BGer 1B_318/2008
 
BGer 1B_318/2008 vom 06.01.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1B_318/2008
Urteil vom 6. Januar 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Forster.
Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Max Birkenmaier,
gegen
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Haftentlassung,
Beschwerde gegen die Verfügung vom 27. November 2008 des Bezirksgerichts Zürich, Haftrichterin.
Sachverhalt:
A.
Am 21. November 2008 erhob die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl gegen (den am 27. Mai 2008 verhafteten) X.________ Anklage beim Bezirksgericht Zürich (6. Abteilung) wegen qualifizierten Drogendelikten und Geldwäscherei. Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, eine Busse von Fr. 10'000.-- sowie die gerichtliche Anerkennung einer Ersatzforderung des Staates (gegenüber dem Angeklagten) in der Höhe von Fr. 100'000.--.
B.
Am 21. November 2008 (und mit schriftlicher Begründung vom 27. November 2008) ersuchte der Angeklagte um Entlassung aus der Sicherheitshaft. Mit Verfügung vom 27. November 2008 wies die Haftrichterin des Bezirksgerichtes Zürich das Haftentlassungsgesuch ab und ordnete die Fortdauer der Haft an.
C.
Gegen den kantonalen Haftprüfungsentscheid gelangte der Angeklagte mit Beschwerde vom 10. Dezember 2008 an das Bundesgericht. Er beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die sofortige Haftentlassung.
D.
Die Staatsanwaltschaft liess sich am 15. Dezember 2008 vernehmen, während die kantonale Haftrichterin auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtete. Der Beschwerdeführer replizierte am 22. Dezember 2008.
Erwägungen:
1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen von Art. 78 ff. BGG sind erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.
Strafprozessuale Haft in Form von Sicherheitshaft kann nur angeordnet oder fortgesetzt werden, wenn der Angeklagte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtig ist und ausserdem bestimmte Anhaltspunkte für einen besonderen Haftgrund, namentlich Fluchtgefahr, vorliegen (§ 58 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. § 67 Abs. 2 StPO/ZH).
3.
Der Beschwerdeführer bestreitet den dringenden Tatverdacht eines Verbrechens oder Vergehens nicht, er wendet sich jedoch gegen die Annahme von Fluchtgefahr. Die Haftrichterin unterstelle ihm freundschaftliche, familiäre und geschäftliche Beziehungen ins Ausland. Die betreffenden Annahmen seien unbelegt und beruhten auf argumentativen "Leerformeln". Seine gesamte engere Familie sei in der Schweiz wohnhaft. Er habe hier einen zehnjährigen Sohn und verfüge seit 2003 über eine Festanstellung. Da er fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung seiner Bewilligung B gestellt habe, sei sein Aufenthaltsrecht in der Schweiz gewährleistet. Zwar habe er "eine nicht unerhebliche Menge von Hanfprodukten weitervermittelt respektive verkauft". Das von der Staatsanwaltschaft beantragte Strafmass von fünf Jahren, welches ihm als Fluchtindiz angerechnet werde, sei jedoch zu hoch. Seine Vorstrafen lägen (abgesehen von zwei SVG-Delikten) schon neun bzw. zehn Jahre zurück. Er rechne nur mit einer bedingten bzw. teilbedingten Strafe. Seit die Strafuntersuchung hängig sei und schon während zwei früheren Strafverfahren habe er nie die Flucht ergriffen.
3.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes braucht es für die Annahme von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der Angeklagte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten Lebensverhältnisse des Angeklagten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I 60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je mit Hinweisen). So ist es zulässig, die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches mitzuberücksichtigen. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das den Angeklagten grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw. stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.).
Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des kantonalen Prozessrechtes frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen).
3.2 Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, der Beschwerdeführer verfüge nach "eigenen Angaben über diverse familiäre und freundschaftliche Beziehungen zum Kosovo und benachbarten Staaten sowie über mannigfaltige geschäftliche Beziehungen zum Kosovo (im Zusammenhang mit der Vermittlung von Grundstücken) und zu Albanien (Export von Motorfahrzeugen) und zu anderen Ländern in Südosteuropa". Er sei "weltgewandt" und könne sich angesichts seiner persönlichen Beziehungen im Ausland nötigenfalls eine neue Existenz aufbauen, zumal nahe Verwandte von ihm dort lebten. Der Beschwerdeführer habe nach eigenen Angaben Schulden in der Schweiz. Seine Bewilligung B sei im Juli 2008 abgelaufen und sein weiteres Aufenthaltsrecht "nicht gewährleistet". Die Staatsanwaltschaft habe gegen den Angeklagten eine unbedingte Freiheitsstrafe von fünf Jahren, eine Busse von Fr. 10'000.-- und eine Ersatzforderung zugunsten des Staates von Fr. 100'000.-- beantragt. Angesichts der Menge von mehreren hundert Kilogramm der von ihm in Umlauf gesetzten Marihuana- und Haschischprodukte und des damit erzielten Umsatzes von über Fr. 2 Mio. sowie in Anbetracht seiner diversen Vorstrafen (darunter mehrmonatige Freiheitsstrafen) erscheine das beantragte Strafmass "nicht völlig abwegig". Die dem Beschwerdeführer drohende massive Freiheitsstrafe bilde einen erheblichen Fluchtanreiz.
3.3 Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, lässt die Annahme von Fluchtgefahr nicht als verfassungswidrig erscheinen. Zwar bezeichnet er die Erwägungen der Haftrichterin zu seinen (freundschaftlichen, familiären bzw. geschäftlichen) Beziehungen zum Kosovo bzw. zu Albanien als "unbelegt". Im kantonalen Haftprüfungsverfahren (nämlich in seiner Eingabe vom 27. November 2008) hat er jedoch selbst ausgeführt, dass er "neben jährlichen Familienferien vor allem mit dem Auto 10 bis 15 Mal nach Albanien, Serbien und Kosovo etc." reise; die diversen Aufenthalte hätten "zwischen einer bis Maximum mehrere Wochen" gedauert. Der Beschwerdeführer bestreitet auch nicht, dass er im Ausland Land vermittelt und Motorfahrzeuge verkauft habe und dass er Projekte für den Import von Gütern in die Schweiz verfolge. Sodann räumt er ein, dass sein Einkommen wegen Schulden der Lohnpfändung unterliege. Auch die dem Beschwerdeführer im Falle einer Verurteilung wegen qualifizierten Drogendelikten und Geldwäscherei drohende empfindliche Freiheitsstrafe durfte die Haftrichterin als ein Fluchtindiz mitberücksichtigen.
3.4 Im Lichte der oben erwähnten Rechtsprechung bestehen ausreichend konkrete Anhaltspunkte für Fluchtgefahr. Die Auffassung der Vorinstanz, mit blossen Ersatzmassnahmen für Haft lasse sich den dargelegten Fluchtanreizen nicht ausreichend begegnen (vgl. dazu angefochtener Entscheid, S. 4-5), hält ebenfalls vor der Verfassung stand. Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Haftrichterin habe sich mit dieser Frage nicht nachvollziehbar befasst, findet in den Akten keine Stütze.
4.
In prozessualer Hinsicht rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von kantonalen Verfahrensvorschriften bzw. von Art. 5 Ziff. 4 EMRK und Art. 29 Abs. 2 BV. Er habe (anlässlich der Schlusseinvernahme durch die Staatsanwaltschaft) am 21. November 2008 ein Haftentlassungsgesuch zu Protokoll gegeben. Am 25. November 2008 sei ihm eine verfahrensleitende Verfügung der Haftrichterin persönlich überreicht worden. Bei der Übermittlung der Haftakten habe die Staatsanwaltschaft keinen begründeten Antrag auf Abweisung des Haftentlassungsgesuches gestellt. Die Haftakten seien verspätet an die Haftrichterin übermittelt worden. Ausserdem hätten ihm die kantonalen Behörden das rechtliche Gehör verweigert.
4.1 Gemäss Art. 31 Abs. 4 BV (der insofern mit Art. 5 Ziff. 4 EMRK inhaltlich übereinstimmt) entscheidet der Haftrichter auf Haftentlassungsgesuch hin "so rasch wie möglich" über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzuges. Daraus folgt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, dass ein Haftprüfungsverfahren, welches keine besonderen Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Natur aufweist, grundsätzlich innert wenigen Wochen durchzuführen ist (BGE 117 Ia 372 E. 3c S. 377 f.; zur betreffenden Praxis vgl. Andreas Donatsch, in Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996, § 62 N. 23; Marc Forster, Rechtsschutz bei strafprozessualer Haft, SJZ 94 [1998] 2 ff./35 ff., S. 37). Der Inhaftierte hat im Haftprüfungsverfahren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 31 Abs. 4 i.V.m. Art. 29 Abs. 2 BV). Dazu gehört auch das Recht, auf alle Eingaben und Stellungnahmen der Strafverfolgungsbehörden zu replizieren (BGE 133 I 270 E. 3.1 S. 277, E. 3.5.1 S. 283 f.; 126 I 172 E. 3c-d S. 175 f., je mit Hinweisen).
4.2 Die übrigen vom Beschwerdeführer angerufenen grundrechtlichen Bestimmungen haben in diesem Zusammenhang keine über das Gesagte hinausgehende selbstständige Bedeutung.
4.3 Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Beschwerdeführer am Freitag, 21. November 2008 (11.55 Uhr), ein Haftentlassungsgesuch bei der Staatsanwaltschaft mündlich zu Protokoll gegeben. Am Montag, 24. November 2008, gingen die Haftakten bei der Haftrichterin ein. Mit Verfügung vom 25. November 2008 lud diese den Beschwerdeführer ein, sein Haftentlassungsgesuch (bis 27. November 2008, 12.30 Uhr) schriftlich zu begründen. Mit Verfügung vom 27. November 2008 (12.50 Uhr) verlängerte sie die Eingabefrist antragsgemäss bis 14.30 Uhr. Gleichentags ging die Eingabe des Beschwerdeführers ein und verzichtete die Staatsanwaltschaft auf eine Stellungnahme. Hierauf erging am 27. November 2008 der Haftprüfungsentscheid.
4.4 Das kantonale Haftprüfungsverfahren hält in zeitlicher Hinsicht den Anforderungen von Art. 31 Abs. 4 BV und Art. 5 Ziff. 4 EMRK stand. Der Haftprüfungsentscheid erfolgte sechs Tage nach dem Haftentlassungsgesuch.
4.5 In diesem Zusammenhang ist auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs ersichtlich. Unbestrittenermassen waren schon im Antrag der Staatsanwaltschaft vom 27. August 2008 auf Haftfortsetzung bis 28. November 2008 die massgeblichen Haftgründe, darunter Fluchtgefahr, dargelegt worden. Der vom Beschwerdeführer am 21. November 2008 mündlich zu Protokoll gegebene Haftentlassungsantrag war nicht begründet. Am 25. November 2008 wurde die Verteidigung eingeladen, das Haftentlassungsgesuch schriftlich zu motivieren. Mit Eingabe vom 27. November 2008 bestritt der Beschwerdeführer das Vorliegen der gesetzlichen Haftvoraussetzungen. Dabei befasste er sich (auf den Seiten 17-25) auch ausführlich mit dem Haftgrund der Fluchtgefahr. Auf eine Stellungnahme zu dieser Eingabe hat die Staatsanwaltschaft am 27. November 2008 verzichtet. In den Erwägungen des angefochtenen Haftprüfungsentscheides setzt sich die Haftrichterin mit den wesentlichen Vorbringen des Beschwerdeführers hinreichend auseinander. Insbesondere wird die Annahme von Fluchtgefahr verfassungskonform begründet (vgl. oben, E. 3.2). Der angefochtene Entscheid stützt sich auf die haftrelevanten Akten, weshalb sich die betreffende Gehörsrüge ebenfalls als unbegründet erweist.
5.
Auch aus den übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt sich weder eine haftprüfungsrelevante Grundrechtsverletzung, noch ein Haftentlassungsgrund.
6.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichterin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 6. Januar 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Féraud Forster