BGE 104 Ia 6 |
3. Urteil vom 15. Februar 1978 i.S. Regli gegen Einwohnergemeinde Hospental und Regierungsrat des Kantons Uri |
Regeste |
Art. 4 BV. Parteientschädigung im Verwaltungsverfahren. |
Sachverhalt |
Arthur Regli hatte gegen ein Bauvorhaben Max Melottis in Hospental Einsprache erhoben. Der Gemeinderat Hospental erteilte indessen die Baubewilligung, ohne diese Einsprache zu behandeln. Arthur Regli liess durch einen Anwalt beim Regierungsrat des Kantons Uri eine Beschwerde einreichen, mit der er rügte, dass die Baubewilligung erteilt und die Bauarbeiten begonnen worden seien, ohne dass seine Baueinsprache behandelt worden wäre. Der Gemeinderat Hospental unterzog sich stillschweigend der Beschwerde, indem er - zur Vernehmlassung aufgefordert - einen Entscheid eröffnete, wonach auf die Baueinsprache Arthur Reglis mangels Legitimation nicht eingetreten werde. |
Entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers erklärte der Regierungsrat die fragliche Beschwerde als gegenstandslos, lehnte jedoch die Zusprechung einer Parteientschädigung ab. Wohl sei der Beschwerdeführer, nachdem der Gemeinderat seinem Begehren entsprochen habe, als obsiegende Partei anzusehen. Die Vorschrift, wonach dem obsiegenden Beschwerdeführer, dem im Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, eine Parteientschädigung zuzusprechen sei, sei indessen restriktiv auszulegen, und zwar in dem Sinne, dass nur die notwendigen und verhältnismässigen Anwaltskosten zu vergüten seien. Im vorliegenden Falle sei der Beizug eines Anwaltes nicht notwendig gewesen, weshalb ein Kostenersatz nicht in Betracht falle. Arthur Regli führt gegen diesen Entscheid des Regierungsrates wegen Verletzung von Art. 4 BV staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht heisst diese gut aus folgenden |
Erwägungen: |
"Dem teilweise oder ganz obsiegenden Beschwerdeführer, dem im
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Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, ist eine
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Parteientschädigung zuzuerkennen."
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Es ist unbestritten und unbestreitbar, dass der Beschwerdeführer als obsiegend zu gelten hat. Da ihm in diesem Verfahren Anwaltskosten entstanden sind, hat er nach dem Wortlaut der Vorschrift Anspruch auf Zusprechung einer Parteientschädigung. Die vom Regierungsrat befürwortete "restriktive" Auslegung läuft auf eine Abweichung vom Wortlaut hinaus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann die rechtsanwendende Behörde ohne Willkür vom klaren Gesetzeswortlaut nur dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe können sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Grund und Zweck der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit andern Gesetzesbestimmungen ergeben (BGE 103 Ia 117, BGE 101 Ia 207, BGE 99 Ia 575 mit Hinweisen).
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"Im Verwaltungsverfahren werden unter Vorbehalt der nachfolgenden
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Bestimmungen in der Regel weder Gebühren erhoben noch Parteientschädigungen
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zugesprochen."
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Der Vergleich der beiden Bestimmungen führt nicht zum Schluss, den der Regierungsrat zieht. Die beiden Bestimmungen haben nebeneinander Platz, wenn angenommen wird, dass jener Partei keine Parteientschädigung für ihren Prozessaufwand zukommt, welche keinen Anwalt beizieht, wohl aber derjenigen, welche sich eines Anwaltes bedient. Darin liegt noch keine Rechtsungleichheit. Auch die Partei, die mit einem Anwalt auftritt, hat ihren eigenen Aufwand zu tragen, der ihr regelmässig neben den Anwaltskosten entsteht. Vielfach werden mit der Parteientschädigung nicht die vollen Anwaltskosten gedeckt. Zwischen Art. 17 und 19 VGV besteht sachlich insoweit kein Widerspruch. Die beiden Vorschriften lassen sich auch formal miteinander ohne weiteres vereinbaren, da Art. 17 VGV nur einen allgemeinen Grundsatz enthält und die nachfolgenden besonderen Bestimmungen ausdrücklich vorbehalten werden.
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"Dem teilweise oder ganz obsiegenden Beschwerdeführer, dem im
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Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, kann, sofern es
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sich nicht um einen offensichtlichen Bagatellfall handelt, eine
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Parteientschädigung zuerkannt werden."
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Die landrätliche Prüfungskommission strich zunächst den Teil der Bestimmung heraus, wonach für offensichtliche Bagatellsachen eine Vergütung der Parteientschädigung ausbleiben sollte. Es blieb einstweilen noch bei einer "Kann-Vorschrift".
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Die Kommission des Landrates schlug indessen am 29. Oktober 1973 vor, die Bestimmung so zu fassen, dass eine Parteientschädigung zuzusprechen ist, wenn dem obsiegenden Beschwerdeführer Anwaltskosten entstanden sind. Diesem Antrag schloss sich der Landrat am 12. Dezember 1973 an.
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Erst dadurch wurde der angebliche Gegensatz zu Art. 17 VGV geschaffen. Nach dem Gesagten liegt jedoch kein triftiger Grund zur Annahme vor, dass der Wortlaut von Art. 19 VGV nicht dem wahren Sinn der Vorschrift entspricht. Bestünde zwischen Art. 17 VGV und Art. 19 VGV ein Widerspruch, so müsste er nach der dargelegten Entstehungsgeschichte zu Gunsten des Wortlautes von Art. 19 VGV gelöst werden, umso mehr, als diese letztere Bestimmung den Charakter einer Sondervorschrift hat, die der allgemeinen Regel des Art. 17 VGV vorgeht. |
4. Nach Art. 19 VGV hat der obsiegende Beschwerdeführer, dem im Verwaltungsverfahren Anwaltskosten entstanden sind, Anspruch auf eine Parteientschädigung. Dass diese die entstandenen Anwaltskosten in jedem Falle decken muss, wird in Art. 19 VGV nicht gesagt. Doch ist es mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht vereinbar, eine Parteientschädigung überhaupt nur dann zu gewähren, wenn der Beizug eines Anwaltes "notwendig" und dem Bürger ein eigenes Handeln nicht mehr zuzumuten war. Eine derartige zusätzliche Voraussetzung wäre zwar sachlich vertretbar. Sie entspricht aber nicht dem Wortlaut von Art. 19 VGV, und es besteht kein triftiger Grund für die Annahme, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Der angefochtene Entscheid ist daher wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben.
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