BGer 1B_728/2011
 
BGer 1B_728/2011 vom 13.01.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
{T 0/2}
1B_728/2011
Urteil vom 13. Januar 2012
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Merkli,
Gerichtsschreiber Härri.
 
Verfahrensbeteiligte
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt J. Mischa Mensik,
gegen
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat,
Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8026 Zürich.
Gegenstand
Untersuchungshaft; Recht auf Replik,
Beschwerde gegen den Beschluss vom 29. November 2011 des Obergerichts des Kantons Zürich,
III. Strafkammer.
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat (im Folgenden: Staatsanwaltschaft) führt gegen X.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der mehrfachen Schändung. Sie wirft ihm vor, sich als Anästhesiepfleger im Spital an Patientinnen, die sich nach einer Operation im Aufwachraum aufhielten, sexuell vergangen zu haben.
Am 14. September 2011 nahm ihn die Polizei fest. Mit Verfügung vom 16. September 2011 versetzte ihn das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Zürich bis zum 31. Oktober 2011 in Untersuchungshaft.
Am 1. November 2011 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Haft bis zum 31. Januar 2012.
Die von X.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Zürich (III. Strafkammer) am 29. November 2011 ab. Es bejahte den dringenden Tatverdacht und Kollusionsgefahr. Ob überdies Fluchtgefahr gegeben sei, liess es offen. Ersatzmassnahmen erachtete es als ungenügend. Die Haftdauer beurteilte es als verhältnismässig.
B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben. Er sei, eventuell unter Anordnung von Ersatzmassnamen, sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen. Subeventualiter sei der Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
C.
Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Die Staatsanwaltschaft hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Eventualiter seien die Akten an das Obergericht zurückzuweisen und dieses anzuweisen, sich einerseits auch zur Frage der Fluchtgefahr zu äussern und anderseits dem Verteidiger das rechtliche Gehör im Sinne einer Frist zur Stellungnahme einzuräumen; diesfalls sei die Haft bis zum Entscheid des Obergerichts aufrecht zu erhalten.
X.________ hat zur Vernehmlassung Stellung genommen. Er hält an seinen Anträgen fest.
Erwägungen:
1.
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.
Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 BGG zulässig.
Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a i.V.m. lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt.
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
2.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Staatsanwaltschaft habe sich am 21. November 2011 zu seiner Beschwerde an die Vorinstanz vernehmen lassen. Die Vorinstanz habe ihm keine Gelegenheit gegeben, dazu eine Replik einzureichen. Dadurch habe sie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
2.2 Das Recht, angehört zu werden, ist formeller Natur. Seine Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit der Beschwerde zu deren Gutheissung und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 137 I 195 E. 2.2 S. 197 mit Hinweis). Die Rüge ist daher vorweg zu behandeln.
2.3 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 3 Abs. 2 lit. c StPO haben die Parteien Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser umfasst namentlich das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu mit Replik äussern zu können (BGE 137 I 195 E. 2.3.1 S. 197; 133 I 98 E. 2.1 S. 99; 133 I 100 E. 4.3 ff. S. 102 ff.; 132 I 42 E. 3.3.2 f. S. 46 f.; je mit Hinweisen). Im Haftprüfungsverfahren hat der Beschuldigte aufgrund von Art. 5 Ziff. 4 EMRK, der ein kontradiktorisches Verfahren gewährleistet, das Recht, zu jeder Vernehmlassung der Strafverfolgungsbehörden zu replizieren, unbekümmert darum, ob darin neue Tatsachen vorgebracht werden oder nicht (BGE 125 I 113 E. 2a S. 115; 114 Ia 84 E. 3 S. 86 ff.; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Sanchez-Reisse gegen Schweiz vom 21. Oktober 1986, Serie A Bd. 107 § 51). Dabei darf dem Beschuldigten die Vernehmlassung nicht lediglich "zur Orientierung" zugestellt werden. Vielmehr ist ihm Frist zur Einreichung einer Replik anzusetzen (Urteil 1P.541/2002 vom 8. November 2002 E. 2.1.2, in: Pra 2003 Nr. 64 S. 317).
2.4 Dem hat das Vorgehen der Vorinstanz nicht entsprochen. Sie hat dem Anwalt des Beschwerdeführers die Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft vom 21. November 2011 mit "Kurzbrief" vom 23. November 2011 zugesandt. Dabei hat sie die Kästchen "zur Kenntnisnahme" bzw. "zu ihren Akten" angekreuzt, nicht dagegen das Kästchen "Stellung nehmen bis" (act. 14). Sie hat dem Anwalt die Vernehmlassung somit nicht zur Replik zugestellt. Vielmehr musste der Anwalt aufgrund des Kurzbriefs davon ausgehen, eine Stellungnahme seinerseits sei nicht mehr erwünscht. Da die Vorinstanz den Anwalt nicht zur Replik eingeladen hat, hat sie ihm dafür auch keine Frist angesetzt, was sie nach der dargelegten Rechtsprechung hätte tun müssen.
Der Anwalt des Beschwerdeführers hat die Vernehmlassung nach seinen Angaben, welche die Vorinstanz nicht bestreitet, am 28. November 2011 erhalten. Am Tag darauf fällte die Vorinstanz den angefochtenen Beschluss, ohne dass sie dem Anwalt Gelegenheit zur Replik gegeben hätte und sich dieser hinreichend hätte äussern können. Damit hat sie den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt.
Zu dessen Gewährung hätte sie umso mehr Anlass gehabt, als sie im Gegensatz zum Zwangsmassnahmengericht die Untersuchungshaft nicht auf den Haftgrund der Fluchtgefahr, sondern auf jenen der Kollusionsgefahr stützte und sie dabei den Ausführungen der Staatsanwaltschaft in der Vernehmlassung im Wesentlichen folgte.
2.5 Die Vorinstanz hat volle Kognition; dies auch in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung (Art. 393 Abs. 2 StPO). Die Kognition des Bundesgerichts ist insoweit demgegenüber beschränkt (Art. 97 BGG). Für die Prüfung der Haftvoraussetzungen, insbesondere der Kollusionsgefahr, sind hier auch Sachverhaltsfragen von Bedeutung. Die Heilung der Gehörsverletzung im Verfahren vor Bundesgericht fällt daher ausser Betracht (BGE 126 I 68 E. 2 S. 72 mit Hinweisen).
2.6 Die Sache ist in Gutheissung der Beschwerde an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese hat dem Anwalt des Beschwerdeführers Frist anzusetzen zur Einreichung einer Replik zur Vernehmlassung vom 21. November 2011 und alsdann neu zu entscheiden.
Zu den weiteren Rügen des Beschwerdeführers braucht damit keine Stellung genommen zu werden. Dies gilt auch für sein Vorbringen, die kantonalen Behörden hätten durch die Vorenthaltung eines wesentlichen Aktenstücks ("Urk. 13/11") sein Recht auf Akteneinsicht verletzt. Dieses Aktenstück steht ihm inzwischen zur Verfügung (Beschwerdebeilage 28). Er wird sich somit in Kenntnis dessen Inhalts vor Vorinstanz äussern können.
Ob die Haftvoraussetzungen erfüllt sind, wird (beförderlich) die Vorinstanz zu entscheiden haben. Das Bundesgericht hat sich hier dazu nicht zu äussern. Die Haftentlassung durch das Bundesgericht fällt daher ausser Betracht.
2.7 Dem Eventualantrag der Staatsanwaltschaft, die Vorinstanz sei anzuweisen, sich auch zur Fluchtgefahr zu äussern, kann nicht stattgegeben werden. Ob ein Haftgrund und bejahendenfalls welcher gegeben sei, darf hier nicht präjudiziert werden. Sollte die Vorinstanz wiederum einen Haftgrund bejahen, bräuchte sie grundsätzlich nicht zu prüfen, ob ein weiterer hinzukomme, da ein Haftgrund für die Aufrechterhaltung der Haft genügt. Erscheint ein angenommener Haftgrund diskutabel, kann es sich mit Blick auf die Prozessökonomie und den besonderen Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen (Art. 5 Abs. 2 StPO) allerdings aufdrängen, dass sich ein Gericht zu zusätzlichen Haftgründen äussert. So kann gegebenenfalls verhindert werden, dass die Rechtsmittelinstanz, wenn diese einen Haftgrund verneint, die Sache an es zurückweisen muss zur Prüfung, ob ein anderer gegeben sei (vgl. Art. 397 Abs. 2 StPO, Art. 107 Abs. 2 BGG).
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG) und hat der Kanton dem Anwalt des Beschwerdeführers eine Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG ist damit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. November 2011 aufgehoben und die Sache an dieses zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Kosten erhoben.
3.
Der Kanton Zürich hat dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt J. Mischa Mensik, für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Januar 2012
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Fonjallaz
Der Gerichtsschreiber: Härri