BGer 9C_643/2014
 
BGer 9C_643/2014 vom 11.12.2014
{T 0/2}
9C_643/2014
 
Urteil vom 11. Dezember 2014
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Kernen, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Parrino,
Gerichtsschreiber R. Widmer.
 
Verfahrensbeteiligte
A._________,
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Zenari,
Beschwerdeführerin,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau, Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Invalidenversicherung,
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juli 2014.
 
Sachverhalt:
A. Die 1966 geborene A._________ ist verheiratet und Mutter zweier Kinder (geboren 2002 und 2004). Am 2. Juli 1992 zog sie sich bei einem Verkehrsunfall eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und eine Kopfprellung zu. Mit Verfügung vom 12. Juli 1999 sprach die IV-Stelle des Kantons Aargau A._________, die sich am 6. September 1994 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hatte, u.a. gestützt auf ein Gutachten der Klinik B.________ vom 22. Oktober 1998 rückwirkend ab 1. November 1994 bis 31. Dezember 1995 eine ganze und ab 1. Januar 1996 eine halbe Invalidenrente zu. Am 31. Oktober 2000 wurde diese Rentenzusprechung bestätigt. Im Jahre 2002 leitete die IV-Stelle erneut ein Revisionsverfahren ein, in dessen Verlauf zunächst die Voraussetzungen für die Weiterausrichtung der Invalidenrente von der Verwaltung und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau (mit Entscheid vom 10. Dezember 2003) verneint wurden. In Gutheissung der gegen diesen Entscheid erhobenen Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellte das Eidgenössische Versicherungsgericht mit Urteil vom 26. August 2004 fest, dass die Versicherte ab 1. März 2003 bei einem Invaliditätsgrad von 41 % Anspruch auf eine Viertelsrente der Invalidenversicherung habe.
Nachdem eine weitere Rentenrevision eine Bestätigung der Viertelsrente ergeben hatte (Verfügung vom 5. Juli 2005), leitete die IV-Stelle 2007 erneut ein Revisionsverfahren ein. Gestützt auf die eingeholten Unterlagen gelangte sie zum Schluss, dass A._________ keinen Anspruch auf eine Invalidenrente mehr habe, weshalb sie die Viertelsrente mit Verfügung vom 3. März 2010 auf den 30. April 2010 einstellte.
In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Versicherungsgericht diese Verfügung mit Entscheid vom 11. August 2010 auf und wies die Sache zu ergänzenden Abklärungen und neuer Entscheidung an die IV-Stelle zurück. Diese beauftragte die Dres med. C.________, Facharzt für Rheumatologie und Allgemeine Innere Medizin, sowie D.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, mit der bidisziplinären Begutachtung der Versicherten (Expertise vom 21. September 2012). Am 19. Oktober 2012 nahm Frau Dr. med. E.________ vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) Stellung zum Gutachten. Am 23. Mai 2013 verfügte die IV-Stelle wiederum, die laufende Viertelsrente werde per 30. April 2010 eingestellt.
B. Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher A._________ hatte beantragen lassen, unter Aufhebung der Verfügung vom 23. Mai 2013 sei ihr über den 30. April 2010 hinaus eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zuzusprechen, wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 2. Juli 2014 ab.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A._________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei die Sache zu zusätzlichen Abklärungen und neuer Verfügung an die Verwaltung zurückzuweisen.
 
Erwägungen:
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
2. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf eine Invalidenrente und deren Abstufung nach Massgabe des Invaliditätsgrades (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Teilerwerbstätigen nach der gemischten Methode (Art. 28a Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG und Art. 28a Abs. 2 IVG), die Revision der Invalidenrente nach Art. 17 Abs. 1 IVG sowie die dabei in zeitlicher Hinsicht zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 133 V 108 E. 5.1 S. 110 f.) zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.
 
3.
3.1. Die Vorinstanz hat die Rechtmässigkeit der Rentenrevision bejaht. Im Zeitraum zwischen dem 5. Juli 2005 (Bestätigung der Viertelsrente) und dem 23. Mai 2013 (Rentenaufhebungsverfügung) hat sie eine für den Invalidenrentenanspruch erhebliche Änderung des Sachverhalts festgestellt. Zu diesem Ergebnis ist das kantonale Gericht im Wesentlichen gestützt auf das bidisziplinäre Gutachten der Dres. med. C.________ und D.________ vom 21. September 2012 gelangt. Gemäss Einschätzung des Dr. med. D.________ liege seit 1998 keine psychisch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mehr vor. Die Rentenzusprechung sei aufgrund einer psychosomatischen Problematik erfolgt. Der Gesundheitszustand habe sich seither insofern geändert, als es zwischenzeitlich zu einer zervicoradikulären Reizsymptomatik sowie einer Epicondylitis radialis rechts gekommen ist. Diese habe therapeutisch verbessert werden können und sei bezüglich Arbeitsunfähigkeit nicht relevant. Auch die Leistungsfähigkeit im Haushaltsbereich, der 20 % der Gesamttätigkeit umfasst, habe zugenommen.
3.2. Die Beschwerdeführerin wendet ein, das bidisziplinäre Gutachten vom 21. September 2012 sei nicht beweistauglich, beruft sich andererseits aber trotzdem auf Angaben des Dr. med. C.________, der einen stationären Zustand mit gleich gebliebener Einschränkung festgestellt habe. Mit dem Schluss auf eine tendenziell geringere Einschränkung der Versicherten bei den Hausarbeiten verfalle die Vorinstanz in Willkür. Die Begutachtung sei ferner unvollständig. Hinsichtlich der Diagnosen an der HWS hätte eine neurologische Abklärung durchgeführt werden müssen. Sodann vermöge eine Bezugnahme auf die Kriterien der Swiss Insurance Medicine (SIM) eine Begründung der attestierten Arbeitsunfähigkeit von 20 % nicht zu ersetzen. Entgegen den Anträgen in der Beschwerde habe es die Vorinstanz unterlassen, die Richtlinien zu edieren und der Beschwerdeführerin zur Stellungnahme zu unterbreiten. Damit sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden. Des Weiteren stellt die Beschwerdeführerin die Schlüssigkeit des bidisziplinären Gutachtens unter Hinweis auf abweichende Stellungnahmen anderer Ärzte in Frage. Sie hält dafür, dass Gutachter und RAD-Ärztin eine Verbesserung des Gesundheitszustandes im massgeblichen Zeitraum verneint hätten. Seit 1998 sei vielmehr durchgehend von einer hälftigen Arbeitsunfähigkeit auszugehen. Weitere Kritik betrifft die von der Vorinstanz auf 25,5 % festgelegte Einschränkung in der Haushaltführung; dabei beanstandet die Versicherte die festgestellte Behinderung in den einzelnen Teilbereichen.
 
4.
4.1. Der Beschwerdeführerin kann beigepflichtet werden, dass sich der psychische Gesundheitszustand im massgebenden Zeitraum nicht verändert hat, legt doch Gutachter Dr. med. D.________ plausibel dar, dass seit 1998, als die rund drei Jahre dauernde ambulante psychologische und später psychiatrische Behandlung abgeschlossen werden konnte, gemäss Angaben der Versicherten ein absolut stabiler psychischer Zustand vorliege. Hievon geht auch die Vorinstanz aus.
4.2. Was den Einwand betrifft, eine Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG sei rechtswidrig, weil sich nicht nur in psychischer, sondern auch in somatischer Hinsicht im Gesundheitszustand keine in Bezug auf den Invalidenrentenanspruch relevante Besserung ergeben habe, sind die Aussagen des Gutachters Dr. med. C.________ unbestimmt und zurückhaltend formuliert. So hielt der Rheumatologe auf die Frage nach dem Beginn der in allen drei für die Versicherte entscheidenden Funktionen (als Service-Disponentin, Museumsaufsicht und im Haushalt) sowie in möglichen Verweisungstätigkeiten auf 20 % eingeschätzten Arbeitsunfähigkeit fest, ca. 2005 habe die Symptomatik einer Brachialgie rechts begonnen. Diese Reizsymptomatik sei fluktuierend, manchmal vorhanden, manchmal nicht. Aufgrund der Annahme der Versicherten, dass die Symptomatik seit Jahren in etwa gleich sei, gehe er davon aus, dass die heutige Beurteilung schon 2004 Gültigkeit hatte. Aus dieser Beurteilung der Entwicklung des Gesundheitszustandes aus somatischer Sicht lässt sich keine Verbesserung ableiten, wie die Beschwerdeführerin zu Recht einwendet. Ergibt sich jedoch aus dem bidisziplinären Administrativgutachten keine für den Invalidenrentenanspruch erhebliche Verbesserung der gesundheitlichen Situation und des Leistungsvermögens, fällt eine revisionsweise Aufhebung der laufenden Viertelsrente ausser Betracht.
Hieran ändert der Umstand nichts, dass die Vorinstanz eine Verbesserung der Arbeitsfähigkeit im Haushaltsbereich erkennt, indem sie darauf hinweist, dass 2005 bei den Haushaltsarbeiten eine Einschränkung von 26 % bestanden habe, wogegen nunmehr laut Angaben des Dr. med. C.________ nur noch eine Behinderung von 20 % ausgewiesen sei. Daraus kann keine rentenrelevante Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen abgeleitet werden. Denn die Differenz zwischen 26 % und 20 % ist nicht Ausdruck einer Verbesserung des Gesundheitszustandes, die ihre Entsprechung im Übrigen in den Darlegungen im Gutachten hätte finden müssen, sondern die Folge der unterschiedlichen Bemessungsmethoden. Während am 2. März 2005 eine Abklärung an Ort und Stelle mit Prüfung der Behinderung in den einzelnen Teilbereichen der Haushaltsbesorgung vorgenommen wurde, die zur erwähnten Einschränkung von 26 % führte, beruht die Aussage des Dr. med. C.________ auf einer blossen Schätzung; eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation ist aus Sicht des Arztes damit nicht verbunden. Vielmehr setzt er die Behinderung bei den Haushaltsarbeiten wie bei allen in Frage kommenden Tätigkeiten im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ebenfalls auf 20 % fest. Anhaltspunkte dafür, dass mit dieser Schätzung der Beeinträchtigung bei den Arbeiten im Haushalt eine Verbesserung der entsprechenden Leistungsfähigkeit attestiert werden sollte, finden sich nicht.
4.3. Indem die Vorinstanz die Viertelsrente der Versicherten aufgehoben hat, ohne das ein Revisionsgrund vorlag, hat sie Art. 17 Abs. 1 ATSG verletzt, was zur Gutheissung der Beschwerde führt.
5. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden IV-Stelle aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Diese hat der Beschwerdeführerin überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
6. Die Beschwerde ist offensichtlich begründet, weshalb sie direkt und ohne Weiterungen, die am Ergebnis nichts ändern würden, im Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG erledigt wird.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 2. Juli 2014 aufgehoben. Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin über den 30. April 2010 hinaus eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zu bezahlen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
3.
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen.
4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons Aargau zurückgewiesen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 11. Dezember 2014
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Kernen
Der Gerichtsschreiber: Widmer