BGer 2C_224/2008
 
BGer 2C_224/2008 vom 01.04.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
2C_224/2008, 2C_225/2008, 2C_226/2008
Urteil vom 1. April 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Matter.
Parteien
A. und B. X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Eisenring,
gegen
Steuerverwaltung des Kantons Appenzell A.Rh., Gutenberg-Zentrum, 9102 Herisau.
Gegenstand
Staats- und Bundessteuer; Nachsteuer auf Einkünften des Jahres 2000,
Beschwerden gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 23. Mai 2007.
Sachverhalt:
A.
A. und B. X.________ betreiben ein Restaurant in Y.________ als Einzelfirma. Entgegen ihrer Selbstschatzung wurde im Nachsteuerverfahren bei der Staats- und der direkten Bundessteuer für das Jahr 2000 ein steuerbarer Vermögenszugang von Fr. 53'000.- angenommen. Die Steuerverwaltung des Kantons Appenzell Ausserrhoden erwog, dass per Ende 2000 eine Geschäftsschuld der Pflichtigen in der genannten Höhe durch Forderungsverzicht der Gläubigerin aufgelöst worden sei, was mit der Nachbesteuerung erfasst werden müsse. Dagegen erhoben die Eheleute X.________ erfolglos Einsprache und danach Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden. Sie machten geltend, bei dem streitigen Darlehen habe es sich um eine Privatschuld und beim Forderungsverzicht um eine steuerfreie Schenkung der Gläubigerin (der Mutter bzw. Schwiegermutter der Pflichtigen) gehandelt.
B.
Am 12. März 2008 haben die Ehegatten X.________ beim Bundesgericht drei Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Sie beantragen die Aufhebung der Urteile vom 23. Mai 2007, mit denen das Verwaltungsgericht die Nachbesteuerung bei der Staatssteuer (2C_224/2008) sowie der direkten Bundessteuer (2C_225/2008) geschützt und den Ehegatten X.________ die Kosten des Nachsteuerverfahrens auferlegt hat (2C_226/2008).
Die Kantonale und die Eidgenössische Steuerverwaltung schliessen auf Abweisung der Beschwerden. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Erwägungen:
I. Prozessuales
1.
1.1 Die drei Beschwerden betreffen zusammenhängende Fragen in derselben Streitsache mit den gleichen Beteiligten. Es rechtfertigt sich, die Verfahren zu vereinigen und mit einem gemeinsamen Urteil zu erledigen (vgl. Art. 24 BZP i.V.m. Art. 71 BGG; BGE 113 Ia 390 E. 1 S. 394).
1.2 Die Eingaben richten sich gegen letztinstanzliche kantonale Urteile in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Diese Urteile unterliegen hinsichtlich der Staats- wie auch der Bundessteuer der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 82 Abs. 1 lit. a und 86 Abs. 1 lit. d BGG, siehe auch Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11] sowie Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden [StHG; SR 642.14]).
1.3 Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und 96 BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Das Bundesgericht legt sodann seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 bzw. Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
1.4 Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Rechtsschrift die Begehren und deren Begründung zu enthalten; im Rahmen der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht prüft die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG).
II. Direkte Bundessteuer
2.
Gemäss Art. 18 Abs. 1 DBG sind alle Einkünfte aus einem Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Land- und Forstwirtschaftsbetrieb, aus einem freien Beruf sowie aus jeder anderen selbständigen Erwerbstätigkeit steuerbar. Auf diese Bestimmung haben sich die kantonalen Behörden im Wesentlichen gestützt, um einen steuerbaren Vermögenszugang anzunehmen. Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Nacherfassung des Forderungsverzichts beim steuerbaren Einkommen ihrer Einzelfirma und berufen sich im Wesentlichen auf dieselben beiden Argumente wie im kantonalen Verfahren:
2.1 Unzutreffend ist ihr Einwand, das von ihrer Mutter bzw. Schwiegermutter erhaltene Darlehen sei eine Privatschuld gewesen, so dass sich aus dem Schulderlass kein Geschäftseinkommen ergeben könne. Dabei lassen sie ausser Acht, dass sie das Darlehen in ihrer Buchhaltung selber als Geschäftsschuld behandelt haben, worauf sie sich behaften lassen müssen.
2.2 Eine eingehendere Prüfung des ersten Arguments erübrigt sich umso mehr, als sich das zweite Vorbringen der Beschwerdeführer als stichhaltig erweist. Nach Art. 24 lit. a DBG ist u.a. der Vermögensanfall infolge Schenkung steuerfrei. Diese Bestimmung schliesst Schenkungen zugunsten eines Selbständigerwerbenden nicht aus. Wie sich aus Art. 60 lit. c DBG ergibt, sind sogar Schenkungen zuhanden von juristischen Personen denkbar. Praxisgemäss sind Forderungsverzichte seitens der Gläubiger zwar gegebenenfalls als einkommens- bzw. ertragserhöhend zu qualifizieren, wenn es sich um Leistungen unbeteiligter Dritter handelt (vgl. BGE 115 Ib 269 E. 4b S. 272 f. mit Hinweisen). Hier war die Darlehensgeberin indessen die Mutter bzw. Schwiegermutter der Beschwerdeführer, so dass stattdessen von einem schenkungshalber erfolgten Schuldenerlass auszugehen war. Das ist bei einer unentgeltlichen Zuwendung unter nahen Verwandten zu vermuten, im Gegensatz z.B. zu einem Forderungsverzicht durch eine Bank (vgl. RDAF 2099 II S. 34 E. 2). Ein anderer Rechtsgrund für den Schuldenerlass ist unter den gegebenen Umständen kaum denkbar und von den Behörden auch nicht dargetan. Insbesondere waren die Beschwerdeführer nicht überschuldet, so dass es sich nicht um den Verzicht auf eine ohnehin schon wertlos gewordene Forderung handeln konnte. Ebenso wenig fällt ins Gewicht, dass die Beschwerdeführer die Schenkung im Wertschriftenverzeichnis bzw. im Rückerstattungsantrag 2001 nicht erwähnt haben, und zwar unabhängig davon, ob ihnen die rechtliche Qualifizierung des Forderungsverzichts entgangen war. Entscheidend ist in erster Linie die Absicht der Darlehensgeberin. Diesbezüglich können hier keine wirklichen Zweifel bestehen.
Was die kantonalen Behörden dagegen einwenden, vermag ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen: Namentlich vermag folgendes Argument der Vorinstanz nicht zu überzeugen: "Die Aufrechnung des (Rück-)Forderungsverzichts hat ihren Rechtsgrund in der schuldenseitig veranlassten Passivierung des Darlehens und nicht in der (gegebenenfalls) erb- oder schenkungsrechtlichen Natur des empfangenen Vermögensanfalls." (E. 4.3 des angefochtenen Urteils, S. 8). Massgeblich ist hier die Auflösung und nicht die Begründung des Darlehens. Ein Schuldenerlass durch Schenkung ist - wie schon hervorgehoben - selbst bei einem geschäftlichen Darlehen durchaus möglich und hier sogar zwingend anzunehmen.
2.3 Erweist sich die Beschwerde somit als begründet, erübrigt sich, näher auf die zum ersten Mal vor Bundesgericht erhobenen Rüge einzugehen, die Voraussetzungen für ein Nachsteuerverfahren seien nicht erfüllt gewesen. Es kann auch offen bleiben, ob insoweit auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann (vgl. oben E. 1.3 in fine).
III. Staatssteuer
3.
In der kantonalen Steuergesetzgebung und im Harmonisierungsgesetz werden die hier massgeblichen Bestimmungen im Wesentlichen gleich umschrieben wie für die direkte Bundessteuer. Das gilt namentlich für die Vorschriften, welche den Vermögensanfall infolge von Schenkung für steuerfrei erklären (vgl. Art. 7 Abs. 4 lit. c StHG, Art. 27 lit. a des kantonalen Steuergesetzes vom 21. Mai 2000 und Art. 19 Abs. 1 Ziff. 3 des früheren kantonalen Steuergesetzes vom 27. April 1958). Im Interesse der vertikalen Steuerharmonisierung (vgl. dazu BGE 133 II 114 E. 3.2 S. 116) sind diese Bestimmungen übereinstimmend auszulegen. In Bezug auf die Staats- und Gemeindesteuer ist daher im Einklang mit dem zur direkten Bundessteuer Gesagten zu entscheiden.
IV. Kostenauflage im Nachsteuerverfahren
4.
Im Verfahren 2C_226/2008 bringen die Beschwerdeführer vor, die Kosten des Nachsteuerverfahrens seien ihnen zu Unrecht auferlegt worden. Auch diesbezüglich ist zumindest zweifelhaft, ob auf die Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann. Die Kostenauflage ist eine Frage des kantonalen Rechts, so dass die Beschwerdeführer eine geradezu willkürliche Rechtsanwendung nachweisen müssten. Die Beschwerdebegründung genügt dieser qualifizierten Rügepflicht (vgl. dazu oben E. 1.4) auf jeden Fall nur teilweise; sie erfolgt in kaum substantiierter Weise und beschränkt sich im Wesentlichen darauf, den Ausführungen der Vorinstanz eine abweichende Sichtweise entgegenzusetzen.
Soweit sich die Beschwerde trotzdem als zulässig erweisen könnte, wäre sie unbegründet. Die Beschwerdeführer übersehen, dass es für die Kostenauflage nur darauf ankommt, ob sie das Verfahren verschuldet haben, nicht aber darauf, ob auch tatsächlich eine Nachsteuer erhoben wird. Die Annahme der Vorinstanz, dass die Beschwerdeführer durch die Art und Weise der Verbuchung des Forderungsverzichts und die unterbliebene Deklaration dieses Vorgangs als Schenkung unklare Verhältnisse geschaffen und insofern das Nachsteuerverfahren verschuldet haben, erscheint auf jeden Fall als vertretbar. Die Rüge, das Nachsteuerverfahren sei noch nicht abgeschlossen, geht an der Sache vorbei. Das Gleiche gilt für den Hinweis auf die Rechtsprechung zur Kostenauflage bei Freispruch oder Einstellung im Strafverfahren, wird doch den Beschwerdeführern doch kein strafbares Verhalten (und namentlich keine Steuerhinterziehung) vorgeworfen. Wenn sich das Verwaltungsgericht nicht ausdrücklich zu diesem offensichtlich unzutreffenden Argument geäussert und es nur implizit verworfen hat, kann ihm keine Gehörsverweigerung vorgeworfen werden.
V. Kostenfolge
5.
Nach dem Gesagten sind die Beschwerden 2C_224/2008 und 2C_225/2008 gutzuheissen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die betreffenden Urteile des Verwaltungsgerichts sind aufzuheben und die Sachen zur Neuveranlagung im Sinne der Erwägungen an die Veranlagungsbehörde sowie zur Neubeurteilung der Kostenfolgen der kantonalen Verfahren an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde 2C_226/22008 ist dagegen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang sind die Kosten der Verfahren 2C_224/2008 und 2C_225/2008 dem Kanton Appenzell Ausserrhoden, der Vermögensinteressen wahrnimmt, aufzuerlegen. Er hat den rechtsanwaltlich vertretenen Beschwerdeführern in beiden Fällen eine Parteientschädigung auszurichten. Die Kosten des Verfahrens 2C_226/2008 sind dagegen den Beschwerdeführern unter Solidarhaft aufzuerlegen (vgl. Art. 65 f. u. 68 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Verfahren 2C_224/2008, 2C_225/2008 und 2C_226/2008 werden vereinigt.
2.
Die Beschwerden 2C_224/2008 und 2C_225/2008 werden gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, die entsprechenden Urteile des Verwaltungsgerichts des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 23. Mai 2007 aufgehoben und die Sachen zur Neuveranlagung im Sinne der Erwägungen an die kantonale Steuerverwaltung sowie zur Neubeurteilung der Kostenfolgen der kantonalen Verfahren an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
3.
Die Beschwerde 2C_226/2008 wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
4.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 4'000.-- werden im Betrag von Fr. 1'000.-- den Beschwerdeführern (unter Solidarhaft) und im Betrag von Fr. 3'000.-- dem Kanton Appenzell Ausserrhoden auferlegt.
5.
Der Kanton Appenzell Ausserrhoden hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 1. April 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Müller Matter