BGer 9C_217/2011 |
BGer 9C_217/2011 vom 23.08.2011 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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9C_217/2011
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Urteil vom 23. August 2011
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II. sozialrechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
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Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Glanzmann,
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Gerichtsschreiberin Keel Baumann.
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Verfahrensbeteiligte |
N.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Personalvorsorgestiftung X.________,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Berufliche Vorsorge,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt
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vom 15. Februar 2011.
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Sachverhalt:
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A.
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Der 1942 geborene N.________ war ab 1. April 1989 bei der A.________ AG angestellt und für die berufliche Vorsorge bei der Personalvorsorgestiftung X.________ versichert.
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Mit Wirkung auf den 1. Mai 2007 wurde N.________ pensioniert. Die Personalvorsorgestiftung X.________ ermittelte per 30. April 2007 eine Austrittsleistung von Fr. 640'822.55. Auf entsprechendes Begehren hin zahlte sie die eine Hälfte (Fr. 320'411.30) in Kapitalform aus und nahm die andere Hälfte als Berechnungsbasis für die ab 1. Mai 2007 zu entrichtende Altersrente, welche sie auf Fr. 20'631.- pro Jahr festsetzte. Daran hielt sie fest, als N.________ von ihr höhere Altersleistungen forderte mit der sinngemässen Begründung, im Zuge von Reglementsänderungen sei sein Anspruch auf Besitzstandswahrung verletzt worden.
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B.
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Klageweise liess N.________ das materielle Rechtsbegehren stellen, die Vorsorgeeinrichtung sei zu verpflichten, ihm Fr. 13'240.- zuzüglich Zins zu 5 % ab 1. Mai 2007 als zusätzliche Zahlung zu den bereits ausgerichteten Altersleistungen (lit. a) sowie mindestens Fr. 1'750.- nebst Zins zu 4 % ab 1. Januar 1998 und zu 5 % ab 1. Mai 2007 aus den aus der "Teilliquidation 1995-1997" resultierenden freien Mitteln zu entrichten (lit. b). Des Weitern ersuchte er um Einsicht in die Akten der Vorsorgeeinrichtung im Zusammenhang mit der "Teilliquidation 1995-1997". Replicando beantragte er die Feststellung, dass die Vorsorgeeinrichtung ihre Auskunftspflicht verletzt habe. Nach Einsicht in den Verteilplan und die Verteilliste zog er die Klage hinsichtlich des die Teilliquidation betreffenden Antrages (lit. b) zurück.
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Mit Entscheid vom 15. Februar 2011 wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt die Klage ab.
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C.
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N.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den Anträgen, der kantonale Entscheid sei aufzuheben und die Vorsorgeeinrichtung zu verpflichten, ihm Fr. 13'240.- nebst Zins zu 5 % ab 1. Mai 2007 zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur Abklärung des Sachverhalts und neuer Entscheidung zurückzuweisen. Die Vorsorgeeinrichtung sei zur Bezahlung von Fr. 805.50 für Umtriebe/Unkosten zu verpflichten. Dies alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
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Die Vorsorgeeinrichtung und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen:
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1.
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Der Beschwerdeführer beanstandet zu Unrecht, die Vorinstanz habe seinen Klageantrag lit. b (Verpflichtung zur Bezahlung von mindestens Fr. 1'750.- aus freien Mitteln zufolge Teilliquidation) sowie das replicando gestellte Begehren auf Feststellung, dass die Vorsorgeeinrichtung ihre Auskunftpflicht verletzt habe, "vollumfänglich vergessen bzw. nicht behandelt". Nachdem er Klageantrag lit. b mit Stellungnahme vom 13. Dezember 2010 zurückgezogen hatte, war darüber nicht mehr zu entscheiden. Wie den Erwägungen des angefochtenen Entscheides entnommen werden kann, ist die Vorinstanz auf das Feststellungsbegehren nicht eingetreten, weil ein aktuelles Rechtsschutzinteresse fehle. Der Beschwerdeführer habe sich betreffend Antrag lit. a vorprozessual und betreffend lit. b im hängigen Klageverfahren die erforderlichen Daten und Fakten verschaffen können. Auch dies ist nicht zu beanstanden.
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2.
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Die Vorinstanz hat folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen, die - da nicht offensichtlich unrichtig - für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 BGG): Als der Beschwerdeführer am 1. April 1989 in die A.________ AG eintrat, stand das Reglement 90 in Kraft. Per 1. Januar 1995 kam ein Reglementsnachtrag 3/95 zum Reglement 90 hinzu. Dieser brachte eine Umstellung von einer 35-Jahresskala auf eine 40-Jahresskala mit sich, wobei sowohl die anrechenbare als auch die mögliche Versicherungsdauer auf 40 Jahre beschränkt wurde (Art. 7a Abs. 4 des Reglementsnachtrags 3/95). Die am 31. Dezember 1994 erworbene Freizügigkeitsleistung blieb gewahrt (Art. 4 der Übergangsbestimmungen für die am 31. Dezember 1994 bereits Versicherten des Reglementsnachtrags 3/95). Per 10. Juni 1996 wurde das Reglement 96 erlassen. Es enthielt keine materiellen Neuerungen. Indes wurden darin neue Übergangsbestimmungen für die am 31. Dezember 1994 Versicherten erlassen. Auf das Reglement 96 folgte per 1. Januar 1999 das Reglement 99, das inhaltlich und übergangsrechtlich gleich blieb. Das Reglement 99 wurde wiederum per 1. Januar 2003 abgelöst durch das Reglement 03, mit welchem ein Wechsel in der Berechnungsart erfolgte. Im Zeitpunkt der Pensionierung des Beschwerdeführers stand das Reglement 07 in Kraft.
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Im Zentrum der Streitigkeit steht die Ablösung des bis 31. Dezember 2002 geltenden Reglements 99 bzw. "identischen" Reglements 96 durch das per 1. Januar 2003 in Kraft gesetzte Reglement 03.
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3.
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3.1 Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die vom Beschwerdeführer erworbene Freizügigkeitsleistung per 31. Dezember 1994 Fr. 261'997.20 betrug (vgl. auch Vorsorgeausweis vom 14. Januar 1995). Diese wird nach Art. 4 der Übergangsbestimmungen für die am 31. Dezember 1994 Versicherten zum Reglement 96 in jedem Fall gewahrt, indem jedem zu diesem Zeitpunkt Versicherten eine eingekaufte Versicherungsdauer gemäss Art. 6 mindestens in einer solchen Höhe angerechnet wird, dass die Freizügigkeitsleistung nach der neuen Berechnungsart 1 (Barwert der erworbenen Leistungen) am 31. Dezember 1994 mindestens dem Deckungskapital nach alter Regelung zum selben Zeitpunkt entspricht. Um die nach dem Reglement 96 per 31. Dezember 1994 berechnete Freizügigkeitsleistung (Fr. 203'351.64) auf Fr. 261'997.20 anzuheben, wurden dem Beschwerdeführer zusätzlich 6,5833 eingekaufte Jahre angerechnet, womit sich die Versicherungsdauer auf 41,5833 Jahre belief (somit 1,5833 Jahre mehr als der Maximalwert von 40 Jahren).
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3.2 Mit dem Reglement 03 erfolgte ein Wechsel in der Berechnungsart des Barwerts der erwobenen Leistungen und dessen Anpassung an die neusten verfügbaren technischen Grundlagen. Bis 31. Dezember 2002 waren die tatsächlich erworbenen, die eingekauften und die zusätzlich angerechneten Beitragsjahre ausschlaggebend (E. 3.1). Nach Art. 34 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 8 und 13 Reglement 03 bildete neu bei allen Versicherten einheitlich ein auf Alter 65 versicherter Rentensatz von 55 % abzüglich der noch nicht erworbenen Dauer bis Alter 65 Ausgangspunkt. Gemäss der Übergangsbestimmung des Art. 1 Satz 2 von Kapitel VIII des Reglements 03 werden bei den bereits per 31. Dezember 2002 Versicherten die versicherten Leistungen entsprechend angehoben, sofern die Umstellung auf das neue Reglement per 1. Januar 2003 zu einer tieferen Austrittsleistung nach Art. 34 führt. Diese Norm ist - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung - hinreichend klar und bestimmt. Aus dem von ihm zitierten Urteil 2A.45/2003 vom 29. Juli 2004 (publ. in: StR 60/2005 S. 32) vermag der Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu seinen Gunsten abzuleiten, weil es sich auf den Fall, in welchem verschiedene Kategorien von Vorsorgenehmern gebildet wurden, bezieht und damit auf einen vom vorliegenden abweichenden Sachverhalt.
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4.
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4.1 Die Parteien sind sich uneinig hinsichtlich des nach Reglement 03, Kapitel VIII Art. 1, vorzunehmenden Vergleichs der Austrittsleistung nach altem und nach neuem Recht. Dabei wird von keiner Seite in Frage gestellt, dass die mit Art. 34 Abs. 2 Reglement 03 neu eingeführte Berechnungsart als solche mit Art. 16 Abs. 1 und 2 FZG vereinbar ist. Während die Beschwerdegegnerin nach dem Reglement 03 eine gegenüber dem bis 31. Dezember 2002 gültig gewesenen Reglement 99 bzw. 96 (Fr. 458'545.- per 31. Dezember 2002) um Fr. 8'883.- tiefere Austrittsleistung von Fr. 449'662.- ermittelt, gelangt der Beschwerdeführer, unter Einbezug der Zusatzgutschrift von 1,5833 Jahren, zu einer um Fr. 11'078.- höheren Freizügigkeitsleistung von Fr. 469'623.-.
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4.2 Der Berechnung der Beschwerdegegnerin, welche die Zusatzgutschrift von 1,5833 Jahren unberücksichtigt lässt, ist beizupflichten. Denn bei seiner die gutgeschriebenen 1,5833 Jahre einbeziehenden Ermittlung der Austrittsleistung lässt der Beschwerdeführer ausser Acht, dass als durch den Anspruch auf Treu und Glauben (Art. 9 BV) und die Eigentumsgarantie (Art. 26 BV) geschütztes wohlerworbenes Recht nur der Rentenanspruch als solcher und der bisher erworbene Bestand der Freizügigkeitsleistung (hier: Fr. 458'545.-) gilt, nicht aber - vorbehältlich qualifizierter Zusicherungen - während der Zugehörigkeit zur Vorsorgeeinrichtung und vor dem Eintritt des Vorsorgefalls das reglementarisch vorgesehene künftige Altersguthaben und die Anwartschaften bzw. die genaue Höhe der mit den Beiträgen finanzierten Leistungen (BGE 134 I 23 E. 7.2 S. 36 f.) und somit auch nicht einzelne Berechnungsparameter. Entgegen der vom Beschwerdeführer sinngemäss vertretenen Auffassung musste die per 31. Dezember 1994 ausgewiesene anrechenbare Versicherungsdauer (E. 3.1; als Berechnungsparameter) deshalb mit dem Reglement 03 nicht übernommen werden. Daran ändert selbst die Aufführung der Versicherungsdauer in den Vorsorgeausweisen 1997 bis 2002 nichts, weil darin keine den Schutz wohlerworbener Recht begründende qualifizierte Zusicherung erblickt werden kann.
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Wie bereits die Vorinstanz festgehalten hat, läuft die Berechnungsweise des Beschwerdeführers letztlich darauf hinaus, dass gewisse für die Berechnung der Austrittsleistung bestimmende Faktoren gleichsam wie Teile eines Sparkapitals stetig aufzusummieren sind, um dann nicht nur im Freizügigkeitsfall, sondern auch bei Erreichen des Pensionsalters berechnungswirksam zu bleiben. Diese Vorgehensweise ist schon mit dem - unbestritten - hier herrschenden Leistungsprimat nicht zu vereinbaren. Die Höhe der Austrittsleistung resp. der Freizügigkeitsleistung entspricht in diesem Fall grundsätzlich dem Barwert der erworbenen Rente und muss versicherungstechnisch ermittelt werden. Die Altersrente wird in festen Prozenten des versicherten Lohnes garantiert. Demgegenüber bestimmt sich die Austrittsleistung wie auch die Altersrente beim Beitragsprimat grundsätzlich aufgrund des geäufneten Sparkapitals (Carl Helbling, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 248).
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4.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stellt der Umstand, dass die Änderung des Barwerts für die nach dem 1. Januar 1995 eingetretenen Versicherten mit einer höheren Freizügigkeitsleistung einhergeht, keine unzulässige Besserstellung derselben dar. Er wird im Vergleich zu dieser "Gruppe" reglementarisch nicht ungleich behandelt. Alle Versicherte unterliegen dem gleichen Berechnungsmodus. Sein finanzieller Nachteil ist ausschliesslich auf sein Recht auf Besitzstand - in absoluter Grösse (E. 4.2 Abs. 1) - zurückzuführen. Allein darauf hatte die Beschwerdegegnerin zu achten (E. 3.2 und 4.2). Nachdem es in concreto nicht zu einem vorzeitigen Austritt, sondern zu einer ordentlichen Pensionierung gekommen ist, kann nicht (mehr) die versicherte Leistung im Austrittsfall um Fr. 8'883.- angehoben werden. Vielmehr ist die versicherte Leistung im Alter entsprechend anzuheben.
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4.4 Soweit der Beschwerdeführer dem vorinstanzlichen Entscheid schliesslich seine eigene Berechnungsweise gegenüberstellt, handelt es sich um appellatorische Kritik, die nicht zu hören ist. Ebenso wenig ist weiter einzugehen auf seine Ausführungen zu Ansprüchen aus Langlebigkeitsfonds, weil ein derartiger Sachverhalt nicht zur Diskussion steht.
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5.
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Um der sich aus der Reglementsänderung ergebenden Differenz von Fr. 8'883.- (vgl. E. 4.1) im Sinne von Kapitel VIII Art. 1 der Übergangsbestimmungen des Reglements 03 Rechnung zu tragen, richtet die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer eine derselben entsprechende Zusatzrente aus. Sie ermittelte deren Höhe mit Fr. 673.- pro Jahr (Fr. 8'883.- : 13,20037333 [Barwert]; Schreiben H.________ vom 24. Juli 2006). Diese Berechnung wird vom Beschwerdeführer - unter arithmetischen Gesichtspunkten - auch vor Bundesgericht nicht in Frage gestellt. Es liegt weder Willkür noch eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben vor. Das Vorgehen der Beschwerdegegnerin ist nicht zu beanstanden.
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6.
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Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Entschädigung für Umtreibe und Unkosten, wie beantragt, kann er nicht beanspruchen (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 23. August 2011
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Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Meyer
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Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann
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