BGer 6B_284/2009
 
BGer 6B_284/2009 vom 17.07.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
6B_284/2009
Urteil vom 17. Juli 2009
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
Gerichtsschreiber Keller.
Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Roman Weber,
gegen
Y.________,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Sachbeschädigung, Drohung, mangelnde Rücksichtnahme beim Wechseln des Fahrstreifens,
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 16. Oktober 2008.
Sachverhalt:
A.
Am 18. September 2007 verurteilte der Amtsstatthalter von Sursee X.________ mittels Strafverfügung zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 50.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.-- wegen mangelnder Rücksichtnahme beim Fahrstreifenwechsel, Sachbeschädigung sowie Drohung zum Nachteil von Y.________. Ferner wurde er verpflichtet, dem Geschädigten Fr. 881.65 Schadenersatz zu bezahlen.
B.
Gegen die Strafverfügung erhob X.________ am 3. Oktober 2007 Einsprache beim Amtsgericht Sursee. Dieses bestätigte den Schuldspruch, reduzierte jedoch die Sanktion auf 20 Tagessätze zu Fr. 80.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--. Die Schadenersatzzahlung von Fr. 881.65 wurde ebenfalls bestätigt.
C.
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ am 22. April 2008 Appellation beim Obergericht des Kantons Luzern und verlangte einen Freispruch sowie die Abweisung der Zivilforderung. Die Staatsanwaltschaft erklärte Anschlussappellation und beantragte bei der Vorinstanz eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 80.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--. Das Obergericht bestätigte die Schuldsprüche sowie die Schadenersatzzahlung, erhöhte die Sanktion jedoch auf 40 Tagessätze zu Fr. 100.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--.
D.
X.________ führt Beschwerde beim Bundesgericht, in welcher er beantragt, der angefochtenen Entscheid sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der Sachbeschädigung, Drohung sowie der mangelnden Rücksichtnahme beim Wechseln des Fahrstreifens freizusprechen. Ferner sei die Zivilforderung abzuweisen.
E.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:
1.
1.1 Gemäss vorinstanzlicher Sachverhaltsfeststellung fuhr der Beschwerdeführer am 3. Mai 2007 um die Mittagszeit auf der Nationalstrasse 2 zwischen Luzern und Rothrist Richtung Norden. Nach dem Eichtunnel setzte er mit seinem Lieferwagen zum Überholen an und drängte den Beschwerdegegner ab, der im Begriff war, den Lieferwagen zu überholen. Der Beschwerdegegner verliess hierauf die Autobahn beim Rastplatz Knutwilerhöhe, wohin ihm der Beschwerdeführer folgte und daselbst drohte, "ihn fertig zu machen". Ferner rüttelte der Beschwerdeführer am Personenwagen des Beschwerdegegners, schlug gegen die Scheibe und trat mit den Füssen gegen das Fahrzeug.
1.2 Der Beschwerdeführer bestritt die gegen ihn erhobenen Tatbestände während des Untersuchungs- und Gerichtsverfahrens. Auch im Verfahren vor Bundesgericht macht er geltend, die Vorinstanz habe die Beweise willkürlich gewürdigt, da er im fraglichen Zeitpunkt bereits bei einem Kunden gewesen sei, was die erstinstanzlich angerufenen Zeugen bestätigt hätten. Entsprechend sei er nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" freizusprechen.
2.
2.1 Mit der Beschwerde in Strafsachen kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Die Behebung des Mangels muss für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG).
2.2 Auf dem Gebiet der Beweiswürdigung ist die Kognition des Bundesgerichts auf Willkür beschränkt. Willkür liegt hier vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen (BGE 134 I 140 E. 5.4). Dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt praxisgemäss für die Begründung von Willkür nicht (BGE 131 IV 100 nicht publ. E. 4.1; 127 I 54 E. 2b).
2.3 Als Beweiswürdigungsregel besagt die Maxime "in dubio pro reo", dass sich das Strafgericht nicht von der Existenz eines für die beschuldigte Person ungünstigen Sachverhalts überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel bestehen, dass sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt sein soll, prüft das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür, das heisst, es greift nur ein, wenn das Sachgericht die beschuldigte Person verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an deren Schuld fortbestehen (BGE 127 I 38 E. 2a; 120 Ia 31 E. 2). Bloss abstrakte und theoretische Zweifel sind nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann (BGE 131 IV 100 nicht publ. E. 4.1; 127 I 54 E. 2b).
2.4 Die Vorinstanz prüfte zunächst den zeitlichen Ablauf des vom Beschwerdegegner geschilderten Vorfalls. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer am 3. Mai 2007 um die Mittagszeit auf der Nationalstrasse 2 zwischen Luzern und Rothrist Richtung Norden, im Abschnitt Eich- und Mariazell-Tunnel mit seinem Lieferwagen unterwegs war. Ferner meldete der Beschwerdegegner der Polizei um 12.39 Uhr die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Tatbestände. Dabei befand er sich zwischen dem Parkplatz Knutwilerhöhe und der Autobahnausfahrt Oftringen. Die Vorfälle auf dem Parkplatz sowie das Überholmanöver auf der Autobahn mussten sich daher vorher abgespielt haben. Der Beschwerdeführer befand sich auf dem Weg zur Z.________ AG in Wiler bei Utzensdorf. Hier wollte er Material abladen, um nachher zur Schlosserei A.________ in Kriegstetten zu gelangen. Bei der Z.________ AG traf er mit dem Geschäftsführer B.________ zusammen, welcher ihn zusammen mit einem Mitarbeiter, C.________, nach dem Ablad zur Schlosserei A.________ begleitete. Dort nahm A.________ die Lieferung in Empfang. Diese Personen wurden vom Amtsgericht Sursee als Zeugen befragt.
2.5
2.5.1 Zum zeitlichen Ablauf sagte B.________, dass der Beschwerdeführer sicher zwischen 12 und 13 Uhr gekommen sei, da er und sein Mitarbeiter C.________ um diese Zeit zur Schlosserei A.________ gefahren seien. Um 13.15 Uhr seien sie beim Schlosser und der Beschwerdeführer somit um 12.15-12.45 Uhr bei ihnen gewesen. B.________ bemerkte ausserdem, dass sie um 13-13.15 Uhr bei der Schlosserei A.________ waren, wobei dessen Geschäft eine Viertelstunde entfernt liege.
2.5.2 Der Mitarbeiter von B.________, C.________ führte aus, dass der Beschwerdeführer zwischen 12.45 und 13.00 Uhr bei der Z.________ AG eingetroffen sei. Dass der Beschwerdeführer später gekommen sei, glaube er nicht, da ein Arbeitskollege, der um 13 Uhr vom Mittag zurückkomme erst nach dem Ablad, der ca. eine Viertelstunde gedauert habe, an den Arbeitsplatz zurückgekehrt sei. Um 13.15 Uhr seien sie bei A.________ eingetroffen und hätten etwa Dreiviertelstunden für den Ablad gebraucht.
2.5.3 Nach A.________ von der gleichnamigen Schlosserei sei die Lieferung zwischen 13 Uhr und 13.30 Uhr erfolgt, wie dies vereinbart gewesen sei. Die Dauer des Ablads schätzte er auf eine halbe Stunde.
2.6 Die Zeugenaussagen gibt die Vorinstanz entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers korrekt wieder. Sie schliesst daraus, dass sie dem Beschwerdeführer kein Alibi verschaffen könnten (angefochtenes Urteil, S. 6 ff.). Die Vorinstanz relativiert dabei die Zeitangaben der drei Zeugen (B.________, C.________, A.________) insofern, als es für einen Zeugen unmöglich sein dürfte, sich nach mehreren Monaten minutengenau an Uhrzeiten zu erinnern (angefochtenes Urteil, S. 8). Konkret wurden die Zeugen mehr als sieben Monate nach der Tat befragt, weshalb von der Vorinstanz zu Recht "nicht unbesehen" auf die Zeitangaben abgestellt wurde.
2.7 Die Vorfälle, welche einige Minuten vor 12.39 Uhr auf der Autobahn im Abschnitt Eich- und Mariazell-Tunnel sowie auf dem Parkplatz Knutwilerhöhe stattfanden, passen in die Zeitverhältnisse, welche die Vorinstanz gestützt auf die Zeugenaussagen annahm. Die Fahrzeit von Twix-Route, welche gemäss Beschwerdeführer von der Autobahnausfahrt Oftringen bis zum Sitz der Z.________ AG in Wiler 31 Minuten beträgt, wurde von der Vorinstanz - soweit ersichtlich - ebenfalls übernommen. Alternative Produkte für die Routenberechnung (statt vieler z.B. der Routenplaner der Go Web Ltd./Frankfurt am Main) ergeben jedoch leicht andere Werte, für vorliegendes Beispiel rund 26 Minuten. Es war deshalb dem Beschwerdeführer durchaus möglich, kurz nach 13.00 Uhr bei der Z.________ AG und vor 13.30 Uhr bei A.________ einzutreffen sowie um 14.00 Uhr - wie rapportiert - die verrechenbaren Arbeiten zu beenden. Letzteren Zeitpunkt bestätigte der Beschwerdeführer anlässlich der Befragung durch die erste Instanz ausdrücklich. Insgesamt betrachtet, erscheinen die von der Vorinstanz getroffenen Annahmen zum Sachverhaltshergang vor diesem Hintergrund nicht als willkürlich und sind deshalb für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG).
3.
3.1 Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers betreffen die Beschreibung der Kleider, des Autos sowie des Nummernschildes des Beschwerdeführers durch den Beschwerdegegner. Die Beschreibungen des Beschwerdeführers durch den Beschwerdegegner seien zu genau und deuteten daraufhin, dass dieser sich den Beschwerdeführer und dessen Fahrzeug detailliert gemerkt habe, "um diesen danach zu unrecht anzuschuldigen". Die Angaben zum Aussehen des Beschwerdeführers entsprächen denjenigen, welche von ausserhalb des Fahrzeugs einsehbar seien, so dessen Grösse, Aussehen, Statur und Kleider. Schliesslich sei es für den Beschwerdegegner unmöglich gewesen, auf dem Rastplatz das Nummernschild des Beschwerdeführers zu notieren (Beschwerdeschrift, S. 9).
3.2 Die Vorinstanz führt mit Hinweis auf die Aussagen des Beschwerdeführers im Rahmen der Untersuchung aus, dass der genaue Beschrieb des Oberkörpers (Statur, Körpergrösse) sowie der Farbe der Hosen nicht möglich gewesen sei, wenn der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer nur sitzend im Auto gesehen hätte. Ein weiteres Indiz bestehe darin, dass der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer anlässlich der Einvernahme beim Amtsstatthalter sofort wiedererkannte. Die Vorinstanz bemerkte betreffend Nummernschild, dass nicht erstellt sei, dass der Beschwerdegegner das Schild auf dem Rastplatz nicht sehen konnte.
3.3 Die Ausführungen der Vorinstanz sind nachvollziehbar. Die Vorbringen des Beschwerdeführers können dagegen nicht überzeugen. So scheint es unwahrscheinlich, dass der Beschwerdegegner einen genauen Körperbeschrieb des Beschwerdeführers abgeben konnte, ohne ihn ausserhalb des Lieferwagens gesehen zu haben. Zudem scheint es abwegig, dass sich der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer und dessen Fahrzeug detailliert gemerkt hat, um diesen zwecks Ausgleichs eines vorbestehenden Schadens am eigenen Auto zu unrecht anzuschuldigen. Betreffend Erkennbarkeit des Nummerschildes beschränkt sich der Beschwerdeführer auf eine appellatorische Kritik der vorinstanzlichen Ausführungen, ohne konkret darzulegen, inwiefern diese unzutreffend sind. Hierauf ist somit nicht weiter einzugehen.
4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht zu den einschlägigen Straftatbeständen keine Ausführungen. Er verneint im Rahmen einer Vorausbemerkung (vgl. Beschwerdeschrift, S. 4) einzig die Zulässigkeit der von der Vorinstanz vorgenommenen Erhöhung des Tagessatzes, welche über die vom Staatsanwalt beantragte Tagessatzhöhe hinausgeht.
4.2 Die erste Instanz sprach eine Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 80.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.-- aus. Die Staatsanwaltschaft erklärte Anschlussappellation und beantragte bei der Vorinstanz eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 80.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--. Die Vorinstanz sanktionierte den Beschwerdeführer allerdings mit einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu Fr. 100.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren und einer Busse von Fr. 1'000.--. Es stellt sich daher die Frage, ob die Vorinstanz neben der Erhöhung der Anzahl Tagessätze, die unbestritten ist, die Höhe des Tagessatzes nach oben und über den Antrag des Staatsanwalts hinaus korrigieren durfte.
4.3
4.3.1 Das Verbot, ein Urteil, das nur vom Verurteilten angefochten wird, zu dessen Nachteil abzuändern (Verschlechterungsverbot; Verbot der reformatio in peius), greift vorliegend nicht, da die Staatsanwaltschaft Anschlussappellation erklärte. Für die Frage, inwiefern die Vorinstanz an die Anträge der Parteien gebunden ist und ob sie die Höhe des Tagessatzes nach oben und über den Antrag des Staatsanwalts hinaus korrigieren durfte, ist kantonales Strafprozessrecht heranzuziehen.
4.3.2 § 236 der luzernischen Strafprozessordnung (Marginalie: Stellung des Obergerichtes) sieht in Abs. 1 vor, dass das Obergericht ausser im Zivilpunkt nicht an die Anträge der Parteien gebunden ist. Abs. 2 derselben Bestimmung regelt die Situation, in welcher nur der Angeklagte appelliert und keine Anschlussappellation vorliegt. In diesem hier nicht zutreffenden Fall kann die Strafe nicht erhöht werden.
4.3.3 Wenn nach luzernischem Prozessrecht die obere kantonale Instanz nicht an die Anträge der Parteien gebunden ist, kann sie folglich auch die Höhe des Tagessatzes erhöhen, zumal dieser im Zeitpunkt des Urteils (Art. 34 Abs. 2 StGB) zu berechnen ist. Wenn sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers seit dem erstinstanzlichen Urteil geändert haben, ist daher nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz mit der Erhöhung des Tagessatzes Bundesrecht verletzt haben soll. Dies tut der Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht dar.
5.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil der Vorinstanz zu bestätigen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Juli 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
Favre Keller