BGer 2C_613/2008
 
BGer 2C_613/2008 vom 23.09.2008
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_613/2008
Urteil vom 23. September 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Karlen,
Gerichtsschreiber Küng.
Parteien
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Daniel Tschopp,
gegen
Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt.
Gegenstand
Ausschaffungshaft,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, vom 31. Juli 2008.
Sachverhalt:
A.
Die türkischen Staatsangehörigen A.________ (geb. 1967), B.________ (geb. 1982) und C.________ (geb. 1990) wurden am 29. Juli 2008 bei der versuchten Ausreise im Auto von der Schweiz nach Deutschland am Grenzübergang Lörrach-Stetten kontrolliert. Der Fahrer des Fahrzeuges legte bei der Kontrolle neben seinem deutschen Pass zwei türkische Pässe vor und erklärte, bei den Beifahrern handle es sich um seine Frau, seine erwachsene Tochter und seinen minderjährigen Sohn; letzterer habe keinen eigenen Pass und sei im Pass seiner Mutter aufgeführt. Er gab an, aus der Türkei zu kommen, wo er und seine Familie länger Urlaub gemacht hätten. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Beifahrer nicht die Personen waren, auf welche die Pässe ausgestellt worden sind, wurde u.a. A.________ in die Schweiz zurückgewiesen. Nach ihrer Entlassung aus der Untersuchungshaft verfügte das Migrationsamt des Kantons Basel-Stadt ihre Wegweisung aus der Schweiz; zu deren Sicherstellung wurde die Ausschaffungshaft für eine Dauer von drei Monaten angeordnet. Am 31. Juli 2008 bestätigte die Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht des Kantons Basel-Stadt die Rechtmässigkeit und Angemessenheit der Haft.
B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. August 2008 beantragt A.________ dem Bundesgericht, den Haftentscheid aufzuheben und sie umgehend aus der Haft zu entlassen.
Das Migrationsamt und die Haftrichterin des Kantons Basel-Stadt beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
Das Bundesamt für Migration hat von einer Stellungnahme abgesehen; es äusserte sich hingegen, da die Beschwerdeführerin am 5. August 2008 ein Asylgesuch gestellt hat, zur Frage der Dauer eines allfälligen Asylverfahrens.
Die Beschwerdeführerin hat sich am 12. September 2008 nochmals abschliessend vernehmen lassen.
Erwägungen:
1.
Gegen den kantonal letztinstanzlichen Entscheid über die Anordnung der Ausschaffungshaft steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG an das Bundesgericht offen. Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als zulässig.
2.
2.1 Die Beschwerdeführerin beruft sich noch auf die Bestimmungen des aufgehobenen Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), obwohl die angefochtene Haft zu Recht gestützt auf das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer (AuG) angeordnet wurde. In ihrer Vernehmlassung macht sie nunmehr geltend, es sei richtigerweise auf die entsprechenden neuen Vorschriften des Ausländergesetzes abzustellen.
2.2 Nach Art. 76 Abs. 1 AuG kann die zuständige Behörde einen Ausländer, dem ein erstinstanzlicher Weg- oder Ausweisungsentscheid eröffnet wurde, zur Sicherstellung des Vollzugs in Ausschaffungshaft nehmen, wenn ein im Gesetz genannter Haftgrund erfüllt ist. Ein solcher liegt insbesondere vor, wenn konkrete Anzeichen befürchten lassen, dass sich der Ausländer der Ausschaffung entziehen will (sog. Untertauchensgefahr; vgl. Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG). Die für den Vollzug notwendigen Vorkehren sind umgehend zu treffen (Art. 76 Abs. 4 AuG), und die Haft ist unter anderem dann zu beenden, wenn sich erweist, dass der Vollzug aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen undurchführbar ist (Art. 80 Abs. 6 lit. a AuG).
3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt zunächst eine falsche bzw. unvollständige Feststellung des Sachverhalts.
3.2 Unerheblich ist die teilweise unkorrekte Wiedergabe ihres Familiennamens im angefochtenen Entscheid und in den Akten. Die fehlerhafte Schreibweise ist auf Aussagen des Fahrers und die eigenen Angaben der Beschwerdeführerin in den Befragungen zurückzuführen; sie hat diese nie korrigiert. Es ist indessen weder dargelegt noch ersichtlich, inwiefern sich dieser Umstand zu Ungunsten der Beschwerdeführerin auf die Sachverhaltsfeststellung ausgewirkt hätte.
3.3 Die Vorinstanz hat festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin mit einem Pass ausgewiesen habe, der ihr nicht zustehe. Aus den Akten ergibt sich, dass der Fahrer des Fahrzeuges beim Grenzübertritt neben seinem eigenen auch die Pässe der beiden Frauen vorlegte. Dies entspricht dem üblichen Vorgehen bei Grenzkontrollen, wenn sich mehrere Personen in einem Fahrzeug befinden. Dass nicht sie selber, sondern der Fahrer den falschen Pass vorgelegt hat, ist unerheblich, da sie sich das Handeln des Fahrers in der gegebenen Situation anrechnen lassen muss. Unter diesen Umständen ist auch der von der Vorinstanz daraus gezogene Schluss, es könne auf Grund dieses Handelns nicht angenommen werden, dass sie sich an Weisungen der Behörde halten würde, keineswegs unhaltbar.
3.4 Die Vorinstanz hat deshalb den Haftgrund der Untertauchensgefahr (Art. 76 Abs. 1 lit. b Ziff. 3 AuG) mit Blick auf die verwendete falsche Identität sowie die auch nach Darstellung der Beschwerdeführerin falschen ersten Aussagen zu Recht bejaht.
4.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente der politischen Verfolgung im Heimatstaat (Beschwerde Ziff. 7) werden im inzwischen hängigen Asylverfahren zu prüfen sein. In jenem Verfahren, welches nach den Angaben des Bundesamtes für Migration prioritär behandelt wird, wurde die Beschwerdeführerin am 5. September 2008 angehört. Das Bundesamt führte dazu aus, falls keine weiteren Untersuchungsmassnahmen erforderlich seien, könne wenige Tage nach der Befragung der zweiten Mitfahrerin (am 9. September 2008) mit einem Asylentscheid gerechnet werden.
Es ist unter diesen Umständen in absehbarer Zeit mit dem Abschluss des Asylverfahrens und gegebenenfalls mit dem Vollzug der Wegweisung zu rechnen. Die Beschwerdeführerin bringt keine triftigen Gründe vor, die für die Undurchführbarkeit des Vollzugs sprechen oder gestützt auf welche praktisch feststünde, dass er sich innert vernünftiger Frist kaum realisieren liesse: Nur falls keine oder bloss eine höchst unwahrscheinliche, rein theoretische Möglichkeit besteht, die Wegweisung auch zu vollziehen, ist die Haft aufzuheben. Daran gebricht es hier offensichtlich.
5.
Die Beschwerdeführerin macht schliesslich eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes (Art. 8 BV) geltend. Die Rüge ist unbegründet, da der Mitfahrer C.________ noch vor der Eröffnung der Wegweisung um Asyl nachgesucht hat. Es liegt damit offensichtlich kein vergleichbarer Sachverhalt vor, der eine Gleichbehandlung der Beschwerdeführerin verlangen würde.
6. Die angefochtene Massnahme erweist sich unter Berücksichtigung aller Umstände auch als verhältnismässig, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist.
7.
Da die Beschwerde als von vornherein aussichtslos bezeichnet werden muss, kann der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Prozessführung und Verbeiständung nicht gewährt werden (Art. 64 BGG). Die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht wären daher der Beschwerdeführerin aufzuerlegen; es rechtfertigt sich indessen, (praxisgemäss) von der Kostenerhebung abzusehen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3.
Es werden keine Kosten erhoben.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelrichterin für Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. September 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Merkli Küng