BGer 5A_144/2010 |
BGer 5A_144/2010 vom 22.03.2010 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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5A_144/2010
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Urteil vom 22. März 2010
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II. zivilrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter von Werdt, Herrmann,
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Gerichtsschreiber Schett.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Advokat Ivo Trüeb,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Y.________,
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vertreten durch Advokatin Doris Vollenweider,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Scheidung, Unterhaltsbeiträge,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 17. November 2009.
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Sachverhalt:
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A.
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A.a X.________ (geb. 1952) und Y.________ (geb. 1962) heirateten am 30. Juni 1989. Sie sind die Eltern zweier Söhne, A.________ (geb. 1989) und B.________ (geb. 1992). Seit November 2005 leben die Ehegatten getrennt.
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A.b Zwischen den Parteien ist seit dem 18. April 2007 ein Scheidungsverfahren hängig. Mit Verfügung vom 25. September 2008 hob das Bezirksgericht C.________ eine zuvor angeordnete Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Sohn B.________ und der Ehefrau auf, weil X.________ nach mehr als zwei Jahren Arbeitslosigkeit per 28. Juni 2008 ausgesteuert worden war.
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A.c Gestützt auf das gemeinsame Scheidungsbegehren vom 20. September 2007 schied das Bezirksgericht C.________ mit Urteil vom 22. Januar 2009 die Ehe der Parteien. Es genehmigte eine Teilvereinbarung der Ehegatten über die Scheidungsfolgen mit Ausnahme der darin vorgesehenen hälftigen Teilung der Vorsorgeguthaben, stellte den Sohn unter die elterliche Sorge der Mutter, regelte die Aufteilung der Vorsorgeguthaben, verpflichtete den Vater auf der Basis eines hypothetischen Einkommens von Fr. 5'000.-- zur Zahlung von monatlichen Unterhaltsbeiträgen für den Sohn in der Höhe von Fr. 750.-- bis zu dessen Volljährigkeit, sowie für die Ehefrau in der Höhe von Fr. 300.-- bis zu seiner ordentlichen Pensionierung. In güterrechtlicher Hinsicht stellte das Bezirksgericht fest, dass die Ehegatten vollständig auseinandergesetzt sind.
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B.
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Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hiess die von X.________ ergriffene Appellation teilweise gut (Urteil vom 17. November 2009). Es genehmigte die Teilvereinbarung der Ehegatten vom 20. September 2007 nunmehr in allen Teilen und reduzierte den für den Sohn geschuldeten Unterhaltsbeitrag zufolge Annahme eines hypothetischen Einkommens von nurmehr Fr. 4'000.-- auf Fr. 600.--; denjenigen zugunsten der Ehefrau liess es dagegen unverändert.
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C.
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Gegen dieses Urteil hat X.________ (nachfolgend Beschwerdeführer) am 18. Februar 2010 eine Beschwerde eingereicht mit dem Begehren um dessen Aufhebung und Abweisung der Unterhaltsansprüche sowohl des Sohnes als auch der Ehefrau. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 Angefochten sind die Fr. 30'000.-- übersteigenden vermögensrechtlichen Folgen eines kantonal letztinstanzlichen Ehescheidungsurteils; auf die Beschwerde ist somit einzutreten (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG).
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1.2 Gerügte Rechtsverletzungen prüft das Bundesgericht an sich frei (Art. 95 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 BGG). Vorliegend ist jedoch zu beachten, dass dem Sachgericht bei der Unterhaltsfestsetzung ein weites Ermessen zukommt (Art. 4 ZGB; BGE 127 III 136 E. 3a S. 141; 134 III 577 E. 4 S. 580; 135 III 59 E. 4.4 S. 64) und das Bundesgericht bei der Überprüfung solcher Ermessensentscheide grosse Zurückhaltung übt (BGE 129 III 380 E. 2 S. 382; 131 III 12 E. 4.2 S. 15; 132 III 97 E. 1 S. 99).
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An die kantonalen Sachverhaltsfeststellungen ist das Bundesgericht gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, der Sachverhalt sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden oder die Feststellung beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (BGE 135 III 127 E. 1.5 S. 130; 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Hierfür gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). Sodann hat der Beschwerdeführer aufzuzeigen, inwiefern die Behebung des Mangels für der Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in fine BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22).
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Was die Annahme eines hypothetischen Einkommens anbelangt, ist die effektive Erzielbarkeit (angesichts des Alters, der Gesundheit, der Ausbildung und persönlichen Fähigkeiten, der Arbeitsmarktlage, etc.) Tatfrage, hingegen Rechtsfrage, ob die Erzielung angesichts der Tatsachenfeststellungen als zumutbar erscheint (vgl. BGE 126 III 10 E. 2b S. 13 oben; 128 III 4 E. 4c/bb und cc S. 7).
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2.
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Der Beschwerdeführer rügt in verschiedener Hinsicht Willkür in der Sachverhaltsfeststellung.
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2.1
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2.1.1 Zunächst wirft er dem Kantonsgericht vor, den Sachverhalt widersprüchlich festgestellt zu haben, indem dieses seine fehlende Erwerbsfähigkeit bei der Beurteilung seines Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege bejaht, aber für die Beurteilung der Unterhaltspflicht gegenüber Frau und Kind verneint habe.
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2.1.2 Bei der Beurteilung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtspflege ist von den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung auszugehen und ein hypothetisches Einkommen wird nur bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch angenommen (Urteil 5P.113/2004 vom 28. April 2004 E. 4; BGE 99 Ia 437 E. 3c S. 442 f.; 104 Ia 31 E. 4 S. 34). Demgegenüber darf bei der Festsetzung von Unterhaltsbeiträgen vom tatsächlichen Leistungsvermögen des Pflichtigen, das Voraussetzung und Bemessungsgrundlage der Beitragspflicht bildet, abgewichen und statt dessen von einem hypothetischen Einkommen ausgegangen werden, falls und soweit der Pflichtige bei gutem Willen bzw. bei ihm zuzumutender Anstrengung mehr zu verdienen vermöchte, als er effektiv verdient (BGE 128 III 4 E. 4a S. 5). Mithin sind die tatbeständlichen Grundlagen für die Beurteilung der beiden Fragen nicht identisch, sodass eine unterschiedliche tatbeständliche Schlussfolgerung keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung zu begründen vermag.
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2.2
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2.2.1 Nach Auffassung des Beschwerdeführers hätte das Kantonsgericht als Rechtsmittelinstanz den Sachverhalt festzustellen bzw. zu beurteilen gehabt, wie er sich bis und mit zum Zeitpunkt des bezirksgerichtlichen Urteils am 22. Januar 2009 zugetragen habe. Indem jenes Tatsachen berücksichtigt und gewürdigt habe, die sich nach dem 22. Januar 2009 ereignet hätten, habe es seinem Urteil rechtsunerhebliche Tatsachen zugrunde gelegt und sei daher in Willkür verfallen.
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2.2.2 Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, aus welcher gesetzlichen Bestimmung er seine Behauptung ableitet. Insofern kommt er den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht nach (E. 1.2). Auf diese Rüge kann nicht eingetreten werden. Im Übrigen widerspricht er sich selbst, wenn er rügt, das Kantonsgericht habe zu Unrecht ein offensichtlich nach dem 22. Januar 2009 erstelltes Arztzeugnis ausser Acht gelassen (dazu E. 2.5).
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2.3
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2.3.1 Sodann wirft der Beschwerdeführer dem Kantonsgericht unter Hinweis auf das Urteil KGE ZS vom 6. Mai 2008 i.S. T. gegen N., bestätigt im Urteil des Bundesgerichts 5A_395/2008 vom 12. August 2008, vor, sich ohne ersichtliche Gründe über seine eigene Rechtsprechung hinweg gesetzt zu haben. Danach müsse aus dem Umstand, dass er Sozialhilfe beziehe, in tatsächlicher Hinsicht abgeleitet werden, dass er sich um Arbeit bemühe, denn ohne derartige Bemühungen würde er seinen Anspruch auf Sozialhilfe einbüssen, was offensichtlich nicht der Fall sei.
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2.3.2 Der Beschwerdeführer misst dem erwähnten Urteil einen Sinn zu, den es nicht hat. Das Kantonsgericht beliess es nicht einfach beim Umstand, dass der Unterhaltsschuldner Sozialhilfe bezog, sondern es erwog, den Akten lasse sich nicht entnehmen, dass der Unterhaltsschuldner den Auflagen der Behörden zur Arbeitssuche nicht nachgekommen wäre, vielmehr ergebe sich das Gegenteil. In der Tat stützte es sich bei seinem Entscheid massgeblich auf zahlreiche, aktenkundig dokumentierte, aber erfolglose Stellenbewerbungen über mehrere Jahre. Mithin kann keine Rede davon sein, es bestehe eine kantonale Praxis, gemäss welcher aus der Tatsache des Sozialhilfebezugs auf genügende Arbeitsbemühungen geschlossen werden muss. Der Vorwurf, ohne Gründe von seiner eigenen Praxis abgewichen zu sein, trifft ins Leere; die Rüge ist unbegründet.
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2.4 Weiter behauptet der Beschwerdeführer mehrere aktenwidrige Feststellungen im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt und seiner Erwerbstätigkeit in der Dominikanischen Republik. Er versucht damit - zumindest implizit - aufzuzeigen, dass er sich sehr wohl um Arbeit bemüht habe, was allerdings ohne sein Verschulden misslungen sei. Auf diese Rüge ist mangels Entscheidrelevanz nicht einzutreten. Den Vorwurf, sich nicht effektiv und seriös um eine neue Anstellung bemüht zu haben, begründet das Kantonsgericht denn auch nicht mit seinem verunglückten Aufenthalt in der Dominikanischen Republik, sondern vielmehr damit, dass er sowohl für die Zeit davor als auch danach keine konkreten Arbeitsbemühungen dokumentiere, und seine blosse Behauptung, bei Kollegen nach Arbeit gefragt zu haben und er im Übrigen abwarte, was man ihm vorschlage, keinen Nachweis für genügende Arbeitsbemühungen darstelle.
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2.5 Ferner rügt der Beschwerdeführer, das Kantonsgericht habe zu Unrecht das anlässlich der Verhandlung vom 17. November 2009 eingereichte Arztzeugnis vom 13. November 2009 als unerlaubtes Novum aus den Akten gewiesen. Implizit rügt er damit die Verletzung von Art. 8, gegebenenfalls Art. 138 ZGB.
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Indes schreiben diese Bestimmungen dem Sachgericht nicht vor, wie die Beweise zu würdigen sind und schliessen die vorweggenommene Würdigung von Beweisanerbieten nicht aus. Dem Sachgericht bleibt vielmehr unbenommen, von beantragten Beweiserhebungen abzusehen, weil es sie für untauglich hält, die behaupteten Tatsachen zu beweisen, oder weil es seine Überzeugung bereits aus anderen Beweisen gewonnen hat und mit Gewissheit davon ausgeht, weitere Beweisabnahmen vermöchten diese Überzeugung nicht zu erschüttern (sog. vorweggenommene Beweiswürdigung; BGE 122 III 219 E. 3c S. 223 f.; 118 II 365 E. 1 S. 366; 114 II 289 E. 2a S. 290 f., je mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 277). Diese Rechtsprechung hat für den Beschwerdeführer zur Folge, dass er in einem ersten Schritt - und unter Gewärtigung der Nichteintretensfolge - willkürliche Beweiswürdigung rügen und damit durchdringen muss, bevor sich das Bundesgericht mit der Rüge der Verletzung des Beweisführungsanspruchs nach Art. 8 ZGB (bzw. Art. 138 ZGB) befasst.
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Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern die Berücksichtigung des fraglichen Arztzeugnisses für der Ausgang des Verfahrens entscheidend gewesen wäre. Mithin kommt er auch in diesem Punkt den Begründungsanforderungen nicht nach (s. E. 1.2), sodass auf diese Rüge nicht eingetreten werden kann.
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2.6 Soweit sich der Beschwerdeführer auf die mit seiner Eingabe vom 30. April 2009 eingereichten Arztzeugnisse vom 11. Februar und 14. April 2009 stützt, um darzutun, dass er aufgrund seines aktuellen Gesundheitszustandes gar nicht in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit in seinem angestammten Beruf nachzugehen bzw. sich dafür zu bewerben, vermag er keine Willkür in den tatsächlichen Feststellungen des Kantonsgerichts zu belegen. Mit Bezug auf seinen Gesundheitszustand hielt das Kantonsgericht fest, er habe wohl einen Unfall dokumentiert, aufgrund dessen der behandelnde Arzt sieben Wochen Ruhe angeordnet habe. Anlässlich der Gerichtsverhandlung habe der Beschwerdeführer indes erklärt, er leide immer noch unter gesundheitlichen Problemen, benötige aber keine Stöcke mehr. Deshalb sei davon auszugehen, dass die Beeinträchtigung der körperlichen Gesundheit wegen des fraglichen Unfalls, der immerhin mehr als ein halbes Jahr zurück liege, nicht besonders gravierend gewesen sei, zumal der Arzt wohl kaum lediglich eine Ruhigstellung für sieben Wochen verordnet hätte. Da er zugegebenermassen am Haus seiner neuen Partnerin Bauarbeiten verrichtet habe, sei davon auszugehen, dass er durchaus in der Lage sei, seine frühere Erwerbstätigkeit auszuüben. Der Beschwerdeführer setzt sich überhaupt nicht mit diesen Erwägungen auseinander, sodass auf diese Rüge nicht einzutreten ist.
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3.
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Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Der unterliegende Beschwerdeführer wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seine Beschwerde war von Anfang an aussichtslos, weshalb das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege abzuweisen ist (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden (Art. 68 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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2.
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Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3.
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Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 22. März 2010
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:
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Escher Schett
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