BGE 103 Ia 8
 
3. Auszug aus dem Urteil vom 9. Februar 1977 i.S. Stierli und Schweizerische Kreditanstalt gegen Bezirksanwaltschaft Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
 
Regeste
Art. 4 BV; strafprozessuale Beschlagnahme.
2. Der Pfandgläubiger wird durch die strafprozessuale Beschlagnahme nicht in seiner Rechtslage beeinträchtigt und ist daher nicht zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (Erw. III/1).
 
Sachverhalt


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In einer Strafuntersuchung gegen Werner Stierli beschlagnahmte der die Untersuchung führende Bezirksanwalt zur Deckung allfälliger Gerichts- und Untersuchungskosten sowie von Bussen und abzuschöpfenden Vermögensvorteilen verschiedene bei der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) bestehende Werte, darunter einen Inhaberschuldbrief der Trade Import AG, welcher der SKA von Stierli verpfändet worden war. Die von Stierli und der SKA bei der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich erhobenen Rekurse blieben ohne Erfolg. Das Bundesgericht hat die staatsrechtliche Beschwerde Stierlis abgewiesen; auf die Beschwerde der SKA ist es nicht eingetreten.
 


BGE 103 Ia 8 (9):

Aus den Erwägungen:
II. Zur Beschwerde des Werner Stierli
Die Rechtsprechung zu § 83 der zürcherischen StPO geht davon aus, diese Vorschrift gestatte nur die Beschlagnahme von Vermögen des Angeschuldigten, nicht aber desjenigen von Drittpersonen. Demgemäss gilt es als unzulässig, auf Grund dieser Bestimmung in einem Strafverfahren gegen die Organe einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft oder gegen die Teilhaber einer Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft Aktiven der Gesellschaft (oder solche einer an deren Stelle getretenen Konkursmasse) mit Beschlag zu belegen, jedenfalls dann, wenn die Gesellschaft oder die Konkursmasse für die sicherzustellenden öffentlichrechtlichen Ansprüche nicht mithaftet (BGE 101 Ia 326 ff. mit Verweisungen). Ob an dieser Rechtsprechung uneingeschränkt festzuhalten sei, wenn die Beschlagnahme unter anderem auch auf Grund des revidierten Art. 58 StGB, also zur Beseitigung eines unrechtmässigen Vorteils erfolgt, kann hier offen bleiben. Der Beschwerdeführer macht nämlich nicht geltend, der Schuldbrief gehöre zum Vermögen der SKA; er behauptet vielmehr, dieser stehe daran ein Pfandrecht zu, was unbestritten geblieben ist. Durch die Hingabe als Pfand hat aber der Schuldbrief nicht aufgehört, Bestandteil des Vermögens des Beschwerdeführers zu bilden, abgesehen von allfälligen Ansprüchen der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Firma Trade-Import AG. Weder der Wortlaut von § 83 StPO ("Vermögen des Angeschuldigten") noch die Eigentumsgarantie steht somit seiner Beschlagnahme

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entgegen. Der Staat erhebt mit dieser noch keine konkreten Ansprüche, sondern die Beschlagnahme bedeutet lediglich eine provisorische Sicherstellung von Vermögenswerten. Sie hat daher durchaus neben der Pfandbestellung Platz, ohne dass in diesem Stadium des Verfahrens darüber entschieden werden müsste, welches die Rangfolge zwischen dem Anspruch des Pfandgläubigers und einem allfälligen künftigen Anspruch des Staates sei. Was hinsichtlich der Beschlagnahme von Sachen entschieden worden ist, die bereits von einem Beschlag gemäss Schuldbetreibungs- und Konkursrecht erfasst sind, muss in gleichem Masse gelten, wenn an der Sache ein Pfandrecht im Sinne des ZGB besteht (vgl. BGE 89 I 186/187, 78 I 219 ff.; NIEDERER, Die Vermögensbeschlagnahme im schweizerischen Strafprozessrecht, S. 51 f. und 75 ff.; VON RECHENBERG, Beschlagnahme, Siegelung und Hausdurchsuchung gemäss zürcherischer Strafprozessordnung, S. 8/9). Der unmittelbare Zweck der Beschlagnahme liegt nur darin, dass der Pfandgläubiger das Faustpfand nicht herausgeben darf. Seine eigenen Sicherungsansprüche werden dadurch nicht berührt. Die Beschlagnahme ist somit nicht deshalb willkürlich, weil der SKA am Schuldbrief ein Pfandrecht zusteht.
III. Zur Beschwerde der Schweizerischen Kreditanstalt


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b) Bei der Beschlagnahme zur Deckung allfälliger, dem Angeschuldigten später aufzuerlegender Gerichts- und Untersuchungskosten sowie von Bussen und abzuschöpfenden Vermögensvorteilen handelt es sich, wie das Bundesgericht bereits in BGE 28 I 209 dargelegt hat, um eine konservatorische Massnahme strafprozessualer Natur. Diese Auffassung von der Rechtsnatur der Beschlagnahme ist seither vom Bundesgericht wiederholt bestätigt worden und wird auch in der Literatur einhellig anerkannt (BGE 76 I 32 und 99 f.; BGE 89 I 186 f.; SPECKER, Die Beschlagnahme im Strafverfahren zur zivilrechtlichen Schadensdeckung, in SJZ 49/1953, S. 301; HUNZIKER, Die Beschlagnahme im bernischen Strafverfahren, S. 17 f.; NIEDERER, a.a.O., S. 4; VON RECHENBERG, a.a.O., S. 5). Aus diesem Begriff der Beschlagnahme ergibt sich eindeutig, dass der Staat mit ihrer Anordnung keine Rechte für sich beansprucht. Dies geschieht vielmehr erst dann und nur insoweit, als der Richter im Strafurteil die Heranziehung der beschlagnahmten Werte zur Deckung von Bussen und Kosten oder deren Einziehung im Sinne von Art. 58 StGB anordnet. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Beschlagnahme lediglich eine Sicherungsfunktion.
Wie bereits im Zusammenhang mit der Beschwerde Stierlis ausgeführt wurde, steht ausser Zweifel, dass der Staat auch zu blossen Sicherungszwecken nicht auf Vermögen Dritter greifen darf. Dies ergibt sich aus dem massgebenden Strafprozessrecht (hier: § 83 StPO: "Vermögen des Angeschuldigten") sowie unmittelbar aus der bundesrechtlich gewährleisteten Eigentumsgarantie. Ein Dritter, dessen Vermögen ganz oder teilweise der Beschlagnahme unterworfen wird, ist somit zur staatsrechtlichen Beschwerde legitimiert (BGE 101 Ia 325 f. mit Verweisungen). Indessen kann nicht dasselbe gelten für Dritte, die lediglich beschränkte dingliche oder gar nur obligatorische Rechte an den beschlagnahmten Sachen geltend machen. Solche Ansprüche Dritter bedeuten nicht, dass die betreffenden Werte aus dem Vermögen des Angeschuldigten ausgeschieden sind, weshalb weder der Wortlaut von § 83 StPO noch die Eigentumsgarantie ihrer Beschlagnahme entgegenstehen. Es können daran durchaus mehrere Sicherungsansprüche nebeneinander bestehen, wobei es in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist, ob es sich um solche privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur handelt (vgl. Art. 886 ZGB über die Nachverpfändung; ferner

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die vorstehenden Ausführungen zur Beschwerde Stierlis, Erw. II/5). Insbesondere ist nicht einzusehen, weshalb das, was für die Beschlagnahme von Sachen gilt, die bereits einem Beschlag gemäss Schuldbetreibungs- und Konkursrecht unterworfen sind (BGE 89 I 186 /187; BGE 78 I 219 ff.), nicht mindestens in gleichem Masse gelten sollte, wenn ein privates Pfandrecht besteht. Ferner ist auf die Regelung bezüglich des Arrestes im Sinne der Art. 271 ff. SchKG zu verweisen. Der Arrest ist gleich wie die Beschlagnahme keine Vollstreckungsmassnahme, sondern dient einzig der vorläufigen Sicherung. Es ist deshalb zulässig, bereits gepfändete Sachen mit Arrest zu belegen oder auch solche, die dem Namen nach einem Dritten zustehen. Beansprucht ein solcher Rechte an verarrestierten Sachen oder Forderungen, so ist der Arrestvollzug nicht aufzuheben, sondern es ist das Widerspruchsverfahren einzuleiten (BGE 101 III 80 E. 1; BGE 96 III 109 E. 2). Der einzige Unterschied, auf den sich die SKA berufen könnte, wäre der, dass für die Einleitung des Widerspruchsverfahrens eine kurze gesetzliche Frist besteht, während hier nicht feststeht, wann es zu dieser Auseinandersetzung kommen wird. Allein dieser Umstand fällt nicht entscheidend ins Gewicht, umso weniger, als der Prozess, von dem die Geltendmachung staatlicher Ansprüche auf die beschlagnahmten Gegenstände abhängt, nämlich zunächst das Strafverfahren, hier bereits im Gange ist.
Aus dem Gesagten folgt, dass derjenige, der lediglich Sicherungsansprüche an den beschlagnahmten Sachen geltend macht, durch die Beschlagnahme in seiner aktuellen Rechtslage nicht beeinträchtigt wird; denn die Sicherungsfunktion des Pfandes wird dadurch nicht beeinträchtigt, dass es infolge der Beschlagnahmung dem Eigentümer nicht mehr herausgegeben werden darf, und weitere Folgen hat die Beschlagnahmung als solche für den Pfandgläubiger nicht, jedenfalls dann nicht, wenn er wie im vorliegenden Falle im Besitze der beschlagnahmten Werte belassen wird. Stärkere Rechte als das Pfandrecht, wie sie sich z.B. aus einer Sicherungsübereignung ergeben könnten, macht die SKA nicht geltend. Soweit sie kein Pfandrecht behauptet, nämlich betreffend das auf den Namen" Trade-Import AG" lautende Privatkonto Nr. 21277, beruft sie sich lediglich auf ein Verrechnungsrecht gemäss ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein solches Recht

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steht aber bereits kraft Gesetzes (Art. 120 OR) jedem Schuldner zu, so dass es als fraglich erscheint, ob die SKA in diesem Zusammenhang überhaupt ein Vorzugsrecht für sich in Anspruch nimmt. Jedenfalls behauptet sie nicht, die Verrechnung mit eigenen Guthaben erklärt zu haben, so dass das Konto einem Zugriff nicht offensteht. Der SKA fehlt somit im heutigen Zeitpunkt ein aktuelles Interesse an der Anfechtung der Beschlagnahme, weshalb auf ihre Beschwerde nicht einzutreten ist.
c) Dieses Ergebnis vermag auch vom praktischen Standpunkt aus zu befriedigen. Das Beschlagnahmeverfahren muss, wenn es seinen Zweck erfüllen soll, ein schnelles sein. Es hat rein tatsächliche Bedeutung; die Abklärung der Rechtsbeziehungen zu Dritten hat später zu erfolgen. Die Strafuntersuchungsbehörden wären auch sachlich kaum geeignet, grundsätzliche Fragen aus dem Grenzgebiet zwischen öffentlichem und Privatrecht zu entscheiden, wie sie sich in einem späteren Zeitpunkt stellen können, wenn der Staat konkrete Ansprüche erhebt. Deren Lösung ergibt sich nicht zwingend aus Art. 58bis Abs. 2 StGB, da sich diese Bestimmung nur auf den eingezogenen Gewinn, jedoch nicht oder doch jedenfalls nicht unmittelbar auf Bussen und Prozesskosten bezieht. Auch kann es nicht Sache des Bundesgerichtes sein, im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren solche Fragen gewissermassen erstinstanzlich zu entscheiden. Es ist daher richtig, den zuständigen kantonalen Richter über die Rangfolge unter den verschiedenen Ansprechern entscheiden zu lassen. Ob dies der Strafrichter oder der Zivilrichter sein wird, braucht hier nicht untersucht zu werden. Jedenfalls wird der SKA im Hauptverfahren Gelegenheit zu geben sein, ihren Standpunkt zu vertreten. Sollte es ohne ungebührliche Verzögerung des Entscheides im Strafpunkt nicht möglich sein, über die beschlagnahmten Werte definitiv zu befinden, so werden im Urteil geeignete Anordnungen zu treffen sein, um deren Verwendung vor einem zivilrichterlichen Entscheid zu verhindern.
Der SKA droht auch kein materieller Nachteil für den Fall, dass sie in die Lage kommen sollte, vor dem richterlichen Entscheid im Sinne der vorstehenden Ausführungen Pfandgegenstände zur Deckung fälliger Forderungen in Anspruch zu nehmen; denn im Verwertungsverfahren würde dann einfach vorzeitig ein Widerspruchsprozess im Sinne der Art. 106-109

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in Verbindung mit Art. 155 Abs. 1 SchKG ausgelöst (vgl. dazu NIEDERER, a.a.O., S. 53, S. 74/75). Sollte die SKA verrechnungsweise auf Barguthaben greifen, so steht es dem Kanton Zürich frei, nach Ausfällung des Strafurteils eine entsprechende Forderung gegen die Bank einzuklagen.