BGer 9C_300/2018
 
BGer 9C_300/2018 vom 12.07.2018
 
9C_300/2018
 
Urteil vom 12. Juli 2018
 
II. sozialrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless,
Gerichtsschreiberin N. Möckli.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Gruber,
Beschwerdeführer,
gegen
Personalvorsorgestiftung der Firma B.________, vertreten durch Dr. phil. et lic. iur. Karin Goy Blesi,
Beschwerdegegnerin.
Gegenstand
Berufliche Vorsorge (Invalidenrente; Invalideneinkommen),
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Freiburg vom 26. Februar 2018 (608 2017 196).
 
Sachverhalt:
 
A.
A.a. Der 1961 geborene A.________, gelernter Brauer, war bis Ende Juni 2015 als Mitarbeiter bei der Firma B.________ angestellt gewesen und damit bei der Personalvorsorgestiftung der Firma B.________ (nachfolgend: Personalvorsorgestiftung) berufsvorsorgeversichert.
A.b. Mit Verfügung vom 14. Juni 2016 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Freiburg rückwirkend vom 1. April 2013 bis 30. Juni 2015 eine Dreiviertelsrente und ab 1. Juli 2015 eine ganze Rente zu. Auf die von der Personalvorsorgestiftung dagegen erhobene Beschwerde trat das Kantonsgericht Freiburg mit Entscheid vom 23. November 2016 nicht ein (Verfahrens-Nr. 608 2016 183/4), da diese mangels Eröffnung der Verfügung der IV-Stelle nicht an deren Rentenentscheid gebunden sei.
A.c. Die Personalvorsorgestiftung teilte A.________ daraufhin am 10. April 2017 mit, sie gewähre ihm, wie bereits in ihrem Schreiben vom 22. September 2016 beschieden, ab 1. Juli 2015 eine Dreiviertelsrente, die jedoch wegen Überentschädigung auf Fr. 1'832.65 gekürzt werde.
B. Am 25. August 2017 liess A.________ Klage beim Kantonsgericht Freiburg einreichen und beantragen, die Personalvorsorgestiftung habe ihm rückwirkend ab 1. Juli 2015 eine monatliche Invalidenrente von Fr. 3'194.06 zu entrichten, wobei die bereits ausbezahlte Rente von Fr. 1'832.65 darauf anzurechnen sei. Weiter forderte er, die Freizügigkeitsstiftung der Freiburger Kantonalbank sei anzuweisen, von seinem Freizügigkeitskonto den Betrag von Fr. 74'233.75 an die Personalvorsorgestiftung zu überweisen.
Mit Entscheid vom 26. Februar 2018 wies das Kantonsgericht Freiburg diese Klage ab.
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragt in Wiederholung der vor dem Kantonsgericht Freiburg gestellten Rechtsbegehren (Auszahlung einer "vollen" Invalidenrente ab 1. Juli 2015), es sei der angefochtene Entscheid aufzuheben.
 
Erwägungen:
1. 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
1.2. Das Bundesgericht prüft unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht - vorbehältlich offensichtlicher Fehler - nur die in seinem Verfahren geltend gemachten Rechtswidrigkeiten (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 135 II 384 E. 2.2.1 S. 389; siehe auch BGE 134 III 102 E. 1.1 S. 104 f.).
2. Der Beschwerdeführer bringt zunächst formell-rechtliche Einwände gegen den angefochtenen Entscheid vor. Er macht hauptsächlich geltend, durch die Nichteinhaltung des kantonalen Verfahrensrechts - die Vorinstanz habe keine Parteiverhandlung durchgeführt, ihm keine Gelegenheit zur Replik gegeben und keine Beweisverfügung erlassen - sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.
2.1. Der Beschwerdeführer offerierte im vorinstanzlichen Verfahren zu verschiedenen Tatsachenbehauptungen als Beweis seine Parteiaussage. Der Öffentlichkeitsgrundsatz beinhaltet indes keinen Anspruch darauf, dass bestimmte Beweismittel öffentlich und in Anwesenheit der Parteien abgenommen werden (vgl. Urteil 9C_49/2014 vom 29. Oktober 2014 E. 1). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers räumt auch das kantonale Recht keinen Anspruch auf eine mündliche Parteianhörung ein. Die Zivilprozessordnung kommt vorliegend nicht zur Anwendung, denn Art. 101 VRG/FR (SGF 150.1) behält Art. 32 VRG/FR vor, wonach das Verfahren grundsätzlich schriftlich durchgeführt wird (Urteil 2C_888/2010 vom 7. April 2011 E. 2.3). Ein (hinreichend begründeter) Antrag auf eine öffentliche Verhandlung im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK fehlt (BGE 122 V 47 E. 3a und b S. 55 f.). Das rechtliche Gehör ist somit nicht verletzt worden.
2.2. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung des Replikrechts (BGE 137 I 195 E. 2.3.1 S. 197; 133 I 100 E. 4.5 S. 103 f.). Die Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels ist nicht zwingend. In der hier massgebenden Bestimmung heisst es bloss, das Gericht könne einen zweiten Schriftenwechsel anordnen, wenn es die Verhältnisse erforderten (Art. 101 VRG/FR i.V.m. Art. 225 ZPO). Das Gericht kann zudem Eingaben auch lediglich zur Kenntnisnahme zustellen, wenn von den Parteien erwartet werden kann, dass sie unaufgefordert dazu Stellung nehmen (BGE 138 I 484 E. 2.1 und 2.2 S. 485 f.; 133 I 98 E. 2.2 S. 99). Dies trifft vor allem bei rechtskundig vertretenen Personen wie dem Versicherten zu. Es wird erwartet, dass eine Partei, die eine Eingabe ohne Fristansetzung erhält u nd dazu Stellung nehmen will, dies umgehend tut oder zumindest beantragt; ansonsten wird angenommen, sie habe auf eine weitere Eingabe verzichtet (BGE 133 I 100 E. 4.8 S. 105 mit Hinweisen; Pra 2011 Nr. 92 S. 657, 5A_42/2011, Urteil 8C_379/2017 vom 8. September 2017 E. 2.1). Die Vorinstanz stellte dem Beschwerdeführer die Klageantwort der Beschwerdegegnerin am 22. November 2017 zur Kenntnisnahme zu. Hätte er sich dazu vernehmen lassen wollen, wäre er gemäss dem hiervor Gesagten gehalten gewesen, unverzüglich zu reagieren. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör ist damit hinreichend Rechnung getragen worden.
2.3. Das kantonale Gericht holte mit Verfügung vom 22. Januar 2018 die Akten der Invalidenversicherung ein, nachdem die Beschwerdegegnerin mit Klageantwort einen entsprechenden Antrag erhoben hatte. Sowohl die Klageantwort wie auch die Verfügung vom 22. Januar 2018 betreffend den Beizug der Akten der Invalidenversicherung stellte die Vorinstanz dem Beschwerdeführer zu. Die Ausführungen des Versicherten, das kantonale Gericht habe keine Beweisverfügung erlassen, zielt somit ins Leere. Nachdem ein Parteiantrag zur Einholung der Unterlagen der Invalidenversicherung vorlag, bestand für die Vorinstanz zudem kein Anlass, sich zum Grund des Aktenbeizugs näher zu äussern. Der Beschwerdeführer zeigt im Weiteren nicht rechtsgenüglich auf, inwiefern durch eine allfällige Verletzung des kantonalen Verfahrensrechts im Zusammenhang mit der Beweisabnahme ein vom Bundesgericht überprüfbarer Beschwerdegrund vorliegen sollte (Art. 95 ff. BGG).
3. Zu prüfen ist weiter, ob der Beschwerdeführer ab 1. Juli 2015 Anspruch auf eine (ungekürzte) ganze Rente hat.
3.1. Das kantonale Gericht hat die massgebenden gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen über den Anspruch auf eine Invalidenrente der beruflichen Vorsorge (Art. 23 lit. a und Art. 24 Abs. 1 BVG sowie Ziff. 4.1 des Vorsorgereglements) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
3.2. Die Vorinstanz erwog, der Beschwerdeführer habe bei seiner letzten Arbeitgeberin an einem seinen gesundheitlichen Beschwerden angepassten Arbeitsplatz während knapp zwei Jahren eine Leistung von 40 % erbringen können. Die Arbeitgeberin habe ihm schliesslich am 28. April 2014 einen neuen Vertrag als Betriebsarbeiter (100%-Pensum) zu einem Lohn von Fr. 30'420.- (entsprechend 42,5 % des regulären Jahressalärs eines solchen Mitarbeiters) angeboten. Auch habe die Arbeitgeberin zu anderen flexiblen Lösungen Hand geboten, etwa der Beschäftigung während vier Tagen pro Woche. Der Beschwerdeführer habe den ihm unterbreiteten neuen Vertrag nicht aus gesundheitlichen, sondern aus wirtschaftlichen Gründen abgelehnt. Damit sei ohne weiteres der Nachweis erbracht, dass eine derartige Tätigkeit dem Leistungsvermögen des Beschwerdeführers entsprochen habe. Die Vorinstanz ermittelte sodann aufgrund der ausgewiesenen Leistungsminderung von 60 % in einer angepassten Tätigkeit basierend auf dem Tabellenlohn gemäss der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik  (LSE) ein Invalideneinkommen von Fr. 25'508.-, woraus in Gegenüberstellung mit dem - unbestrittenen - Valideneinkommen von Fr. 79'690.- ein Invaliditätsgrad von 68 % resultierte.
3.3. Der Beschwerdeführer bringt dagegen im Wesentlichen vor, seine Restarbeitsfähigkeit sei auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht mehr verwertbar, weshalb ihm auch keine Verletzung der Schadenminderungspflicht im Zusammenhang mit der Ablehnung des neuen Arbeitsvertrages vorzuwerfen sei.
 
4.
4.1. Mit in Rechtskraft erwachsenem Entscheid 608 2016 183/4 vom 23. November 2016 trat die Vorinstanz auf die von der Beschwerdegegnerin erhobene Beschwerde gegen die Verfügung der IV-Stelle vom 14. Juni 2016 nicht ein, da diese für die Personalvorsorgeeinrichtung keine Bindungswirkung entfalte (vgl. Sachverhalt lit. A.b). Der Beschwerdeführer nimmt dennoch Anstoss, dass die Beschwerdegegnerin sich nicht an den Entscheid der Invalidenversicherung gebunden sieht. Diese Kritik ist unbeachtlich, denn das vorliegende Verfahren dient nicht der Fortsetzung des kantonalen Verfahrens 608 2016 183/4. Mit anderen Worten muss sich die Pensionskasse - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - das Ergebnis der Abklärungen der IV-Stelle nicht entgegen halten lassen.
 
4.2.
4.2.1. Die Vorinstanz erwog zur Arbeitsfähigkeit, der Beschwerdeführer habe bei seiner letzten Arbeitgeberin in einer angepassten Tätigkeit eine Arbeits- und Leistungsfähigkeit von 40 % präsentiert. Der Versicherte bestreitet diese Feststellung nicht. Aufgrund der übrigen Akten ist diese auch nicht offensichtlich unrichtig, bescheinigte Dr. med. C.________, Facharzt für Neurologie, im Gutachten vom 11. Juni 2013 doch eine Arbeitsfähigkeit von 50 % in einer angepassten Tätigkeit.
4.2.2. Gestützt auf diese Sachverhaltsfeststellung berücksichtigte das kantonale Gericht alsdann bei der Ermittlung des Invalideneinkommens eine verminderte Leistungsfähigkeit von 60 % bzw. eine Arbeitsfähigkeit von 40 %. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ging die Vorinstanz somit nicht von einer vollen Arbeitsunfähigkeit "in der freien Wirtschaft" aus. Dem Beschwerdeführer kann auch nicht gefolgt werden, wenn er vorbringt, er sei nicht verpflichtet gewesen, seine Restarbeitsfähigkeit an einem speziellen Nischenarbeitsplatz bei seiner letzten Arbeitgeberin zu verwerten. Der massgebliche Arbeitsmarkt umfasst auch solche Arbeitsplätze, das heisst auch Stellen- und Arbeitsangebote, bei welchen Behinderte mit einem sozialen Entgegenkommen von Seiten des Arbeitgebers rechnen können (SVR 2016 IV Nr. 58 S. 190, 8C_910/2015 E. 4.2.1 mit Hinweisen). Die Vorinstanz verletzte somit kein Bundesrecht, indem sie die Arbeitsfähigkeit von 40 % als verwertbar qualifizierte.
4.2.3. Nachdem der Beschwerdeführer die von seiner letzten Arbeitgeberin offerierte neue Anstellung abgelehnt hatte, errechnete das kantonale Gericht basierend auf dem Tabellenlohn der LSE ein Invalideneinkommen von Fr. 25'508.-, woraus ein Invaliditätsgrad von 68 % und Anspruch auf eine Dreiviertelsrente resultiert (vgl. E. 3.2 hiervor). Abgesehen von der bestrittenen Verwertbarkeit der (Rest-) Arbeitsfähigkeit bringt der Beschwerdeführer keine Einwendungen gegen den von der Vorinstanz ermittelten Invaliditätsgrad vor, und es ist diesbezüglich auch keine offensichtliche Fehlerhaftigkeit ersichtlich (E. 1.2 hiervor). Damit hat es bei dem von der Vorinstanz festgelegten Anspruch auf eine Dreiviertelsrente sein Bewenden. Der Antrag betreffend Freizügigkeitsleistung bleibt unbegründet. Auf ihn ist daher nicht einzutreten.
5. Dem Verfahrensausgang entsprechend hat der unterliegende Beschwerdeführer die Verfahrenskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG).
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg, II. Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 12. Juli 2018
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Pfiffner
Die Gerichtsschreiberin: Möckli