurteilenden Sache eine leistungseinschränkende Wechselwirkung allenfalls für die erwerbliche Beschäftigung von Relevanz; hingegen nur dann, wenn die Haushalttätigkeit mit Betreuungspflichten verbunden ist. Im Rahmen einer ergänzenden Sachverhaltsfeststellung durch das Bundesgericht (Art. 105 Abs. 2 BGG) ergeben sich aus den Akten und insbesondere den Abklärungsberichten Haushalt vom 17. Mai 2004 und 26. Juli 2006 keine Anhaltspunkte auf einen von der Beschwerdeführerin zu bestreitenden Pflegeaufwand. Demzufolge fällt die Berücksichtigung einer allfälligen Wechselwirkung ausser Betracht.
3.3 Das kantonale Gericht hat gestützt auf das Gutachten der MEDAS vom 1. Juni 2006 festgestellt, die Beschwerdeführerin leide nach psychiatrischen Gesichtspunkten an einer Zwangsstörung und an Zwangsgedanken sowie -handlungen (ICD-10 F42.4). Vom begutachtenden Rheumatologen sei ein generalisiertes Fibromyalgie-Syndrom, eine chronische Pandorsalgie und eine Polyarthralgie festgestellt worden. Gemäss Einschätzung des Rheumatologen - so die Vorinstanz weiter - bestehe in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung der Raumpflegerin wie auch in jeder anderen leichten bis mittelschweren Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von 100 % bei einer Leistungseinschränkung von 20 bis 25 %. Aufgrund der psychiatrischen Befunde sei die Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Beschäftigung mit 50 % bei einer Leistungsminderung von 30 % zu veranschlagen. Gegen diese Sachverhaltsfeststellungen bringt die Versicherte keine Einwände vor; insbesondere stimmt sie mit der Vorinstanz darin überein, dass auf das MEDAS-Gutachten abzustellen sei. Das Bundesgericht ist nach dem Gesagten an die angeführten vorinstanzlichen Feststellungen gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG), womit auch erstellt ist, dass die geklagte Symptomatik nicht auf einem organisch-strukturellen Substrat beruht.
4.
4.1 Sodann erwog das kantonale Gericht in Würdigung der Akten und mit Blick auf das diagnostizierte Schmerzsyndrom der Fibromyalgie zutreffend, es sei die in Zusammenhang mit der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung ergangene Rechtsprechung analog anzuwenden (BGE 132 V 65 E. 4.1 S. 70). Diesfalls obliege es dem begutachtenden Psychiater und nicht dem Rheumatologen der Verwaltung und im Streitfall dem Gericht aufzuzeigen, ob und gegebenenfalls inwieweit einer versicherten Person unter Aufbietung allen guten Willens die Überwindung ihrer Schmerzen und die Verwertung ihrer verbleibenden Arbeitsfähigkeit zumutbar ist (vgl. BGE 130 V 352 E. 2.2.4 S. 355). Diese Ausführungen bedürfen insofern der Ergänzung, als sich die Verwaltung - und im Streitfall das Gericht - weder über die medizinischen Tatsachenfeststellungen hinwegsetzen noch die ärztlichen Einschätzungen und Schlussfolgerungen zur (Rest-) Arbeitsfähigkeit unbesehen ihrer konkreten sozialversicherungsrechtlichen Relevanz und Tragweite zu eigen machen darf. Die rechtsanwendenden Behörden haben mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob die ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit auch invaliditätsfremde Gesichtspunkte (insbesondere psychosoziale und soziokulturelle Belastungsfaktoren) mitberücksichtigt, welche vom sozialversicherungsrechtlichen Standpunkt aus unbeachtlich sind (vgl. BGE 127 V 294 E. 5a S. 299; AHI 2000 S. 149 E. 3), und ob die von den Ärzten anerkannte (Teil-)Arbeitsunfähigkeit auch im Lichte der für eine Unüberwindlichkeit der Schmerzsymptomatik massgebenden rechtlichen Kriterien standhält (BGE 130 V 352 E. 2.2.5 S. 356).
4.2 Das vorinstanzliche Gericht stellte auf der Basis des Teilgutachtens vom 3. Mai 2006 der Frau Dr. med. B.________, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Sozialmedizin, fest, die Beschwerdeführerin verfüge grundsätzlich über die zur Schmerzüberwindung erforderlichen Ressourcen. Die Willenskräfte seien allerdings durch die ausgeprägten Zwänge eingeschränkt, weshalb die Schmerzen im Sinne einer Überforderungssymptomatik in Zusammenhang mit der Zwangserkrankung einzuordnen seien. Demzufolge bestimme die psychiatrische Symptomatik das Leiden und sie habe für die Bemessung der Arbeitsfähigkeit als massgebend zu gelten. Die Feststellung der durch die ausgeprägten Zwänge eingeschränkten Willenskräfte hält jedenfalls unter dem Gesichtswinkel der beschränkten Kognition einer Überprüfung stand (Art. 97 Abs. 1 BGG).
4.3 In Anlehnung an die Einschätzung der Frau Dr. med. B.________ erkannte die Vorinstanz auf eine Arbeitsfähigkeit von 50 % mit einer zusätzlichen Leistungsminderung von 30 %. Zwar wirft diese Zumutbarkeitseinschätzung insofern Fragen auf, als sie ausschliesslich in Bezug auf die angestammte Arbeit ergangen ist, und dies mit der Begründung, die Reinigungstätigkeit entspreche den persönlichen Neigungen der Versicherten, weshalb eine andere Beschäftigung nicht zu empfehlen sei. Die Verweistätigkeit richtet sich hingegen grundsätzlich nicht nach der Neigung, sondern der Zumutbarkeit. Eine unter diesem Aspekt zu vermutende höhere Leistungsfähigkeit, als sie von der Vorinstanz angenommen worden ist, hätte indes einen tieferen Invaliditätsgrad als 35 % zur Folge, weshalb sich von einer auf den allgemeinen Arbeitsmarkt bezogenen Leistungseinschätzung im Ergebnis nichts Abweichendes erwarten liesse.
Eine offensichtliche unrichtig festgelegte Leistungsfähigkeitsschätzung vermag das Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zu begründen, es sei die vom Rheumatologen erkannte Einschränkung von 20 bis 25 % kumulativ zu berücksichtigen, da sie im Gutachten zusätzlich zur psychiatrisch ausgewiesenen Einschränkung aufgeführt sei. Korrekt nannte das kantonale Gericht die Umstände, welche die psychiatrische Leistungseinschätzung als die allein ausschlaggebende ausweisen (vgl. E. 4.1 und 4.2 hievor). Daher bindet die vorinstanzlich festgestellte Arbeitsfähigkeit das Bundesgericht (Art. 97 Abs. 1/Art. 105 Abs. 1 BGG).
4.4 Dem angefochtenen Entscheid lässt sich schliesslich überzeugend entnehmen, dass der Abklärungsbericht Haushalt vom 26. Juli 2006 den rechtlichen Anforderungen genügt (vgl. nicht publ. E. 5.1.1 des Urteils BGE 134 V 9, mit Hinweisen). Insbesondere ist darin auch die psychiatrische Begutachtung berücksichtigt. Es sind keine Anhaltspunkte für offensichtliche Fehleinschätzungen der Abklärungsperson erkennbar, welche einen richterlichen Ermessenseingriff erforderlich machten. Namentlich führte die Vorinstanz zu Recht aus, dass es sich bei der Haushaltabklärung um einen Betätigungsvergleich handelt. Daher ist für die Bemessung der Leistungsfähigkeit nicht die ärztliche Zumutbarkeitseinschätzung für sich allein massgebend. Ebenso lässt sich die Bewertung des vorinstanzlichen Gerichtes nicht beanstanden, wonach die angenommenen Einschränkungen in den einzelnen Tätigkeitsbereichen im Rahmen der medizinischen Befunde liegen.
5.
Die Beschwerdeführerin bemängelt den von Verwaltung und Vorinstanz gewährten Leidensabzug von 10 % als zu niedrig. Die Höhe des leidensbedingten Abzuges (vgl. dazu BGE 126 V 75) ist indessen eine typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das kantonale Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). Das kantonale Gericht hat schlüssig begründet, weshalb ein über 10 % gehender Abzug nicht gerechtfertigt ist. Eine fehlerhafte Ermessensausübung liegt nicht vor.
6.
Da der rechtserhebliche Sachverhalt rechtsgenüglich abgeklärt worden ist, durfte die Vorinstanz ohne Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes auf die Anordnung weiterer Beweismassnahmen in antizipierter Beweiswürdigung verzichten (vgl. BGE 124 V 90 E. 4b S. 94, 122 V 157 E. 1d S. 162). Dem Eventualantrag, es sei die Sache zur Vornahme ergänzender Abklärungen zurückzuweisen, ist daher nicht stattzugeben. Die vom kantonalen Gericht in Anwendung der gemischten Invaliditätsbemessungsmethode bundesrechtskonform ermittelte Gesamtinvalidität von 35 % vermag keinen Anspruch auf eine Invalidenrente zu begründen.
7.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 Abs. 4 lit. a, Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Eidgenössische Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 24. Juni 2008
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Meyer Ettlin