BGer 2C_54/2015
 
BGer 2C_54/2015 vom 22.06.2015
{T 0/2}
2C_54/2015
 
Urteil vom 22. Juni 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Donzallaz, Haag,
Gerichtsschreiber Zähndler.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Barrister Stephanie Motz,
gegen
Amt für Migration des Kantons Zug.
Gegenstand
Eingrenzung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts des Kantons Zug, AuG-Einzelrichterin,
vom 1. Dezember 2014.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
Die von A.________ hiergegen eingereichte Beschwerde wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 1. Dezember 2014 abgewiesen.
 
C.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug sowie das Staatssekretariat für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Vernehmlassungsergebnis wurde der Beschwerdeführerin angezeigt und es erfolgte innert der ihr für allfällige Bemerkungen angesetzten Frist keine weitere Eingabe.
 
Erwägungen:
 
1.
 
2.
Die Massnahme ist indessen verfassungs- und EMRK-konform zu handhaben. So muss die Eingrenzung geeignet und erforderlich sein, den Vollzug der Wegweisung sicherzustellen und zu erleichtern. Sie darf nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen, was insbesondere bei der Festlegung der Grösse des Rayons und der Dauer der Massnahme zu berücksichtigen ist. Auf begründetes Gesuch hin muss die zuständige Behörde für gewisse Gänge zu Behörden, Anwalt, Arzt oder Angehörigen Ausnahmen bewilligen, soweit die entsprechenden Grundbedürfnisse nicht sachgerecht und grundrechtskonform im bezeichneten Aufenthaltsgebiet selber abgedeckt werden können (Urteil 2C_1044/2012 vom 5. November 2012 E. 3.3 m.H.).
 
3.
Weiter hält das kantonale Verwaltungsgericht in seiner Begründung fest, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Asylgesuch angegeben hatte, Tibeterin und Staatsangehörige der Volksrepublik China zu sein. Bereits wenige Tage nach ihrer Einreise in die Schweiz seien jedoch - wegen ungenügender Länderkenntnisse und wegen sprachlicher Hinweise - Zweifel über die angegebene chinesische Herkunft festgehalten und Nepal oder Indien als Herkunftsland angenommen worden. Ein vom BFM in Auftrag gegebenes Gutachten (Lingua-Analyse) habe am 19. November 2009 diese Einschätzung bestätigt: Demgemäss ist die Beschwerdeführerin zwar ethnische Tibeterin, doch ist die Hauptsozialisation ausserhalb von Tibet resp. ausserhalb der Volksrepublik China erfolgt. Im daraus resultierenden Wegweisungsentscheid habe das BFM darüber hinaus festgehalten, dass sich die Beschwerdeführerin in Widersprüche verstrickt habe und aufgrund ihrer Angaben zu vermuten sei, dass sie unter Verwendung eigener Identitäts- und Reisepapiere in die Schweiz gelangt ist. Aus diesem Grund geht die Vorinstanz davon aus, dass die Beschwerdeführerin diese Papiere nach wie vor einreichen und damit ihre Ausreise ermöglichen könnte. Jedoch habe die Beschwerdeführerin im Ausreisegespräch mit dem Migrationsamt des Kantons Zug am 9. März 2012 erklärt, sie sei nicht bereit, die Schweiz zu verlassen. In der Folge habe sie es dann auch unterlassen, relevante Anstrengungen zur Beschaffung von (Ersatz-) Reisepapieren zu tätigen: Sie habe einzig zwei an die indische Botschaft gerichtete Formulare unterzeichnet, welche sie indes bloss rudimentär ausgefüllt hatte. Weitere, zielführende Bemühungen ihrerseits seien unterblieben; diese weitgehende Passivität der Beschwerdeführerin zeige deutlich auf, dass sie ohne Druck der Behörden untätig bleiben und versuchen würde, sich in der Schweiz dauerhaft einzurichten.
Gemäss den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil E-2981/2012 vom 20. Mai 2014 sei Personen tibetischer Ethnie eine Rückkehr an ihren bisherigen Aufenthaltsort mit Ausnahme der Volksrepublik China zumutbar. Entsprechend erwägt das Verwaltungsgericht des Kantons Zug im angefochtenen Entscheid, dass der Wegweisungsvollzug nach Nepal oder Indien, wo sich die Beschwerdeführerin vor ihrer Einreise in die Schweiz aller Wahrscheinlichkeit nach aufgehalten habe, nach wie vor möglich sei.
Sodann ergänzt die Vorinstanz, dass es sich bei der Gemeinde X.________ um eine der grössten Gemeinden des Kantons Zug mit weitreichender Infrastruktur handle. Für Behördengänge oder andere wichtige Termine könne sie das ihr zugewiesene Gebiet mit entsprechender Bewilligung verlassen.
Aus den genannten Gründen gelangt das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass die gegenüber der Beschwerdeführerin angeordnete Eingrenzung geeignet und notwendig sei, um die Beschwerdeführerin zur Änderung ihres unkooperativen Verhaltens zu bewegen. Auch in zeitlicher Hinsicht sei die auf zwei Jahre beschränkte Anordnung verhältnismässig.
 
4.
4.1. So behauptet die Beschwerdeführerin, sie habe den Behörden stets zur Verfügung gestanden und mit diesen kooperiert. Seit der letztinstanzlichen Abweisung ihres Asylgesuchs durch das Bundesverwaltungsgericht versuche sie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, ihre chinesische Nationalität zu belegen. Sie habe etwa Unterschriften von Tibetern gesammelt, dass sie ebenfalls Tibeterin sei. Aufgrund dieser Unterschriften sei ihr dann auch vom "Tibet Bureau" in Genf eine entsprechende Bestätigung ausgestellt worden. Weitere Schritte zum Beleg seien ihr mangels Geburtenregister in den ländlichen Regionen Tibets nicht möglich. Sie habe jedoch versucht, über die Bekannte einer Freundin, welche eine Tibet-Reise unternehmen wollte, in Kontakt mit ihren Eltern zu treten, was jedoch ebenso wenig geglückt sei wie der Kontaktversuch über einen tibetischen Reiseführer auf Durchreise. Im Übrigen habe sie am 27. März 2012 nach Vorladung des Zuger Migrationsamtes auch ein Formular zur Ausstellung einer indischen Identitätskarte unterzeichnet und dabei - entgegen den Ausführungen der Vorinstanz - alle ihr möglichen Angaben vollständig ausgefüllt. Sie habe somit die ihr zumutbaren Anstrengungen getätigt, wogegen die Migrationsbehörden zwischen August 2012 und Mai 2014 keine Schritte zur Vollzugsdurchführung unternommen hätten.
Diesbezüglich ist der Beschwerdeführerin entgegen zu halten, dass ihre tibetische Ethnie weder von der Vorinstanz noch im Asylverfahren in Frage gestellt wurde. Entscheidend ist hier die Feststellung der Staatsangehörigkeit, wozu die von ihr eingeholten Bescheinigungen nicht dienlich sind. Keine massgebliche Relevanz haben auch die von der Beschwerdeführerin angeblich unternommenen jedoch erfolglosen Kontaktversuche zu ihren Eltern über befreundete Tibetreisende. Ebenso wenig kann das einmalige und erfolglose Ausfüllen eines indischen Formulars bereits als hinreichende Erfüllung ihrer Mitwirkungspflicht betrachtet werden. Soweit sie die fehlenden Vollzugshandlungen der Behörden moniert, ist sie auf die Feststellung der Vorinstanz hinzuweisen, wonach der Migrationsbehörde ohne Kooperation der Beschwerdeführerin die Hände gebunden sind. Dies unterstreicht gerade die Erforderlichkeit der nun im Streit liegenden Massnahme.
4.2. Weiter macht die Beschwerdeführerin geltend, sie werde durch die Eingrenzung in ihrer Bewegungsfreiheit und in der Wahrnehmung ihrer sozialer Kontakte eingeschränkt; sie besuche regelmässig verschiedene Freunde, vor allem in der Stadt Zug, aber auch in Y.________/ZG oder in Z.________, wo ein besonders enger Freund wohne. In diesem Zusammenhang verweist sie auf diverse bei den Akten liegende Briefe und Eingaben ihrer Bekannten.
Auch diese Ausführungen sind nicht zielführend: Vielmehr ist es gerade ein legitimer Zweck der Eingrenzung, durch diese Massnahme einen Druck auf die rechtskräftig weggewiesene aber nicht ausreisewillige Person auszuüben, damit diese ihrer Mitwirkungs- und Ausreiseverpflichtung (vgl. E. 2 hiervor) nachkommt. Eine Aufhebung der Massnahme oder die subeventuell beantragte Ausweitung des der Beschwerdeführerin zugewiesenen Rayons wäre demnach zweckwidrig. Im Übrigen steht es den Bekannten der Beschwerdeführerin frei, letztere in X.________ zu besuchen und den Kontakt mit ihr so aufrecht zu erhalten (vgl. Urteil 2C_1044/2012 vom 5. November 2012 E. 3.4).
4.3. Die Beschwerdeführerin beruft sich im Zusammenhang mit den obigen Vorbringen auch auf das von Art. 8 Ziff. 1 EMRK gewährleistete Recht auf Privatleben und sie behauptet, auch Personen ohne Aufenthaltsrecht könnten diese Bestimmung anrufen. Wie sie indes selbst richtig erkannt hat, wird im von ihr angeführten BGE 138 I 246 E. 3.3 S. 252 ff. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ausdrücklich festgehalten, dass sich Personen ohne (gefestigtes) Aufenthaltsrecht, deren Anwesenheit aber faktisch als Realität hingenommen wird bzw. aus objektiven Gründen hingenommen werden muss, 
 
5.
Dem Gesuch der Beschwerdeführerin um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit der Eingabe nicht zu entsprechen (vgl. Art. 64 BGG). Die unterliegende Beschwerdeführerin hat demnach die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.
3. Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, AuG-Einzelrichterin, sowie dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Juni 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Zähndler