BGer 9C_371/2011 |
BGer 9C_371/2011 vom 05.09.2011 |
Bundesgericht
|
Tribunal fédéral
|
Tribunale federale
|
{T 0/2}
|
9C_371/2011
|
Urteil vom 5. September 2011
|
II. sozialrechtliche Abteilung
|
Besetzung
|
Bundesrichter U. Meyer, Präsident,
|
Bundesrichter Kernen, Bundesrichterin Pfiffner Rauber,
|
Gerichtsschreiber Scartazzini.
|
Verfahrensbeteiligte |
Gemeinde X.________,
|
Soziale Dienste X.________ Sozialamt,
|
Beschwerdeführerin,
|
gegen
|
Ausgleichskasse Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 4, 9102 Herisau,
|
Beschwerdegegnerin.
|
Gegenstand
|
Ergänzungsleistung zur AHV/IV,
|
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts von Appenzell Ausserrhoden vom 17. November 2010.
|
Sachverhalt:
|
A.
|
Am 28. Oktober 2009 meldete das Sozialamt der Gemeinde X.________, Soziale Dienste (nachfolgend: Sozialamt), S.________, geboren am 25. Mai 1994, die seit Februar 2009 bei der Grossfamilie N.________ lebte, bei der Ausgleichskasse Appenzell Ausserrhoden (nachfolgend: Ausgleichskasse) zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Am 22. Januar 2010 meldete das Sozialamt auch T.________, geboren 1969, geschieden seit dem 30. Oktober 2007 und Mutter von S.________, bei der Ausgleichskasse zum Bezug von Ergänzungsleistungen an. Dabei wurde mitgeteilt, die Mutter beziehe eine Rente und Kinderrenten der Invalidenversicherung für S.________ und den 1995 geborenen Sohn D.________ sowie eine BVG-Rente mit Kinderrenten. Zusätzlich erhalte sie Alimente für die beiden Kinder.
|
Mit Verfügung vom 5. Februar 2010 verneinte die Ausgleichskasse unter Ausserachtlassung der Tochter S.________ einen Anspruch von T.________ auf Ergänzungsleistungen für die Zeit von Oktober bis Dezember 2009 bei einem Einnahmenüberschuss von Fr. 2'298.-. Mit Verfügung gleichen Datums verneinte die Ausgleichskasse auch unter Einbezug beider Kinder einen Anspruch von T.________ auf Ergänzungsleistungen ab Oktober 2010 bei einem Einnahmenüberschuss von Fr. 9'462.-. Ebenfalls mit Verfügung vom 5. Februar 2010 verneinte die Ausgleichskasse einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen von S.________ für die Zeit von Oktober bis Dezember 2009, da Kinder darauf nur Anspruch hätten, wenn die Hauptrentnerin T.________ ebenfalls einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen habe, was vorliegend nicht der Fall sei. Die gegen letztere Verfügung erhobene Einsprache wurde von der Ausgleichskasse mit Entscheid vom 24. März 2010 abgewiesen.
|
B.
|
Die vom Sozialamt namens der Gemeinde X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 17. November 2010 ab.
|
C.
|
Die Gemeinde X.________, handelnd durch das Sozialamt, führt dagegen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und beantragt, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei unter Kosten- und Entschädigungsfolge der Anspruch auf Ergänzungsleistungen für die nicht mündige S.________ für den Zeitraum ihrer Fremdplatzierung vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2009 gesondert zu berechnen, wobei das Einkommen der Mutter soweit zu berücksichtigen sei, als es deren eigenen Unterhalt und den der übrigen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen übersteigt.
|
Erwägungen:
|
1.
|
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393).
|
1.2 Wie die Vorinstanz festgestellt hat, kommt dem Sozialamt keine eigene Rechtspersönlichkeit zu und fehlt ihm an sich die Legitimation zur Beschwerdeerhebung. Weil die Sozialen Dienste X.________, Sozialamt, indessen die politische Gemeinde X.________ vertreten und sie in deren Interessen handeln, ist ihre Beschwerdelegitimation gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG (und Art. 59 ATSG) gegeben (BGE 133 V 188 E. 4.3.2 und E. 4.3.3 S. 192 f. mit Hinweisen). Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
|
2.
|
2.1 Streitig und zu prüfen ist einzig, ob S.________, der Tochter von T.________, für den Zeitraum der Fremdplatzierung vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2009 ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen zusteht.
|
Die Vorinstanz hat die anwendbaren Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen (Art. 4 Abs. 1 lit. c, Art. 9 Abs. 1 und 2, Art. 9 Abs. 4 und 5 lit. a, Art. 10 Abs. 1 lit. a Ziffn. 1 und 3 ELG, Art. 7 Abs. 1 lit. a-c und Art. 7 Abs. 2 sowie Art. 8 Abs. 2 ELV, Art. 35 Abs. 1 IVG) zutreffend dargelegt. Sie hat insbesondere ausgeführt, dass die Ergänzungsleistung gesondert zu berechnen ist, wenn die Kinder nicht bei den Eltern leben (Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV). Bei einer Berechnung nach Art. 7 Abs. 1 lit. b und c ELV ist das Einkommen der Eltern soweit zu berücksichtigen, als es deren eigenen Unterhalt und den der übrigen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen übersteigt (Art. 7 Abs. 2 ELV). Darauf wird verwiesen.
|
2.2 Das Sozialamt macht geltend, der vorinstanzliche Entscheid verletze Bundesrecht, weil die Ausgleichskasse für die Tochter S.________ keine gesonderte Berechnung der Ergänzungsleitung vorgenommen habe, obwohl dies in Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV vorgeschrieben sei. Dabei ist es der Ansicht, Art. 7 Abs. 2 ELV würde keinen Sinn machen, wenn der Gesetzgeber vorgesehen hätte, dass auf die aus der gesonderten Berechnung für das Kind resultierenden Ergänzungsleistungen nur Anspruch besteht, wenn bereits die Hauptrentnerin eine Ergänzungsleistung bezieht. Auch in der Wegleitung über die Ergänzungsleistungen zur AHV und IV sei nirgends festgelegt, dass die Hauptrentnerin oder der Hauptrentner zwingend einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben muss, damit für das Kind eine Berechnung vorgenommen wird.
|
2.3 Anrecht auf Ergänzungsleistungen im Sinne der angeführten Bestimmungen haben, sofern die übrigen Voraussetzungen zu bejahen sind, nur Personen, welchen ein selbstständiger IV-Rentenanspruch zusteht. Von Gesetzes wegen keinen solchen originären Rentenanspruch besitzt eine Person, für die ein Versicherter eine Zusatzrente bezieht. Demgemäss finden die Bezüger von Kinderrenten, welche derivate Zusatzrenten zur Stammrente von Mutter und Vater darstellen, in den entsprechenden gesetzlichen Normen denn auch keine Erwähnung. Die Rechtsprechung hat es abgelehnt, Kinder, für die eine Kinderrente der Invalidenversicherung gewährt wird, aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Destinatäre eines Teils der Ergänzungsleistungen zu betrachten mit der Folge, dass ihnen ein separat ausgeschiedener Ergänzungsleistungsanteil ausgerichtet würde. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass das Kind selber als Bezüger von Kinderrenten keinen Anspruch auf Ausrichtung von Ergänzungsleistungen hat. Daran ändert der Umstand nichts, dass gemäss Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV die Ergänzungsleistung für ein Kind, das nicht bei den Eltern lebt, gesondert zu berechnen ist, zumal das Einkommen der Eltern auch in diesem Fall insoweit zu berücksichtigen ist, als es deren eigenen Unterhalt und den der übrigen unterhaltsberechtigten Familienangehörigen übersteigt (Art. 7 Abs. 2 ELV; Rz. 2044 WEL; zum Ganzen Urteil 8C_624/2007 vom 20. Mai 2008 E. 5 mit Hinweisen und Urteil 8C_43/2007 vom 4. Dezember 2007 E. 4.2.2 mit Hinweisen).
|
2.4
|
2.4.1 Aufgrund des Dargelegten haben Kinder somit nur Anspruch auf Ergänzungsleistungen, wenn der Hauptrentner oder die Hauptrentnerin (vorliegend die Mutter T.________) ebenfalls einen solchen Anspruch hat. Die Vorinstanz hat festgestellt, die Ausgleichskasse habe mit Verfügungen vom 5. Februar 2010 sowohl unter Ausserachtlassung der Tochter S.________ bei einem Einnahmeüberschuss von Fr. 2'298.- als auch unter Einbezug beider Kinder S.________ und D.________ bei einem Einnahmenüberschuss von Fr. 9'462.- einen Anspruch von T.________ auf Ergänzungsleistungen verneint. Das beschwerdeführende Sozialamt bringt jedoch vor, zwar sei der Überschuss der Mutter und Hauptrentnerin T.________ bei der Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen von S.________ zu berücksichtigen, doch bedeute dies nicht per se, dass für die Tochter keine gesonderte Berechnung der Ergänzungsleistungen zu erfolgen habe.
|
2.4.2 Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid einlässlich und zutreffend dargelegt, dass die Bestimmungen von Art. 7 Abs. 1 lit. c und Art. 7 Abs. 2 ELV nichts am fundamentalen Grundsatz zu ändern vermögen, wonach Bezüger von Zusatzrenten zur Stammrente eines Elternteils wie insbesondere Kinderrente keinen eigenen Anspruch auf Ergänzungsleistungen haben bzw. begründen können. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn beim vom Elternteil getrennt lebenden Kind die Anspruchsberechtigung auf Ergänzungsleistungen gesondert zu berechnen ist. Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, kann daher bei gesonderter Berechnung ein allfälliger Ausgabenüberschuss beim vom Elternteil getrennt lebenden Kind für dessen Anspruchsberechtigung nur Bedeutung erlangen, wenn ein solcher auch beim eine IV-Rente beziehenden Elternteil vorliegt, dem deshalb ein eigener Anspruch auf Ergänzungsleistungen zusteht. Daraus ergibt sich, dass die nach Art. 7 Abs. 1 lit. c ELV vorgeschriebene gesonderte Berechnung der Ergänzungsleistung der Tochter S.________ im vorliegenden Fall nicht zu erfolgen hatte und dass sie demzufolge durch die Ausgleichskasse nicht durchgeführt werden musste, wie das kantonale Gericht zu Recht entschied.
|
3.
|
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
|
Demnach erkennt das Bundesgericht:
|
1.
|
Die Beschwerde wird abgewiesen.
|
2.
|
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
|
3.
|
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
|
Luzern, 5. September 2011
|
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
|
des Schweizerischen Bundesgerichts
|
Der Präsident: Meyer
|
Der Gerichtsschreiber: Scartazzini
|