BGer 5A_356/2016 |
BGer 5A_356/2016 vom 08.06.2016 |
{T 0/2}
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5A_356/2016
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Urteil vom 8. Juni 2016 |
II. zivilrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Marazzi, Bovey,
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Gerichtsschreiber Zbinden.
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Verfahrensbeteiligte |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Adriano Marti,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kreuzlingen.
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Gegenstand
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Anordnung von Massnahmen nach Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 30. März 2016.
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Sachverhalt: |
A.
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A.a. Mit ärztlicher Verfügung vom 5. März 2013 wurde A.________ (geb. 1974; Betroffener) aufgrund eines akuten psychotischen Schubs in die Psychiatrische Klinik U.________ (nachfolgend Klinik) eingewiesen. Am 11./12. April 2013 ordnete die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kreuzlingen (KESB) die Rückbehaltung des Betroffenen in der Klinik an. Mit Entscheid vom 23. April/ 2. Mai 2013 verfügte das Obergericht des Kantons Thurgau in teilweiser Gutheissung einer Beschwerde des Betroffenen dessen Entlassung frühestens ab 6. Mai 2013, sofern sichergestellt sei, dass die Einnahme der Medikamente mit entsprechenden wöchentlichen Überprüfungen kontrolliert und der Klinik sofort gemeldet werde, wenn Gefahr bestehe, dass der Betroffene die Medikamente nicht oder nicht mehr einnehme; angeordnet wurde ferner, dass der Betroffene bei einer Fachärztin oder einem Facharzt der Psychiatrie eine Therapie mit mindestens wöchentlichen Sitzungen absolviere. Nachdem der Betroffene am 6. Mai 2013 entlassen worden war, besuchte er seinen Hausarzt und seine Therapeutin während einer gewissen Zeit regelmässig, meldete sich aber in der Folge ab und verreiste ins Ausland. Nach seiner Rückkehr am 28. Mai 2015 in die Schweiz ordnete der Amtsarzt erneut eine fürsorgerische Unterbringung wegen akuter Psychose an. Die bei der KESB (Entscheid vom 4./9. Juni 2015), beim Obergericht (Entscheid vom 7./20. Juli 2015) und beim Bundesgericht erhobenen Beschwerden (Urteil 5A_583/2015 vom 27. Juli 2015) blieben erfolglos.
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A.b. Mit Entscheid vom 25. November 2015 bestätigte die KESB die fürsorgerische Unterbringung des Betroffenen in Anwendung von Art. 426 i.V.m. Art. 431 ZGB und stellte eine weitere Prüfung der Voraussetzungen nach sechs Monaten in Aussicht.
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A.c. Am 4. Februar 2016 beantragte die Klinik unter Hinweis auf die Stabilisierung des Gesundheitszustandes des Betroffenen die Aufhebung der fürsorgerischen Unterbringung per Ende Februar 2016. Diesen Antrag ergänzte sie am 1. März 2016 mit der Empfehlung, für den Fall, dass der Betroffene die Depotmedikation verweigere oder durch Fernbleiben von den Behandlungssitzungen verhindere, ihm einen neuen Termin innert 2 Tagen anzubieten; sollte die Depotmedikation erneut nicht verabreicht werden können, sei eine Klinikeinweisung zur Applikation geboten, gegebenenfalls unter Beizug der Polizei. Der Betroffene habe deutlich gemacht, dass er die Depotapplikation nur bei behördlicher Anordnung akzeptieren werde.
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A.d. Mit Entscheid vom 3./4. März 2016 hiess die KESB den Antrag der Klinik gut, hob die fürsorgerische Unterbringung auf und verfügte die Entlassung des Betroffenen, nachdem gestützt auf Art. 436 ZGB mit der behandelnden Ärztin Behandlungsgrundsätze für den Fall einer erneuten Unterbringung besprochen worden seien (Ziff. 2); als ambulante Massnahme verpflichtete die KESB den Betroffenen, für die Dauer bis 22. Oktober 2017 sich weiterhin entsprechend den Anweisungen des Psychiatrischen Dienstes U.________ bzw. der Klinik ambulant behandeln zu lassen und regelmässig die erforderliche neuroleptische Depotmedikation einzunehmen (Ziff. 3a) und im Rahmen der ambulanten Behandlung regelmässig stützende, klärende und deeskalierende Gespräche mit einer psychiatrisch geschulten ärztlichen oder pflegerischen Vertrauensperson zu besuchen (Ziff. 3b). Die Modalitäten der Einhaltung dieser ambulanten Massnahmen seien ausserdem in einer Vereinbarung zwischen der Klinik und dem Betroffenen im Sinne der Erwägungen festzuhalten (Ziff. 3c). Falls die angeordneten ambulanten Massnahmen nicht eingehalten würden, sei der Bewährungsdienst darüber unverzüglich zu informieren (Ziff. 4).
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B. Gegen diesen Entscheid der KESB gelangte der Betroffene am 17. März 2016 an das Obergericht des Kantons Thurgau mit den Begehren, es sei festzustellen, dass (bzw. zu überprüfen, ob) durch §§ 16 Abs. 1 und Art. 58 Abs. 2 EG ZGB und die diese Bestimmungen konkretisierende KESV, insbesondere §§ 19 Abs. 2 und 70 ff. KESV, Art. 6 Ziff. 1 und Art. 5 Ziff. 4 EMRK sowie Art. 30 Abs. 1 BV verletzt würden. Ferner seien die Ziffern 3c und 4 des angefochtenen Entscheides aufzuheben. Mit Entscheid vom 30. März 2016 hiess das Obergericht des Kantons Thurgau die Beschwerde teilweise gut, änderte die Ziff. 3c des erstinstanzlichen Entscheides ab und fasste ihn neu wie folgt: "Wenn der Beschwerdeführer die neuroleptische Medikation verweigert und auch an einem zweiten Termin die Depotmedikation nicht zustande kommt, so ordnet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde nach vorgängiger Androhung die zwangsweise Vollstreckung an. Die Androhung kann zusammen mit der Einladung zum zweiten Termin erfolgen."
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C. Der Betroffene (Beschwerdeführer) hat am 12. Mai 2016 (Postaufgabe) beim Bundesgericht gegen den vorgenannten Entscheid des Obergerichts Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er beantragt in der Sache, es sei vorfrageweise festzustellen, dass durch § 16 Abs. 1 und 58 Abs. 2 EG ZGB sowie die diese Bestimmungen konkretisierende Verordnung des Obergerichts (KESV, insbesondere § 19 Abs. 2, §§ 70 ff. KESV) die Art. 6 Ziff. 1 und Art. 5 Ziff. 4 EMRK sowie Art. 30 Abs. 1 BV verletzt werden (1). Es sei vorfrageweise festzustellen, dass § 99 Abs. 1 und 3 KESV i.V.m. § 59a EG ZGB die Art. 3, 5, 6 Ziff. 1 und Art. 8 EMRK sowie Art. 9, 10 und 13 BV verletzen (2). Ziffer 1 des Entscheides des Obergerichts betreffend zwangsweise Durchsetzung von Medikation im Rahmen einer ambulanten Massnahme sei aufzuheben (3). Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. In prozessualer Hinsicht beantragt er den Ausstand von Bundesrichter von Werdt.
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Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.
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Erwägungen: |
1. Herr Bundesrichter von Werdt ist nicht Mitglied des Spruchkörpers. Das gegen ihn gerichtete Ausstandsbegehren ist somit gegenstandslos.
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2.
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2.1. Angefochten ist der Endentscheid eines oberen kantonalen Gerichts als Rechtsmittelinstanz (Art. 75 Abs. 1 und 2, Art. 90 BGG). Er beschlägt die gestützt auf Art. 437 Abs. 2 ZGB nach Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung erlassenen ambulanten Massnahmen und damit einen öffentlich-rechtlichen Entscheid in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zivilrecht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6 BGG). Der Beschwerdeführer erfüllt die Legitimationsvoraussetzungen von Art. 76 Abs. 1 BGG. Auf die fristgerecht (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhobene Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
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2.2. Der Beschwerdeführer hat seine Rechtsbegehren vor Bundesgericht abgeändert, indem er nunmehr beantragt, Ziff. 1 des Entscheides des Obergerichts betreffend zwangsweise Durchsetzung der Medikation im Rahmen einer ambulanten Massnahme sei aufzuheben. Damit geht es ihm nur noch um die Aufhebung der vom Obergericht neu gefassten Ziffer 3c des Entscheides der KESB vom 3./4. März 2016.
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2.3. In der Beschwerde ist in Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides darzulegen, welche Rechte der Beschwerde führenden Partei durch das kantonale Gericht verletzt worden sind (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 245), wobei eine allfällige Verletzung verfassungsmässiger Rechte vom Bundesgericht nicht von Amtes wegen, sondern nur dann geprüft wird, wenn solche Rügen in der Beschwerdeschrift ausdrücklich erhoben und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 135 III 232 E. 1.2 S. 234). Wird eine Sachverhaltsfeststellung beanstandet, muss in der Beschwerdeschrift dargelegt werden, inwiefern diese Feststellung willkürlich oder durch eine andere Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) zustande gekommen ist (vgl. BGE 133 II 249 E. 1.2.2 und 1.4.3 S. 255) und inwiefern die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in fine BGG; BGE 135 I 19 E. 2.2.2 S. 22). Auf rein appellatorische Kritik am Sachverhalt tritt das Bundesgericht nicht ein. Neue Tatsachen sind unzulässig (Art. 99 Abs. 1 BGG).
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3. Der Beschwerdeführer beruft sich auf ein kantonales Gesetz und eine Verordnung: Es sind dies das thurgauischen Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 3. Juli 1991 (Rb 210.1; EG ZGB) sowie die Verordnung des Obergerichts zum Kindes- und Erwachsenenschutz vom 22. Oktober 2012 (Kindes- und Erwachsenenschutzverordnung, KESV; Rb 211.24).
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3.1. In seinem ersten Begehren verlangt der Beschwerdeführer, es sei vorfrageweise festzustellen, dass durch § 16 Abs. 1 und 58 Abs. 2 EG ZGB sowie die diese Bestimmungen konkretisierende Verordnung des Obergerichts (KESV, insbesondere § 19 Abs. 2, §§ 70 ff. KESV) die Art. 6 Ziff. 1 und Art. 5 Ziff. 4 EMRK sowie Art. 30 Abs. 1 BV verletzt werden. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, das Obergericht gehe davon aus, dass die vom Regierungsrat gewählte KESB ein Gericht im Sinn von Art. 5 Ziff. 4 EMRK darstelle. Das täusche aber nicht darüber hinweg, dass die gegenüber dem Beschwerdeführer als Richterin auftretende Vizepräsidentin der KESB, seit Anbeginn die "Dossierverwaltung" übernommen habe. Die Verquickung von Verwaltungsbehörde und richterlicher Instanz liege nicht in der Person der Vizepräsidentin begründet. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die genannten kantonalen Bestimmungen den Anspruch auf ein unabhängiges und neutrales Gericht im Sinn von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und eine schnelle Prüfung des Freiheitsentzuges (Art. 5 Ziff. 4 EMRK) verletzen.
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3.2. Aus der einschlägigen Erwägung 1 des angefochtenen Entscheides und insbesondere aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf § 58 Abs. 2 EG ZGB ergibt sich, dass er sich gegen die kantonale Regelung richtet, wonach die KESB über Beschwerden gegen die ärztliche fürsorgerische Unterbringung entscheidet. Im konkret zu beurteilenden Fall hat die KESB freilich nicht als Beschwerdeinstanz über eine Beschwerde gegen die ärztliche fürsorgerische Unterbringung entschieden. Vielmehr war sie als Verwaltungsbehörde mit einem Antrag der Klinik auf Entlassung des Beschwerdeführers aus der fürsorgerischen Unterbringung befasst, die im Übrigen auch nicht ärztlich angeordnet war, sondern auf einem Entscheid der KESB vom 25. November 2015 beruhte. Als Fachbehörde ist die KESB von Bundesrechts wegen für die Entlassung des Betroffenen aus der fürsorgerischen Unterbringung zuständig (Art. 428 Abs. 1 ZGB). Im Weiteren hat sie ambulante Massnahmen getroffen, wozu sie die einschlägigen Bestimmungen (Art. 437 Abs. 2 ZGB i.V.m. § 59a Abs. 1 EG ZGB) ermächtigen. Geht es aber konkret nicht um die Überprüfung einer ärztlichen Einweisung, besteht auch kein Anlass abzuklären und festzustellen, dass die KESB als Verwaltungsbehörde die Anforderungen an ein unabhängiges Gericht im Sinn von Art. 30 Abs. 1 BV bzw. Art. 5 Ziff. 4 und Art. 6 Ziff. 1 EMRK nicht erfüllt und die einschlägigen kantonalen Bestimmungen den Anforderungen der BV und der EMRK nicht genügen. Auf das Feststellungsbegehren 1 ist nicht einzutreten.
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4. In seinem zweiten Begehren ersucht der Beschwerdeführer um Feststellung, dass § 99 Abs. 1 und 3 KESV i.V.m. § 59a EG ZGB die Art. 3, 5, 6 Ziff. 1 und Art. 8 EMRK sowie Art. 9, 10 und 13 BV verletzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Feststellungsklage zuzulassen, wenn der Kläger an der sofortigen Feststellung ein erhebliches schutzwürdiges Interesse hat, das kein rechtliches zu sein braucht, sondern auch bloss tatsächlicher Natur sein kann (BGE 136 III 102 E. 3.1; 135 III 378 E. 2.2 S. 380; 129 III 295 E. 2.2, je mit Hinweisen). Ein Feststellungsinteresse fehlt in der Regel, wenn eine Leistungsklage zur Verfügung steht, mit der ein vollstreckbares Urteil erwirkt werden kann (BGE 135 III 378 E. 2.2 S. 380; 123 III 49 E. 1a S. 52). Im vorliegenden Fall ist ein schützenswertes Feststellungsinteresse zu verneinen: Der Beschwerdeführer verlangt zusätzlich die Aufhebung der Ziff. 1 des angefochtenen Entscheides, soweit damit der KESB die Befugnis eingeräumt wird, die zwangsweise Vollstreckung der Massnahme (Verpflichtung, sich einer medikamentösen Behandlung zu unterziehen) anzuordnen (Ziff. 3c), wenn ihm (dem Beschwerdeführer) die neuroleptische Medikation auch bei einem zweiten Termin nicht verabreicht werden kann. Erachtet das Bundesgericht die entsprechende Dispositiv-Ziffer des obergerichtlichen Urteils als bundesrechtswidrig, hebt es sie auf; ein Feststellungsbegehren ist damit überflüssig. Auf das Rechtsbegehren 2 ist nicht einzutreten.
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Gegenstand der vorliegenden Prüfung ist somit die Befugnis der KESB, im Falle der Verweigerung der Depotmedikation die zwangsweise Vollstreckung der Massnahme anzuordnen (Ziff. 3c; nachfolgend E. 5).
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5.
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5.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonale gesetzliche Regelung des § 99 Abs. 3 KESV, wonach Massnahmen voraussetzungslos und ohne zeitliche Begrenzung vollstreckt werden können, führe zu einer unbeschränkten Zwangsbehandlung, die das Grundrecht der persönlichen Freiheit (Art. 10 BV) verletze. Nicht beachtet würden sodann das Gebot, dass solche Verletzungen möglichst kurz zu halten seien, ein öffentliches Interesse voraussetzen und die Verhältnismässigkeit erfordern. § 99 Abs. 3 KESV gehe damit weiter als Art. 434 ZGB, der die Behandlung ohne Zustimmung an kumulative Voraussetzungen knüpfe und nur im Rahmen der fürsorgerischen Unterbringung möglich sei. Unter dem Aspekt der Verhältnismässigkeit macht er insbesondere geltend, Wenn eine akute Selbstgefährdung, die eine fürsorgerische Unterbringung rechtfertige, nicht mehr vorliege, fehle es regelmässig an der kumulativen Notwendigkeit, Erforderlichkeit, an einem öffentlichen Interesse und an der Verhältnismässigkeit für einen derart schweren Eingriff in das Grundrecht der persönlichen Freiheit. Diese Art der Zwangsbehandlung verletzte in ihrer generell abstrakten Formulierung das Verbot unmenschlicher Behandlung gemäss Art. 3 EMRK.
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5.2. |
5.2.1. Als Zwangsbehandlung gilt in erster Linie der Fall, in dem einem Betroffenen gegen seinen Willen unter Anwendung physischer Gewalt Medikamente verabreicht werden. Von einer Zwangsbehandlung ist ferner auszugehen, wenn der Patient unter dem Druck bevorstehenden unmittelbaren Zwangs in die ärztliche Behandlung einwilligt (Urteil 5P.366/2002 vom 26. November 2002 E. 4) oder nach einer tatsächlich vorgenommenen zwangsweisen Verabreichung von Medikamenten diese im weiteren Verlauf des Klinikaufenthalts "ohne Druck" bzw. "freiwillig" einnimmt (Urteil 5A_353/2012 vom 19. Juni 2012 E. 3.4.1). Ebenso als Zwangsbehandlung gilt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die behördliche Verpflichtung, sich nach Entlassung aus der fürsorgerischen Unterbringung einer ambulanten medikamentösen Behandlung zu unterziehen (Urteil 5A_666/2013 vom 7. Oktober 2013 E. 3.2). Von einer Zwangsbehandlung ist auch vorliegend auszugehen, in dem die KESB im Rahmen einer Vollstreckung der angeordneten Verpflichtung des Beschwerdeführers, sich einer medikamentösen Behandlung zu unterziehen, die zwangsweise Verabreichung der Depotmedikation anordnen kann, falls sich der Beschwerdeführer nicht freiwillig therapieren lässt.
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5.2.2. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts stellt die medikamentöse Zwangsbehandlung einen schweren Eingriff in die körperliche und geistige Integrität, mithin eine Verletzung von Art. 10 Abs. 2 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK dar und betrifft die menschliche Würde (Art. 7 BV) zentral (BGE 127 I 6 E. 5 S. 10; 130 I 16 E. 3 S. 18).
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5.2.3. Erste Voraussetzung für einen Eingriff in das geschützte Rechtsgut ist, dass er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Art. 36 Abs. 1 BV). Die hier strittige Vollstreckung der medikamentösen Behandlung gründet auf der an den Beschwerdeführer gerichteten Anordnung der KESB, sich für die Dauer bis 22. Oktober 2017 weiterhin entsprechend den Anweisungen des Externen Psychiatrischen Dienstes U.________ bzw. der Klinik ambulant behandeln zu lassen und regelmässig die erforderliche neuroleptische Depotmedikation einzunehmen (Ziff. 3a des Entscheides der KESB vom 3./4. März 2016). Dabei handelt es sich um eine gestützt auf Art. 437 Abs. 2 ZGB erlassene ambulante Massnahme des kantonalen Rechts (Urteil 5A_666/2013 vom 7. Oktober 2013 E. 3.1). Als kantonale gesetzliche Grundlage gilt § 59a EG ZGB (Rb 210.1). Die Anordnung, sich einer weiteren medikamentösen Behandlung zu unterziehen, ist, wie gesagt, nicht mehr Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (E. 2.2). Das Obergericht stützt die hier strittige Befugnis der KESB, die angeordnete Behandlung nötigenfalls zu vollstrecken, auf § 99 Abs. 3 KESV (Rb 211.24). Danach kann die Behörde gestützt auf Art. 128 ZPO namentlich nach vorgängiger Androhung die zwangsweise Vollstreckung anordnen, wenn Massnahmen nicht befolgt werden. Vorausgesetzt für die Vollstreckung ist somit, dass der Beschwerdeführer der erforderlichen medizinischen Behandlung nicht freiwillig Folge leistet. Ob die aufgeführten Gesetzes- bzw. Verordnungsbestimmungen, insbesondere Art. 128 ZPO, als gesetzliche Grundlage für eine ambulante Zwangsbehandlung genügen, erscheint fraglich, muss hier indes offenbleiben: Der Beschwerdeführer legt nicht den Begründungsanforderungen entsprechend (E. 2.3) dar, inwiefern diese gesetzliche Grundlage verfassungswidrig sein soll. Eine entsprechende Prüfung hat somit zu unterbleiben.
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5.2.4. Mit Bezug auf das öffentliche Interesse gilt es hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer nach wie vor der medikamentösen Behandlung bedarf, zumal er immer noch an einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung leidet. Nach Art. 388 Abs. 1 ZGB haben die behördlichen Massnahmen das Wohl und den Schutz hilfsbedürftiger Personen sicherzustellen. Vor dem Hintergrund des gesetzlich verankerten Schutzauftrages gegenüber hilfsbedürftigen Personen lässt sich ein öffentliches Interesse am Grundrechtseingriff nicht verneinen (vgl. dazu auch die Ausführungen des Bundesgerichts zum öffentlichen Interesse am Eingriff in Form einer Zwangsmedikation: BGE 130 I 16 E. 5.2 S. 20 mit Hinweis auf BGE 127 I 6 E. 8 S. 25 f, so ausgeführt bereits im Urteil 5A_211/2014 vom 14. Juli 2014 E. 3.1).
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5.2.5. Mit Bezug auf die Verhältnismässigkeit gilt es einleitend zu bemerken, dass der Beschwerdeführer die durch die KESB ausgesprochene Verpflichtung, sich einer medikamentösen Behandlung zu unterziehen, vor Bundesgericht nicht mehr angefochten hat. Inwiefern es angesichts der nach wie vor notwendigen medikamentösen Behandlung des Beschwerdeführers nicht verhältnismässig sein soll, die Massnahme zu vollstrecken und eine Zwangsbehandlung anzuordnen, wenn der Massnahme keine Folge geleistet wird, legt der Beschwerdeführer nicht den Begründungsanforderungen (E. 2.3) entsprechend dar. Im Übrigen erweist sich diese Massnahme als verhältnismässig: Nach den obergerichtlichen Ausführungen bedarf der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Verfassung zwingend der medikamentösen Behandlung. Er zeigt weder Krankheits- noch Behandlungseinsicht und wehrt sich gegen die verordnete Depotmedikation. Aufgrund der Ausführungen des Obergerichts kommt keine weniger einschneidende Massnahme in Betracht. Vielmehr bliebe nur noch die fürsorgerische Unterbringung, die weit mehr in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreift.
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5.2.6. Der Beschwerdeführer hält diesen Ausführungen nichts Substanzielles entgegen: Insbesondere erweist sich der Vorwurf einer unbeschränkten Vollstreckung der Massnahme und damit von einer unbeschränkten Zwangsbehandlung als unbegründet: § 99 Abs. 3 KESV verpflichtet die Behörde, alle drei Monate die Wirksamkeit der angeordneten Massnahmen zu überprüfen und auf Antrag oder von Amtes wegen wieder aufzuheben, sobald sie ihren Zweck erfüllt haben oder eine Unterbringung angeordnet wird. Zudem verlangt § 99 Abs. 4 KESV, dass die Anordnung von ambulanten Massnahmen oder von Massnahmen zur Nachbetreuung in der Regel auf die Dauer von zwei Jahren zu beschränken ist und jeweils für höchstens zwei Jahre verlängert werden. Es trifft somit nicht zu, dass die Vollstreckung der verordneten unfreiwilligen Behandlung unbeschränkt gilt. Im vorliegenden Fall sind die Massnahmen vorerst auf den 22. Oktober 2017 befristet.
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6. Zusammenfassend erweist sich der Vorwurf, die Befugnis der KESB, eine Zwangsbehandlung anzuordnen, verletze Art. 10 und 13 BV bzw. 3 bzw. 8 EMRK als unbegründet. Inwiefern Art. 5 EMRK insoweit verletzt sein soll, ist nicht ersichtlich und wird auch nicht näher begründet.
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7. Soweit der Beschwerdeführer behauptet, der unbeschränkte Zugang von Drittpersonen in die Wohnung Betroffener im Sinne von § 99 Abs. 1 KESV, z. B. um die angeordnete Einnahme der Medikamente zu überprüfen, verletzte Art. 8 und 13 BV, genügt der Hinweis, dass sich diese Befugnis aus dem angefochtenen Entscheid nicht ergibt. Darauf ist nicht einzutreten.
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8. Damit ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Den Umständen des konkreten Falles entsprechend werden keine Kosten erhoben (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die verfügende Behörde, welche nicht Partei ist (BGE 140 III 353 E. 4.2), hat kein Anrecht auf Parteientschädigung.
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9. Wie die bisherigen Ausführungen zeigen, hat sich die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos erwiesen. Fehlt es somit an einer der materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, ist das entsprechende Gesuch des Beschwerdeführers abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4. Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kreuzlingen und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. Juni 2016
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Escher
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Der Gerichtsschreiber: Zbinden
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