BGer 5A_545/2016
 
BGer 5A_545/2016 vom 23.12.2016
{T 0/2}
5A_545/2016
 
Urteil vom 23. Dezember 2016
 
II. zivilrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Marazzi, Herrmann,
Gerichtsschreiber Levante.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick Stach,
Beschwerdeführerin,
gegen
Betreibungsamt U.________.
Gegenstand
Ausstand; Beschwerdefrist,
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 4. Juli 2016 (ABS 16 100).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Am 25. November 2013 stellte A.________ beim Obergericht des Kantons Bern als Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen ein Ausstandsgesuch gegen alle Mitarbeiter des Betreibungsamtes U.________. Anlass hiezu bildete das gegen die Gesuchstellerin hängige Betreibungsverfahren Nr. xxx. Das Obergericht wies das Begehren von A.________ am 10. Dezember 2013 ab, soweit darauf einzutreten war (Verfahren AB 13 404).
A.b. Dieser Entscheid wurde A.________ mit Gerichtsurkunde vom 11. Dezember 2013 zugestellt, welche ihr am 12. Dezember 2013 zur Abholung auf der Post gemeldet wurde. Da der Entscheid innert der 7-tägigen Frist nicht abgeholt worden war, sandte ihn die Post mit dem Vermerk "nicht abgeholt" an das Obergericht zurück. Mit Schreiben vom 3. Januar 2014 liess das Obergericht seinen Entscheid mit gewöhnlicher Post an A.________ zugehen. Dabei wurde der Adressatin mitgeteilt, dass Postsendungen, die zur Abholung angemeldet und innert sieben Tagen nicht abgeholt werden, am letzten Tag der Abholfrist als zugestellt gelten.
 
B.
B.a. Der am 6. Dezember 2015 von A.________ bestellte Rechtsvertreter gelangte am 7. Dezember 2015 an das Obergericht und verlangte Akteneinsicht (im Verfahren AB 13 404), welche ihm gewährt wurde.
B.b. Mit einer als "Beschwerdeergänzung" bezeichneten Eingabe gelangte die nun anwaltlich vertretene A.________ am 8. März 2016 an das Obergericht. Sie verlangte die Feststellung, dass B.________, C.________, D.________ und E.________ vom Betreibungsamt U.________ befangen seien. Deren Handlungen in den gegen sie laufenden Pfändungsverfahren Gruppe Nr. yyy sowie Nr. xxx seien als nichtig zu erachten. A.________ stellte sich auf den Standpunkt, dass das Verfahren nach wie vor hängig sei, da ihr der Entscheid des Obergerichts vom 10. Dezember 2013 bisher nicht eröffnet worden sei.
B.c. Die Aufsichtsbehörde trat mit Entscheid vom 4. Juli 2016 auf die Eingabe von A.________ vom 8. März 2016 samt dem Gesuch um unentgeltliche Rechtpflege nicht ein.
C. A.________ ist mit Beschwerde in Zivilsachen vom 18. Juli 2016 an das Bundesgericht gelangt. Die Beschwerdeführerin beantragt die vollständige Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und die Anweisung an die Vorinstanz, ein rechtsgenügliches Urteil zu fällen. Weiter stellt sie ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung.
Das Obergericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das Betreibungsamt hat sich nicht vernehmen lassen.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Angefochten ist ein Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde in einer Schuldbetreibungssache, gegen welchen die Beschwerde in Zivilsachen offen steht (Art. 72 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 19 SchKG, Art. 75 Abs. 1 BGG). Da auch die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist - unter Vorbehalt zulässiger und hinlänglich begründeter Rügen - auf die Beschwerde einzutreten.
1.2. Mit vorliegender Beschwerde kann u.a. die Rüge der Verletzung von Bundesrecht erhoben werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden, als erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).
2. Anlass des vorliegenden Verfahrens bildet die Eingabe der Beschwerdeführerin, welche im Nachgang an die Beurteilung eines Ausstandsgesuchs durch die kantonale Aufsichtsbehörde erfolgt ist, und erneut die Ausstandspflicht von Betreibungsbeamten zum Gegenstand hat.
2.1. Nach Ansicht der Vorinstanz ist das bei ihr anhängig gemachte Verfahren mit der Ausfällung des Entscheides in der Sache am 10. Dezember 2013 abgeschlossen worden. Es stehe ihr als urteilende Instanz nicht zu, auf diesen Entscheid zurückzukommen und ihn für nichtig zu erklären. Die Eingabe der Beschwerdeführerin vom 8. März 2016 könne daher nicht mehr berücksichtigt werden.
2.2. Die Beschwerdeführerin besteht darauf, dass das von ihr mit Ausstandsgesuch vom 25. November 2013 eingeleitete Verfahren vor der Aufsichtsbehörde noch hängig ist. Sie begründet ihren Standpunkt mit dem Hinweis, dass sie infolge unverschuldeter Landesabwesenheit den Entscheid vom 10. Dezember 2013 nicht entgegennehmen konnte. Demzufolge hätte die Aufsichtsbehörde das Verfahren fortführen und ihr am 8. März 2016 ergänztes Ausstandsgesuch noch berücksichtigen müssen. Zudem sei der Entscheid vom 10. Dezember 2013 nichtig zu erklären.
2.3. Die Aufsichtsbehörde hat ihren Beschwerdeentscheid zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und den Parteien, dem betroffenen Amt und allfälligen weiteren Beteiligten schriftlich zu eröffnen (Art. 20a Abs. 2 Ziff. 4 SchKG). Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung (Art. 34 Abs. 1 SchKG). Die erwähnten Zustellungsformen finden sich in einer blossen Ordnungsvorschrift, deren Zweck ausschliesslich in der Beweissicherung liegt (BGE 121 III 11 E. 1 S. 12; ERARD, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 2 zu Art. 34). Die Beweislast dafür, dass der Zugang erfolgt ist, obliegt in jedem Fall der zustellenden Behörde. Der Beweis lässt sich auch auf indirekte Weise führen, so wenn der Adressat beispielsweise auf den Entscheid antwortet oder später konkret darauf Bezug nimmt (MÖCKLI, in: Kurzkommentar SchKG, 2. Aufl. 2014, N. 4 zu Art. 34).
2.4. Stellt die Aufsichtsbehörde ihren Entscheid durch eingeschriebene Postsendung zu und wird diese nicht abgeholt, so gilt die Zustellung am siebten Tag nach dem erfolglosen Zustellungsversuch als erfolgt, sofern der Adressat mit einer Zustellung rechnen musste. Diese Zustellfiktion setzt nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Begründung eines Verfahrensverhältnisses voraus, welches die Parteien verpflichtet, sich nach Treu und Glauben zu verhalten, d.h. unter anderem dafür zu sorgen, dass ihnen behördliche Entscheide zugestellt werden können (BGE 138 III 225 E. 3.1 S. 227; 134 V 49 E. 4 S. 52; 130 III 396 E. 1.2.3 S. 399 f.; KREN KOSTKIEWICZ, Kommentar SchKG, 19. Aufl. 2016, N. 6, 7 zu Art. 34). So sind die Parteien gehalten, bei einer längeren Abwesenheit von der angegebenen Adresse sich derart zu organisieren, dass Postsendungen an den neuen Ort weitergeleitet werden oder den Behörden mitzuteilen, unter welcher Adresse sie nunmehr erreichbar sind. Andernfalls gilt die Postsendung als an die letzte bekannte Adresse zugestellt (BGE 97 III 7 E. 1 S. 10).
2.5. Im vorliegenden Fall wies die Aufsichtsbehörde am 10. Dezember 2013 das Ausstandsgesuch gegen die Mitarbeiter des Betreibungsamtes ab, soweit sie darauf eintrat. Es steht fest, dass dieser Entscheid der Beschwerdeführerin mit Gerichtsurkunde vom nachfolgenden Tag zugestellt worden war und die Abholungseinladung am 12. Dezember 2013 erfolgte. Da der avisierte Entscheid innert der 7-tägigen Frist nicht abgeholt worden war, wurde er am 20. Dezember 2013 an die Aufsichtsbehörde retourniert. Mit Schreiben vom 3. Januar 2014 teilte die Aufsichtsbehörde der Beschwerdeführerin den Entscheid mit gewöhnlicher Post mit. Ob der Entscheid von dieser zu einem späteren Zeitpunkt zur Kenntnis genommen worden war, lässt sich nicht mehr feststellen. Den Ausführungen der Beschwerdeführerin zufolge war sie nämlich am 2. Dezember 2013 Opfer einer Entführung in die Dominikanische Republik geworden. Sie habe sich erst nach mehreren Monaten befreien können und sei durch die Vermittlung der Schweizer Botschaft am 20. September 2014 in die Heimat zurückgekehrt. Wie es sich damit verhält und ob gegebenenfalls die Zustellfiktion gleichwohl zum Tragen käme, ist im vorliegenden Fall nicht zu beurteilen. Ebenso kann offen gelassen werden, ob sich die Beschwerdeführerin nach ihrer Rückkehr in die Schweiz bei der kantonalen Aufsichtsbehörde hätte melden müssen, sofern sie der Ansicht war, daselbst noch ein Verfahren hängig zu haben. Entscheidend ist einzig, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin am 7. Dezember 2015 bei der Aufsichtsbehörde um Akteneinsicht ersucht hatte, welche ihm umgehend gewährt worden war. Bei dieser Gelegenheit erhielt er Kenntnis davon, dass das Ausstandsbegehren der Beschwerdeführerin bereits am 10. Dezember 2013 abgelehnt worden war, soweit darauf einzutreten war. Spätestens dieser Vorgang kommt einer Zustellung des Entscheides gleich und löst damit die Frist für eine Anfechtung mit Beschwerde an das Bundesgericht aus (Art. 100 Abs. 2 lit. a BGG). Zwar lässt sich das genaue Datum anhand der kantonalen Akten nicht mehr feststellen. Indes ist davon auszugehen, dass die Kenntnisnahme des strittigen Entscheides bereits einige Zeit vor der "Beschwerdeergänzung" vom 8. März 2016 erfolgt war. In jenem Moment hätte die Beschwerdeführerin den Entscheid vom 10. Dezember 2013 mit Beschwerde in Zivilsachen anfechten können. Da sie diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hat, kann die Abweisung des Ausstandsgesuchs vom Bundesgericht nicht mehr überprüft werden. Vor diesem Hintergrund ist der nunmehr angefochtene Entscheid der Vorinstanz im Ergebnis nicht zu beanstanden. Weder war die Aufsichtsbehörde verpflichtet, das abgeschlossene Verfahren (AB 13 404) wieder aufzunehmen, noch bestand für sie ein Anlass, den seinerzeitigen Entscheid nichtig zu erklären.
3. Die Beschwerdeführerin beantragt vor Bundesgericht, den vorinstanzlichen Entscheid vollumfänglich aufzuheben. Eine Begründung, weshalb auf ihr Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege im kantonalen Verfahren hätte eingetreten werden müssen, geht aus ihrer Beschwerde jedoch nicht hervor. Insoweit kann auf ihr Begehren nicht eingetreten werden.
4. Nach dem Gesagten ist der Beschwerde insgesamt kein Erfolg beschieden. Infolge Aussichtslosigkeit des Begehrens kann das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht gutgeheissen werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Ausgangsgemäss trägt die Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Dezember 2016
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Escher
Der Gerichtsschreiber: Levante