6. Urteil vom 30. März 1977 i.S. Moll gegen Einwohnergemeinde Engelberg und Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden
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Regeste
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Art. 4 BV; Kanalisationsanschlussgebühr.
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Sachverhalt
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BGE 103 Ia 26 (27):
Im Verlauf des Jahres 1968 wurde die Parzelle Nr. 144 an die Kanalisation der Einwohnergemeinde Engelberg angeschlossen. Ernst Moll erwarb diese Parzelle mit Kaufvertrag vom 19. Mai 1970.
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Am 30. Juli 1974 veranlagte die Einwohnergemeinde Engelberg Ernst Moll für eine Kanalisationsanschlussgebühr im Betrage von Fr. 37'822.45. Sowohl sein Rekurs an den Gemeinderat von Engelberg als auch seine Beschwerden an den Regierungsrat und anschliessend an das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden wurden abgewiesen. Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts führt Ernst Moll staatsrechtliche Beschwerde. Er macht geltend, die Gebührenveranlagung sei willkürlich, weil er im Zeitpunkt des Kanalisationsanschlusses nicht Eigentümer der Liegenschaft gewesen sei. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.
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Erwägungen:
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BGE 103 Ia 26 (28):
2. Das aKR sieht in keiner Bestimmung vor, im Falle einer Handänderung könne der spätere Erwerber für die Anschlussgebühr belangt werden. Art. 11 aKR erklärt lediglich jeden Anschluss an die Kanalisation bewilligungspflichtig, und Art. 38 bestimmt, dass die Einwohnergemeinde für jeden Anschluss von den Grundeigentümern eine einmalige Gebühr erhebt. Im weiteren wird von den Eigentümern der angeschlossenen Liegenschaft gemäss Art. 40 für Betrieb und Unterhalt der Anlagen eine jährliche Benützungsgebühr erhoben.
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Das Verwaltungsgericht ist der Rechtsauffassung, die Forderung für die Kanalisationsanschlussgebühr entstehe erst mit der Veranlagung und Rechnungstellung durch die Gemeinde und die Schuldpflicht treffe demnach denjenigen, welcher in diesem Zeitpunkt Eigentümer der angeschlossenen Liegenschaft sei. Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Die Anschlussgebühr ist eine öffentlich-rechtliche Gegenleistung für die Gewährung des Anschlusses an die Leitung eines öffentlichen Werkes. Die rechtlichen Voraussetzungen für ihre Erhebung bestimmen sich daher grundsätzlich nach dem Zeitpunkt, in dem der Anschluss vollzogen wird (BGE 102 Ia 72 mit Hinweisen), und die Gebührenpflicht trifft grundsätzlich den anschliessenden Grundeigentümer, weil er den Rechtsgrund für die Entstehung der Abgabe setzt (IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung II, S. 777 ff. insb. S. 781; ZAUGG, Steuer, Gebühr und Vorzugslast, ZBl 74/1973 S. 222). Ferner entspricht es, entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil, der Ansicht FLEINERS (Institutionen des deutschen Verwaltungsrechts, 8. Auflage, Zürich 1939, S. 429/30 insb. N. 37), dass die Abgabepflichtigkeit mit der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen entstehe. In den Fällen, in denen mittels Veranlagung und Rechnungstellung der Umfang der Abgabe erst nach der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen konkretisiert werde, sei - so führt Fleiner weiter aus - dennoch die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen und nicht die konkretisierende Erklärung der veranlagenden Behörde massgebender Zeitpunkt für die Begründung der Abgabepflicht. Die Veranlagung bringe lediglich eine bereits bestehende gesetzliche Verpflichtung zu konkreter Geltung. Deshalb werde ein Abgabepflichtiger durch den Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen vor der BGE 103 Ia 26 (29):
Veranlagung nicht von der Abgabe befreit. Wenn das Gesetz eine Person als abgabepflichtig erklärt habe, bleibe sie es auch, wenn der Termin der Veranlagung hinausgeschoben werde (so auch BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Auflage, Zürich 1971, S. 261, 350 ff.). Etwas anderes behauptet auch ZIMMERLIN (Bauordnung der Stadt Aarau, Zürich 1960, S. 252 N. 2) nicht, auf den sich das Verwaltungsgericht beruft. Der Erlass einer Veranlagungsverfügung sowie die Rechnungstellung sind lediglich Mittel zur Geltendmachung der Abgabeforderung. Daraus kann sich nicht die rechtliche Folgerung ergeben, dass die Veranlagungsverfügung gegenüber jemand anderem zu ergehen hätte, als gegenüber dem Grundeigentümer, der den Abgabesachverhalt (Kanalisationsanschluss) begründet hat. Noch weniger ist der rechtliche Schluss zulässig dass ein Schuldnerwechsel eintrete, wenn zwischen der Entstehung der Gebührenpflicht und ihrer Veranlagung ein Eigentümerwechsel stattfindet. Die Gebührenschuld ist eine persönliche Schuld dessen, der den Abgabetatbestand gesetzt hat. Eine Abgabesukzession dieser Art bedürfte einer klaren gesetzlichen Grundlage (BGE 98 Ia 178), zumal die Bestimmung des Abgabesubjekts zu den wesentlichen Elementen gehört, welche im Grundlageerlass enthalten sein müssen (BGE 97 I 348). Daher kann die seither durch die Gesetzgebung des Kantons Bern überholte frühere bernische Praxis nicht zur Stützung des Standpunktes des Verwaltungsgerichts herangezogen werden, wonach die Kanalisationsanschlussgebühr bei Handänderung von jedem späteren Eigentümer eingefordert werden kann, sofern das Kanalisationsreglement nichts anderes bestimme (MBVR 37/1939 S. 291). Mit dem alten Kanalisationsreglement lässt sich der Entscheid des Verwaltungsgerichts deshalb nicht begründen. Es fehlt die klare gesetzliche Grundlage, welche zur Einführung der Abgabesukzession erforderlich wäre.
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Das Verwaltungsgericht macht zu Recht nicht geltend, die Regelung des aKR sei lückenhaft. Abgesehen davon, dass eine Lücke im öffentlichen Recht nicht leichthin angenommen werden darf (BGE 100 Ib 157, gibt das Verwaltungsgericht keine stichhaltigen Gründe an, welche eine Abweichung von der klaren, aus dem aKR hervorgehenden Regelung rechtfertigen würden. Tatsächlich lässt sich die Regelung des aKR, welche lediglich die Gebührenpflicht des Eigentümers im Zeitpunkt BGE 103 Ia 26 (30):
des Anschlusses vorsieht, mit ebenso guten Gründen vertreten wie eine Regelung, welche die alleinige oder solidarische Haftung des Rechtsnachfolgers begründet, so dass für die Annahme einer Lücke kein Raum bleibt.
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Die Anwendbarkeit des nKR wird zunächst mit Überlegungen begründet, die nach der vorangehenden Erwägung 2 vor Art. 4 BV nicht standhalten. Der massgebende, gebührenbegründende Sachverhalt wurde nicht mit der Veranlagung und Rechnungstellung, welche unter der Herrschaft des nKR erfolgten, begründet, sondern mit dem Kanalisationsanschluss. Wird zur Beurteilung des 1968 erfolgten Kanalisationsanschlusses das nKR angewendet, liegt Rückwirkung vor, welche einer gesetzlichen Grundlage bedarf; diese fehlt im nKR, so dass nicht geprüft werden muss, ob die weiteren Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Rückwirkung erfüllt sind (vgl. auch BGE 102 Ia 72).
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Ebensowenig vermag die Überlegung zu überzeugen, dass die Anschlussgebühr nicht gefordert werde, weil das Grundstück Nr. 144 im Jahre 1968 an die Kanalisation angeschlossen worden sei, sondern weil der Anschluss im Zeitpunkt des Inkrafttretens des nKR noch bestehe und fortbestehen bleibe. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts, auf welche sich das Verwaltungsgericht zur Stützung seiner Überlegung bezieht (BGE 97 I 337), betrifft einen andern Sachverhalt. Dort wurde eine neue Kanalisation gebaut und von den Benützern der alten Kanalisation auf Grund des Anschlusses an die neue Kanalisation eine einmalige Anschlussgebühr erhoben. Das Verwaltungsgericht hat nicht behauptet, seit dem Kanalisationsanschluss BGE 103 Ia 26 (31):
der Liegenschaft Nr. 144 sei die Gemeindekanalisation erneuert und deshalb ein neuer Anschlusstatbestand gesetzt worden.
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Das nKR bestimmt in Art. 41 Abs. 2 letzter Satz, der Käufer hafte für die Kanalisationsanschlussgebühr solidarisch mit dem Verkäufer. Auch diese Bestimmung kann nur auf Anschlüsse angewendet werden, die seit Inkrafttreten des nKR vollzogen worden sind, denn es fehlt auch bezüglich dieser Bestimmung an den Voraussetzungen für eine Rückwirkung. Die an das nKR anknüpfende Begründung des Verwaltungsgerichts vermag deshalb die Veranlagung des Beschwerdeführers auch nicht zu stützen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist deshalb wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben.
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