BGer 6B_1228/2018 |
BGer 6B_1228/2018 vom 04.03.2019 |
6B_1228/2018 |
Urteil vom 4. März 2019 |
Strafrechtliche Abteilung |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichter Rüedi,
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Bundesrichterin Jametti,
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Gerichtsschreiber Matt.
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Verfahrensbeteiligte |
X.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Postfach 1348, 4001 Basel,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Einstellung (Betrug, Verleumdung usw.),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, vom 7. September 2018 (BES.2018.14).
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Sachverhalt: |
A. |
X.________ wirft A.________ vor, im Jahre 2004 Selbstbehalte kassenpflichtiger Leistungen zu Unrecht verrechnet und ihn um Fr. 108.25 betrogen zu haben. Ausserdem habe sie der Staatsanwaltschaft in einem anderen Strafverfahren die Unterschriftenseite eines von ihm unterzeichneten zweiseitigen Merkblatts nicht eingereicht und dadurch zu ihrem Vorteil im Zivilprozess betreffend die Herausgabe seiner Krankengeschichte eine Urkunde unterdrückt. In jenem Verfahren habe ihn die Beschuldigte als zurechnungsunfähigen gefährlichen Psychopathen bezeichnet, was das Arzt- und Berufsgeheimnis verletze und eine Verleumdung darstelle.
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Am 8. Januar 2018 stellte die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt das Verfahren ein. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt wies die Beschwerde am 7. September 2018 ab, soweit es darauf eintrat.
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B. |
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, das Verfahren sei zur Anklage zu bringen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Das Appellationsgericht nimmt zur vorinstanzlichen Kostenauflage Stellung.
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Erwägungen: |
1. |
1.1. Der Privatklägerschaft wird ein rechtlich geschütztes Interesse an der Beschwerde zuerkannt, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Dies verlangt grundsätzlich, dass die Privatklägerschaft bereits adhäsionsweise Zivilforderungen geltend gemacht hat. Bei Nichtanhandnahme oder Einstellung des Strafverfahrens wird auf dieses Erfordernis verzichtet. Im Verfahren vor Bundesgericht muss aber dargelegt werden, weshalb sich der angefochtene Entscheid inwiefern auf welche Zivilforderungen auswirken kann, sofern dies, etwa aufgrund der Natur der untersuchten Straftat, nicht ohne Weiteres aus den Akten ersichtlich ist. Das Bundesgericht stellt an die Begründung strenge Anforderungen (BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 IV 246 E. 1.3.1, 219 E. 2.4; je mit Hinweisen).
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1.2. |
1.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe sich als Privatkläger konstituiert und am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen. Dies genügt zur Begründung seiner Legitimation jedoch nicht. Die Tatbestände des Urkundenstrafrechts, wie die Unterdrückung einer Urkunde, bezwecken in erster Linie den Schutz der Allgemeinheit. Art. 254 StGB dient der Sicherung von Urkunden als Beweismittel zugunsten daran Berechtigter und schützt vor unbefugter Entziehung bzw. Beeinträchtigung der Beweisführungsmöglichkeit des Berechtigten mit dem spezifischen Beweiswert der Urkunde. Der Tatbestand dient dem Bestandesschutz von Urkunden. Neben der Allgemeinheit schützt er auch die Interessen des daran Berechtigten (MARKUS BOOG, in: Basler Kommentar, Strafrecht II, 4. Aufl. 2019, N. 1 zu Art. 254 StGB, mit Hinweisen). Bei Strafnormen, die nicht primär Individualrechtsgüter schützen, gelten praxisgemäss nur diejenigen Personen als Geschädigte, die durch die darin umschriebenen Tatumstände in ihren Rechten beeinträchtigt werden, sofern diese Beeinträchtigung unmittelbare Folge der tatbestandsmässigen Handlung ist (BGE 141 IV 454 E. 2.3.1; 140 IV 155 E. 3.2; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der Urkundenunterdrückung Prozesskosten und Aufwendungen im Zivilverfahren um die Herausgabe seiner Krankengeschichte geltend. Dass diese Kosten alleine oder wenigstens überwiegend aufgrund des angeblich von der Beschuldigten gegenüber der Staatsanwaltschaft unterdrückten und vom Beschwerdeführer selbst nachgereichten Merkblatts entstanden sein sollen, ist weder dargetan, noch leuchtet es ein. Die Beschwerde genügt insoweit den gesetzlichen Begründungsanforderungen nicht (Art. 42 Abs. 2 BGG), sodass darauf insoweit nicht einzutreten ist.
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Dies gilt ebenso für den Tatbestand der Verleumdung im Zusammenhang mit der angeblichen Verletzung des Arzt- oder Berufsgeheimnisses durch die Beschuldigte. Zwar sind Ehrverletzungsdelikte grundsätzlich geeignet, einen Anspruch auf Genugtuung und damit einen Zivilanspruch im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG zu begründen. Nach Art. 49 OR ist eine Genugtuung jedoch nur geschuldet, sofern die Schwere der Verletzung dies rechtfertigt. Der Eingriff muss aussergewöhnlich schwer sein und in seinen Auswirkungen das Mass einer Aufregung oder einer alltäglichen Sorge klar übersteigen (Urteile 6B_534/2017 vom 20. Februar 2018 E. 1.2; 6B_94/2013 vom 3. Oktober 2013 E. 1.1; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern dies der Fall wäre, und es ergibt sich nicht ohne Weiteres aus den Akten. Abgesehen davon ist der Beschwerde zu entnehmen, dass sich die inkriminierten Äusserungen auf die Urteils- und Prozessfähigkeit des Beschwerdeführers im Zivilverfahren beziehen, die Beschuldigte diese für fraglich hielt und sich vor ihm fürchtete. Es besteht daher ein sachlicher Zusammenhang zwischen den Äusserungen und dem Prozess, sodass diese möglicherweise gerechtfertigt sind. Da sie ferner im Rahmen nicht öffentlicher Verfahren erfolgt sein sollen, und die Behörden an das Amts- und Berufungsgeheimnis gebunden sind, ist auch ein Ansehensverlust des Beschwerdeführers in der Öffentlichkeit nicht erkennbar zu befürchten (Urteil 6B_469/2018 vom 12. Juli 2018 E. 3.2). Dies behauptet er auch nicht. Im Übrigen scheint er sich eine Genugtuung wegen Verleumdung lediglich vorzubehalten, was zur Begründung der Legitimation ebenfalls nicht genügt (Urteil 6B_194/2017 vom 25. August 2017 E. 1.2). Auch insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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1.2.2. Hingegen legt der Beschwerdeführer ausreichend dar, weshalb er eine Schadenersatzforderung wegen Betruges von Fr. 108.25 geltend macht. Insoweit ist auf die Beschwerde einzutreten. Unbegründet ist indes die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Die Vorinstanz begründet ausführlich, weshalb sie den "Methadonvertrag" für entbehrlich hält und die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft wegen Betruges infolge angeblich unrechtmässiger Verrechnung eines Pauschalbetrages pro Methadonbezug, zusätzlich zum Selbstbehalt schützt. Ob die Begründung in der Sache zutrifft, ist keine Frage des rechtlichen Gehörs oder der Begründungspflicht, sondern der materiellen Richtigkeit des angefochtenen Entscheids. Dies ist nachfolgend zu prüfen.
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Ausnahmsweise unmittelbar gestützt auf Art. 29 Abs. 3 BV zu prüfen ist ferner, ob die Vorinstanz einen Anspruch des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Rechtspflege zu Recht verneint (Urteil 6B_132/2017 vom 24. Mai 2018 E. 1.4.1).
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2. |
2.1. Die Staatsanwaltschaft verfügt nach Art. 319 Abs. 1 StPO unter anderem die vollständige oder teilweise Einstellung des Verfahrens, wenn kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (lit. a); kein Straftatbestand erfüllt ist (lit. b); Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen (lit. c).
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2.1.1. Der Entscheid über die Einstellung eines Verfahrens hat sich nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu richten. Danach darf eine Einstellung durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur bei klarer Straflosigkeit oder offensichtlich fehlenden Prozessvoraussetzungen angeordnet werden. Hingegen ist, sofern die Erledigung mit einem Strafbefehl nicht in Frage kommt, Anklage zu erheben, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch. Ist ein Freispruch genauso wahrscheinlich wie eine Verurteilung, drängt sich in der Regel, insbesondere bei schweren Delikten, eine Anklageerhebung auf. Bei zweifelhafter Beweis- oder Rechtslage hat nicht die Staatsanwaltschaft über die Stichhaltigkeit des strafrechtlichen Vorwurfs zu entscheiden, sondern das zur materiellen Beurteilung zuständige Gericht. Jedoch müssen Sachverhaltsfeststellungen unter Berücksichtigung des Grundsatzes "in dubio pro duriore" auch bei Einstellungen zulässig sein, soweit gewisse Tatsachen "klar" bzw. "zweifelsfrei" feststehen, so dass im Falle einer Anklage mit grosser Wahrscheinlichkeit keine abweichende Würdigung zu erwarten ist. Davon kann nicht ausgegangen werden, wenn eine abweichende Beweiswürdigung durch das Gericht ebenso wahrscheinlich erscheint. Den Staatsanwaltschaften ist es somit nur bei unklarer Beweislage untersagt, der gerichtlichen Beweiswürdigung vorzugreifen. Im Rahmen von Art. 319 Abs. 1 lit. b und c StPO sind Sachverhaltsfeststellungen der Staatsanwaltschaft in der Regel gar notwendig. Auch insoweit gilt jedoch, dass der rechtlichen Würdigung der Sachverhalt "in dubio pro duriore", das heisst der klar erstellte Sachverhalt, zugrunde gelegt werden muss. Der Grundsatz, dass im Zweifel nicht eingestellt werden darf, ist auch bei der Überprüfung von Einstellungsverfügungen zu beachten (BGE 143 IV 241 E. 2.2.1; 138 IV 186 E. 4.1, 86 E. 4.1).
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2.1.2. Wie die Beweise nach dem Grundsatz "in dubio pro duriore" zu würdigen sind und ob die Vorinstanz gestützt darauf einen hinreichenden Tatverdacht verneinen durfte, prüft das Bundesgericht nur auf Willkür. Es prüft im Rahmen einer Beschwerde gegen eine Einstellung nicht wie beispielsweise bei einem Schuldspruch, ob die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen willkürlich sind (Art. 97 Abs. 1 BGG), sondern ob die Vorinstanz willkürlich von einer "klaren Beweislage" ausging oder gewisse Tatsachen willkürlich für "klar erstellt" annahm. Dies ist der Fall, wenn offensichtlich nicht gesagt werden kann, es liege ein klarer Sachverhalt vor, beziehungsweise wenn ein solcher Schluss schlechterdings unhaltbar ist (zum Ganzen: Urteil 6B_899/2018 vom 2. November 2018 E. 2.1.1 f.).
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2.2. |
2.2.1. Die Vorinstanz erwägt, die dem Beschwerdeführer in Rechnung gestellten Fr. 108.25 seien gemäss überzeugender Auskunft der Beschuldigten keine gesetzlichen Selbstbehalte, sondern Monatspauschalen für nicht-kassenpflichtige Leistungen gestützt auf den Behandlungs-/Methadonvertrag. Der Beschwerdeführer bestreite nicht, dass die Beschuldigte in der fraglichen Zeit solche Monatspauschalen berechnet und auf ihrer Internetseite darauf hingewiesen habe. Wenn er lediglich vorbringe, es fehle eine vertragliche Grundlage für derartige Pauschalen, sei ihm entgegen zu halten, dass die Frage nach der strafrechtlichen Relevanz der Pauschalen in einem früheren, die Beschuldigte betreffenden Verfahren (AGE BES.2014.60 vom 23. Oktober 2014) bereits beurteilt worden sei. Angesichts der vorliegenden "res iudicata" sei die Verfahrenseinstellung wegen Betruges zu Recht erfolgt.
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2.2.2. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, seinen bereits vorinstanzlich vorgebrachten Standpunkt zu wiederholen, was zum Nachweis von Willkür nicht genügt. Dies ist der Fall, wenn er wiederum die Glaubhaftigkeit der Aussage der Beschuldigten in Frage stellt. Wie die Vorinstanz nachvollziehbar ausführt, schmälert es diese nicht, wenn die Beschuldigte mehr als zehn Jahre nach den inkriminierten Ereignissen telefonisch und in Unkenntnis der genauen Akten angegeben hatte, es handle sich beim in Rechnung gestellten Betrag um Selbstbehalte, sie diese Einschätzung aber nach Konsultation der Akten korrigierte. Dass die Beschuldigte ihren Patienten derartige Pauschalen berechnete, bestreitet der Beschwerdeführer ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie auf ihrer Internetseite auf diesen Umstand hinwies (vgl. oben). Entgegen seiner Auffassung verfällt die Vorinstanz vor diesem Hintergrund nicht in Willkür, wenn sie den Methadonvertrag für entbehrlich hält. Sie verletzt auch kein Bundesrecht, indem sie die Verfahrenseinstellung mangels Erfüllung des Tatbestandes schützt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Beschwerdeführer über die Leistungen der Beschuldigten sowie die Vergütungspflicht, insbesondere hinsichtlich der nicht-kassenpflichtigen Monatspauschalen, arglistig irregeführt worden sein soll. Es kann offen bleiben, ob über deren Rechtmässigkeit bereits rechtskräftig entschieden wurde - was der Beschwerdeführer im Übrigen nicht bestreitet - und wie der Betrag genau zustande kam. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr geltend macht, es könne sich gar nicht um Monatspauschalen handeln, ist er auf seiner im bisherigen Verfahren vertretenen Argumentation zu behaften. Es geht nicht an, stets neue Begründungen für die angebliche Unrechtmässigkeit des in Rechnung gestellten Betrages vorzubringen.
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Die Beschwerde ist insoweit abzuweisen.
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3. |
Hingegen rügt der Beschwerdeführer zu Recht, dass nicht nachvollziehbar ist, weshalb ihm die Vorinstanz Verfahrenskosten von Fr. 600.-- auferlegt, obwohl sie sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gutheisst und seinem Rechtsvertreter unter Vorbehalt der Rückzahlungspflicht ein amtliches Honorar ausrichtet. Auf Nachfrage des Bundesgerichts hat sich denn auch ergeben, dass es sich dabei um ein Versehen handelte. Die Beschwerde ist insoweit begründet.
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4. |
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen. Absatz 2 des Entscheids des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 7. September 2018 ist aufzuheben und die Sache ist an dieses zurückzuweisen. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Im Umfang seines Obsiegens sind dem Beschwerdeführer keine Kosten aufzuerlegen und hat ihm die Vorinstanz eine Parteientschädigung auszurichten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist insoweit als gegenstandslos abzuschreiben. Im Übrigen ist es infolge Aussichtslosigkeit abzuweisen. Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Kosten Rechnung zu tragen (Art. 64 Abs. 1 und 2, 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: |
1. Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid des Appellationsgerichts Basel-Stadt vom 7. September 2018 wird mit Bezug auf seinen Absatz 2 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen, soweit es nicht als gegenstandslos abgeschrieben wird.
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3. Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 600.--.
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4. Der Kanton Basel-Stadt bezahlt dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.--.
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5. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Einzelgericht, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 4. März 2019
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Matt
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