BGer 8C_431/2012
 
BGer 8C_431/2012 vom 12.12.2012
Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
8C_431/2012 {T 0/2}
Urteil vom 12. Dezember 2012
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Leuzinger,
Bundesrichter Frésard,
Bundesrichterin Niquille,
Bundesrichter Maillard,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.
 
Verfahrensbeteiligte
F.________,
Beschwerdeführer,
gegen
Kantonales Amt für Industrie,
Gewerbe und Arbeit Baselland,
Bahnhofstrasse 32, 4133 Pratteln,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Arbeitslosenversicherung (Vermittlungsfähigkeit),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantons-
gerichts Basel-Landschaft vom 9. Februar 2012.
Sachverhalt:
A.
F.________, geboren 1975, schloss im November 2008 sein Studium der Rechtswissenschaften ab. Am 26. Juli 2010 meldete er sich zur Arbeitsvermittlung und am 16. August 2010 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigungen an. Die Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Baselland richtete ihm Taggelder aus. Vom 1. September 2010 bis 8. April 2011 absolvierte er ein Praktikum in einem Anwaltsbüro. Am 13. April 2011 meldete er sich erneut zur Arbeitsvermittlung und zum Bezug von Arbeitslosenentschädigungen an. Das RAV lehnte seine Vermittlungsfähigkeit für die Zeit vom 13. April bis 14. Dezember 2011 ab, da F.________ in dieser Zeit die Anwaltsprüfung absolvieren werde, welche am 8. August 2011 mit der fünftägigen Hausarbeit beginne und am 14. Dezember 2011 mit den mündlichen Prüfungen ende; angesichts der notwendigen Vorbereitungszeit, welche einer Vollzeitbeschäftigung gleichkomme, sei F.________ nicht vermittlungsfähig (Verfügung vom 17. Juni 2011, Einspracheentscheid vom 19. September 2011).
B.
F.________ erhob dagegen Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft. Während des Verfahrens teilte er dem Gericht mit, er sei nicht zu den mündlichen Prüfungen zugelassen (Schreiben vom 24. November 2011). Gestützt darauf beantragte das KIGA Baselland, es sei nur die Vermittlungsfähigkeit bis zur Mitteilung der Ergebnisse zu prüfen. Das Gericht wies die Beschwerde mit Entscheid vom 9. Februar 2012 ab.
C.
F.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm die Vermittlungsfähigkeit vom 13. April bis 9. No-vember 2011 anzuerkennen; eventualiter seien ihm angemessene Taggelder der Arbeitslosenversicherung zuzusprechen und subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um unentgeltliche Prozessführung.
D.
Mit Eingabe vom 27. November 2012 äussert sich F.________ erneut zur Sache.
Erwägungen:
1.
1.1 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (vgl. BGE 130 III 136 E. 1.4 S. 140). Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde hinreichend zu begründen, andernfalls wird darauf nicht eingetreten (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG). Das Bundesgericht prüft grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen; es ist nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu prüfen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen wurden. Es kann die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht nur insofern prüfen, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246).
1.2 Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art. 97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt. Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind. Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 IV 286 E. 6.2 S. 288; 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).
Die Beweiswürdigung im Allgemeinen, einschliesslich die Würdigung von Indizien und fallbezogene Wahrscheinlichkeitsüberlegungen, betreffen Tatfragen, die das Bundesgericht lediglich auf offensichtliche Unrichtigkeit und Rechtsfehlerhaftigkeit hin zu überprüfen befugt ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Blosse Zweifel an der Richtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung ändern an deren Verbindlichkeitswirkung gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG nichts (vgl. etwa Urteil 8C_831/2008 vom 29. Mai 2009 E. 2.3 und Urteil 9C_539/2007 vom 31. Januar 2008 E. 2.2.2, je mit Hinweisen).
2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Leistungsvoraussetzungen zur Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigungen (Art. 8 ff. AVIG), namentlich die Vermittlungsfähigkeit (Art. 15 AVIG; BGE 125 V 51 E. 6a S. 58, 120 V 385 E. 2 S. 387 und E. 3 S. 388), zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.
Streitig und zu prüfen ist die Vermittlungsfähigkeit des Versicherten, namentlich die Voraussetzung des "in der Lage sein", für die Zeit vom 13. April bis 9. November 2011 (Mitteilung des negativen Prüfungsentscheids; vgl. dazu E. 2 des angefochtenen Entscheids).
4.
4.1 Die Vorinstanz begründet die Verneinung der Vermittlungsfähigkeit damit, dass die Vorbereitungen auf Anwaltsprüfungen nach Angaben des Sekretärs der Anwaltsprüfungskommission in der Regel einen zeitlichen Umfang einer Vollzeitstelle während durchschnittlich sechs Monaten beanspruchen würden, so dass lediglich eine Erwerbstätigkeit im Rahmen einer ein volles Pensum überschreitenden Tätigkeit denkbar wäre, die Arbeitslosenversicherung aber nicht dazu diene, ein Pensum von mehr als 100 % zu entschädigen, sondern sich auf normale Arbeitnehmertätigkeiten beschränke.
4.2 Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche auf eine offensichtlich unrichtige - mithin willkürliche (vgl. E. 1.2) - Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz schliessen liessen. Namentlich legt der Versicherte nicht in rechtsgenüglicher Weise dar, inwiefern die Annahme einer durchschnittlich sechsmonatigen Vorbereitungszeit auf die Anwaltsprüfungen im Rahmen einer vollzeitlichen Erwerbstätigkeit willkürlich sein soll. Zutreffend ist einzig, dass im vorinstanzlichen Entscheid nicht erwähnt wird, dass sich seine Suchbemühungen nicht nur auf Voll-, sondern auch auf Teilzeitstellen erstreckten; dieser Umstand ändert jedoch nichts an der rechtlichen Beurteilung, da er gemäss seinem Antrag auf Arbeitslosenentschädigung eine Vollzeitstelle gesucht hatte, für diese aber nicht vermittlungsfähig war.
Weiter ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die durchschnittlich sechsmonatige Prüfungsvorbereitungszeit erst vom Moment der Beendigung des letzten Volontariats (8. April 2011) resp. der Anmeldung zum Leistungsbezug (13. April 2011) an rechnete anstatt bereits vom Zeitpunkt der Anmeldung zu den Prüfungen (5. Februar 2011). Denn es ist nicht davon auszugehen, dass nebst der bis 8. April 2011 vollzeitlichen Arbeitstätigkeit noch in wesentlichem Umfang eine Prüfungsvorbereitung möglich war; die Arbeitslosenversicherung deckt indessen Ausfälle aus einer ein volles Pensum übersteigenden Tätigkeit nicht ab (vgl. Urteil 8C_854/2009 vom 1. Dezember 2009 mit Hinweis auf BGE 129 V 105 E. 2 S. 107). Aus diesem Grund vermag auch der Einwand, der Versicherte hätte für die Ablegung der Prüfungen - soweit sie nicht an einem Samstag angesetzt waren - Ferien beziehen können, nicht durchzudringen.
Der Versicherte kann aus der Tatsache, dass seine Vermittlungsfähigkeit im Jahr zuvor anerkannt wurde, obwohl er zwischen zwei Volontariaten nur während zwei Monaten der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Denn die damalige Situation unterscheidet sich von der hier zu beurteilenden dadurch, dass er 2011 die Anwaltsprüfungen vorbereitete, im Jahr 2010 jedoch nebst der anvisierten Stelle keine anderweitige Betätigung aufwies; in diesem Sinne konnte der Versicherte 2011 nicht frei disponieren, sondern seine Ressourcen waren zu einem wesentlichen Teil durch die Prüfungsvorbereitungen gebunden.
Schliesslich kann dem Antrag des Versicherten, die Arbeitslosenversicherung habe ihm Taggelder zuzusprechen, damit er wenigstens seine Schulden bei der Sozialhilfe tilgen könne, nicht gefolgt werden. Die Arbeitslosenversicherung dient grundsätzlich dem Ersatz von ausgefallenem Erwerb infolge Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder Insolvenz des Arbeitgebers und nicht infolge Ausbildung resp. zur Finanzierung von Prüfungsvorbereitungen. Sie beteiligt sich ausnahmsweise an den Kosten einer Ausbildung; dies bedingt aber, dass sie schon vor Beginn der Ausbildung kontaktiert wird und im Einzelfall prüfen kann, inwiefern die geplante Ausbildung aus wirtschaftlichen Gründen notwendig ist (arbeitsmarktliche Massnahmen; Art. 59 ff. AVIG).
4.3 Im Übrigen stimmen die Ausführungen mit jenen in der Beschwerde an die Vorinstanz praktisch wortwörtlich überein, so dass sich seine Einwände in appellatorischer Kritik erschöpfen, auf die - mangels Auseinandersetzung mit dem vorinstanzlichen Entscheid - nicht weiter einzugehen ist.
5.
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten vom Beschwerdeführer als unterliegender Partei zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihm kann indessen die unentgeltliche Prozessführung gewährt werden (Art. 64 BGG), weil die Bedürftigkeit aktenkundig und die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist (vgl. BGE 125 V 201 E. 4a S. 202 und 371 E. 5b S. 372). Es ist indessen auf Art. 64 Abs. 4 BGG hinzuweisen, wonach der Gerichtskasse Ersatz zu leisten sein wird, wenn dies später möglich sein sollte (Art. 64 Abs. 4 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten gewährt.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. Dezember 2012
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Ursprung
Die Gerichtsschreiberin: Riedi Hunold