BGer 4A_239/2013 |
BGer 4A_239/2013 vom 09.09.2013 |
{T 0/2}
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4A_239/2013
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Urteil vom 9. September 2013 |
I. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
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Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
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Gerichtsschreiber Widmer.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________ AG,
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vertreten durch Fürsprecher Walter Krähenmann,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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1. Y.________ AG,
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vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
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2. Z.________ GmbH,
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vertreten durch Rechtsanwalt Urs Hochstrasser,
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3. Q.________ AG,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Fiechter,
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4. R.________ AG,
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vertreten durch Fürsprecher Ronald Frischknecht,
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5. S.________ AG,
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vertreten durch Rechtsanwältin
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Susanne Schaffner-Hess,
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6. Versicherung T.________ AG,
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7. Versicherung U.________ AG,
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vertreten durch Fürsprecher Dr. Peter Haas,
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Beschwerdegegnerinnen.
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Gegenstand
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Zivilprozess, sachliche Zuständigkeit,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer,
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vom 6. März 2013.
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Sachverhalt: |
A. |
Am 6. Dezember 2011 reichte die X.________ AG (Klägerin, Beschwerdeführerin) beim Bezirksgericht Aarau Klage gegen die Beklagten 1-10 ein, nämlich V.________ Dachbau (Beklagter 1), Y.________ AG (Beklagte 2; Beschwerdegegnerin 1), Z.________ GmbH (Beklagte 3; Beschwerdegegnerin 2), Q.________ AG (Beklagte 4; Beschwerdegegnerin 3), R.________ AG (Beklagte 5; Beschwerdegegnerin 4), W.________ Metallbau (Beklagte 6), S.________ AG (Beklagte 7; Beschwerdegegnerin 5), S.________ (Beklagter 8), Versicherung T.________ AG (Beklagte 9; Beschwerdegegnerin 6) und Versicherung U.________ AG (Beklagte 10; Beschwerdegegnerin 7). Sie stellte folgende Anträge:
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B. |
Die Beschwerdeführerin beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Bezirksgericht Aarau sei in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids für die Behandlung des Schadenersatzprozesses in Sachen "Überbauung R.________" für zuständig zu erklären.
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Erwägungen: |
1. |
Mit dem angefochtenen Urteil schützte das Obergericht den Nichteintretensentscheid des Bezirksgerichts, soweit die Klage sich gegen die Beklagten 2, 3, 4, 5, 7, 9 und 10 richtet. Somit liegt ein Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 1 und 2 BGG vor. Dagegen steht die Beschwerde in Zivilsachen offen, zumal der Streitwert mehr als Fr. 30'000.-- beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
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2. |
Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, das Bezirksgericht habe sich zu Unrecht für unzuständig erklärt. Sie rügt, dass anstelle von Bundesrecht kantonales Recht angewendet worden sei. Das kantonale Recht dürfe die Durchsetzung des materiellen Bundesrechts nicht vereiteln. Es verletze den Verhältnismässigkeitsgrundsatz (Art. 5 BV), das Beschleunigungsgebot (Art. 29 Abs. 1 BV) und das Rechtsgleichheitsgebot (Art. 8 BV), wenn für die auf den gleichen Sachverhalt ("Überbauung R.________") gestützten Klagen je nach beklagter Partei beim Handelsgericht und beim Bezirksgericht ein Prozess geführt werden müsste.
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3. |
3.1. Das kantonale Recht regelt die sachliche und funktionelle Zuständigkeit der Gerichte, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt (Art. 4 Abs. 1 ZPO). Die Kantone können ein Fachgericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für handelsrechtliche Streitigkeiten zuständig ist (Art. 6 Abs. 1 ZPO).
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3.2. Die Beschwerdeführerin hat die Beklagten 1-10 als einfache Streitgenossen eingeklagt.
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3.3. Wie das Bundesgericht kürzlich in einem Fall betreffend den Kanton Zürich entschieden hat, kann der Kanton eine einheitliche Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts für die einfache passive Streitgenossenschaft vorsehen, wenn für gewisse Beklagte das Handelsgericht, für andere das ordentliche Gericht zuständig wäre. Wörtlich führte es in BGE 138 III 471 E. 5.1 aus:
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3.4. Vorliegend präsentiert sich die kantonale Rechtslage anders: Für den Kanton Aargau ist eine entsprechende Regelung einer einheitlichen Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts bei einfacher passiver Streitgenossenschaft nicht anzunehmen. Gemäss den Darlegungen der Vorinstanz sieht das aargauische Recht in Fällen, in denen für einzelne Klagen das Bezirksgericht, für andere das Handelsgericht zuständig ist, bei passiver Streitgenossenschaft keine einheitliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts vor, wobei entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin gerade keine echte Gesetzeslücke anzunehmen ist.
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4. |
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdegegnerinnen liessen sich durch verschiedene Rechtsbeistände vertreten. Da es einzig um die Frage der sachlichen Zuständigkeit ging, war der Aufwand zur Vernehmlassung gering. Es rechtfertigt sich daher, die Parteientschädigungen ermessensweise auf je Fr. 2'500.-- festzusetzen (Art. 8 Abs. 2 Reglement vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor Bundesgericht, SR 173.110.210.3). Der Beschwerdegegnerin 5, die auf eine (eingehende) Stellungnahme verzichtete und der daher kaum Aufwand erwuchs, ist eine Parteientschädigung von Fr. 300.-- zu entrichten. Der nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin 6 ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (BGE 133 III 439 E. 4 S. 446).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 6'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerinnen 1, 2, 3, 4 und 7 für das bundesgerichtliche Verfahren mit je Fr. 2'500.-- und die Beschwerdegegnerin 5 mit Fr. 300.-- zu entschädigen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 9. September 2013
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Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Klett
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Der Gerichtsschreiber: Widmer
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