BGer 8C_197/2009
 
BGer 8C_197/2009 vom 19.11.2009
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
8C_197/2009
Urteil vom 19. November 2009
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Polla.
Parteien
S.________, vertreten durch
Rechtsanwalt Werner Bodenmann,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang, psychisches Leiden),
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 14. Januar 2009.
Sachverhalt:
A.
Der 1960 geborene S.________ war als angelernter Maurer bei der Firma H.________ AG tätig und damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 29. April 2003 zog er sich bei einem Sturz von einer Rampe eine rechtsseitige Fersenbeinfraktur zu. Die SUVA sprach ihm eine Invalidenrente bei einer 30%igen Erwerbsunfähigkeit sowie eine Integritätsentschädigung für eine Integritätseinbusse von 15 % zu (Verfügung vom 3. Juli 2006). Am 12. September 2006 erlitt er bei einem Verkehrsunfall mit Frontalkollision zweier Personenwagen als Beifahrer ein Polytrauma mit offenen Gesichtsschädelfrakturen, sowie stumpfem Thorax- und Abdominaltrauma (Operationsbericht des Spitals N.________ vom 25. September 2006). Die SUVA erbrachte Versicherungsleistungen in Form von Heilbehandlung und Taggeld. Überdies verletzte er sich den linken Fuss am 13. August 2007 bei einem Misstritt beim Treppensteigen. Die Behandlung des dabei erlittenen Fersenbeinbruchs wurde Ende Februar 2008 abgeschlossen (vgl. Notiz der SUVA-Kreisärztin Dr. med. K.________ vom 22. Februar 2008). Mit Verfügung vom 19. Februar 2008 stellte die SUVA ihre Versicherungsleistungen für die Folgen des Unfalls vom 12. September 2006 auf den 29. Februar 2008 ein, da keine weiteren behandelbaren Unfallfolgen mehr vorlägen und die psychischen Unfallbeschwerden nicht adäquat kausale Unfallfolgen darstellten. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 12. Juni 2008 fest.
B.
Die dagegen geführte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 14. Januar 2009 ab.
C.
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids vom 14. Januar 2009 und des Einspracheentscheids vom 12. Juni 2008 sei die SUVA zu verpflichten, ab dem 1. März 2008 weiterhin die gesetzlich geschuldeten Taggeldleistungen zu erbringen.
Während die SUVA auf Abweisung der Beschwerde schliesst, hat das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 132 II 257 E. 2.5 S. 262; 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254).
1.2 Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2.
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die nach der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen Unfallversicherung (Art. 6 Abs. 1 UVG) geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181), insbesondere bei psychischen Unfallfolgeschäden (BGE 115 V 133), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdegegnerin zu Recht ihre Leistungen für die Folgen des Unfalles vom September 2006 per 29. Februar 2008 eingestellt hat.
3.1 Die Vorinstanz ging davon aus, dass aus somatischer Sicht keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehe und die Taggeld- und Heilbehandlungsleistungen zu Recht auf den 29. Februar 2008 eingestellt worden seien. Die Frage der natürlichen Kausalität der noch bestehenden psychischen Beschwerden liess das kantonale Gericht unter Verweis auf eine mangelnde Motivation des Versicherten offen und verneinte die adäquate Kausalität zwischen Unfallereignis und psychischem Leiden. Der Beschwerdeführer hingegen stellt sich auf den Standpunkt, die psychischen Beschwerden seien natürlich und adäquat unfallkausal, weshalb die Taggeldleistungen nicht hätten eingestellt werden dürfen; hinsichtlich der Sensibilitätsstörungen im Gesichtsbereich sei eine Abklärung in einer Schmerzklinik durchzuführen.
3.2
3.2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Voraussetzungen für die Einstellung der Taggeldleistungen seien Ende Februar 2008 nicht erfüllt gewesen und es seien weitere Abklärungen in einer spezialisierten Schmerzklinik vorzunehmen; mit weiteren medizinischen Massnahmen sei eine namhafte Verbesserung des Gesundheitszustands zu erreichen. Dieser Einwand dringt nicht durch: Dr. Dr. med. U.________, Facharzt FMH für Kiefer- und Gesichtschirurgie, schlägt zwar in seinem Schreiben vom 28. Mai 2008 aufgrund der weiterhin bestehenden Sensibilitätsstörungen im Bereich des Ober- und Unterkiefers beidseits eine Abklärung in einer spezialisierten Schmerzklinik vor. Dass damit indessen auch eine namhafte Verbesserung des Gesundheitszustandes erreicht werden könnte, lässt sich daraus nicht schliessen, (zumal sich diese Beschwerden nicht auf die Arbeitsfähigkeit auswirken).
3.2.2 Aufgrund der medizinischen Akten, insbesondere des Austrittsberichts der RehaClinic (vom 2. Mai 2007) und des im Auftrag der Invalidenversicherung erstellten Gutachtens der Medizinischen Abklärungsstation (MEDAS) am Spital R.________, vom 18. Januar 2008, ist davon auszugehen, dass eine allfällige Einschränkung in der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers nach dem 29. Februar 2008 nicht durch organisch objektiv nachweisbare Unfallfolgen verursacht wird. Selbst wenn die geltend gemachten psychischen Einschränkungen - gemäss psychiatrischem Zusatzgutachten der MEDAS (vom 12. November 2007) besteht eine längere depressive Reaktion nach Polytrauma (ICD-10 F43.21), der Psychiater Dr. med. A.________ diagnostizierte in seinem Bericht vom 31. März 2007 eine Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion (ICD-10 F43.22) - zumindest teilursächlich und somit natürlich kausal auf das Unfallereignis zurückzuführen wären (BGE 121 V 326 E. 2a S. 329, 119 V 335 E. 1 S. 337), fehlt es, wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, an der Adäquanz des Kausalzusammenhangs, die sich nach Massgabe der in BGE 115 V 133 ff. entwickelten Kriterien beurteilt. Aus diesem Grund kann auch von weiteren medizinischen Abklärungen zur Frage der natürlichen Kausalität abgesehen werden.
3.3 Die Schwere des Unfalles ist aufgrund des augenfälligen Geschehensablaufs mit den sich dabei entwickelnden Kräften zu beurteilen (SVR 2008 UV Nr. 8 S. 26, U 2/07 E. 5.3.1). Bei einer signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h wurde der korrekt gelenkte Personenwagen, in welchem der Beschwerdeführer als Beifahrer sass, frontal von einem Personenwagen, der nach links abbiegen wollte und dabei das entgegenkommende Fahrzeug des Beschwerdeführers übersah, erfasst. Wie die Vorinstanz zutreffend erwogen hat, kann dieses Ereignis als mittelschwerer Unfall qualifiziert werden. Dies steht in Einklang mit vergleichbaren Fällen, die nach der Rechtsprechung als Unfälle im eigentlichen mittleren Bereich zu qualifizieren sind (vgl. Urteile 8C_374/2009 vom 19. August 2009, E. 4.1, 8C_821/2007 vom 28. Juli 2008, E. 5.1, 8C_744/2007 vom 5. November 2008, E. 5.2, je mit Hinweisen). Die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges wäre somit dann zu bejahen, wenn eines der massgebenden Adäquanzkriterien in besonders ausgeprägter, oder mehrere der Kriterien in gehäufter Weise erfüllt wären.
3.4 Das Kriterium der besonders dramatischen Begleitumstände oder besonderen Eindrücklichkeit des Unfalles ist objektiv zu beurteilen und nicht aufgrund des subjektiven Empfindens bzw. Angstgefühls der versicherten Person (RKUV 1999 Nr. U 335 S. 207, U 287/97 E. 3b/cc; Urteil U 56/07 vom 25. Januar 2008 E. 6.1). Zu beachten ist, dass jedem mindestens mittelschweren Unfallereignis eine gewisse Eindrücklichkeit eigen ist, welche somit noch nicht für eine Bejahung des Kriteriums ausreichen kann (Urteil 8C_799/2008 vom 11. Februar 2009 E. 3.2.3 mit Hinweis). Wie das kantonale Gericht korrekt ausgeführt hat, spielte sich der Unfall im September 2006 weder unter besonders dramatischen Begleitumständen ab, noch war er besonders eindrücklich.
3.5 Die ärztliche Behandlung der somatischen Beschwerden war nicht ungewöhnlich lang, zumal eine eigentliche Behandlung der physischen Unfallfolgen schon bei Eintritt in die RehaClinic am 29. März 2007 nicht mehr stattfand. Im Vordergrund der vom 29. März bis 25. April 2007 durchgeführten Rehabilitation stand die Verbesserung der chronischen Schmerzproblematik, die im Rahmen der depressiven Störung mit somatischem Syndrom interpretiert wurde. Bereits zu diesem Zeitpunkt kam demnach die psychische Fehlentwicklung in diesem Zusammenhang zum tragen. Entsprechendes gilt mit Bezug auf das Kriterium der Dauerbeschwerden. Ebenso wenig kann von einer ärztlichen Fehlbehandlung gesprochen werden, die die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hat. Weiter bestand zwar eine langdauernde Arbeitsunfähigkeit, doch war auch diese nach absehbarer Zeit durch die psychische Fehlentwicklung bestimmt, die hier nicht zu berücksichtigen ist.
3.6 Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen ebenso wenig erfüllt. Auch wenn die Ärzte das erlittene Polytrauma mit Thorax- und Abdominaltrauma und offenen Gesichtsschädelfrakturen als schwer bezeichnet haben, erscheinen die Verletzungen - aufgrund ihrer besonderen Art und Schwere - nicht als geeignet, psychische Fehlreaktionen auszulösen.
3.7 Bezüglich des geltend gemachten schwierigen Heilungsverlaufs ist festzuhalten, dass anlässlich der Entfernung des Osteosynthesematerials von den Gesichtsschädelknochen am Unter- und Oberkiefer ein komplikationsloser postoperativer Verlauf festgehalten wurde (Bericht des Spitals N.________ vom 24. Januar 2007). Die vom Patienten geklagten Sensibilitätsstörungen fanden kein klinisches Korrelat (Bericht des Dr. med. B.________, Facharzt für Neurologie FMH, vom 9. Februar 2007). Die von Dr. med. dent. V.________ im Bericht vom 5. September 2007 geschilderten Komplikationen (Sequester mit Abszess Regio 34, 35; Dislokation des Oberkiefer-Quadranten mit Stufen- und Diastema-Bildung, starke Inzisalabrasion 42, 41, 31, palatinale Abrasion 12, 11, 21, 22) wurden hingegen durch den behandelnden Kieferchirurgen Dr. Dr. med. U.________ insoweit bestätigt, als auch er von einem komplizierten Heilungsverlauf durch zwischenzeitliche Entzündungen im Bruchspaltbereich mit Sequesterabgang im Unterkiefer links sprach (Schreiben vom 28. Mai 2008). Selbst wenn damit das Kriterium bejaht werden könnte, ist es jedenfalls nicht in ausgeprägter Weise gegeben.
3.8 Da mithin keines der massgeblichen Kriterien besonders ausgeprägt vorliegt und selbst dann, wenn man zugunsten des Versicherten das Kriterium des schwierigen Heilungsverlaufes und der erheblichen Komplikationen als erfüllt erachten würde, die Kriterien nicht in gehäufter Weise gegeben sind, ist die Adäquanz eines Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfallereignis vom 12. Sepember 2006 und den über den 29. Februar 2008 hinaus anhaltend geklagten Beschwerden zu verneinen. Damit ist die Leistungseinstellung auf dieses Datum hin nicht zu beanstanden.
4.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 750.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 19. November 2009
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
Ursprung Polla