BGer 8C_915/2015 |
BGer 8C_915/2015 vom 06.04.2016 |
{T 0/2}
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8C_915/2015
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Urteil vom 6. April 2016 |
I. sozialrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin,
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Gerichtsschreiberin Polla.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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Evangelischer Kirchenrat des Kantons Thurgau, Bankplatz 5, 8500 Frauenfeld,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Öffentliches Personalrecht,
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Beschwerde gegen den Entscheid der Rekurs- und Beschwerdekommission der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau vom 29. Oktober 2015.
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Sachverhalt: |
A. A.________ war zu 50 % als Organistin für die Evangelische Kirchgemeinde B.________ tätig. Am 29. Oktober 2013 fand ein Mitarbeitergespräch zwischen A.________ und den Vertretern der Evangelischen Kirchgemeinde statt. Unter Androhung einer möglichen Kündigung wurde A.________ eine Frist bis Juni 2014 gesetzt, um den formulierten Forderungen hinsichtlich ihrer Kommunikation, Planung sowie Pünktlichkeit und Vorbereitung der musikalischen Einsätze nachkommen zu können. Hierzu nahm A.________ mit Schreiben vom 7. Januar 2014 Stellung. Am 19. Juni 2014 kündigte die Evangelische Kirchgemeinde - gestützt auf einen Beschluss der Kirchenvorsteherschaft - das Arbeitsverhältnis auf den 31. Januar 2015 und begründete dies mit Bezugnahme auf die Abmahnung vom 29. Oktober 2013 (Schreiben vom 26. Juni 2014). Der Evangelische Kirchenrat des Kantons Thurgau wies den Rekurs gegen die Kündigung mit Entscheid vom 14. Januar 2015 ab.
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B. Die Rekurs- und Beschwerdekommission der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau wies die dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 29. Oktober 2015 ab.
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C. A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde und beantragt, es sei ihr unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids eine Entschädigung wegen fehlerhafter Kündigung in der Höhe von Fr. 22'269.20 zuzusprechen; eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, um die Entschädigung festzusetzen. Der Evangelische Kirchenrat und die Rekus- und Beschwerdekommission verzichten auf eine Vernehmlassung.
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D. Auf Ersuchen des Bundesgerichts (Verfügung vom 16. März 2016) äusserte sich das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau im Sinne eines Meinungsaustauschs nach Art. 29 Abs. 2 BGG zur Frage des innerkantonalen Instanzenzugs und verneinte seine Zuständigkeit (Schreiben vom 23. März 2016).
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Erwägungen: |
1. Der angefochtene Entscheid, ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG; vgl. E. 2 hernach), betrifft ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis, d.h. eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Der Ausschlussgrund von Art. 83 lit. g BGG ist nicht gegeben, da die Beschwerde Entschädigungsansprüche und somit vermögensrechtliche Angelegenheiten betrifft. Die Streitwertgrenze von Fr. 15'000.- (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG) ist überschritten.
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2. |
2.1. Gemäss Art. 86 Abs. 2 BGG setzen die Kantone als unmittelbare Vorinstanzen des Bundesgerichts obere Gerichte ein, soweit nicht nach einem anderen Bundesgesetz Entscheide anderer richterlicher Behörden der Beschwerde an das Bundesgericht unterliegen. Die Qualifikation als "Gericht" im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG bedingt insbesondere, dass die kantonale Justizbehörde den Anforderungen von Art. 110 BGG (freie Prüfung des Sachverhalts, Anwendung des Rechts von Amtes wegen) genügt. Der Begriff des "oberen" Gerichts erfordert, dass die Justizbehörde für das ganze Kantonsgebiet zuständig und hierarchisch keiner anderen Gerichtsinstanz unterstellt ist. Sieht das kantonale Recht lediglich einen einstufigen Instanzenzug vor, gelten praxisgemäss bei erfüllten Voraussetzungen die als einzige kantonale gerichtliche Behörde wirkenden Gerichte oder Rekurskommissionen als "oberes" Gericht, auch wenn sie nur für ein Spezialgebiet zuständig sind (vgl. ASA 82 S. 379, 2C_124/2013 E. 1.3 mit weiteren Hinweisen).
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2.2. Im Kanton Thurgau gilt, dass die kantonalen kirchlichen Körperschaften einen dem (weltlichen) kantonalen Recht gleichwertigen Rechtsschutz gewährleisten. Gemäss § 75 in Verbindung mit § 76 der Verfassung der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau vom 27. November 2000 (SR 187.11) können Entscheide der Kirchenvorsteherschaft mittels Rekurs an den Kirchenrat weitergezogen werden. § 78 in Verbindung mit § 79 Abs. 1 der zitierten Verfassung sieht als Beschwerdeinstanz die Rekurs- und Beschwerdekommission der Landeskirche bei Beschwerden gegen Rekursentscheide des Kirchenrates vor. Eine Beschwerdeinstanz gegen einen Beschwerdeentscheid der Rekurs- und Beschwerdekommission ist nicht vorgesehen. Demnach besteht keine Weiterzugsmöglichkeit an das Verwaltungsgericht, womit Beschwerdeentscheide der Rekurs- und Beschwerdekommission im Kanton Thurgau hierarchisch keiner anderen Gerichtsbehörde unterstellt sind. Die Rekurs- und Beschwerdekommission des Kantons Thurgau ist somit, in Übereinstimmung mit der Ansicht des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau, bei Beschwerdeverfahren als oberes kantonales Gericht im Sinne von Art. 86 Abs. 2 BGG zu qualifizieren.
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3. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde nach Art. 113 BGG kann nur dann eingetreten werden, soweit keine Beschwerde nach den Artikeln 72-89 möglich ist. Zulässig ist vorliegend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 BGG.
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4. |
4.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten können Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG gerügt werden. Rügen gegen die Sachverhaltsfeststellung sind nur zulässig, wenn diese offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann. "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252). Die Rüge, im Rahmen der Sachverhaltsfeststellung sei der grundrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden, kann jedoch uneingeschränkt erhoben werden (Urteil des Bundesgerichts 1C_560/2008 vom 6. April 2009 E. 1.2 mit Hinweis).
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4.2. Die Rüge der willkürlichen Auslegung des kantonalen Rechts ist zulässig (Art. 95 lit. a BGG). Willkürlich ist eine Auslegung oder Anwendung des Gesetzes nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn sie offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Wegen Willkür ist ein Entscheid überdies nur aufzuheben, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 134 II 124 E. 4.1 S. 133, 133 I 149 E. 3.1 S. 153, je mit Hinweisen). Erforderlich ist sodann, dass die Willkürrüge in einer den Anforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise substanziiert wird. Dabei wird die Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b des früheren Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG) weitergeführt (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254; Urteil 8C_251/2010 vom 29. Juni 2010 E. 1.3). Es obliegt der Beschwerdeführerin namentlich darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid gegen die gerügten Grundrechte verstossen soll. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262, 129 I 113 E. 2.1 S. 120, je mit Hinweisen).
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5. Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gestützt auf die Verordnung des Regierungsrates über die Rechtsstellung des Staatspersonals vom 9. Dezember 2003 (Rechtsstellungsverordnung, RSV; SR 177.112) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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5.1. Nach § 21 Abs. 1 und 2 RSV darf eine ordentliche Kündigung durch den Kanton nicht missbräuchlich sein und setzt einen sachlich zureichenden Grund voraus. Als sachliche Gründe werden insbesondere genannt: Aufhebung einer Stelle aus betrieblichen oder wirtschaftlichen Gründen; ungenügende Leistungen oder unbefriedigendes Verhalten; Verletzung gesetzlicher oder vereinbarter Pflichten; fehlende Eignung oder Wegfall beziehungsweise Nichterfüllen gesetzlicher oder vereinbarter Anstellungsvoraussetzungen. Bevor eine Kündigung aufgrund ungenügender Leistungen oder unbefriedigenden Verhaltens ausgesprochen wird, ist in der Regel ein Standortgespräch zu führen und eine Frist zur positiven Veränderung anzusetzen. Die Rekurs- und Beschwerdekommission verneinte in Anwendung von § 21 Abs. 1 und 2 RSV eine rechtsmissbräuchliche Kündigung, da Führungs- oder Kommunikationsschwächen ebenfalls sachlich zureichende Gründe für eine Kündigung seien. Weiter führte die Vorinstanz aus, der Kündigung sei die Abmahnung vom 29. Oktober 2013 vorangegangen. Zudem sei sie nicht unverhältnismässig, da der Beschwerdeführerin ausreichend Zeit eingeräumt worden sei, um die vorgeworfenen Missstände zu beheben.
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5.2. Beschwerdeweise wird sinngemäss geltend gemacht, der Sachverhalt sei falsch und willkürlich festgestellt worden, da eigentlich nicht ihr Verhalten Anlass zur Kündigung gegeben habe, sondern vielmehr ihre Persönlichkeit. Die Kündigung sei deshalb rechtsmissbräuchlich.
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6. Wie die Vorinstanz dargelegt hat, wurde die Nichteinhaltung der Punkte Kommunikation, Planung, Pünktlichkeit sowie Vorbereitung dokumentiert und der Beschwerdeführerin eröffnet. Bei fehlender Verbesserung des monierten Verhaltens wurde die Kündigung angedroht. Bei den Vorgaben der Kirchenvorsteherschaft - so die Vorinstanz - habe es sich um in der Sache gerechtfertigte arbeitsrechtliche Weisungen gehandelt, die der Aufrechterhaltung eines geordneten Arbeitsverhältnisses sowie der Zusammenarbeit dienten und deren Einhaltung für die Kirchenvorsteherschaft erklärtermassen wichtig gewesen sei. Obschon die Erfüllung der Vorgaben der Beschwerdeführerin zumutbar und möglich gewesen wäre, sei sie diesen trotz Ansetzung einer Bewährungsfrist nicht nachgekommen.
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Aus den Akten und der Beschwerde ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin die Situation anders einschätzte. Dabei lässt sie jedoch ausser Acht, dass eine Kündigung schon dann gerechtfertigt ist, wenn als sachlich begründet anzusehen ist, dass die Weiterbeschäftigung der betreffenden Person dem Interesse an einem gut funktionierenden Betrieb widerspricht, wobei sich dies aus unzureichenden Leistungen, unbefriedigendem Verhalten, erheblichen Störungen der Arbeitsgemeinschaft oder aus betrieblichen Motiven ergeben kann (vgl. Urteile 8C_405/2011 vom 16. September 2011 E. 7.7, 8C_690/2010 vom 1. November 2010 E. 4.2.2, 8C_826/2009 vom 1. Juli 2010 E. 2, je mit Hinweis). Die in der Beschwerde dargelegte Einschätzung und der Verweis auf die verschiedenen E-Mails und Schreiben vermögen zwar die Sichtweise der Beschwerdeführerin darzulegen, zeugen aber auch von der angespannten Situation und den Meinungsverschiedenheiten. Aus der gesamten Aktenlage - und nicht zuletzt auch aus den Darlegungen in der Beschwerdeschrift - wird deutlich, dass zwischen den Vertragsparteien ein gestörtes Vertrauensverhältnis bestand. Auch wenn die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz betreffend die Teilzeitstelle als Chorleiterin des Kirchenchors C.________ in zwei Punkten als falsch anzusehen wären, wie die Beschwerdeführerin rügt, sind diese und die daraus gezogenen rechtlichen Schlüsse nicht unhaltbar. So oder anders ist hinsichtlich der Zusammenarbeit der Parteien die Beurteilung der Vorinstanz, die Kommunikation sei durch das Verhalten der Beschwerdeführerin beeinträchtigt gewesen, nicht zu beanstanden. Ein gestörtes Vertrauensverhältnis oder personelle Spannungen, die über längere Zeit angedauert haben und sich nicht haben beheben lassen, stellen sachlich zureichende Kündigungsgründe dar. Der Standpunkt der Rekurs- und Beschwerdekommission, wonach sich die Kündigung unter den gegebenen Umständen als sachlich gerechtfertigt und verhältnismässig erweist, womit die Kündigungsvoraussetzungen nach § 21 Abs. 1 und 2 RSV erfüllt seien, ist nicht willkürlich. Die Beschwerde ist abzuweisen.
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7. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, der Rekurs- und Beschwerdekommission der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau und der Evangelischen Kirchenvorsteherschaft B.________ schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 6. April 2016
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Polla
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