BGer 2C_1044/2012 |
BGer 2C_1044/2012 vom 05.11.2012 |
Bundesgericht
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Tribunal fédéral
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Tribunale federale
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{T 0/2}
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2C_1044/2012
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Urteil vom 5. November 2012
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II. öffentlich-rechtliche Abteilung
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Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichterin Aubry Girardin,
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Bundesrichter Donzallaz,
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Gerichtsschreiber Hugi Yar.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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Beschwerdeführer,
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vertreten durch Khalid Mahmood Qureshi,
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gegen
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Amt für Migration des Kantons Zug.
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Gegenstand
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Eingrenzung (Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG),
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Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug, AuG-Einzelrichterin, vom 11. Oktober 2012.
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Erwägungen:
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1.
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1.1 X.________ (geb. 1973) stammt aus Pakistan. Das Bundesamt für Migration (BFM) trat am 17. August 2011 auf sein Asylgesuch nicht ein, wies ihn weg und hielt ihn an, die Schweiz bis zum Tag nach der Rechtskraft seiner Verfügung zu verlassen. Der Entscheid blieb unangefochten. Am 17. Oktober 2011 trat das Bundesamt für Migration auf ein Wiedererwägungsgesuch von X.________ nicht ein. Das entsprechende Rechtsmittelverfahren vor Bundesverwaltungsgericht endete am 15. Dezember 2011 mit einem Nichteintretensentscheid. Während der Dauer des Verfahrens war der Vollzug der Wegweisung nicht ausgesetzt worden.
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1.2 Am 28. Oktober 2011 nahm das Amt für Migration des Kantons Zug X.________ in Ausschaffungshaft (vgl. das Urteil 2C_1040/2011 vom 28. November 2011). Am 27. September 2012 wurde er aus dieser entlassen, da sich die pakistanischen Behörden - trotz der inzwischen erstellten Personalien - geweigert hatten, einen Laissez-passer auszustellen; X.________ hatte ihnen gegenüber erklärt, nicht freiwillig in seine Heimat zurückkehren zu wollen. Das Amt für Migration untersagte X.________ in der Folge am 28. September 2012 für die Dauer von zwei Jahren, die Gemeinde A.________ bzw. das Gemeindegebiet der ihm zugewiesenen Nothilfeunterkunft (B.________) zu verlassen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug (AuG-Einzelrichterin) bestätigte diese Anordnung auf Beschwerde hin am 11. Oktober 2012.
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1.3 X.________ beantragt sinngemäss vor Bundesgericht, das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, ihm einen Ausweis N für Asylsuchende auszustellen und auf seine Eingrenzung zu verzichten. Diese sei unverhältnismässig.
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2.
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2.1 Die Rechtsschriften an das Bundesgericht haben die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Die Begründung muss sachbezogen sein, d.h. den Gegenstand des angefochtenen Entscheids betreffen. Es ist in gezielter Form auf die für das Ergebnis massgeblichen Erwägungen der Vorinstanz einzugehen (vgl. BGE 134 II 244 E. 2.1 - 2.3).
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2.2 Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht bildete ausschliesslich die Rechtmässigkeit der Eingrenzung vom 28. September 2012. Sämtliche Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinem angeblichen Status als Asylsuchender (Ausweis N) gehen an der Sache vorbei: Der Beschwerdeführer ist im Asylverfahren rechtskräftig weggewiesen worden. Seine Entlassung aus der Ausschaffungshaft hat hieran nichts geändert. Diese erfolgte einzig, weil die pakistanischen Behörden wegen seiner Weigerung, freiwillig heimzukehren, es abgelehnt haben, ein Rückreisedokument für ihn auszustellen. Der Beschwerdeführer verfügt in der Schweiz dennoch über keinerlei Anwesenheitsrecht und hätte das Land längst verlassen müssen. Er hat seine Ausschaffung bewusst vereitelt und ist seinen Mitwirkungspflichten (vgl. Art. 90 AuG) nicht nachgekommen.
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2.3 Bezüglich des Eingrenzungsentscheids wiederholt der Beschwerdeführer ausschliesslich, was er bereits im kantonalen Verfahren vorgetragen hat. Mit den Ausführungen im angefochtenen Entscheid zu seinen Einwänden setzt er sich nicht weiter auseinander. Unter diesen Umständen dürfte seine Eingabe auch insofern kaum rechtsgenügend begründet sein. Die Frage kann aber letztlich offengelassen werden, da der angefochtene Entscheid so oder anders kein Bundesrecht verletzt.
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3.
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3.1 Die zuständige kantonale Behörde kann einer Person unter anderem die Auflage machen, ein ihr zugewiesenes Gebiet nicht zu verlassen oder ein bestimmtes Gebiet nicht zu betreten, wenn ein rechtskräftiger Weg- oder Ausweisungsentscheid vorliegt und sie die ihr angesetzte Ausreisefrist nicht eingehalten hat (Art. 74 Abs. 1 lit. b AuG). Zweck dieser Massnahme ist es, den Verbleib der ausländischen Person zu kontrollieren sowie ihre Verfügbarkeit für die Vorbereitung und Durchführung der Ausschaffung sicherzustellen (ANDREAS ZÜND, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli, Migrationsrecht, 3. Aufl. 2012, N. 5 zu Art. 74 AuG). Sie ist milderes Mittel zum ausländerrechtlich begründeten Freiheitsentzug und darf analog diesem auch eine gewisse Druckwirkung zur Durchsetzung der Ausreisepflicht entfalten (vgl. das Urteil 2C_321/2007 vom 13. November 2007 zum analog formulierten Art. 13e Abs. 1 lit. b ANAG [AS 2006 4745, 4767]). Die Missachtung einer Ein- oder Ausgrenzung kann mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden (Art. 119 AuG).
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3.2 Der Beschwerdeführer ist rechtskräftig aus der Schweiz weggewiesen worden, er hat keinen Status als Asylsuchender und unternimmt alles, um in der Schweiz verbleiben zu können, wo sich offenbar bereits sein Bruder aufhält. Seine Ausschaffung konnte (bisher) nicht vollzogen werden, weil er die entsprechenden Bemühungen bei den pakistanischen Behörden hintertrieb. Der Beschwerdeführer erfüllt mit seiner Renitenz - wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat - an sich die Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsetzungshaft (Art. 78 AuG); es ist nicht zu beanstanden, wenn die kantonalen Behörden ihn unter diesen Umständen als mildere Massnahme auf das Gemeindegebiet von A.________ bzw. jenes der ihm zugewiesenen Nothilfeunterkunft eingegrenzt haben, statt ihn weiter in Haft zu halten (vgl. auch ANDRÉ EQUEY, Änderungen im Bereich der Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht aufgrund der Übernahme der EG-Rückführungsrichtlinie durch die Schweiz, in: AJP 2011 S. 924 ff., dort S. 927). Die Massnahme erlaubt, seine weitere Anwesenheit im Land zu kontrollieren und ihm gleichzeitig bewusst zu machen, dass er sich hier illegal aufhält und nicht vorbehaltslos von den mit einem Anwesenheitsrecht verbundenen Freiheiten profitieren kann.
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3.3 Die freiheitsbeschränkende Massnahme ist indessen jeweils verfassungs- und EMRK-konform zu handhaben (vgl. SPESCHA/KERLAND/ BOLZLI, Handbuch zum Migrationsrecht, 2010, S. 251). Die Eingrenzung muss geeignet und erforderlich sein, den Vollzug der Wegweisung sicherzustellen und zu erleichtern. Sie darf nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen, was insbesondere bei der Festlegung der Grösse des Rayons und der Dauer der Massnahme zu berücksichtigen ist; Zweck und Mittel haben in einem vernünftigen Verhältnis zueinander zu stehen (vgl. BGE 135 II 105 E. 2.2.1 S. 107). Auf begründetes Gesuch hin muss die zuständige Behörde für gewisse Gänge zu Behörden, Anwalt, Arzt oder Angehörigen Ausnahmen bewilligen, soweit die entsprechenden Grundbedürfnisse nicht sachgerecht und grundrechtskonform im bezeichneten Aufenthaltsgebiet selber abgedeckt werden können (vgl. THOMAS HUGI YAR, § 10 Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax/Rudin/Hugi Yar/Geiser [Hrsg.], Ausländerrecht, 2. Aufl. 2009, N. 10.175 ff.).
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3.4 Die kantonalen Behörden haben den Beschwerdeführer auf eine relativ grosse Gemeinde im Kanton Zug eingeschränkt. Seine Einkäufe kann er dort tätigen. Für die familiären Kontakte darf von seinem Bruder bzw. seinem Neffen erwartet werden, dass sie nötigenfalls zu ihm reisen. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die Moschee Ahmadiyya Muslim Jammat Schweiz in Zürich aufsuchen zu wollen, legt er nicht dar, inwiefern er seinen Glauben im Gebiet, auf das er eingegrenzt wurde, nicht den grundrechtlichen Vorgaben entsprechend praktizieren bzw. nicht auch dort vom Beistand eines Imams profitieren könnte. Die auf zwei Jahre beschränkte Eingrenzung erscheint nicht zum Vornherein ungeeignet, den Wegweisungsvollzug zu fördern und den Beschwerdeführer zu veranlassen, dem rechtskräftigen Entscheid nachzukommen und unter Beachtung seiner Mitwirkungspflichten in seine Heimat zurückzukehren. Die Massnahme entspricht auch in Bezug auf ihre Dauer dem überwiegenden öffentlichen Interesse, das schweizerische Asyl- und Ausländerrecht wirksam durchsetzen und die betroffene, illegal anwesende ausländische Person in ihre Heimat zurückführen zu können (vgl. hierzu auch das Urteil 2C_231/2007 vom 13. November 2007 E. 3.4). Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Urteil 2A.347/2003 vom 24. November 2003 beruft, übersieht er, dass es dort um einen Fall der Gefährdung und Störung der öffentlichen Ordnung in der Drogenszene ging (heute Art. 74 Abs. 1 lit. a AuG); im Übrigen ist nicht ersichtlich, was er aus diesem Urteil zu seinen Gunsten ableiten könnte.
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4.
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4.1 Der angefochtene Entscheid entspricht der bundesgerichtlichen Praxis und verletzt kein Bundesrecht, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
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4.2 Dem Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Eingabe nicht zu entsprechen (vgl. Art. 64 BGG). Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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2.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, AuG-Einzelrichterin, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 5. November 2012
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar
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