BGer 4A_15/2014
 
BGer 4A_15/2014 vom 26.05.2014
{T 0/2}
4A_15/2014
 
Urteil vom 26. Mai 2014
 
I. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss,
Gerichtsschreiber Kölz.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Christoph Rudin,
Beschwerdeführerin,
gegen
B.________,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Miete, Erstreckung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 22. November 2013.
 
Sachverhalt:
 
A.
A.________ (nachfolgend: Mieterin, Beschwerdeführerin), geboren 1921, wohnt in einer gemieteten 3-Zimmer-Wohnung an der Strasse U.________ in Basel. Am 24. Juli 2011 kündigte die Vermieterin B.________ (nachfolgend: Vermieterin, Beschwerdegegnerin) das Mietverhältnis ordentlich per 30. November 2011. Die Mieterin focht die Kündigung bei der Staatlichen Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten Basel-Stadt an und verlangte eventualiter eine angemessene Erstreckung des Mietverhältnisses. Am 13. Oktober 2011 schlossen die Parteien vor der Schlichtungsstelle einen Vergleich, wodurch das Mietverhältnis erstmalig bis 30. November 2012 erstreckt wurde.
 
B.
Am 17. September 2012 verlangte die Mieterin bei der Schlichtungsstelle eine zweite Erstreckung. Nachdem sie deren Urteilsvorschlag abgelehnt hatte, gelangte sie mit Klage vom 4. März 2013 an das Zivilgericht Basel-Stadt und ersuchte um angemessene Erstreckung des Mietverhältnisses. Am 30. April 2013 beantragte sie zusätzlich, dass die Kündigung vom 24. Juli 2011 für ungültig zu erklären sei. Eventualiter sei das Erstreckungsverfahren zu sistieren und die Schlichtungsstelle aufzufordern, die Frage der Missbräuchlichkeit der Kündigung zu behandeln. Am 12. Juni 2013 erstreckte die Zivilgerichtspräsidentin das Mietverhältnis ein zweites Mal bis zum 30. November 2013, an welchem Datum das Mietverhältnis definitiv ende. Auf die ergänzenden Rechtsbegehren vom 30. April 2013 trat sie nicht ein.
 
C.
Die Mieterin verlangt mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde, die Entscheide des Appellationsgerichts vom 22. November 2013 respektive des Zivilgerichts vom 12. Juni 2013 seien vollumfänglich aufzuheben. Die Kündigung vom 24. Juli 2011 sei wegen Missbräuchlichkeit für ungültig zu erklären. Eventualiter sei die Vermieterschaft zu verpflichten, das Mietverhältnis angemessen zu erstrecken. Subeventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung und neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
 
D.
Mit Verfügung vom 10. März 2014 wurde der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt.
 
Erwägungen:
 
1.
Das angefochtene Urteil des Appellationsgerichts ist ein verfahrensabschliessender Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz im Sinne von Art. 75 Abs. 1 BGG. Sodann übersteigt der Streitwert bei einem Monatsmietzins von Fr. 973.-- die Grenze nach Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG in mietrechtlichen Fällen (vgl. BGE 137 III 389 E. 1.1 mit Hinweisen). Die Beschwerde in Zivilsachen ist demnach zulässig, womit die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde ausser Betracht fällt (Art. 113 BGG). Auf diese und die mit ihr vorgetragenen Rügen ist nicht einzutreten.
 
2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 140 III 115 E. 2 S. 117; 135 III 397 E. 1.5). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
 
3.
Die Beschwerdeführerin befasst sich zunächst mit der angeblichen Missbräuchlichkeit der Kündigung vom 24. Juli 2011, die gemäss ihrer Ansicht wohl bejaht worden wäre, wenn die Vorinstanzen den entsprechenden Antrag behandelt hätten.
3.1. Unter dem Titel "Verletzung der Untersuchungsgrundsatzes" beschwert sich die Beschwerdeführerin darüber, dass die Schlichtungsstelle weder an der Verhandlung vom 13. Oktober 2011 noch an derjenigen vom 21. Januar 2013 die Kündigungsanfechtung behandelt habe, obwohl sie (die Beschwerdeführerin) einen dahingehenden Antrag gestellt respektive diesen erneuert habe. Das Zivilgericht sei nicht auf die Kündigungsanfechtung eingetreten, da diese von der Schlichtungsstelle erledigt worden sei. Ebenso wenig habe sich die Vorinstanz damit befasst. Ein expliziter Rückzug der Kündigungsanfechtung sei nicht erfolgt. Die Schlichtungsstelle habe erklärt, mit der Erstreckung des Mietverhältnisses werde implizite auch die Kündigung akzeptiert. Diese Erklärung sei für Laien (die Beschwerdeführerin und ihre an der Verhandlung anwesende Tochter) nicht leicht verständlich. Für Laien sei durchaus vorstellbar, dass die Frage der Kündigungsanfechtung später behandelt werde und in der "Sistierungszeit" das Mietverhältnis erstreckt werde. Spätestens aber, als die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 4. November 2011 den Vergleich widerrufen habe (obwohl ihr kein Widerrufsvorbehalt eingeräumt worden sei), hätte das Begehren als Anfechtung des Vergleichs oder als Revisionsbegehren behandelt werden müssen. Keine plausible Erklärung gebe es auch für den nur einseitigen Widerrufsvorbehalt für die Vermieterseite. Die Beschwerdeführerin habe nie auf eine Widerrufsfrist verzichtet.
3.2. Die Beschwerdeführerin wiederholt mit diesen Ausführungen die Einwände, die sie schon der Vorinstanz vorgetragen hat. Die Vorinstanz hat sich mit diesen Vorbringen eingehend befasst und sie schliesslich mit zutreffenden Erwägungen verworfen. Dabei verfiel sie namentlich nicht in eine unvertretbare "formelle Strenge", wie die Beschwerdeführerin gegenüber den vorinstanzlichen Erwägungen einzig einwendet. Da sich die Beschwerdeführerin im Übrigen nicht mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinander setzt, sondern lediglich ihren schon im kantonalen Verfahren eingenommenen Standpunkt wiederholt, ist dieser unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid zu verwerfen (vgl. Art. 109 Abs. 3 BGG).
 
4.
Die Beschwerdeführerin rügt sodann die ihrer Auffassung nach unzureichende Erstreckung des Mietverhältnisses.
4.1. Nach Art. 272 Abs. 1 OR kann der Mieter die Erstreckung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre. Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die in Absatz 2 des gleichen Artikels erwähnten Umstände zu berücksichtigen. Die Dauer der Erstreckung beträgt gemäss Art. 272b Abs. 1 OR für Wohnräume höchstens vier Jahre, wobei im Rahmen der Höchstdauer eine oder zwei Erstreckungen gewährt werden können.
4.2. Die Vorinstanz stellte zunächst fest, dass die Beschwerdeführerin während der ganzen Dauer der Erstreckung bis zum 30. November 2012 und noch weit darüber hinaus nicht im Glauben gewesen sei und auch nicht im Glauben habe sein können, dass die Frage der Gültigkeit der Kündigung vom 24. Juli 2011 noch Gegenstand eines offenen bzw. allenfalls noch zu eröffnenden Verfahrens sei bzw. werden könnte. Sie habe daher nicht von Suchbemühungen absehen dürfen, sondern wäre schon während der ersten Erstreckung verpflichtet gewesen, sich um ein Ersatzobjekt zu bemühen. Sie habe ihre Suchbemühungen belegtermassen erst am 23. Februar 2013 und damit beinahe drei Monate nach Ablauf der ersten Erstreckung vom 30. November 2012 aufgenommen. Damit sei eine zweite Erstreckung grundsätzlich ausgeschlossen. Dessen ungeachtet habe die erste Instanz der Beschwerdeführerin eine zweite Erstreckung gewährt und damit den besonderen Umständen des vorliegenden Falles Rechnung tragen wollen. Die in Abwägung der gegenseitigen Interessen gewährte zweite Erstreckung um ein Jahr erschien der Vorinstanz sogar eher grosszügig.
4.3. Die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz wolle nur die nachgewiesenen Suchbemühungen auf dem privaten Wohnungsmarkt gelten lassen. Sie würdige aber nicht die Anstrengungen, die unternommen worden seien, um einen Platz in einem Alters- und Pflegeheim respektive in einer Alterssiedlung zu finden.
4.4. Die Erstinstanz und mit ihr die Vorinstanz bewilligten der Beschwerdeführerin mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des Falles trotz fehlender Suchbemühungen während der ersten Erstreckung eine zweite Erstreckung. Dies erscheint angesichts der persönlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin, namentlich ihres hohen Alters, die auch die Erwartungen an die Suchbemühungen deutlich herabsetzen, gerechtfertigt. Die Vermieterin hat sich denn auch nicht gegen die von der Erstinstanz gewährte Zweiterstreckung gewehrt. Umgekehrt bedeutet es keinen Ermessensmissbrauch, wenn die Vorinstanz den Umstand, dass während der ersten Erstreckung keine Suchbemühungen unternommen wurden, immerhin bei der Bemessung der Indessen macht die Beschwerdeführerin zu Recht geltend, dass die Vorinstanz diesen Umstand zu stark gewichtete, indem sie ihr (der Beschwerdeführerin) lediglich einen Drittel der an sich noch möglichen Dauer von drei Jahren gewährte:
 
5.
Der angefochtene Entscheid ist nach dem Gesagten aufzuheben. Die Beschwerdeführerin dringt mit ihrem Hauptbegehren, die Kündigung vom 24. Juli 2011 wegen Missbräuchlichkeit für ungültig zu erklären, nicht durch. Hingegen ist dem Eventualbegehren um angemessene Erstreckung des Mietverhältnisses insoweit stattzugeben, als das Mietverhältnis ein zweites Mal bis 30. November 2014 erstreckt wird.
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Beschwerde in Zivilsachen wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 22. November 2013 wird aufgehoben und in Dispositivziffer 1 wie folgt neu gefasst:
"Die Berufung wird teilweise gutgeheissen und das Urteil des Zivilgerichts vom 12. Juni 2013 in Dispositivziffer 1 dahingehend abgeändert, als das Mietverhältnis der Parteien ein zweites Mal bis 30. November 2014 erstreckt wird und an diesem Datum definitiv endet. "
3. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden im Betrag von Fr. 1'334.--der Beschwerdeführerin und im Betrag von Fr. 666.-- der Beschwerdegegnerin auferlegt. Zufolge Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege wird der Anteil der Beschwerdeführerin auf die Gerichtskasse genommen.
4. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 833.-- zu entschädigen. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Parteientschädigung wird Rechtsanwalt Christoph Rudin dieses Honorar aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
5. Rechtsanwalt Christoph Rudin wird für das bundesgerichtliche Verfahren ein Honorar von Fr. 1'667.-- aus der Gerichtskasse bezahlt.
6. Die Sache wird zur Neuregelung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des kantonalen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen.
7. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 26. Mai 2014
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Klett
Der Gerichtsschreiber: Kölz