BGer 6B_442/2018
 
BGer 6B_442/2018 vom 23.01.2019
 
6B_442/2018
 
Urteil vom 23. Januar 2019
 
Strafrechtliche Abteilung
Besetzung
Bundesrichter Denys, Präsident,
Bundesrichter Oberholzer,
Bundesrichter Rüedi,
Gerichtsschreiberin Rohrer.
 
Verfahrensbeteiligte
A.________,
vertreten durch Advokat Dr. Christian von Wartburg,
Beschwerdeführer,
gegen
1. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel,
2. X.________,
vertreten durch Advokatin Dr. Monika Guth,
Beschwerdegegner.
Gegenstand
Fahrlässige Körperverletzung, Willkür,
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, vom 31. Januar 2018 (SB.2016.13).
 
Sachverhalt:
A. Am 31. Juli 2011 kam es in Basel zu einem Verkehrsunfall zwischen dem Autolenker X.________ und dem Fussgänger A.________. Dabei wurde Letzterer beim Überqueren eines Fussgängerstreifens auf seiner rechten Seite vom Fahrzeug des X.________ touchiert.
 
B.
Mit Urteil des Strafgerichts Basel-Stadt vom 27. November 2015 wurde X.________ vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Die von A.________ gestellte unbezifferte Schadenersatzforderung und die Genugtuungsforderung von Fr. 35'000.- wies das Strafgericht ab.
 
C.
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt bestätigte am 31. Januar 2018 den erstinstanzlichen Freispruch. Die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen von A.________ verwies es auf den Zivilweg.
 
D.
A.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese sei anzuweisen, X.________ der fahrlässigen, schweren Körperverletzung, eventualiter der einfachen Körperverletzung, schuldig zu sprechen. Weiter sei das Appellationsgericht zu verpflichten, X.________ dem Grundsatz nach für den Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 31. Juli 2011 für haftbar zu erklären, dessen Haftungsquote auf 100 % festzusetzen, sowie diesen zur Zahlung einer angemessenen Genugtuung zu verurteilen. A.________ ersucht für das Verfahren vor Bundesgericht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
 
Erwägungen:
 
1.
Der Beschwerdeführer hat sich an den vorinstanzlichen Verfahren beteiligt und Zivilforderungen geltend gemacht. Der angefochtene Entscheid wirkt sich darauf aus, weshalb er zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert ist (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 5 BGG; BGE 141 IV 1 E. 1.1 mit Hinweisen).
 
2.
2.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung. Er macht zusammengefasst geltend, aus den Akten gehe hervor, dass X.________ (nachfolgend: Beschwerdegegner 2) ihn nach dem Unfall direkt auf die Notfallstation des Universitätsspitals Basel gefahren habe und er dort anschliessend während drei Tagen stationär hospitalisiert gewesen sei (kantonale Akten, act. 69). Sodann halte das Universitätsspital Basel im Schreiben vom 14. Mai 2012 fest, dass er eine Visus- und Gesichtsfeldminderung links > rechts bei einem Status nach einer Jochbeinfraktur und am 31. Juli 2011 ein Aufpralltrauma als Fussgänger gegen Auto mit Kopfanprall links parietal und occipital erlitten habe sowie unklare Schulterschmerzen links aufweise, weshalb der Spitalaufenthalt nötig gewesen sei (kantonale Akten, act. 69). Im Lichte dieser aktenkundigen Tatsachen, sei die Annahme der Vorinstanz, er habe sich bei dem Verkehrsunfall keine Körperschäden von der Qualität einer einfachen Körperverletzung zugezogen, haltlos und willkürlich. Dieses Beweisergebnis sei entsprechend zu korrigieren.
2.2. Die Vorinstanz erwägt im Wesentlichen, es bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass die in Frage stehenden Verletzungen dem fraglichen Verkehrsunfall vom 31. Juli 2011 zuzuordnen seien. Aus dem im Anschluss an den dreitägigen Spitalaufenthalt verfassten Austrittsbericht des Universitätsspitals vom 12. September 2011 gehe eindeutig hervor, dass die diagnostizierten Verletzungen mehrheitlich durch einen früheren häuslichen Selbstunfall am 10. Juni 2011, bei welchem der Beschwerdeführer gravierende Gesichtsfrakturen erlitten habe, herbeigeführt worden seien. So beschreibe der Bericht eine "Visus- und Gesichtsfeldminderung links > rechts bei Status nach Jochbeinfraktur links mit Orbitalbeteiligung am 10.06.2011" sowie eine "Unklare Sensibilitätsstörung linke Gesichtshälfte, linker Oberarm und linkes Bein seit 10.06.2011" (Kantonale Akten, act. 138). Die Beschwerden nach diesem früheren Unfallereignis hätten die linke Körperseite des Beschwerdeführers betroffen. Es sei daher nicht ersichtlich, weshalb die im Bericht ebenfalls erwähnten "unklaren Schulterschmerzen links" (Kantonale Akten, act. 138), welche von den Ärzten keinem Ursprungsdatum zugeordnet worden seien, auf den Verkehrsunfall und nicht auf das frühere Unfallereignis zurückgehen sollten. Im Übrigen hätten bezüglich dieser linken Schulter keine objektivierbaren Befunde erhoben werden können, zumal es keine Luxation und keine Knochenverletzung gegeben habe. Auch das bildgebende Verfahren und ein Konsilium mit den Neurologen hätten keinen Hinweis auf einen behandlungsbedürftigen Befund ergeben (Kantonale Akten, act. 139). Letztlich handle es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Schulterprellung und erst recht bei den Schmerzen auf der linken Seite lediglich um vom Beschwerdeführer behauptete Schmerzen unklarer Natur und Herkunft, bei denen es zumindest ebenso naheliegend erscheine, dass sie nicht auf den Verkehrsunfall vom 31. Juli 2011, sondern auf den die linke Körperseite beeinträchtigenden Selbstunfall vom 10. Juni 2011 zurückzuführen seien.
Hinzu komme, dass die Glaubhaftigkeit der Darlegungen des Beschwerdeführers durch dessen Aussageverhalten stark beeinträchtigt sei. Dieser habe nicht nur hinsichtlich des Unfallhergangs und der anschliessenden Geschehnisse unglaubwürdige Angaben gemacht, sondern sich auch betreffend der Unfallfolgen in klar faktenwidrige Darstellungen verstiegen. So habe er gegenüber diversen behandelnden Ärzten und in seiner Unfallanzeige an die Versicherung einfach sämtliche tatsächlich und auch nur angeblich erlittenen Beeinträchtigungen und Schmerzen fälschlicherweise dem Verkehrsunfall vom 31. Juli 2011 zugeschrieben. Auch habe er die Folgen seines vorgängigen Selbstunfalls anlässlich seiner Einvernahmen zunächst ebenso verschwiegen wie seine für den vorliegenden Fall relevante Prädisposition, welche zu plötzlichen unvermittelten Stürzen führt. Sein Aussageverhalten im Strafverfahren wie auch im medizinischen Umfeld lasse nicht ausschliessen, dass der Verkehrsunfall bei ihm Begehrlichkeiten finanzieller Natur geweckt haben könnte. Insgesamt bestünden ernsthafte Zweifel daran, dass sich der Beschwerdeführer beim Verkehrsunfall Körperschäden von der Qualität einer einfachen Körperverletzung zugezogen habe. Der Beschwerdegegner 2 sei daher in dubio pro reo vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freizusprechen.
2.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503; 241 E. 2.3.1 S. 244; je mit Hinweisen). Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1 S. 244; 141 IV 369 E. 6.3 S. 375; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz in dubio pro reo kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503 mit Hinweis). Eine entsprechende Rüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 500 E. 1.1 S. 503). Auf ungenügend begründete Rügen oder rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 IV 347 E. 4.4 S. 354; 142 III 364 E. 2.4 S. 368; 141 IV 369 E. 6.3 S. 375; je mit Hinweisen).
2.4. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen vorbringt, belegt, soweit es den gesetzlichen Anforderungen genügt (vgl. vorstehend E. 2.3), keine Willkür. Die Vorinstanz hat die Aussagen des Beschwerdeführers zu den Unfallfolgen eingehend auf ihre Glaubhaftigkeit gewürdigt und diese mit den medizinischen Befunden abgeglichen. Dabei hat sie grundlegende Widersprüche zwischen den aktenkundigen vorbestehenden Verletzungen infolge eines früheren Selbstunfalls einerseits und den Angaben des Beschwerdeführers zu den durch den Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen andererseits aufgezeigt. Wenn sie angesichts dieser Ungereimtheiten zum Schluss gelangt, dessen Schilderungen zu den Unfallfolgen seien nicht überzeugend, ist dies unter Willkürgesichtspunkten nicht zu beanstanden.
Sodann kann die vorinstanzliche Feststellung, es bestünden erhebliche Zweifel, dass der Beschwerdeführer sich beim Verkehrsunfall Körperschäden von der Qualität einer einfachen Körperverletzung zugezogen habe, auch mit Blick auf die vom Beschwerdeführer genannten Verfahrensakten nicht als abwegig gewertet werden. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, es sei nicht einsehbar, warum er drei Tage im Spital verbringen musste, wenn es lediglich zu einem geringfügigen Eingriff in die körperliche Integrität gekommen wäre, geht seine Rüge an der Sache vorbei. Dass der Beschwerdeführer diverse gravierende Verletzungen aufwies, welche einen mehrtägigen Spitalaufenthalt nötig machten, stellt die Vorinstanz nicht in Abrede. Für die tatsächliche Ursache dieser Verletzungen bzw. für die Frage, auf welchen Vorfall diese zurückzuführen seien, lässt sich daraus indes nichts ableiten. Dass die Vorinstanz aufgrund des aktenkundigen Selbstunfalls des Beschwerdeführers ernsthafte Zweifel daran hegt, dass die von diesem vorgebrachten Beschwerden von der Kollision herrühren, erscheint im dargelegten Gesamtkontext vielmehr als nachvollziehbar.
Die übrigen Einwände des Beschwerdeführers dringen ebenfalls nicht durch. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer erst nach dem Verkehrsunfall hospitalisiert war, lässt die vorinstanzlichen Zweifel an der Kausalität zwischen dem Verkehrsunfall und den Verletzungen des Beschwerdeführers nicht als offensichtlich unhaltbar erscheinen. Gleiches gilt für das Argument, dass auch die Verschlimmerung einer bereits bestehenden gesundheitlichen oder körperlichen Beeinträchtigung sowie das Verzögern ihrer Heilung als Schädigung gelte, zumal solches ebensowenig festgestellt werden konnte wie eine durch das Verhalten des Beschwerdegegners 2 verursachte Körperverletzung an sich.
Ebenso unbehelflich ist schliesslich der Einwand, wonach nicht einsehbar sei, warum der Beschwerdegegner 2 den Beschwerdeführer nach dem Unfall auf den Notfall fuhr, wenn dieser durch den Unfall nicht verletzt worden wäre. So ist es alles andere als lebensfremd, dass ein Autolenker, welcher mit seinem Fahrzeug einen Fussgänger touchiert, den Betroffenen vorsichtshalber - unbesehen tatsächlicher, unfallbedingter Verletzungen - zur näheren Abklärung in den Notfall fährt. Dass der Fahrer eine Verletzung des Fussgängers für möglich hält, bedeutet noch nicht, dass dieser durch den Unfall tatsächlich verletzt wurde.
Die Vorinstanz durfte aufgrund der dargelegten Beweislage den Vorwurf der Körperverletzung im Zweifel als nicht erstellt erachten und den Beschwerdegegner 2 gestützt auf den Grundsatz in dubio pro reo freisprechen, ohne dabei in Willkür zu verfallen. Die Beschwerde ist insoweit unbegründet.
 
3.
Das Begehren des Beschwerdeführers auf Erklärung der Haftbarkeit des Beschwerdegegners 2 mit einer Quote von 100 % und der Antrag auf Zusprechung einer angemessenen Genugtuung beziehen sich auf den Fall des Schuldspruchs des Beschwerdegegners 2 wegen fahrlässiger Körperverletzung. Da der vorinstanzliche Freispruch zu bestätigen ist, erübrigt es sich, darauf einzugehen.
 
4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche  Rechtspflege  ist wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Dreiergericht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Januar 2019
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Denys
Die Gerichtsschreiberin: Rohrer