BGer 2C_202/2015
 
BGer 2C_202/2015 vom 17.07.2015
{T 0/2}
2C_202/2015
 
Urteil vom 17. Juli 2015
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Zünd, Präsident,
Bundesrichter Seiler,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Hugi Yar.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hollinger,
gegen
Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau.
Gegenstand
Widerruf der Niederlassungsbewilligung
und Wegweisung,
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungs-
gerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer,
vom 29. Januar 2015.
 
Sachverhalt:
 
A.
 
B.
 
C.
Das Verwaltungsgericht und das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau sowie das Staatssekretariat für Migration beantragen, die Beschwerde abzuweisen. A.________ liess sich nicht weiter vernehmen.
 
D.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung zulässig (Art. 83 lit. c Ziff. 2, Art. 86 Abs. 1 lit. d sowie Art. 90 BGG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4), hingegen nicht gegen den damit verbundenen kantonalen Wegweisungsentscheid (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG; BGE 137 II 305 ff.). Diesbezüglich steht die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen (Urteil 2C_64/2007 vom 29. März 2007 E. 2.2). Soweit der Beschwerdeführer den mit dem Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung als gesetzliche Folge (vgl. Art. 64 Abs. 1 lit. c AuG) verbundenen Wegweisungsentscheid beanstandet (Unzumutbarkeit des Vollzugs ausserhalb der Interessenabwägung bezüglich des Widerrufs), ist auf seine Beschwerde nicht einzutreten, da er nicht dartut, dass und inwiefern dieser besondere verfassungsmässige Rechte verletzen würde (vgl. BGE 137 II 305 ff.). Seine Hinweise darauf, dass "Zehntausende" aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Kosovo "fliehen" würden, lässt den Vollzug seiner Wegweisung nicht als unmenschlich (Art. 3 EMRK) erscheinen.
 
1.2.
1.2.1. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann diesen - soweit entscheidrelevant - nur berichtigen oder ergänzen, wenn er offensichtlich unrichtig oder in  Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2 BGG). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der Sachverhalt bzw. die beanstandete Beweiswürdigung klar und eindeutig mangelhaft - mit anderen Worten willkürlich - erscheint (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3).
1.2.2. Der Beschwerdeführer beschränkt sich weitgehend darauf, die bereits vor dem Verwaltungsgericht erhobenen, von diesem jedoch verworfenen Einwände zu wiederholen und zu behaupten, die Vorinstanz habe die Ausführungen zu seiner Situation nicht zur Kenntnis genommen bzw. nicht hinreichend gewürdigt. Mit den Darlegungen im angefochtenen Entscheid zu seinen bereits dort vorgebrachten Argumenten setzt er sich kaum weiterführend auseinander; er stellt sachverhaltsmässig und hinsichtlich der Beweiswürdigung lediglich seine Sicht der Dinge derjenigen der Vorinstanz gegenüber, ohne darzulegen, inwiefern deren Schlussfolgerungen als offensichtlich unhaltbar zu gelten hätten. Der rechtlichen Beurteilung sind die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung zugrunde zulegen; in rechtlicher Hinsicht sind nur die hinreichend begründeten Ausführungen zu berücksichtigen.
 
2.
2.1. Hinsichtlich des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung gibt das kantonale Urteil die Rechtslage (Art. 63 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 63 Abs. 2 und Art. 62 lit. b sowie Art. 96 AuG bzw. Art. 8 Ziff. 2 EMRK) und die bundesgerichtliche Praxis zutreffend wieder (BGE 139 I 16 ff., 31 ff.; 137 II 297 E. 2-4; 135 II 377 E. 4; vgl. ZÜND/HUGI YAR, Aufenthaltsbeendende Massnahmen im schweizerischen Ausländerrecht, insbesondere unter dem Aspekt des Privat- und Familienlebens, EuGRZ 40/2013 S. 1 ff. N. 38 ff. und insbesondere N. 41 mit weiteren Hinweisen). Es entspricht den gesetzlichen und konventionsrechtlichen Vorgaben und verletzt kein Bundesrecht.
2.2. Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass er mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren (teilbedingt) einen Widerrufsgrund gesetzt hat (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 62 lit. b AuG). Neben dem Vorliegen eines solchen muss sich die aufenthaltsbeendende Massnahme überdies als verhältnismässig erweisen. Dabei sind namentlich die Schwere des Delikts und des Verschuldens des Betroffenen, der seit der Tat vergangene Zeitraum, das Verhalten  des Ausländers während diesem, der Grad seiner Integration bzw. die Dauer der bisherigen Anwesenheit sowie die ihm und seiner Familie drohenden Nachteile zu berücksichtigen (BGE 135 II 377 E. 4.3 S. 381). Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich schon seit langer Zeit hier aufhält, soll nur mit Zurückhaltung widerrufen werden. Bei wiederholter bzw. schwerer Straffälligkeit ist dies jedoch selbst dann nicht ausgeschlossen, wenn er hier geboren ist und sein ganzes bisheriges Leben im Land verbracht hat (vgl. das Urteil 2C_562/2011 vom 21. November 2011 E. 3.3 [Widerruf der Niederlassungsbewilligung eines hier geborenen 43-jährigen Türken]). Soweit dies zu keinem Widerspruch zu übergeordnetem Recht führt, berücksichtigt das Bundesgericht die verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art. 121 Abs. 3 lit. a BV; danach sollen schwere Sexualdelikte zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen (vgl. BGE 139 I 16 E. 5.3 S. 31). Bei gewichtigen Straftaten und bei Rückfall sowie bei wiederholter (unverbesserlicher) Delinquenz besteht regelmässig ein wesentliches öffentliches Interesse daran, die Anwesenheit eines Ausländers zu beenden, falls er die Sicherheit und Ordnung bzw. grundlegende Rechtsgüter - wie hier die sexuelle Integrität von Kindern - beeinträchtigt (vgl. BGE 139 I 145 E. 2.4 und 2.5 S. 149 ff.; das Urteil 2C_903/2010 vom 6. Juni 2011 E. 3.1, nicht publ. in BGE 137 II 233 ff.; 130 II 176 E. 4.4.2 S. 190 f.).
 
2.3.
2.3.1. Der Beschwerdeführer hat sich wiederholt an den Kindern seiner Freundin, mit der er seit 1999 eine aussereheliche Beziehung unterhalten hat, sexuell vergangen. Dabei nutzte er - so das Urteil des Obergerichts - seine Rolle als "Ersatzvater" aus und missbrauchte das Vertrauen der Kinder bzw. seiner Partnerin. Es ging ihm einzig darum, seine sexuellen Gelüste zu befriedigen. Im Strafverfahren zeigte er weder Reue noch Einsicht, was - so das Strafurteil - anlässlich der "obergerichtlichen Befragung eindeutig ersichtlich wurde". Bereits am 19. September 2005 war der Beschwerdeführer nach früheren untergeordneteren Strassenverkehrsdelikten wegen Wiederhandlungen gegen das ANAG, Hausfriedensbruchs, geringfügiger Sachbeschädigung und sexueller Belästigung sowie massiven Überschreitens der allgemeinen Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen zu einer Freiheitsstrafe von 5 Tagen und einer Busse von Fr. 1'100.-- verurteilt worden; dennoch nahm er in der Folge sexuelle Handlungen mit Kindern vor. Dass strafrechtlich sein Verschulden als mittelschwer gewürdigt wurde, ändert - entgegen seinen Einwendungen - am ausländerrechtlich grossen Interesse an seiner Entfernung nichts. Zwar ist seit den entsprechenden Taten eine gewisse Zeit verstrichen (2008/2009), doch selbst in dieser (und nach der Untersuchungshaft) mussten weitere Strafbefehle gegen ihn ergehen; dem Umstand, dass das strafrechtliche Verfahren relativ lange gedauert hat, wurde bereits im Strafurteil Rechnung getragen.
2.3.2. Sein Verschulden wiegt ausländerrechtlich schwer; die von ihm angerufenen angeblich intensiven Beziehungen zu seiner Gattin und seinen beiden Söhnen vermochten ihn nicht davon abzuhalten, in der Schweiz massiv straffällig zu werden. Sämtliche Warnungen bewegten ihn nicht dazu, sein Verhalten zu überdenken, sich hier korrekt zu verhalten und die hiesigen gesetzlichen Vorgaben zu respektieren. Es besteht mit Blick auf die von ihm gefährdeten bzw. beeinträchtigten Rechtsgüter (Gesundheit/sexuelle Integrität) ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, dass er das Land verlässt. Er tut keine Elemente dar, die einen Entwicklungs- und Reifeprozess bzw. ein tragfähiges Zukunftsprojekt belegen würden, welche die Rückfallgefahr auf ein im Rahmen von Art. 8 Ziff. 2 EMRK ausländerrechtlich hinzunehmendes Mass reduzieren könnten. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf hinzuweisen, dass er sich seit den Vorkommnissen mehr oder weniger korrekt verhalten habe; er verkennt indessen, dass dies praxisgemäss nicht ausschlaggebend ist; ein Wohlverhalten darf ausländerrechtlich erwartet werden; eine erneute (auch geringe) Straffälligkeit in dieser Zeit erhöht lediglich das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der straffällig gewordenen ausländischen Person.
2.3.3. Wie die Vorinstanzen zu Recht festgestellt haben, hat der Beschwerdeführer zwar wegen seiner langen Anwesenheit ein gesteigertes privates Interesse an einem weiteren Verbleib im Land, doch überwiegt dieses das öffentliche an seiner Entfernung nicht: Seine beiden Söhne sind erwachsen; die familiären Beziehungen zu ihnen kann er von seiner Heimat aus aufrechterhalten. Dass sich der jüngere noch in einer Lehre befindet, ändert nichts; es besteht deswegen kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer ist erst im Alter von 24 Jahren in die Schweiz gekommen, im Kosovo sozialisiert worden und mit den kulturellen und sprachlichen Verhältnissen in seiner Heimat nach wie vor vertraut. Zwar führt er in der Schweiz einen eigenen Malerbetrieb; die entsprechenden Kenntnisse können ihm aber auch in seiner Heimat nützlich sein; im Übrigen kann er den hiesigen Betrieb allenfalls gewinnbringend übertragen. Die Vorinstanz durfte ohne Verletzung von Bundesrecht davon ausgehen, dass er durch die Pflicht, das Land verlassen zu müssen, nicht in unzumutbarer Weise aus einem besonderen sozialen Umfeld herausgerissen wird; auch kann nicht gesagt werden, dass er in der Heimat auf unüberwindbare (Re-) Integrationsprobleme stossen oder durch die Anwesenheitsbeendigung eine positive Persönlichkeitsentwicklung zunichte gemacht würde.
2.3.4. Zwar dürfte es seiner Gattin allenfalls schwer fallen, ihr Familienleben mit ihm künftig im Kosovo zu pflegen; ganz ausgeschlossen erscheint dies indessen nicht, nachdem sie ebenfalls aus dem Kosovo stammt. So oder anders muss sie selber die Schweiz nicht verlassen. Die Gattin kann sich weiter hier aufhalten. Auch wenn sie bisher nicht gearbeitet haben sollte, ist ihr die Aufnahme einer Beschäftigung zumutbar. Aus dem Einspracheentscheid vom 21. Oktober 2014 ergibt sich im Übrigen, dass die Ehefrau gemäss Angaben des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2013 ein jährliches Nettoeinkommen von rund Fr. 30'000.-- erzielt hat, was belegt, dass sie hier offenbar bereits beruflich aktiv gewesen ist. Sollte die Ehefrau in der Schweiz verbleiben und ihre Beziehung nicht mit ihrem Gatten in der gemeinsamen Heimat leben wollen, wird der Beschwerdeführer allenfalls um die Neuerteilung einer Bewilligung nachsuchen können, sollte der Bewilligungsanspruch künftig fortbestehen und dannzumal davon auszugehen sein, dass er sich in seiner Heimat bewährt hat und von ihm keine Gefahr mehr für die hiesige Sicherheit und Ordnung ausgeht (vgl. die Urteile 2C_1170/2012 vom 24. Mai 2013 E. 3 u. 4; 2C_487/2012 vom 2. April 2013 E. 3-5).
 
3.
3.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Dies kann im Verfahren nach Art. 109 BGG geschehen. Ergänzend wird auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Entscheid verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).
3.2. Der unterliegende Beschwerdeführer hat die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Juli 2015
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Zünd
Der Gerichtsschreiber: Hugi Yar