BGer 8C_70/2017
 
BGer 8C_70/2017 vom 27.03.2017
8C_70/2017   {T 0/2}
 
Urteil vom 27. März 2017
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Frésard,
Bundesrichterin Heine,
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Barbara Wyler,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung (Invalidenrente),
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 15. Dezember 2016.
 
Sachverhalt:
A. A.________, geboren 1973, war für die Firma B.________, Sanitär- und Sprinkleranlage, tätig und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) für die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten versichert. Am 1. Juli 2008 stürzte er während der Arbeit von einer Leiter und zog sich dabei an beiden Füssen verschiedene Frakturen zu. Die Ärzte der Klinik C.________ erachteten die angestammte Tätigkeit als nicht mehr zumutbar. Eine leichte bis mittelschwere Arbeit sei ganztags möglich (Austrittsbericht vom 20. Juli 2012). Nach der ärztlichen Abschlussuntersuchung vom 12. März 2015 schloss die Suva den Fall ab und kündigte an, ihre Taggeldleistungen am 30. April 2015 einzustellen. Mit Verfügung vom 10. Juli 2015 und Einspracheentscheid vom 5. Oktober 2015 sprach sie A.________ eine Invalidenrente ab dem 1. Mai 2015 bei einer Erwerbsunfähigkeit von 20 Prozent sowie eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 50 Prozent zu.
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 15. Dezember 2016 ab.
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und es seien weitere tatsächliche und medizinische Abklärungen vorzunehmen, eventualiter sei ihm eine Invalidenrente von 67 Prozent auszurichten.
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten eingeholt und auf einen Schriftenwechsel verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).
2. Das kantonale Gericht hat die für die Leistungspflicht des Unfallversicherers massgeblichen Bestimmungen und Grundsätze zutreffend dargelegt. Es wird darauf verwiesen.
 
3.
3.1. Die Vorinstanz hat zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit mit der Suva auf deren Bericht über die ärztliche Abschlussuntersuchung vom 12. März 2015 und das dort ausgeführte Zumutbarkeitsprofil abgestellt. Nach Einschätzung des Kreisarztes Dr. med. D.________, Chirurgie FMH, seien wechselbelastende Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, ohne das Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne das Gehen oder Tragen von Lasten auf unebenem Gelände, ohne repetitives Treppengehen, ohne das Tragen von Lasten über fünf Kilogramm auf ebenem Gelände über Strecken von mehr als dreissig Metern und ohne hockende, kniende und kauernde Arbeiten zu 100 Prozent zumutbar. Der Beschwerdeführer beruft sich demgegenüber auf die Stellungnahme seines behandelnden Arztes Dr. med. E.________ vom 10. September 2015, wonach wegen der starken Schmerzsymptomatik die Verabreichung von Opioiden und Opiaten notwendig sei. Eine andere analgetische Behandlung sei nicht suffizient. Unter dieser Schmerztherapie seien Nebenwirkungen wie Benommenheit, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen nicht zu vermeiden. Aus diesem Grund sei selbst in einer adaptierten Tätigkeit eine Arbeitsfähigkeit von höchstens 50 Prozent realistisch. Der Beschwerdeführer rügt, dass das kantonale Gericht dazu weitere Abklärungen hätte tätigen müssen. Die Vorinstanz hat erwogen, dass Dr. med. E.________ weder die erhobenen Befunde darlege noch eine nachvollziehbar begründete und durch Befunde untermauerte medizinisch-theoretische Beurteilung der Arbeitsfähigkeit erstatte.
3.2. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde berücksichtigte der Suva-Kreisarzt in seinem Abschlussbericht die verwendeten Durogesic-Pflaster. Der Beschwerdeführer beklagte sich damals jedoch nicht über Tagesmüdigkeit, Benommenheit, Schwindel oder Konzentrationsstörungen, er gab lediglich Schlafstörungen an. Letzt-instanzlich wird geltend gemacht, es müsse anhand einer Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit (EFL) überprüft werden, ob die attestierte Arbeitsfähigkeit trotz der starken Schmerzmittel realisierbar sei. Soweit es sich dabei nicht ohnehin um ein unzulässiges neues Vorbringen handelt (Art. 99 Abs. 1 BGG), ist darauf hinzuweisen, dass die beantragte EFL keine andere Einschätzung zu begründen vermöchte.
Es ist Aufgabe des Arztes und der Ärztin, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Die ärztlichen Auskünfte sind eine wichtige Grundlage für die Beurteilung der Frage, welche Arbeitsleistungen der Person noch zugemutet werden können (BGE 140 V 193 E. 3.2 S. 195 f.; 132 V 93 E. 4 S. 99; 105 V 156 E. 1 i.f. S. 158 f.). In diesem Rahmen vermag eine vom Arzt befürwortete beziehungsweise veranlasste EFL allenfalls konkretisierend aufzuzeigen, dass und welche (auf Erkrankungen des Bewegungsapparates zurückzuführende) Leistungseinschränkungen im Einzelnen bestehen (SVR 2009 IV Nr. 26 S. 73, 8C_547/2008  E. 4.2; Urteil 8C_711/2016 vom 15. Dezember 2016 E. 3.5). Indessen bedarf es wiederum der ärztlichen Stellungnahme zu den dort gezeigten Leistungen (beziehungsweise Einschränkungen), und es bleibt Aufgabe des Arztes, zur Arbeitsfähigkeit Stellung zu nehmen.
Das kantonale Gericht hat die medizinischen Akten eingehend dargelegt. Es geht daraus hervor, dass der Beschwerdeführer im Spital F.________ untersucht und danach im Spital G.________ betreut wurde. Es erfolgten Aufenthalte in der Klinik C._______ und Hospitalisationen in der Klinik H.________. Der Hausarzt Dr. med. E.________ berichtete am 13. Mai 2014, dass er den Beschwerdeführer letztmals am 29. April 2013 gesehen und gelegentlich Durogesic rezeptiert habe. Es erfolgten kreisärztliche Untersuchungen am 26. Oktober 2009, am 15. Oktober 2010 und am 12. März 2015. In seinem Bericht über die Abschlussuntersuchung nahm Kreisarzt Dr. med. D.________ Stellung zur Arbeitsfähigkeit und beschrieb ausführlich, welche Tätigkeiten dem Beschwerdeführer noch zumutbar seien. Darauf hat das kantonale Gericht abgestellt. Es erachtete den Bericht vom 12. März 2015 für die Beantwortung der gestellten Frage nach der Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit als umfassend. Der Kreisarzt habe ausdrücklich Stellung genommen zu den Einschränkungen des Beschwerdeführers mit Rücksicht auf die beim Unfall erlittenen Verletzungen. Das von ihm erläuterte Zumutbarkeitsprofil stimme überein mit den bei der früheren kreisärztlichen Untersuchung durch Dr. med. I.________ sowie den von den Ärzten der Klinik C.________ beschriebenen Einschränkungen. Der Bericht des Hausarztes mit Bescheinigung einer lediglich 50-prozentigen Arbeitsfähigkeit wegen der Nebenwirkungen der eingenommenen Schmerzmittel vermochte nach der vorinstanzlichen Beurteilung keine auch nur geringen Zweifel an der versicherungsinternen Einschätzung zu begründen (BGE 139 V 225E. 5.2 S. 229; 135 V 465 E. 4.4 S. 469 f.; 125 V 351 E. 3a und b  [insb. cc und ee] S. 352 ff.). Bei diesem Ergebnis hat das kantonale Gericht auf weitere Abklärungen zulässigerweise verzichtet (antizipierte Beweiswürdigung: SVR 2010 UV Nr. 3 S. 11, 8C_283/2009  E. 2.2.2; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27, I 362/99 E. 4b; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin geltende Rechtsprechung: BGE 124 V 90  E. 4b S. 94; 122 V 157 E. 1d S. 162). Es bestanden nach den medizinischen Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ärzte die Arbeitsfähigkeit nur anhand einer EFL hätten beurteilen können. Sie wäre deshalb nicht geeignet gewesen, die Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen der versicherungsinternen Fachpersonen in Zweifel zu ziehen. Mit dem kantonalen Gericht ist gestützt auf die kreisärztlichen Angaben von einer vollen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit auszugehen.
4. Das kantonale Gericht hat geprüft, ob die Suva für die geklagten Nebenwirkungen des verabreichten Schmerzmittels nach den Grundsätzen von BGE 115 V 133 (E. 6 und 7 S. 138 ff.) für allfällige psychische Unfallfolgen haftet. Nach den Grundsätzen der Rechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen hat das Bundesgericht etwa einen Tinnitus beurteilt. Er liess sich keiner organisch objektiv ausgewiesenen Unfallfolge zuordnen. Der adäquate Kausalzusammenhang zum Unfall konnte daher nicht ohne besondere Prüfung bejaht werden. Auch mangelte es an einer Verletzung, welche die Anwendung der Schleudertrauma-Praxis hätte rechtfertigen können (Urteil 8C_498/2011 vom 3. Mai 2012 E. 6, nicht publ. in: BGE 138 V 248, aber in: SVR 2012 UV Nr. 27 S. 96).
Im vorliegenden Fall wird eine Arbeitsunfähigkeit wegen Beschwerden geltend gemacht, die durch ein Schmerzmedikament verursacht werden. Ob sich damit eine Haftung der Suva nach den Grundsätzen zu den psychischen Unfallfolgen - bei gegebenen Adäquanzvoraussetzungen - überhaupt begründen liesse, kann hier offen bleiben, da keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit durch die Medikamenteneinnahme ausgewiesen ist.
5. Zu prüfen bleiben die erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung. Der Beschwerdeführer beantragt die Gewährung eines 25-prozentigen Abzuges vom Tabellenlohn auf der Seite des Invalideneinkommens anstelle der von der Suva und vom kantonalen Gericht gewährten 15 Prozent.
Mit einer solchen Reduktion soll nach BGE 126 V 75 der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und die versicherte Person die verbliebene Arbeitsfähigkeit deswegen je nach Ausprägung auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301; 129 V 472 E. 4.2.3 S. 481; 126 V 75 E. 5 S. 78 ff.). Der Abzug ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen. Er darf 25 Prozent nicht übersteigen (BGE 126 V 75 E. 5b/bb-cc S. 80). Die Frage nach der Höhe des Abzuges ist eine typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur mehr dort zugänglich ist, wo das Gericht das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f. mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399; SVR 2015 IV Nr. 22 S. 65, 8C_693/2014 E. 2.2).
Das kantonale Gericht hat erwogen, dass dem Beschwerdeführer die Ausübung einer behinderungsangepassten Tätigkeit vollzeitlich zuzumuten sei und dass die erwähnten Einschränkungen (oben E. 3) bei den üblichen einfachen und repetitiven Arbeiten kaum ins Gewicht fielen, zumal ihm vor allem sitzende Tätigkeiten möglich seien. Lohnmindernd wirke sich einzig aus, dass er keine Schwerarbeit mehr leisten könne. Dem werde mit einem Abzug von 15 Prozent genügend Rechnung getragen. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die Nebenwirkungen der Schmerzmedikation. Wie dargelegt kann jedoch auf die Bescheinigung seines Hausarztes nicht abgestellt werden und sind durch die Schmerzmittel bedingte zeitliche Einschränkungen nicht ausgewiesen. Die geltend gemachte Beeinträchtigung bleibt daher auch beim leidensbedingten Abzug unberücksichtigt. Im Übrigen werden die vorinstanzlichen Feststellungen zu den erwerblichen Auswirkungen nicht beanstandet und geben keinen Anlass zu Weiterungen. Der Invaliditätsgrad beträgt gestützt darauf 20 Prozent.
6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 27. März 2017
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo