BGer 1B_144/2018
 
BGer 1B_144/2018 vom 30.04.2018
 
1B_144/2018
 
Urteil vom 30. April 2018
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Karlen, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Fonjallaz,
Bundesrichter Kneubühler,
Gerichtsschreiber Stohner.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Dieter Gessler,
Beschwerdeführer,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 75, 8836 Bennau,
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz.
Gegenstand
Strafverfahren; Kontosperre / Beschlagnahme,
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts Schwyz, Beschwerdekammer, vom 19. Februar 2018 (BEK 2017 182).
 
Sachverhalt:
 
A.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der mehrfachen qualifizierten Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2 StGB) und der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung (Art. 158 StGB) aufgrund von Strafanzeigen seiner seit April 2015 von ihm getrennten Ehefrau.
Mit Verfügung vom 10. November 2017 wies die Staatsanwaltschaft die Bank X.________ AG an, in Kopie bestimmte Unterlagen herauszugeben (Dispositiv-Ziffer 1) und Vermögenswerte des Beschuldigten zu sperren bzw. ihm keine solche auszuzahlen (Dispositiv-Ziffer 2). Die Öffnung von Schliessfächern behielt sich die Staatsanwaltschaft für später vor (Dispositiv-Ziffer 3), beschlagnahmte indes sämtliche Vermögenswerte auf bezeichneten Konten sowie in einem Schrankfach (Dispositiv-Ziffer 4). Von der Sperre wurden Zahlungseingänge und bezeichnete Konten ausgenommen (Dispositiv-Ziffern 5 und 6) und die Bank wurde angewiesen, die beschlagnahmten Vermögenswerte nach banküblichen Grundsätzen zu verwalten und anzulegen, wobei Aufträge des Beschuldigten ausgeführt, aber keine Vermögenswerte abgezogen werden dürften (Dispositiv-Ziffer 7). Ausserdem erliess die Staatsanwaltschaft weitere Weisungen und ein Mitteilungsverbot an die Bank (Dispositiv-Ziffern 8 ff.).
Gegen die Kontosperre und Beschlagnahme reichte A.________ Beschwerde an das Kantonsgericht Schwyz ein. Mit Beschluss vom 19. Februar 2018 wies dieses die Beschwerde ab, soweit es auf diese eintrat.
 
B.
Mit Eingabe vom 16. März 2018 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, es seien der angefochtene Beschluss und die verfügte Kontosperre und Beschlagnahme vom 10. November 2017 aufzuheben; davon ausgenommen sei die Sperre eines Kontos, welches nicht seine Ehefrau, sondern einen anderen mutmasslich Geschädigten betreffe (Betrag von Fr. 175'917.--). Eventualiter sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Kantonsgericht verzichtet auf eine Vernehmlassung. Die Oberstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz beantragen in separaten, aber identischen Eingaben, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
Der Beschwerdeführer hat auf weitere Bemerkungen verzichtet.
 
Erwägungen:
 
1.
Angefochten ist ein Entscheid des Kantonsgerichts, mit welchem dieses die Beschwerde gegen eine Vermögensbeschlagnahme abgewiesen hat. Es handelt sich dabei um einen Entscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 BGG). Er schliesst das Strafverfahren nicht ab, ist mithin ein Zwischenentscheid. Als solcher ist er nach Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur bewirken kann. Dies ist bei der Vermögensbeschlagnahme der Fall (BGE 128 I 129 E. 1 S. 130 f.). Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 BGG). Die nach Art. 98 BGG für vorsorgliche Massnahmen vorgeschriebene Beschränkung auf Verfassungsrügen ist auf strafprozessuale Zwangsmassnahmen und die Beschlagnahme von Vermögenswerten nicht anwendbar (BGE 140 IV 57 E. 2.2 S. 59 f.). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist.
 
2.
Als Zwangsmassnahme im Sinn von Art. 196 StPO kann eine Beschlagnahme angeordnet werden, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, sie verhältnismässig ist und durch die Bedeutung der Straftat gerechtfertigt wird (Art. 197 Abs. 1 StPO). Vermögenswerte, die durch eine Straftat erlangt worden sind, können nach Art. 70 Abs. 1 StGB eingezogen werden. Während des Strafverfahrens können Gegenstände und Vermögenswerte im Hinblick auf ihre spätere Rückgabe an die Geschädigten (Art. 263 Abs. 1 lit. c StPO) oder ihre spätere Einziehung beschlagnahmt werden (Art. 263 Abs. 1 lit. d StPO). Entsprechend ihrer Natur als provisorische prozessuale Massnahme prüft das Bundesgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Beschlagnahme - anders als das für die (definitive) Einziehung zuständige Sachgericht - nicht alle Tat- und Rechtsfragen abschliessend; es hebt eine Beschlagnahme nur auf, wenn ihre Voraussetzungen offensichtlich nicht erfüllt sind (BGE 139 IV 250 E. 2.1 S. 252 f.; Urteil 1B_230/2017 vom 25. August 2017 E. 3). Besteht ein hinreichender Tatverdacht, dass Gelder deliktisch erworben worden sind, so kann dies die Beschlagnahme bzw. die Anordnung einer Kontosperre rechtfertigen, wenn die spätere Rückgabe der Gelder an die Geschädigten oder ihre Einziehung nicht eindeutig ausgeschlossen ist (Urteil 1B_181/2016 vom 14. Oktober 2016 E. 3).
 
3.
3.1. Die Vorinstanz hat ausgeführt, aufgrund der vom Beschwerdeführer nicht bestrittenen Ermittlungsergebnisse lägen Indizien vor, dass er als professioneller Vermögensverwalter seiner Ehefrau tätig gewesen sei. Diese habe ihm immer wieder eigene Vermögenswerte überlassen (Verwaltung von Eigengut). Die Strafuntersuchung gründe auf dem Verdacht, dass der Beschwerdeführer sich aus Investitionen zurück fliessendes Vermögen seiner Ehefrau angeeignet habe. Unbestritten sei, dass sich die nominellen Vermögensaktiven des Beschwerdeführers während der Ehe erheblich vermehrt, während sich diejenigen seiner Ehefrau um mehrere Millionen Franken auf rund die Hälfte vermindert hätten. Sollten aber nach den Behauptungen des Beschwerdeführers beide Vermögen in gemeinsame Projekte investiert worden sein, sei eine derart krass unterschiedliche Entwicklung der Vermögensverhältnisse nicht nachvollziehbar. Zusammenfassend bestehe ein hinreichender Tatverdacht, dass der Beschwerdeführer als professioneller Vermögensverwalter seiner Ehefrau agiert und seine Treuepflichten in strafbarer Weise verletzt habe.
3.2. Eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung macht der Beschwerdeführer nicht substanziiert geltend. Er rügt zwar ausdrücklich eine unvollständige Feststellung des Sachverhalts, bringt jedoch insoweit einzig vor, er und seine Ehefrau hätten am 18. September 2005 geheiratet und den gemeinsamen Haushalt erst am 1. April 2015 aufgelöst. Dies hat die Vorinstanz im angefochtenen Beschluss indes nicht verkannt. Die Behauptung der unvollständigen Sachverhaltsermittlung erweist sich damit als unbegründet.
In der Sache rügt der Beschwerdeführer eine falsche Rechtsanwendung von Art. 138 StGB und Art. 158 StGB. Eine Veruntreuung und eine ungetreue Geschäftsbesorgung zum Nachteil eines Angehörigen - vorliegend seiner Ehegattin - werde nur auf Antrag verfolgt (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB und Art. 158 Ziff. 3 StGB). Die Vorinstanz behaupte nicht, dass seine Ehefrau einen (gültigen) Strafantrag gestellt habe. Es verletze Bundesrecht, wenn die Vorinstanz trotz Fehlens einer Prozessvoraussetzung (Strafantrag) den Tatverdacht der Veruntreuung bejahe. Zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung äussere sich die Vorinstanz mit keinem Wort.
3.3. Die Vorinstanz hat insoweit erwogen, die Privilegierung von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB, wonach die Veruntreuung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen nur auf Antrag verfolgt werde, sei auf den Grundtatbestand von Art. 138 Ziff. 1 StGB beschränkt. Vorliegend stehe indes der qualifizierte Tatbestand von Art. 138 Ziff. 2 StGB (Begehung der Tat als berufsmässiger Vermögensverwalter) in Frage, weshalb es keines Strafantrags der Ehefrau bedürfe.
3.4. Art. 138 StGB mit dem Randtitel "Veruntreuung" lautet wie folgt:
1. Wer sich eine ihm anvertraute fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern,
wer ihm anvertraute Vermögenswerte unrechtmässig in seinem oder eines anderen Nutzen verwendet,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Die Veruntreuung zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.
2. Wer die Tat als Mitglied einer Behörde, als Beamter, Vormund, Beistand, berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei Ausübung eines Berufes, Gewerbes oder Handelsgeschäftes, zu der er durch eine Behörde ermächtigt ist, begeht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Angehöriger (Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB) einer Person ist gemäss Art. 110 Abs. 1 StGB unter anderem ihr Ehegatte. Der Beschwerdeführer bestreitet die Qualifikation als berufsmässiger Vermögensverwalter nicht substanziiert, ist jedoch der Auffassung, dass eine Bestrafung nach Art. 138 Ziff. 2 StGB zum Nachteil seiner Ehegattin zwingend eines rechtzeitig gestellten Strafantrags (vgl. Art. 30 f. StGB) bedarf.
3.5. Die qualifizierte Veruntreuung wurde bis zum 1. Januar 1995, als das revidierte Vermögensstrafrecht in Kraft trat, nur auf Antrag verfolgt, sofern sie zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen begangen worden war (Art. 140 aStGB; vgl. Urteil 6S.57/2003 vom 26. Januar 2004 E. 2). Mit der Revision des Vermögensstrafrechts wurde die Privilegierung ausdrücklich auf Art. 138 Ziff. 1 StGB beschränkt (TRECHSEL/CRAMERI, in: Praxiskommentar StGB, 3. Aufl. 2018, N. 23 zu Art. 138 StGB).
Aus der Systematik von Art. 138 StGB ergibt sich mithin, dass die Privilegierung bei Angehörigen und Familiengenossen gemäss Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB keine Anwendung findet, soweit es sich beim Täter um eine der in Art. 138 Ziff. 2 StGB genannten Personen handelt (NIGGLI/RIEDO, in: Basler Kommentar StGB II, 3. Aufl. 2013, N. 147 zu Art. 138 StGB; Andreas Donatsch, Strafrecht III, Delikte gegen den Einzelnen, 10. Aufl. 2013, S. 152). Der Täter wird somit auf der Grundlage der Offizialmaxime verfolgt, wenn er als berufsmässiger Vermögensverwalter handelt (Christof Riedo, Der Strafantrag, 2004, S. 161). Dies erscheint auch sachgerecht. Das schweizerische Strafrecht kennt neben den Grundtatbeständen nur qualifizierte und privilegierte Tatbestände. Mit einer Anwendung von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 4 StGB auf Art. 138 Ziff. 2 StGB würde ein "privilegiert qualifizierter Tatbestand" geschaffen, was unüblich wäre und auch dem Sinn und Zweck des Antragserfordernisses gemäss Art. 30 StGB nicht entsprechen würde. Dieses besteht legitimerweise dort, wo der Gesetzgeber der Ansicht ist, die staatlichen und privaten Interessen auf Verfolgung seien geringer als jene auf Nicht-Verfolgung. Dies ist typischerweise bei Bagatellkriminalität (vgl. insbesondere Art. 172ter StGB) und gerade nicht bei qualifizierten Tatbeständen der Fall (vgl. zum Ganzen NIGGLI/RIEDO, a.a.O., N. 212 zu Art. 139 StGB; siehe auch Christof Riedo, in: Basler Kommentar StGB I, 3. Aufl. 2013, N. 12 vor Art. 30 StGB).
3.6. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die von der Ehegattin des Beschwerdeführers angezeigte Straftat der qualifizierten Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 2 StGB kein Antragsdelikt ist.
3.7. Anders verhält es sich beim Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung (vgl. Art. 158 Ziff. 3 StGB). Indes geht der Tatbestand der Veruntreuung gemäss Art. 138 StGB nach Rechtsprechung und Lehre jenem der ungetreuen Geschäftsbesorgung in Bereicherungsabsicht im Falle der Konkurrenz vor (Urteil 6B_1161/2013 vom 14. April 2014 E. 2.3.1; TRECHSEL/CRAMERI, a.a.O., N. 25 zu Art. 158 StGB; NIGGLI/RIEDO, a.a.O., N. 211 zu Art. 138 StGB).
Der Beschwerdeführer legt nicht dar, dass einzelne der Konten einzig wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung gesperrt worden sind, ohne dass nicht zugleich auch der Tatbestand der Veruntreuung gemäss Art. 138 Ziff. 2 StGB erfüllt sein könnte. Dies ergibt sich auch nicht aus der Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 10. November 2017 betreffend Kontosperre und Beschlagnahme. Demzufolge musste sich die Vorinstanz entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers im angefochtenen Beschluss auch nicht ausdrücklich zum Tatbestand der ungetreuen Geschäftsbesorgung äussern.
3.8. Aufgrund der willkürfreien Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz besteht beim jetzigen Verfahrensstand ein hinreichender Tatverdacht, dass der Beschwerdeführer als berufsmässiger Vermögensverwalter seiner Ehefrau tätig gewesen ist und die ihm von dieser anvertrauten und sich mutmasslich auf den gesperrten Konten befindlichen Vermögenswerte unrechtmässig in seinem Nutzen verwendet hat; der Tatverdacht der qualifizierten Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2 StGB) ist zu bejahen. Eine spätere Einziehung zwecks Rückgabe oder Einziehung der beschlagnahmten Gelder erscheint damit keineswegs ausgeschlossen. Die Vorinstanz hat kein Bundesrecht verletzt, indem sie die von der Staatsanwaltschaft angeordnete Kontosperre und Beschlagnahme geschützt hat.
 
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Schwyz und dem Kantonsgericht Schwyz, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 30. April 2018
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Karlen
Der Gerichtsschreiber: Stohner