BGer 1C_210/2016 |
BGer 1C_210/2016 vom 24.08.2016 |
{T 1/2}
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1C_210/2016
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Urteil vom 24. August 2016 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Fonjallaz, Präsident,
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Bundesrichter Merkli, Karlen, Chaix, Kneubühler,
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Gerichtsschreiberin Pedretti.
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Verfahrensbeteiligte |
Rudolf Hausherr,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Christoph Ammann,
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Beschwerdegegner,
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Kanton Bern,
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handelnd durch die Staatskanzlei des Kantons Bern, Postgasse 68, 3000 Bern 8.
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Gegenstand
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Regierungsratsersatzwahlen vom 28. Februar 2016; Berechnung des absoluten Mehrs,
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Beschwerde gegen das Urteil vom 31. März 2016
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des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.
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Sachverhalt: |
A. Am 28. Februar 2016 fanden im Kanton Bern Regierungsratsersatzwahlen statt mit dem Ziel, die beiden aufgrund von Rücktritten vakanten Sitze neu zu besetzen. Über das Ergebnis dieser Wahl informierte die Staatskanzlei auf ihrer Homepage, wobei sie ausführte, Christoph Ammann sei mit 182'476 Stimmen gewählt worden. Weitere Stimmen hätten erhalten: Lars Guggisberg 176'219, Pierre Alain Schnegg 154'217, Roberto Bernasconi 152'081, Patrick Gsteiger 43'192 und Bruno Moser 16'147. Insgesamt seien 385'102 Wahlzettel eingegangen, wovon 8'444 leer und 1'571 ungültig gewesen seien. Dies ergebe ein Total von 375'087 gültigen Wahlzetteln. Das absolute Mehr habe bei 181'084 Stimmen gelegen.
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B. Gegen diese vorläufige Veröffentlichung der Wahlergebnisse erhob Rudolf Hausherr am 2. März 2016 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit den Anträgen, es sei festzustellen, dass im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten das absolute Mehr erreicht habe, und es sei für die beiden vakanten Sitze ein zweiter Wahlgang anzuordnen. Das Verwaltungsgericht wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 31. März 2016 ab, soweit es darauf eintrat.
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C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 6. Mai 2016 gelangt Rudolf Hausherr an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 31. März 2016.
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Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Staatskanzlei des Kantons Bern verzichtet auf eine Stellungnahme. Christoph Ammann (Beschwerdegegner) hat sich nicht vernehmen lassen. Am 25. Mai 2016 reichte der Beschwerdeführer unaufgefordert eine elektronische Version seiner Beschwerde mit "einigen formalen (den Sinn in keiner Weise ändernden) Korrekturen" ein.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid über das vorläufige Ergebnis des ersten Wahlgangs der Regierungsratsersatzwahlen vom 28. Februar 2016 im Kanton Bern. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Sinne der Stimmrechtsbeschwerde offen (Art. 82 lit. c, Art. 88 BGG). Der Beschwerdeführer ist unbestrittenermassen im Kanton Bern stimmberechtigt und nach Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerdeführung befugt. Im Sinne von Art. 95 lit. a und b BGG kann er Verletzungen der Bundes- und der Kantonsverfassung rügen.
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1.2. Der Beschwerdeführer beantragt in seiner Rechtsmittelschrift allein die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Er erfüllt damit an sich die Voraussetzung von Art. 42 Abs. 1 BGG nicht, wonach die Eingabe an das Bundesgericht einen Antrag in der Sache enthalten muss. Die Rechtsprechung lässt es in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten allerdings genügen, dass ausdrücklich nur ein kassatorisches Begehren gestellt wird, wenn sich aus der Begründung ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 137 II 313 E. 1.3 S. 317; 133 II 409 E. 1.4.1 S. 414 f.). Dieser Anforderung genügt die Beschwerdebegründung, denn aus ihr geht hervor, dass der Beschwerdegegner als nicht gewählt zu erklären sei, weil er das absolute Mehr der gültigen Stimmen im ersten Wahlgang nicht erreicht habe.
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2. |
2.1. Der Regierungsrat im Kanton Bern besteht aus sieben Mitgliedern (Art. 84 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Bern vom 6. Juni 1993 [KV/BE; SR 131.212]). Sie werden im Mehrheitswahlverfahren gewählt, wobei das ganze Kantonsgebiet einen einzigen Wahlkreis bildet (Art. 85 Abs. 1 und 2 KV/BE i.V.m. Art. 95 des Gesetzes über die politischen Rechte vom 5. Juni 2012 des Kantons Bern [PRG/BE; BSG 141.1]). Der Beschwerdeführer bestreitet zu Recht nicht, dass die Staatskanzlei das absolute Mehr im Sinne von Art. 30 Abs. 1 PRG/BE korrekt berechnet hat. Nach dieser Bestimmung, die gemäss Art. 112 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 PRG/BE bei Regierungsratsersatzwahlen Anwendung findet, bestimmt sich dieses, indem die Gesamtzahl der Stimmen durch die Zahl der zu besetzenden Sitze geteilt und das Ergebnis halbiert wird; die nächsthöhere ganze Zahl bildet das absolute Mehr. Ohne Einbezug der leeren und ungültigen Stimmen vereinigten die sechs Kandidaten im ersten Wahlgang am 28. Februar 2016 insgesamt 724'332 Stimmen auf sich, was nach Division durch die beiden zu besetzenden Sitze und anschliessender Halbierung des Quotienten ein absolutes Mehr von 181'084 Stimmen ergibt.
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Der Beschwerdeführer bemängelt indes, die nach Art. 30 Abs. 1 PRG/BE ermittelte Zahl stelle kein absolutes Mehr dar und widerspreche daher nicht nur Art. 85 Abs. 3 lit. a KV/BE, sondern verfälsche zugleich die Willenskundgabe der Stimmbürger und verletze die durch Art. 34 Abs. 2 BV geschützte Abstimmungsfreiheit. Solche Rügen können vorfrageweise jederzeit erhoben werden (inzidente Normenkontrolle). Gemäss Art. 85 Abs. 3 lit. a KV/BE wird bereits im ersten Wahlgang - in der Reihenfolge der Stimmenzahl - gewählt, wer das absolute Mehr der gültigen Stimmen auf sich zu vereinigen vermag. Nach Ansicht des Beschwerdeführers schreibt diese Bestimmung zwar keine bestimmte Berechnungsart vor; für die Wahl verlangt werde aber das Erreichen des absoluten Mehrs. Diesem Erfordernis genüge die Berechnungsmethode nach Art. 30 Abs. 1 PRG/BE nicht, resultiere daraus doch lediglich ein qualifiziertes relatives Mehr. Dies könne zur unhaltbaren Situation führen, dass ein Kandidat im ersten Wahlgang gewählt werde, der nicht das Vertrauen der absoluten Mehrheit der Wählenden geniesse. Insofern erscheine die Ermittlung des absoluten Mehrs auf der Grundlage der gültigen Wahlzettel "logischer". Dabei habe der Beschwerdegegner im ersten Wahlgang die Hälfte der 375'087 gültigen Wahlzettel, d.h. das Quorum von mindestens 187'544 Stimmen, nicht erreicht.
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2.2. Streitgegenstand vor Bundesgericht bildet somit die Frage, wie den nur teilweise ausgefüllten Wahlzetteln bzw. den leer gelassenen Linien bei der Ermittlung des absoluten Mehrs Rechnung zu tragen ist.
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3. |
3.1. Mit dieser Frage hat sich das Bundesgericht bereits in BGE 108 Ia 243 auseinandergesetzt. Dabei ist es davon ausgegangen, dass in den Kantonen im Wesentlichen zwei Methoden angewendet werden: Bei der ersten Art wird auf die gültigen Wahlzettel abgestellt, wobei das absolute Mehr die Hälfte sämtlicher nicht völlig leer eingelegter Wahlzettel, aufgerundet auf die nächsthöhere ganze Zahl, darstellt. Bei der zweiten Methode bleiben nicht nur die völlig leeren Wahlzettel, sondern auch die leeren und ungültig ausgefüllten Linien unberücksichtigt. Berechnungsgrundlage bilden die gültigen Kandidatenstimmen: Die Anzahl sämtlicher gültig ausgefüllter Linien, geteilt durch die Zahl der zu besetzenden Sitze, wird alsdann halbiert; die nächsthöhere ganze Zahl bedeutet das absolute Mehr (E. 3b S. 245). Im Kanton Bern findet für Regierungsratswahlen seit dem Jahr 1957 diese zweite Berechnungsmethode Anwendung (E. 3c S. 245 f.). Das Bundesgericht schützte diese Art der Ermittlung des absoluten Mehrs und erachtete sie als mit der Berner Kantonsverfassung vereinbar (E. 3f S. 248).
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3.2. Nach der Rechtsprechung schreibt die Bundesverfassung den Kantonen gemäss Art. 51 Abs. 1 BV keine bestimmte Form der Wahl von Kantonsregierungen und insbesondere keine Volkswahl vor (Urteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 2.2). Die Kantone sind in der Ausgestaltung ihres politischen Systems und des Wahlverfahrens weitgehend frei. Sie nehmen dabei eine bewusste Weichenstellung vor, die für den demokratischen Prozess von grundlegender Bedeutung ist, und tragen sowohl für Vor- als auch Nachteile ihre eigene Verantwortung (BGE 140 I 394 E. 8.1 S. 401 f. mit Hinweisen). Es besteht auch keine bundesrechtliche, für die Kantone verbindliche Auslegung des Begriffs des absoluten Mehrs (BGE 108 Ia 243 E. 3b S. 245). Dem Beschwerdeführer ist aber darin zuzustimmen, dass die Berechnung des absoluten Mehrs nicht beliebig ausgestaltet werden kann. Die in Art. 34 Abs. 2 BV verankerte Wahl- und Abstimmungsfreiheit gibt den Stimmberechtigten Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis anerkannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt. Die Stimmberechtigten sollen ihren Entscheid gestützt auf einen möglichst freien und umfassenden Prozess der Meinungsbildung treffen und entsprechend mit ihrer Stimme zum Ausdruck bringen können. Die Wahl- und Abstimmungsfreiheit gewährleistet die für den demokratischen Prozess und die Legitimität direktdemokratischer Entscheidungen erforderliche Offenheit der Auseinandersetzung (BGE 140 I 394 E. 8.2 S. 402 mit Hinweisen).
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3.3. Die Vorinstanz hielt im angefochtenen Entscheid dafür, der Wortlaut von Art. 85 Abs. 3 lit. a KV/BE deute auf die zweite Berechnungsart hin, erkläre dieser doch ausdrücklich das absolute Mehr der gültigen Stimmen für ausschlaggebend. Dem entgegnet der Beschwerdeführer, bis Mitte des 20. Jahrhunderts sei es aufgrund der inhaltlich identischen Bestimmung der alten Staatsverfassung unbestritten gewesen, dass für die Berechnung des absoluten Mehrs auf die gültigen Wahlzettel abgestellt worden sei. Daher könne nicht gesagt werden, nach Art. 85 Abs. 3 lit. a KV/BE sei die Zahl der Kandidatenstimmen massgeblich; vielmehr lasse diese Verfassungsbestimmung die Methode zur Berechnung des absoluten Mehrs offen.
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Diese Einwände finden insofern eine Stütze in den Erwägungen des Bundesgerichts, als es in BGE 108 Ia 243 ausführte, das absolute Mehr sei im Kanton Bern bis zum Jahr 1956 nach der ersten Methode ermittelt worden. Damals habe sich der Grosse Rat aber für die zweite, bis heute noch gültige Berechnungsweise entschieden (E. 3c S. 245 f.). Dies bestätigt die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid und fügt hinzu, der aktuelle Art. 30 Abs. 1 PRG/BE würde den vorangegangenen Regelungen in § 25 Abs. 4 des Dekretes über das Verfahren bei Volksabstimmungen und Wahlen und Art. 24 Abs. 2 des Dekrets über die politischen Rechte (DPR/BE; GS 1980 S. 92 f.) entsprechen (E. 3.3; vgl. ferner KURT NUSPLIGER, Regierung und Parlament, in: Kälin/Bolz (Hrsg.), Handbuch des bernischen Verfassungsrechts, 1995, S. 166 f.).
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3.4. Im Kern kritisiert der Beschwerdeführer, dass nach der Berner Berechnungsart ein Kandidat im ersten Wahlgang in den Regierungsrat gewählt werden könne, der nicht über die Unterstützung einer Mehrheit der Wählerschaft verfüge. Bei dieser Methode trage ein nicht vollständig ausgefüllter Wahlzettel weniger zu der für das absolute Mehr massgeblichen Stimmenzahl bei als bei der ersten Berechnungsweise. Diese Beanstandungen versucht er anhand von verschiedenen fiktiven Rechenbeispielen zu veranschaulichen und argumentiert dabei, die Berner Berechnungsweise liege nicht im Interesse derjenigen Stimmberechtigten, deren favorisierte Kandidaten nicht die Aussicht hätten, in einem ersten Wahlgang gewählt zu werden, sondern auf einen zweiten Wahlgang angewiesen seien. In einem solchen könnten sich kleinere Parteien auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigen, um dessen Wahlchancen zu erhöhen.
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Auch in der Lehre stiess die in BGE 108 Ia 243 vom Bundesgericht geschützte Berechnungsart auf Kritik. Insbesondere wird dem darin vertretenen Ansatz widersprochen, wonach der Stimmbürger, der einen nicht vollständig ausgefüllten Wahlzettel einlegt, insoweit von seinem Stimmenthaltungsrecht Gebrauch macht (E. 3d S. 246 f.). Vielmehr komme den leeren Stimmen materielle Bedeutung zu: Die Wählenden brächten dadurch zum Ausdruck, dass sie alle nicht aufgeführten Kandidaten ablehnten. Die Nichtberücksichtigung der leeren Linien bei der Berechnung des absoluten Mehrs werde daher dem Wählerwillen nicht gerecht (vgl. ALFRED KÖLZ, Probleme des kantonalen Wahlrechts, ZBl 88/1987 S. 56 f.; PIERRE TSCHANNEN, Stimmrecht und politische Verständigung, 1995, S. 127; TOMAS POLEDNA, Wahlrechtsgrundsätze und kantonale Parlamentswahlen, 1988, S. 57 und S. 60; DERSELBE, § 23 Grundzüge des Wahlrechts in den Kantonen, in: Thürer/ Aubert/Müller (Hrsg.), Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, S. 380; HALLER/KÖLZ/GÄCHTER, Allgemeines Staatsrecht, 5. Aufl. 2013, Rz. 792; URS FELDER, Wahl aller Kantonsregierungen unter besonderer Berücksichtigung des Wahlsystems, 1993, S. 102; THIERRY TANQUEREL, La jurisprudence du Tribunal fédéral en matière de droit public en 2010, RDAF 2011 I S. 322).
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3.5. Für die Regierungsratswahlen im Kanton Bern sind zwei Wahlgänge vorgesehen, wobei sich der erste vom zweiten dadurch unterscheidet, dass für die Wahl eines Kandidaten nicht nur die höchste Stimmenzahl genügt, sondern das absolute Mehr erreicht werden muss (Art. 85 Abs. 3 lit. a KV/BE). Der Kandidat soll mithin eine qualifizierte Anzahl der Wählerwillensäusserungen auf sich vereinigen, um gewählt zu werden. Diejenigen Bewerber, die im ersten Wahlgang an dieser Hürde scheitern, können an der Stichwahl im zweiten Durchgang teilnehmen, bei der das relative Mehr für die Wahl ausschlaggebend ist (Art. 85 Abs. 3 lit. b KV/BE). Insofern verfolgen die beiden Wahlgänge unterschiedliche Ziele: Während im ersten Wahlgang nur als gewählt gilt, wer einen qualifizierten Teil der Willenskundgebungen der Wählerinnen und Wähler auf sich zu vereinigen vermag, begünstigt der zweite Wahlgang die vollständige Besetzung der Kollegialbehörde, da für die Wahl der Kandidaten ausreicht, wenn sie mehr Stimmen erhalten als ihre Mitbewerber (vgl. KÖLZ, a.a.O, S. 57).
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Die im Schrifttum geäusserte Kritik hat dann ihre Berechtigung, wenn der einzelne Wähler weniger wählbaren Kandidaten sein Vertrauen aussprechen will, als Sitze im Regierungsrat zu besetzen sind, und er sich mit den leer gelassenen Linien gegen die Wahl von allen anderen Bewerbern aussprechen möchte. Diesem Wählerwillen wird die erste, vom Beschwerdeführer favorisierte Berechnungsweise eher gerecht, da sie die leeren Stimmen bei der Ermittlung des absoluten Mehrs miteinbezieht. Konsequenterweise müssten aber auch die vollständig leer eingelegten Wahlzettel berücksichtigt werden, drückt der Stimmbürger auf diese Weise doch aus, an der Wahl teilnehmen zu wollen, ohne aber mit der Kandidatenauswahl einverstanden zu sein. Im Gegensatz zur Lehre will der Beschwerdeführer diese Willenskundgabe in seiner auf der Hälfte der gültig abgegebenen Wahlzettel basierenden Berechnung des absoluten Mehrs jedoch ausser Acht lassen, was inkonsequent ist.
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Allerdings bringt auch die erste Berechnungsart den Wählerwillen nicht in jeder Situation angemessen zum Ausdruck. Sie versagt dann, wenn der einzelne Wähler zwar weniger Kandidaten auflistet, als Sitze zu vergeben sind, dies aber nicht als Votum gegen die anderen Bewerber versteht, sondern die Entscheidung der restlichen Wählerschaft überlassen will. Diesem Ausdruck des Wählerwillens trägt die zweite Berechnungsweise Rechnung. Sie basiert auf der Annahme, dass die Wähler mit ihrer Stimmabgabe das Ziel verfolgen, vakante Regierungsratssitze nach Möglichkeit zu besetzen (BGE 108 Ia 243 E. 3e S. 247). Dagegen liegt der ersten Berechnungsmethode das Bild eines Wählers zugrunde, dessen Ziel es ist, im ersten Durchgang die Wahl von ihm nicht genehmen Kandidaten zu verhindern und einen endgültigen Entscheid auf den zweiten Wahlgang zu verschieben, bei dem das relative Mehr ausschlaggebend ist. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass im Kanton Bern ein Wahlanmeldeverfahren gilt (Art. 96 ff. PRG/BE; Urteil 1C_217/2008 vom 3. Dezember 2008 E. 2.1), weshalb grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Bewerber, die für die Besetzung der vakanten Regierungsratssitze in Frage kommen, in der Regel bereits vor dem ersten Wahlgang feststehen. Wenn mit der Einlegung leerer Stimmen die Nichtwahl aller nicht aufgeführten Kandidaten erreicht werden soll, muss sich der Wähler daher vorhalten lassen, mit seiner Stimmabgabe den eigentlichen Zweck der Wahl zu vereiteln. Wie das Bundesgericht bereits in BGE 108 Ia 243 erklärte, verdient ein solches Gebaren keinen Schutz (E. 3e S. 247). Denn eine staatliche Kollegialbehörde muss aus dem Kreis der zur Verfügung stehenden Kandidaten vollständig besetzt werden, wobei ein legitimes Interesse daran besteht, dass möglichst rasch Klarheit über die neue Zusammensetzung besteht. Für Stimmbürger, welche die Wahl einzelner, nicht genehmer Bewerber verhindern wollen, bietet die zweite Berechnungsart durch die Vornahme einer wertenden Auswahl grundsätzlich genügend strategische Handlungsspielräume, um deren Wahlchancen zu mindern.
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Dem Beschwerdeführer ist zwar insoweit zuzustimmen, als bei der zweiten Berechnungsart - wie der vorliegende Fall aufzeigt - ein oder mehrere Kandidaten im ersten Wahlgang das absolute Mehr erreichen können, die nicht von der Mehrheit der Wählenden unterstützt werden (vgl. LUTZ/STROHMANN, Wahl- und Abstimmungsrecht in den Kantonen, 1998, S. 36 f. und S. 163 f.). Dies ist darauf zurückzuführen, dass bei dieser Methode nicht die gültigen Wahlzettel, sondern die gültigen Kandidatenstimmen als Grundlage für die Berechnung des absoluten Mehrs dienen, wobei die leer gelassenen Linien nicht miteinbezogen werden. Soweit er aber anhand eines Rechenbeispiels darzutun versucht, dass sich bei dieser Berechnungsmethode eine ihre Wahlzettel vollständig ausfüllende Mehrheit von Wählern gegenüber einer ihre Wahlzettel nur teilweise ausfüllenden Minderheit benachteiligt sähe, kann ihm nicht gefolgt werden. Diese Argumentation steht im Widerspruch zu den übrigen von ihm vorgebrachten Einwänden und beruht auf einem völlig unwahrscheinlichen Verhalten von zwei Wählergruppen. Ausserdem erscheint zweifelhaft, dass sich die zweite Berechnungsmethode - wie der Beschwerdeführer vorbringt - zuungunsten der Wählerschaft von Kandidaten kleinerer Parteien auswirkt. Immerhin befindet sich diese in der gleichen Situation wie die Wählerschaft von grossen Parteien, die keine oder weniger Anwärter für den Regierungsrat stellen, als Sitze zu vergeben sind. Vor allem aber sind die Regeln des Berner Mehrheitswahlverfahrens von Anfang an klar, so dass sich Minderheitsgruppierungen bereits vor dem ersten Wahlgang auf eine für sie günstige Strategie verständigen können.
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3.6. Zusammenfassend ergibt sich, dass die Stimmbürger ihren Wahlzettel aus unterschiedlichen Motiven nicht vollständig ausfüllen können. Aus ihrem Wahlverhalten kann somit kein zwingendes, logisches System für die Berechnung des absoluten Mehrs abgeleitet werden, wie der Beschwerdeführer dies behauptet. Die beiden hier thematisierten Methoden vermögen den Willen jedes einzelnen Wählers zwar nicht in allen Situationen ideal abzubilden. Daraus aber zu schliessen, die Berner Berechnungsart verletze die Abstimmungsfreiheit und verstosse gegen den Grundsatz der freien und unverfälschten Willenskundgabe, geht fehl. Vielmehr ist sie genauso geeignet wie andere Methoden, dem Willen der Wählerschaft Rechnung zu tragen. Demnach erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist abzuweisen.
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4. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner steht praxisgemäss keine Entschädigung zu.
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kanton Bern und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. August 2016
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Fonjallaz
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Die Gerichtsschreiberin: Pedretti
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