BGer 5A_204/2016
 
BGer 5A_204/2016 vom 27.04.2016
{T 0/2}
5A_204/2016
 
Urteil vom 27. April 2016
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter von Werdt, Präsident,
Bundesrichter Marazzi, Bovey,
Gerichtsschreiber Traub.
 
Verfahrensbeteiligte
A.A.________,
Beschwerdeführerin,
gegen
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern,
verfügende Behörde,
1. B.________,
2. C.________,
Verfahrensbeteiligte,
Gegenstand
Beistandschaft nach 308 Abs. 1 und 2 ZGB, persönlicher Verkehr etc.,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, vom 9. Februar 2016.
 
Sachverhalt:
A. A.A.________ hat zwei minderjährige Töchter, D.A.________ (geb. 2007) und E.A.________ (geb. 2001). Eine weitere Tochter ist volljährig. Die Schulkommission U.________ erstattete am 2. April 2014 eine Gefährdungsmeldung bezüglich D.A.________. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Bern eröffnete ein Kindesschutzverfahren und holte bei den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) V.________ ein Gutachten zu Fragen der Erziehungsfähigkeit und des persönlichen Verkehrs mit den jeweiligen Kindsvätern ein (Entscheid vom 10. September 2014). Das Obergericht des Kantons Bern trat auf eine hiegegen erhobene Beschwerde von A.A.________ nicht ein (Urteil vom 1. Dezember 2014).
Mit Entscheid vom 16. September 2015 errichtete die KESB - unter anderem gestützt auf das Gutachten der UPD vom 15. Juni 2015 - für die beiden minderjährigen Töchter eine Beistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB. Die eingesetzte Berufsbeiständin wurde unter anderem damit beauftragt, die Inhaber der elterlichen Sorge mit Rat und Tat in Kindesbelangen zu unterstützen sowie für die Planung, Organisation, Durchführung und Überwachung des Besuchsrechts der Kindsväter besorgt zu sein. Ausserdem regelte die KESB den persönlichen Verkehr zwischen den beiden minderjährigen Töchtern und ihren jeweiligen Vätern. Die Mutter und die Väter wurden angewiesen, das angeordnete Besuchsrecht sowie die Modalitäten und zeitlichen Vorgaben der Besuche einzuhalten. Weiter verpflichtete die KESB die Mutter dazu, eine "Beratung in Bezug auf die Autonomieentwicklung und Autonomiebedürfnisse ihrer Kinder von mindestens fünf Sitzungen (...) in Anspruch zu nehmen" (Art. 307 Abs. 3 ZGB); die Beiständin wurde damit beauftragt, diese Beratung zu organisieren und zu überwachen. Die KESB Bern übertrug die Beistandschaft ferner per Entscheiddatum an die KESB Mittelland Süd.
B. A.A.________ erhob gegen diesen Entscheid Beschwerde an das Obergericht (als Kindes- und Erwachsenenschutzgericht) des Kantons Bern. Sie verlangte, der angefochtene Entscheid sei - bis auf die Regelung des Besuchsrechts - aufzuheben; eventuell sei die Sache zur neuen Beurteilung an die KESB zurückzuweisen. Das Obergericht wies die Beschwerde ab und gewährte die unentgeltliche Rechtsverbeiständung durch den damaligen Rechtsvertreter (Urteil vom 9. Februar 2016).
C. 
C.a. Gegen dieses Urteil führte A.A.________ am 10. März 2016 (Datum der Postaufgabe) Beschwerde in Zivilsachen. Sie beantragt sinngemäss, das angefochtene Urteil sei aufzuheben, soweit dieses die angeordnete Beistandschaft und Beratung bezüglich Autonomieförderung der beiden Töchter bestätigte. Stattdessen sei eine Mediation mit C.________ (Vater von D.A.________) und ihr selbst durchzuführen.
Nach Erhalt der Kostenvorschussverfügung des Bundesgerichts ersuchte A.A.________ um unentgeltliche Rechtspflege.
C.b. Das Bundesgericht holte keine Vernehmlassungen ein.
 
Erwägungen:
1. Die Beschwerde richtet sich gegen den Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz (Art. 75 BGG). Der kindesschutzrechtliche Entscheid ist öffentlich-rechtlich, steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit Zivilrecht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Die Beschwerdebefugnis vor Bundesgericht ist gegeben; die Beschwerdeführerin hat ein eigenes schutzwürdiges und praktisches Interesse (Art. 76 Abs. 1 BGG; Urteil 5A_674/2015 vom 29. September 2015 E. 1.2 mit Hinweisen). Die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen sind daher erfüllt. Eine andere Frage ist, ob auch unter dem Titel einer hinreichenden Beschwerdebegründung (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG) auf das Rechtsmittel eingetreten werden kann.
2. Das angefochtene Urteil enthält im Wesentlichen folgende Feststellungen und rechtliche Schlussfolgerungen:
2.1. Dem Gutachten der UPD vom 15. Juni 2015 lasse sich unter anderem entnehmen, dass die Beschwerdeführerin an einer schubweise verlaufenden psychischen Erkrankung leide. Es sei mit Sicherheit davon auszugehen, dass ihre Erziehungsfähigkeit während eines Schubes ("phasenhaft") schwer beeinträchtigt sei. Zudem liege ein "überdauerndes Risiko einer durch die Beschwerdeführerin bedingten Einschränkung der Autonomieentwicklung ihrer Kinder" vor. Beide Kinder zeigten jedoch eine altersentsprechende Entwicklung ohne Anzeichen einer psychischen Beeinträchtigung.
2.2. Zur Frage der Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB erwog die Vorinstanz, die Gutachter hätten der Behörde dringend empfohlen, zur Umsetzung des Besuchsrechts eine Beistandsperson beizuziehen, um die - ansonsten langfristig gefährdete - Beziehung insbesondere von Tochter D.A.________ zu ihrem Vater zu sichern. Polizeilich rapportierte Vorkommnisse bestätigten die Notwendigkeit einer solchen Vorkehr. Weiter bestätigten etliche Eingaben der Beschwerdeführerin sowie ihr Verhalten in schulischen Belangen die im Gutachten beschriebenen - und auf eine schubweise verlaufende Krankheit zurückgeführten - problematischen Persönlichkeitszüge. Die Vorinstanz kam zum Schluss, das "andauernd kämpferische, klar auffällige und nicht sozialverträgliche Verhalten der Beschwerdeführerin bezüglich Schule/Schulumfeld" gefährde die Entwicklung der beiden Töchter und damit deren Kindeswohl. Unter diesen Umständen habe mit geeigneten Massnahmen nicht mehr zugewartet werden dürfen. Die Vorkehrungen (Erziehungsbeistandschaft nach Art. 308 Abs. 1 und 2 ZGB; Regelung des persönlichen Verkehrs; Weisung gemäss Art. 307 Abs. 3 ZGB, sich durch eine Fachperson in Bezug auf die Autonomieentwicklung der Kinder beraten zu lassen) seien daher verhältnismässig, zumal etwa eine Weisung nach Art. 307 Abs. 3 ZGB oder die Anordnung einer Mediation allein keinen Erfolg verspreche.
3. 
3.1. 
3.1.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig - das heisst willkürlich (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252) - ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG). Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, genügt es nicht, abweichende Tatsachen zu behaupten. Vielmehr muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern die betreffende Feststellung willkürlich oder durch eine andere Rechtsverletzung (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255) und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das Bundesgericht nicht ein.
3.1.2. Im Rahmen ihrer Tatsachenrügen konzentriert sich die Beschwerdeführerin stark auf die Gefährdungsmeldung von April 2014, deren Hintergrund sie bestreitet. Das Obergericht legte seinem Entscheid indessen bei weitem nicht nur Tatsachen zugrunde, welche die Schulbehörde zur Gefährdungsmeldung veranlasst hatten. Vielmehr stellte es vorab auf die Expertise vom 15. Juni 2015 und - im Hinblick auf die Umsetzung der dortigen Empfehlungen - auf die weitere Entwicklung der problematisierten Umstände ab, indem es auch Vorkommnisse anführte, die nach der Gefährdungsmeldung aktenkundig geworden sind (vgl. S. 8 f. Ziff. 24 des angefochtenen Entscheids). Damit setzt sich die Beschwerdeführerin nicht auseinander. Sie beschränkt sich darauf, ihre eigene Sicht der Dinge darzulegen, und zeigt nicht auf, inwiefern die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz willkürlich gewesen sein sollten. Stattdessen macht sie geltend, die Gefährdungsmeldung sei aus sachfremden Gründen (leichtfertig oder gar böswillig) erfolgt. Abgesehen davon, dass neue Tatsachen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden dürfen, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), belegt sie ihre These auch nicht ansatzweise.
3.2. 
3.2.1. Hinsichtlich der umstrittenen Rechtsfolgen ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Es muss ersichtlich werden, in welchen Punkten und weshalb der angefochtene Entscheid beanstandet wird (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245; vgl. BGE 131 II 449 E. 1.3 S. 452).
3.2.2. Die Beschwerdeführerin betont, dass sie gut für die Kinder sorge. Dies wird im angefochtenen Entscheid indessen gar nicht in Frage gestellt. Auf die vorinstanzlichen Erwägungen zu den entscheidmassgeblichen Gründen für die kindesschutzrechtlichen Massnahmen (Sicherstellung der Autonomieentwicklung der beiden Töchter und des für die Vater-Kind-Beziehungen wesentlichen persönlichen Umgangs) geht die Beschwerdeführerin nicht ein. Die Beschwerdeschrift genügt den gesetzlichen Anforderungen auch diesbezüglich nicht.
4. Abgesehen davon, dass neue Begehren ohnehin generell unzulässig sind (Art. 99 Abs. 2 BGG), können im öffentlich-rechtlichen Beschwerdeverfahren (oben E. 1) grundsätzlich nur Rechtsverhältnisse überprüft werden, zu denen die zuständige Behörde vorgängig in Form einer Verfügung verbindlich Stellung genommen hat. Insoweit bestimmt die Verfügung den beschwerdeweise weiterziehbaren Anfechtungsgegenstand (BGE 134 V 418 E. 5.2.1 S. 426). Die von der Beschwerdeführerin gewünschte Mediation war nicht Gegenstand des im Entscheid der KESB umgrenzten Verfahrensgegenstandes. In dieser Hinsicht kann die Beschwerde also schon unabhängig von der Frage der hinreichenden Begründung ebenfalls nicht an die Hand genommen werden.
5. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin für die Gerichtskosten aufzukommen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist abzuweisen; das Rechtsbegehren erschien aussichtslos (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei der Ansetzung der Gerichtskosten wird jedoch der finanziellen Lage der Beschwerdeführerin Rechnung getragen (vgl. Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 300.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4. Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der verfügenden Behörde, den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Bern, Kindes- und Erwachsenenschutzgericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. April 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: von Werdt
Der Gerichtsschreiber: Traub