BGer 8C_863/2017
 
BGer 8C_863/2017 vom 23.04.2018
 
8C_863/2017
 
Urteil vom 23. April 2018
 
I. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Maillard, Präsident,
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione.
Gerichtsschreiberin Kopp Käch.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Stäuble Dietrich,
Beschwerdeführer,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Unfallversicherung,
Beschwerde gegen die Verfügung des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 9. November 2017 (VSBES.2017.60).
 
Sachverhalt:
A. Mit Verfügungen vom 15. Februar und 25. April 2016, bestätigt durch den Einspracheentscheid vom 23. Januar 2017, sprach die Suva dem 1968 geborenen A.________ für die Folgen eines 1993 erlittenen Unfalls ab 1. Februar 2016 eine Übergangsrente und ab 1. Mai 2016 eine Invalidenrente basierend auf einem Invaliditätsgrad von 24% zu.
B. Dagegen erhob A.________ Beschwerde beim Versicherungsgericht des Kantons Solothurn. Dieses teilte mit Verfügung vom 9. Oktober 2017 mit, zur Beurteilung des Anspruchs auf Leistungen der Suva werde ein gerichtliches Gutachten eingeholt. Es sei vorgesehen, mit der polydisziplinären Begutachtung die PMEDA Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen (nachfolgend: PMEDA), Zürich, sowie die Gutachterpersonen Dr. med. B.________, Orthopädische Chirurgie FMH, Dr. med. C.________, Neurologie FMH, und Dr. med. D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, zu beauftragen. Das kantonale Gericht listete die vorgesehenen Fragen an die Gutachterstelle auf und gewährte das rechtliche Gehör. Mit Eingabe vom 30. Oktober 2017 liess A.________ mitteilen, dass er die PMEDA sowie die Gutachterpersonen aus verschiedenen Gründen ablehne. Er schlug vor, die Begutachtung entweder durch die MEDAS Zentralschweiz oder die Reha-Clinic Zurzach durchführen zu lassen. Das Versicherungsgericht wies die Ausstands- und Ablehnungsbegehren mit Verfügung vom 9. November 2017 ab und setzte die PMEDA sowie die vorgesehenen Ärzte als Gutachter (stelle) ein.
C. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, die Verfügung vom 9. November 2017 sei insoweit aufzuheben, als die geltend gemachten Ausstands- und Ablehnungsbegehren abgewiesen und die PMEDA sowie die vorgesehenen Ärzte als Gutachter (stelle) eingesetzt werden. Als Gutachterstelle sei die MEDAS Zentralschweiz oder die Reha-Clinic Zurzach einzusetzen; eventualiter sei die Sache zur Bestimmung von neuen, einvernehmlich festgelegten Gutachtern an die Vorinstanz zurückzuweisen. A.________ lässt ferner um Gewährung der aufschiebenden Wirkung ersuchen.
Das Versicherungsgericht beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Die Suva weist darauf hin, dass sich aus der Beschwerde nichts ergebe, was die Richtigkeit der angefochtenen Verfügung in Frage stellen würde; sie hätte jedoch nichts dagegen einzuwenden, wenn anstelle der PMEDA die MEDAS mit der Begutachtung beauftragt würde. Gegen die Erteilung der aufschiebenden Wirkung opponiert sie nicht. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
D. Mit Verfügung vom 20. Februar 2018 hat der Abteilungspräsident der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
 
Erwägungen:
1. Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 139 V 42 E. 1 S. 44 mit Hinweisen).
2. Das Versicherungsgericht hat mit Verfügung vom 9. November 2017 eine polydisziplinäre Begutachtung durch drei Fachärzte der PMEDA angeordnet und die Ausstands-/Ablehnungsbegehren des Versicherten gegen die vorgesehenen Gutachter abgewiesen. Dabei handelt es sich um einen das Verfahren nicht abschliessenden Zwischenentscheid.
2.1. Beschwerden an das Bundesgericht gegen selbstständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide sind nur zulässig, wenn sie die Zuständigkeit oder den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG). Ist die Beschwerde nicht zulässig oder wurde von ihr kein Gebrauch gemacht, bleibt ein Zwischenentscheid im Rahmen einer Beschwerde gegen den Endentscheid anfechtbar, sofern er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 140 V 282 E. 2 S. 283 mit Hinweisen).
2.2. Gestützt auf Art. 92 BGG ist die Beschwerde möglich, wenn der angefochtene Zwischenentscheid den formellen Ausstand einer sachverständigen Person betrifft. Nicht auf einen personenbezogenen Ablehnungsgrund zielen Einwendungen gegen Gutachterpersonen, die sich nicht aus den konkreten Verhältnissen des Einzelfalls ergeben. Sie führen nicht zur bundesgerichtlichen Befassung mit einem Zwischenentscheid über die Gutachtensanordnung (vgl. BGE 138 V 271 E. 2.2.2 S. 277; Urteil 8C_106/2017 vom 12. April 2017 E. 1).
3. Soweit der Beschwerdeführer vor Bundesgericht erneut den Anschein der Befangenheit des medizinischen und fachlichen Leiters der PMEDA, Prof. Dr. med. E.________, sowie die fehlende fachliche Qualifikation der eingesetzten Gutachter Dres. med. C.________ und D.________ rügt, beschränkt er sich im Wesentlichen auf eine Wiederholung der vorinstanzlich vorgetragenen Einwendungen und setzt sich mit den diesbezüglichen Erwägungen der angefochtenen Verfügung nicht substanziiert auseinander. Namentlich hat das Bundesgericht, worauf das kantonale Gericht zu Recht verweist, bereits mehrfach entschieden, der Umstand, dass Prof. Dr. med. E.________ seine persönliche Meinung zur Vermeidbarkeit von ungerechtfertigten Versicherungsleistungen öffentlich bekannt mache oder im Rahmen einer Publikation eine von der Rechtsprechung abweichende Meinung vertrete, lasse für sich allein noch nicht auf Voreingenommenheit in einem konkret zu beurteilenden Fall schliessen (Urteile 8C_106/2017 vom 12. April 2017 E. 3.3.1, 9C_19/2017 vom 30. März 2017 E. 5.2 und 8C_548/2016 vom 4. Januar 2017 E. 4.2). Prof. Dr. med. E.________ ist vorliegend denn auch gar nicht als Gutachter eingesetzt worden. Gegen die mit der Begutachtung beauftragten Dres. med. C.________ und D.________ sodann wird erneut lediglich geltend gemacht, es handle sich um deutsche Ärzte, welche nicht in der Schweiz praktizierten und welchen als "fliegenden Gutachtern" die Normen des UVG sowie die schweizerische Rechtslage und Gerichtspraxis dazu nicht im erforderlichen Masse bekannt seien. Auch diesbezüglich hat das Bundesgericht bereits mehrfach entschieden, es handle sich dabei nicht um einen formellen Ausstandsgrund, sondern um materielle Einwendungen, welche gegebenenfalls zusammen mit dem Endentscheid zu prüfen seien (vgl. Urteile 8C_106/2017 vom 12. April 2017 E. 3.2 und 8C_216/2015 vom 12. Mai 2015). Werden zusammenfassend keine Ausstandsgründe angerufen, ist die Eintretensvoraussetzung gemäss Art. 92 BGG nicht erfüllt.
4. Nicht gegeben sind sodann auch die Eintretensvoraussetzungen des Art. 93 Abs. 1 BGG:
 
4.1.
4.1.1. Ein Entscheid, mit dem eine zusätzliche Sachverhaltsabklärung angeordnet wird, bewirkt praxisgemäss in der Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; er führt regelmässig lediglich zu einer (dieses Kriterium nicht erfüllenden) Verlängerung des Verfahrens. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung selbst dann, wenn die vorinstanzliche Feststellung, der rechtserhebliche Sachverhalt sei ungenügend abgeklärt, offensichtlich unrichtig wäre oder auf einer qualifiziert unrichtigen oder sogar willkürlichen Beweiswürdigung beruhte. Auch eine solche Rechtsverletzung (Art. 95 lit. a und Art. 97 Abs. 1 BGG) vermöchte dem Nachteil an sich unnötiger Abklärungen nicht rechtlichen Charakter zu geben (statt vieler: Urteil 8C_321/2014 vom 19. September 2014, wo ebenfalls auf eine Beschwerde gegen die Anordnung eines Gerichtsgutachtens nicht eingetreten wurde, E. 4; Urteile 8C_503/2014 vom 25. Juli 2014 E. 2.2 und 8C_219/2014 vom 25. März 2014 E. 2.2, je mit Hinweisen).
4.1.2. Der Beschwerdeführer macht bezüglich der Eintretensvoraussetzung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils unter Berufung auf BGE 137 V 210, 138 V 271 und 138 V 318 die Notwendigkeit der gerichtlichen Überprüfbarkeit der Einholung eines Gutachtens geltend. Dabei übersieht er, dass das gesteigerte Bedürfnis nach gerichtlichem Rechtsschutz gemäss Rechtsprechung bezüglich Anfechtbarkeit der Anordnung eines Administrativgutachtens bejaht wurde, weil dort die bei der Beweiseinholung durch ein Gericht vorgesehenen Garantien zugunsten der privaten Partei nicht zum Tragen kommen (BGE 138 V 271 E. 1.2.2 S. 276; 137 V 210 E. 3.4.2.7 S. 256). Dieses gesteigerte Bedürfnis nach gerichtlicher Überprüfbarkeit zwecks Durchsetzung der Mitwirkungsrechte ist folglich zu verneinen, wenn ein Gericht selber ein Gutachten anordnet. Das gilt umso mehr, als bei einem Gericht - im Gegensatz zur Verwaltung - nicht einmal der Anschein des Interesses an einem bestimmten Ergebnis besteht. Soweit im Übrigen ein rechtlicher Nachteil insofern im Raum steht, als die gegen die Begutachtung und deren Modalitäten erhobenen materiellen Einwände zu Unrecht als unbegründet abgetan wurden, ist auf das in BGE 138 V 271 E. 3.2 S. 279 Erwogene zu verweisen: Diesfalls mag zwar weiterhin eine gewisse Beeinträchtigung in der beweisrechtlichen Rechtsverfolgungsposition bestehen, doch wird der allenfalls verbleibende Nachteil auch in der hier gegebenen Konstellation hinreichend ausgeglichen, da die betreffenden Rügen mit der Anfechtung des Endentscheids vor Bundesgericht immer noch erhoben werden können (Art. 93 Abs. 3 BGG).
4.1.3. Namentlich ist auch mit Bezug auf die Rüge der fehlenden fachlichen Eignung der gerichtlich bestimmten Gutachter die Eintretensvoraussetzung des drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteils rechtsprechungsgemäss nicht erfüllt (vgl. Urteil 8C_509/2008 vom 4. Februar 2009 E. 5.3 mit Hinweisen). Gegen den kantonalen Entscheid über die Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin wird dem Versicherten die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht offen stehen. Gemäss Art. 93 Abs. 3 BGG können dannzumal auch zuvor gefällte Zwischenentscheide mitangefochten werden, so dass der Beschwerdeführer - soweit erforderlich - die Rüge der fehlenden fachlichen Kompetenz im betreffenden Beschwerdeverfahren vortragen kann.
4.2. Mit der Gutheissung der Beschwerde würde schliesslich auch kein nach der Rechtsprechung bedeutender Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erspart. Auch insoweit stellt die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen eine Ausnahme dar, die restriktiv zu handhaben ist, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, da sie die mit dem Zwischenentscheid zusammenhängenden Fragen mit dem Endentscheid anfechten können (dazu statt vieler Urteile 8C_364/2017 vom 8. Juni 2017, 8C_503/2014 vom 25. Juli 2014 E. 2.3 und 8C_219/2014 vom 25. März 2014 E. 2.3, je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer vermag keine Gründe zu nennen, die ausnahmsweise die selbstständige Anfechtbarkeit des Zwischenentscheids in diesem Punkt rechtfertigen könnten.
5. Auf die unzulässige Beschwerde ist demzufolge nicht einzutreten.
6. Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 23. April 2018
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Maillard
Die Gerichtsschreiberin: Kopp Käch