BGer 6B_602/2014 |
BGer 6B_602/2014 vom 04.12.2014 |
{T 0/2}
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6B_602/2014
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Urteil vom 4. Dezember 2014 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Mathys, Präsident,
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
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Bundesrichter Rüedi,
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Gerichtsschreiberin Andres.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Verfahrenskosten; rechtliches Gehör,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 6. Mai 2014.
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Sachverhalt: |
A. Das Kreisgericht Rheintal verurteilte X.________ am 29. März 2012 wegen Hausfriedensbruchs und Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration zu einer bedingten Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu Fr. 20.-- und zu einer Busse von Fr. 200.--.
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B. X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, die Dispositivziffern 3 Satz 1 (erstinstanzliche Verfahrenskosten) und 4 (Kosten des Berufungsverfahrens) seien aufzuheben. Es seien keine Kosten zu erheben. Eventualiter ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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C. Das Kantonsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen hat sich nicht vernehmen lassen.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Der Beschwerdeführer wendet sich ausschliesslich gegen die Kostenverteilung und rügt, die Vorinstanz verletze Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO. Indem sie ihm die Kosten des fehlerhaften erstinstanzlichen Verfahrens auferlege, verletze sie zusätzlich Art. 29, 29a, 30 und 32 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Da das erste Berufungsverfahren fehlerhaft gewesen sei, seien ihm nicht dessen Kosten, sondern jene des Rückweisungsverfahrens aufzuerlegen.
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1.2. Die Vorinstanz erwägt, da der Beschwerdeführer verurteilt worden sei, habe er gestützt auf Art. 426 Abs. 1 StPO die gesamten erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu tragen. Ein Anwendungsfall von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO liege nicht vor. Hinsichtlich der zweitinstanzlichen Kosten rechtfertige es sich, dem Beschwerdeführer drei Viertel der Verfahrenskosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen. Während er zunächst einen Freispruch von den Vorwürfen des Hausfriedensbruchs und der Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration verlangt habe, habe er diesen Antrag nach der Rückweisung durch das Bundesgericht zurückgezogen. Diesbezüglich gelte er als unterliegend (Art. 428 Abs. 1 Satz 2 StPO). Der Beschwerdeführer obsiege insoweit, als von einer Bestrafung hinsichtlich des Schuldspruchs wegen Hausfriedensbruchs abgesehen werde. Die Kosten des Rückweisungsverfahrens seien vom Staat zu tragen (Entscheid S. 8 f.).
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1.3. Die Verlegung der Kosten (Art. 422 StPO) richtet sich nach dem Grundsatz, wonach Kosten zu tragen hat, wer sie verursacht (BGE 138 IV 248 E. 4.4.1 S. 254). So gründet die Kostentragungspflicht der beschuldigten Person im Falle eines Schuldspruchs (Art. 426 Abs. 1 StPO) auf der Annahme, dass er Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens als Folge seiner Tat veranlasst hat und daher zur Tragung der Verfahrenskosten verpflichtet sein soll (BGE 138 IV 248 E. 4.4.1 S. 254 mit Hinweisen; Niklaus Schmid, schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 426 StPO; derselbe, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, 2. Aufl. 2013, S. 795 N. 1782). Hingegen können der beschuldigten Person nicht die Kosten auferlegt werden, welche die Strafbehörden von Bund und Kantonen durch unnötige oder fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursachten (Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO). Die angefallenen Kosten sind in diesem Fall nicht mehr adäquate Folge der Straftat (Niklaus Schmid, Handbuch des schweizerischen Strafprozessrechts, a.a.O., S. 796, N. 1784, Fn 55; so schon BGE 133 IV 187 E. 6.3 S. 197 im Zusammenhang mit Art. 172 Abs. 1 Satz 1 des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1934 über die Bundesstrafrechtspflege [BS 3 303]) und können der beschuldigten Person nicht auferlegt werden. Das ist beispielsweise der Fall, wenn eine Gerichtsbehörde ein materielles oder formelles Recht verletzt hat, was im Rechtsmittelverfahren korrigiert werden muss, wenn wegen Formfehlern Verfahrenshandlungen wiederholt werden müssen oder aufgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs zusätzlicher Aufwand entsteht (Urteile 6B_630/2012 vom 15. Juli 2013 E. 4.3 und 1B_28/2010 vom 17. Februar 2010 E. 2.2.2 sowie E. 3; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge des Strafprozessrechts, 3. Aufl. 2012, S. 609, N. 1726; THOMAS DOMEISEN, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 2011, N. 15 zu Art. 426 StPO; s.a. HAUSER/SCHWERI/HARTMANN, Schweizerisches Strafprozessrecht, 6. Aufl. 2005, § 108, S. 562, N. 11).
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1.4. Der angefochtene Kostenentscheid trägt diesen Grundsätzen Rechnung.
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1.4.1. Soweit der Beschwerdeführer beanstandet, das Kreisgericht habe "elementarste Verfahrensgrundsätze" verletzt, ist darauf nicht einzutreten. Gegenstand des bundesgerichtlichen Verfahrens bildet ausschliesslich der angefochtene Entscheid, der sich nicht dazu äussert (siehe bereits Urteil 6B_116/2013 vom 24. September 2013 E. 1). Mangels genügender Begründung ist auch auf die Rüge nicht einzutreten, die Vorinstanz habe verschiedene Verfahrensgarantien verletzt (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Vorinstanz musste die angebliche Gehörsverletzung durch das erstinstanzliche Gericht nicht bei der Kostenverlegung berücksichtigen. Der Beschwerdeführer erhob diese Rüge im Zusammenhang mit dem Schuldspruch wegen Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration, welchen die Vorinstanz im Rückweisungsverfahren aufgrund der geänderten Anträge des Beschwerdeführers nicht mehr zu überprüfen hatte.
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1.4.2. Die Vorinstanz musste das Berufungsverfahren aufgrund Verletzungen materiellen und formellen Rechts teilweise wiederholen. Die daraus resultierenden zusätzlichen Kosten können in Anwendung des Verursacherprinzips nicht dem Beschwerdeführer überbunden werden. Die Vorinstanz überschreitet ihr weites Ermessen nicht, wenn sie ihm die (höheren) Kosten des ersten Berufungsverfahrens teilweise auferlegt, zumal er dadurch nicht schlechtergestellt wird, als wenn schon in diesem im Sinne der bundesgerichtlichen Erwägungen entschieden worden wäre (vgl. Thomas Domeisen, a.a.O., N. 34 zu Art. 428 StPO). Daran ändert nichts, dass er erst im Rückweisungsverfahren seine Anträge teilweise zurückzog, zumal die Vorinstanz zumindest auf den Schuldspruch wegen Hausfriedensbruchs aufgrund der Bindungswirkung des bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheids gar nicht mehr hätte zurückkommen können (vgl. BGE 135 III 334 E. 2 und E. 2.1 S. 335 f.).
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1.4.3. Sofern sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der Entscheidgebühr wendet, ist darauf nicht einzugehen. Die Gebühr bestimmt sich gestützt auf Art. 424 Abs. 1 StPO nach kantonalem Recht, vorliegend nach der Gerichtskostenverordnung des Kantons St. Gallen vom 9. Dezember 2010 (sGS 941.12). Das Bundesgericht überprüft die Auslegung und Anwendung kantonalen Rechts - von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen - nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür (vgl. Art. 95 BGG; BGE 138 IV 13 E. 2 S. 15). Eine entsprechende Rüge erhebt der Beschwerdeführer nicht.
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2. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 4. Dezember 2014
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Mathys
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Die Gerichtsschreiberin: Andres
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