BGer 2C_832/2014 |
BGer 2C_832/2014 vom 20.02.2015 |
{T 0/2}
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2C_832/2014
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Urteil vom 20. Februar 2015 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Zünd, Präsident,
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Bundesrichter Seiler, Stadelmann,
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Gerichtsschreiber Winiger.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Vincent Augustin,
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gegen
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Kantonales Steueramt Zürich, Dienstabteilung Recht.
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Gegenstand
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Steuerhoheit 2012; Rechtzeitigkeit des Rekurses,
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Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, Einzelrichter, vom 10. Juli 2014.
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Erwägungen: |
1.
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1.1. Das Steueramt des Kantons Zürich beanspruchte mit Vorentscheid vom 26. Februar 2013 die Steuerhoheit über A.________ ab der Steuerperiode 2012. Die dagegen von der Steuerpflichtigen erhobene Einsprache wies das kantonale Steueramt am 16. August 2013 ab.
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1.2. Das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich trat mit Beschluss vom 23. Mai 2014 auf den gegen den Einspracheentscheid erhobenen Rekurs der Steuerpflichtigen wegen Verspätung nicht ein. Das Steuerrekursgericht führte dazu aus, die Steuerpflichtige habe durch Abschluss eines Rückbehaltungsauftrags mit der Post schuldhaft die Zustellung behördlicher Post verhindert, weshalb die Zustellfiktion von § 9 Abs. 2 der Verordnung [des Kantons Zürich] vom 1. April 1998 (VO StG/ZH; LS 631.11) greife.
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1.3. Die gegen den Nichteintretensentscheid erhobene Beschwerde wies der Einzelrichter des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, mit Urteil vom 10. Juli 2014 ab.
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1.4. Mit Eingabe vom 15. September 2014 erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben und die Sache an das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich zurückzuweisen mit der verbindlichen Auflage, auf den Rekurs einzutreten und das Rechtsmittel materiell zu behandeln.
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2.
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3. |
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Vorinstanz sei auf die vorgebrachten Rügen, wonach die bundesgerichtliche Rechtsprechung betreffend Zustellfiktion bei einem Zurückbehaltungsauftrag unter Gleichbehandlungs-, Missbrauchs- bzw. Praktikabilitätsüberlegungen zu relativieren sei, überhaupt nicht eingegangen (vgl. Beschwerdeschrift Ziff. 11.5, S. 7 und 10).
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3.2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV gebietet, dass die Behörde die Vorbringen der betroffenen Person auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen (BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.). Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich die betroffene Person über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf die sich ihr Entscheid stützt (vgl. BGE 138 IV 81 E. 2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236 mit Hinweisen).
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3.3. Die Vorinstanz hat diese Grundsätze eingehalten. Das angefochtene Urteil mag zwar etwas knapp begründet sein. Wenn die Vorinstanz einzelne Elemente weniger stark gewichtet hat, als dem Beschwerdeführer vorschwebte, liegt darin jedoch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die behördliche Begründungspflicht soll den Anspruch der Partei auf eine sachbezogene Begründung gewährleisten (vgl. E. 3.2 hiervor); ob diese zutrifft, ist als materielle Frage von der Rechtsmittelinstanz zu entscheiden. Die Begründungspflicht ist erfüllt, wenn die Betroffenen die entsprechende Erwägung sachgerecht anfechten können (vgl. BGE 136 I 184 E. 2.2.1 S. 188); dies ist hier zweifellos der Fall.
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4.
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4.1. Die Vorinstanz hat - unter Verweis auf die Erwägungen der Steuerrekurskommission - festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall durch den Abschluss eines Rückbehaltungsauftrags die Zustellung behördlicher Post schuldhaft verhindert habe. Damit gelte nach ständiger Rechtsprechung der Zürcher Behörden und des Bundesgerichts die Zustellung am letzten Tag der von der Post angesetzten Abholfrist als erfolgt; aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post ergebe sich, dass es sich um eine siebentägige Frist handle (vgl. angefochtener Entscheid E. 4).
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4.2. Das Bundesgericht prüft die Auslegung und Anwendung von kantonalen Gesetzesbestimmungen, unter Vorbehalt von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen (vgl. Art. 95 BGG), nicht frei, sondern nur mit einer auf Willkür beschränkten Kognition. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts liegt Willkür nicht bereits dann vor, wenn ein anderes Normverständnis ebenfalls möglich oder gegenüber demjenigen der kantonalen Behörde gar vorzuziehen wäre. Willkür in der Rechtsanwendung ist nur dann zu bejahen, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f.; 139 III 334 E. 3.2.5 S. 339; 138 I 49 E. 7.1 S. 51).
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4.3. Von einer willkürlichen Auslegung von § 9 Abs. 2 VO StG/ZH kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.
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4.3.1. Gemäss Sendungsverfolgung der Post kam der eingeschrieben versandte Einspracheentscheid am 17. August 2013 bei der zuständigen Poststelle an, wo die Sendung aufgrund eines von der Beschwerdeführerin am 26. Juli 2013 für den Zeitraum vom 2. August bis 24. August 2013 erteilten Auftrags zurückbehalten wurde. Da die Sendung am 26. August 2013 nicht zugestellt werden konnte, hinterlegte die Post eine Abholungseinladung (mit Frist bis zum 2. September 2013). Die Beschwerdeführerin holte die Sendung erst am letzten Tag vor Fristablauf ab und der neu hinzugezogene Vertreter erhob schliesslich am 30. September 2013 Rekurs.
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4.3.2. Praxisgemäss durfte damit das Verwaltungsgericht bzw. die Steuerrekurskommission hier zur so genannten "Zustellungsfiktion" (auch: "Zustellfiktion") greifen, wie das Bundesgericht kürzlich mit Urteil 2C_565/2012 vom 11. April 2013 E. 2, in: StE 2013 B 93.6 Nr. 34, für das Zürcher Steuerverfahren wieder bestätigt hat: Stellt die Behörde eine Vorladung, eine Verfügung oder einen Entscheid durch eingeschriebene Postsendung zu und wird die Postsendung nicht abgeholt, so gilt die Zustellung am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern der Adressat mit einer Zustellung rechnen musste (BGE 138 III 225 E. 3.1 S. 227; 134 V 49 E. 4 S. 51 f.; 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; je mit Hinweisen, vgl. auch Art. 138 Abs. 3 lit. a ZPO [SR 272], in Kraft seit 1. Januar 2011). Die Geltung der Zustellungsfiktion setzt ein hängiges bzw. laufendes Verfahren voraus; d.h. das relevante Prozessrechtsverhältnis entsteht erst mit Rechtshängigkeit (BGE 138 III 225 E. 3.1 S. 227 f.; 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399; Urteil 5D_130/2011 vom 22. September 2011 E. 2.1). Die Zustellfiktion gilt insbesondere auch dann, wenn gegenüber der Post für eine gewisse Dauer ein Zurückbehaltungsauftrag erteilt wurde (vgl. Urteil 4A_660/2011 vom 9. Februar 2012 E. 2.4, mit Hinweis auf BGE 134 V 49 E. 4 S. 52, ferner Urteile 2C_740/2010 vom 3. März 2011 E. 2.3 bzw. 1C_85/2010 vom 4. Juni 2010 E. 1.4), und entspricht verschiedenen gesetzlichen Regelungen (vgl. etwa Art. 44 Abs. 2 BGG, Art. 138 Abs. 3 ZPO, Art. 20 Abs. 2bis VwVG [SR 172.021] und Art. 38 Abs. 2bis ATSG [SR 830.1]). Der Betroffene kann sich dagegen schützen, indem er beispielsweise die Behörde auf eine bevorstehende Abwesenheit aufmerksam macht, so dass diese auf eine Zustellung in dieser Zeit verzichtet (vgl. Urteil 4A_660/2011 vom 9. Februar 2012 E. 2.4.2).
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4.3.3. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin sind damit die Vorschriften im Zürcher Steuerverfahren durchaus identisch mit der bundesgerichtlichen Praxis (vgl. auch Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, 3. Aufl. 2013, § 126 N. 38 und 42). Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den unterschiedlichen Wortlaut von § 9 Abs. 2 VO StG/ZH bzw. Art. 44 Abs. 2 BGG vermag demnach keine willkürliche Gesetzesauslegung aufzuzeigen; zwar ist ihr Normverständnis ebenfalls möglich, aber es kann nicht gesagt werden, dass die vorinstanzliche Auslegung in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen würde. Auch das Ergebnis erweist sich nicht als offensichtlich unhaltbar.
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4.3.4. Soweit die Beschwerdeführerin sodann in allgemeiner Weise ausführt, das Bundesgericht habe sich in seiner bisherigen Praxis nicht näher bzw. "nuancierender" mit Gleichbehandlungs-, Missbrauchs- und Praktikabilitätsüberlegungen befasst (vgl. Beschwerdeschrift S. 7 f.), vermag sie damit - soweit es sich ohnehin nicht um unzulässige appellatorische Kritik (BGE 139 I 138 E. 3.8 S. 144) handelt - ebenfalls nicht aufzuzeigen, inwiefern der angefochtene Entscheid geradezu willkürlich sein soll.
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5. |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Februar 2015
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Zünd
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Der Gerichtsschreiber: Winiger
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