BGer 8C_555/2013 |
BGer 8C_555/2013 vom 18.12.2013 |
8C_555/2013 {T 0/2}
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Urteil vom 18. Dezember 2013 |
I. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin,
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Bundesrichter Ursprung, Bundesrichterin Heine,
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Gerichtsschreiber Jancar.
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Verfahrensbeteiligte |
Helsana Unfall AG, Recht, 8081 Zürich Helsana,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Z.________, vertreten durch Rechtsanwalt Jan Herrmann, Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Unfallversicherung (Kausalzusammenhang),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 23. Mai 2013.
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Sachverhalt: |
A. Der 1962 geborene Z.________ ist seit 1981 bei der A.________ als Kundenberater tätig und bei der Helsana Versicherungen AG (nachfolgend Helsana) obligatorisch unfallversichert. Am 6. Dezember 2009 verdrehte er sich beim Beachvolleyball das linke Knie. Die Helsana erbrachte Versicherungsleistungen in Form von Heilbehandlung; zunächst bestand keine Arbeitsunfähigkeit. Am 10. August 2010 meldete die Arbeitgeberin der Helsana einen Rückfall ab 2. August 2010. In der Folge kam Letztere für die Heilbehandlung und das Taggeld auf. Am 3. März 2011 wurde der Versicherte in der Klinik X.________ am linken Knie operiert (arthroskopische Gelenktoilette, Knorpelglättung, Plicaresektion); die Operationsdiagnose lautete Chondrose III. Grades Femur trochlea Knie links und Plica infrapatellaris. Mit Verfügung vom 10. März 2011 stellte die Helsana ihre Leistungen per Ende Dezember 2010 ein, woran sie mit Einspracheentscheid vom 24. November 2011 festhielt; zur Begründung führte sie aus, die Kniebeschwerden links seien nicht mehr überwiegend wahrscheinlich unfallkausal.
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B. Dagegen führte der Versicherte beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Beschwerde. Dieses holte ein Gutachten des Prof. Dr. med. H.________, Chefarzt, und des Dr. med. F.________, Oberarzt, Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates, Spital L.________, vom 13. Dezember 2012 mit Ergänzung vom 25. April 2013 ein. In Gutheissung der Beschwerde hob die Vorinstanz den Einspracheentscheid sowie die Verfügung der Helsana auf und verpflichtete diese, dem Versicherten die gesetzlichen Leistungen über den 31. Dezember hinaus bis auf Weiteres zu erbringen (Entscheid vom 23. Mai 2013).
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C. Mit Beschwerde beantragt die Helsana, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei festzustellen, dass sie dem Versicherten über den 31. Dezember 2010 hinaus keine gesetzlichen Leistungen schulde; eventuell sie die Sache zur Neubeurteilung und Anordnung eines neuen Gerichtsgutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Versicherte schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
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Erwägungen: |
1. Mit der Beschwerde kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Trotzdem prüft es - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389).
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Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
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2. Die Vorinstanz hat die Grundlagen über den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden (BGE 134 V 109 E. 2.1 S. 111 f. und E. 9.5 S. 125), den Wegfall unfallbedingter Ursachen eines Gesundheitsschadens bei Erreichen des Status quo sine vel ante und die damit verbundene Beweislast (SVR 2011 UV Nr. 4 S. 12 E. 3.2 [8C_901/2009]) sowie den im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 134 V 109 E. 9.5 S. 125) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG) und den Beweiswert von Arztberichten bzw. medizinischen Gerichtsgutachten (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232, 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f. und E. 4.7 S. 471). Darauf wird verwiesen.
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3. |
3.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerden des Versicherten am linken Knie auch nach dem 31. Dezember 2010 natürlich-kausal auf den Unfall vom 6. Dezember 2009 zurückzuführen sind. Die Vorinstanz bejahte diese Frage, wobei sie das von ihr angeordnete Gutachten des Prof. Dr. med. H.________ und des Dr. med. F.________ vom 13. Dezember 2012/25. April 2013 als zuverlässige Beurteilungsgrundlage ansah.
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Die Gerichtsgutachter zogen eine Ganzbeinaufnahme und Röntgenbilder des linken Knies a.p./seitlich sowie der Patella axial vom 30. November 2012 bei. Sie stellten folgende Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit: Status nach Distorsion Kniegelenk links am 6. Dezember 2009 mit posttraumatischem Bone bruise mediale Femurkondyle; Guillain-Barré-Syndrom (ED 12/2011). Zur Frage nach der Ursächlichkeit des Unfalls vom 6. Dezember 2009 führten sie aus, davor berichte der Versicherte über keinerlei Probleme mit dem linken Kniegelenk. Auch bei stärkeren sportlichen Belastungen sei er völlig beschwerdefrei gewesen. Er gebe auch kein vorausgegangenes Trauma an. Aus diesen Gründen könne, trotz eines im MRI beschriebenen osteochondralen Defekts an der Femurcondyle, nicht von einem degenerativen Vorzustand ausgegangen werden. Somit sei der Unfall vom 6. Dezember 2009 als alleinige Ursache für die nachher aufgetretenen Probleme zu sehen. In der Ergänzung vom 25. April 2013 legten die Gutachter dar, im Operationsbericht vom 3. März 2011 seien degenerative Veränderungen im Kniegelenk in Sinne einer Chondrose III. Grades im Bereich der medialen Femurtrochlea beschrieben. Diese entsprächen in etwa den im MRI vom 18. August 2010 beschriebenen Veränderungen. Diese seien durch das Trauma alleine nicht erklärbar. Es handle sich somit zumindest zum Teil auch um degenerative Veränderungen. Da der Versicherte, wie im Hauptgutachten erläutert, vor dem Unfall beschwerdefrei gewesen sei, seien diese degenerativen Veränderungen jedoch zu vernachlässigen. Mit dem Trauma vom 6. Dezember 2009 bestehe eine richtungsweisende Verschlechterung der Situation am Knie. Die im Operationsbericht beschriebene Plica mediopatellaris sei mit hoher Wahrscheinlichkeit vorbestehend. Im Rahmen einer Knieverletzung könne es zu einer Traumatisierung dieser Plica kommen, die dann symptomatisch werden könne. Aus oben genannten Gründen könnten aus dem Operationsbericht keine für den Verlauf relevanten degenerativen Veränderungen identifiziert werden.
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3.2. Das Gerichtsgutachten ist bereits deshalb nicht überzeugend, weil die Gutachter am 13. Dezember 2012 trotz Kenntnis des Operationsberichts vom 3. März 2011 einen degenerativen Vorzustand ausschlossen; erst am 25. April 2012 räumten sie ein, dass aufgrund dieses Berichts zum Teil auch degenerative Veränderungen im Sinne einer Chondrose vorlägen.
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Weiter ist der Helsana beizupflichten, dass die Gerichtsgutachter die im MRI-Bericht des Instituts Y.________ vom 18. Januar 2010 als degenerativ bezeichneten Befunde - subchondrale zystische Signalalteration in der ventralen medialen Femurkondyle und intrameniskale hyperintense Signalalteration im Hinterhorn- des Aussen- und Innenmeniskus - unkommentiert liessen.
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Zudem wendet die Helsana zu Recht ein, dass die Argumentation der Gutachter auf einen unzulässigen "post hoc, ergo propter hoc"-Schluss hinausläuft, soweit sie die Beschwerdefreiheit des Versicherten vor dem Unfall vom 6. Dezember 2009 betonen (SVR 2010 UV Nr. 10 S. 40 E. 3.2 [8C_626/2009]). Weiter sind ihre Ausführungen, es könne im Rahmen des Traumas vom 6. Dezember 2009 zu einer Traumatisierung der vorbestehenden Plica mediopatellaris kommen, die dann symptomatisch werden könne, zu vage, um daraus auf eine überwiegend wahrscheinliche Unfallkausalität schliessen zu können (vgl. auch Urteil 8C_838/2011 vom 20. März 2012 E. 4.3.2).
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Die Helsana beruft sich auf die Aktenstellungnahmen ihrer beratenden Ärzte Dr. med. R.________, Facharzt für Innere Medizin FMH, vom 20. Oktober 2010 und Prof. Dr. med. E.________, Facharzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 17. Februar 2011. Dr. med. R.________ ging im Gegensatz zum Gerichtsgutachten davon aus, aufgrund des Unfalls vom 6. Dezember 2009 bestehe überwiegend wahrscheinlich bloss eine vorübergehende Verschlimmerung der im MRI vom 18. August 2010 im linken Knie gefundenen, eher vorbestehenden retropatellären Knorpelschädigung, wobei der Status quo ante oder sine noch nicht erreicht sei. Auch Prof Dr. med. E.________ postulierte lediglich eine vorübergehende Verschlimmerung des Knieschadens links durch diesen Unfall, wobei der Status quo sine spätestens Ende Dezember 2010 erreicht worden sei. Zur Begründung führte er aus, im MRI vom 18. Januar 2010 seien ausser einem Bone bruise an der medialen/ventralen Femurkondyle keine eigentlichen Läsionen nachgewiesen worden, die zweifelsfrei traumatischen Ursprungs gewesen wären. Dagegen werde von offensichtlich degenerativ bedingten, subchondralen, zystischen Signalalterationen in der ventralen/medialen Femurkondyle gesprochen. Der Knorpelansatz sei dort als deutlich reduziert interpretiert worden. Die Menisci zeigten degenerative Veränderungen. Aus dieser Befundung lasse sich kein traumatisch gesetzter Kniegelenksschaden erkennen, der zu späteren Heilbehandlungen ("Gelenkstoilette") führen müsste. Die Helsana rügt zu Recht, dass sich die Gerichtsgutachter mit diesen Aktenstellungnahmen (zu deren Beweiswert siehe SVR 2010 UV Nr. 17 S. 63 E. 7.2 [8C_239/2008]; RKUV 1993 Nr. U 167 S. 95 E. 5d) nicht auseinandergesetzt haben; sie haben sie nicht einmal erwähnt (vgl. auch SVR 2013 IV Nr. 40 S. 119 E. 5.3 [8C_231/2013]).
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Nach dem Gesagten ist das Gerichtsgutachten vom 13. Dezember 2012/25. April 2013 nicht überzeugend und die Aktenlage weiterhin unklar. Die Sache kann nicht durch freie Beweiswürdigung zu Gunsten der einen oder anderen fachlichen Betrachtungsweise entschieden werden. Entgegen der Vorinstanz kann nicht im Sinne antizipierter Beweiswürdigung (vgl. BGE 136 I 229 E. 5.3 S. 236) gesagt werden, von einer zusätzlichen, nachvollziehbar und schlüssig begründeten medizinischen Beurteilung seien keine entscheidrelevanten Erkenntnisse zu erwarten. Sie hat daher ein medizinisches Obergutachten zur Klärung der Kausalität der Knieproblematik links anzuordnen und danach über die Beschwerde neu zu entscheiden.
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3.3. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Vorinstanz - wie die Helsana vorbringt - die Begründungspflicht und damit ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 134 I 83 E. 4.1 S. 88) verletzt hat.
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4. Der unterliegende Versicherte trägt die Verfahrenkosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG; BGE 137 V 210 E. 7.1 S. 271).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, vom 23. Mai 2013 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 18. Dezember 2013
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Leuzinger
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Der Gerichtsschreiber: Jancar
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