BGE 107 Ia 117
 
23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Oktober 1981 i.S. Joseph Müller AG Zürich gegen S.A. d'Exploitation et de Développement und Obergericht des Kantons Glarus (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 4 BV; Willkür.
 
Sachverhalt


BGE 107 Ia 117 (118):

In einem Anfechtungsprozess gemäss Art. 286 ff. SchKG mit einem Streitwert von rund Fr. 110'000.-- verlangte der Präsident des Zivilgerichts Glarus von der Joseph Müller AG einen Kostenvorschuss von Fr. 4'000.--. Die Joseph Müller AG stellte dem Zivilgericht daraufhin ein Inhabersparheft der Luzerner Kantonalbank mit einer Einlage von Fr. 4'000.-- zu. Nachdem der Zivilgerichtspräsident die Firma vergeblich aufgefordert hatte, den Vorschuss in bar zu bezahlen, erliess er am 18. Dezember 1980 eine begründete Verfügung, in der er feststellte, der Kostenvorschuss sei mit der Übersendung des fraglichen Inhabersparheftes nicht geleistet worden. Gleichzeitig setzte er der Firma eine Nachfrist zur Bezahlung des Kostenvorschusses an.
Die Joseph Müller AG erhob gegen diese Verfügung beim Obergericht des Kantons Glarus Nichtigkeitsbeschwerde. Auch in diesem Verfahren leistete die Firma keinen Barvorschuss, sondern sandte dem Obergericht ein auf den verlangten Betrag lautendes Inhabersparheft zu. Das Obergericht nahm wie angedroht an, die Beschwerde sei wegen Nichtleistens des Kostenvorschusses zurückgezogen worden und schrieb den Prozess am 29. April 1981 als erledigt ab.
Gegen diesen Entscheid hat die Joseph Müller AG staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV eingereicht.
 
Das Bundesgericht weist die Beschwerde aus folgenden Erwägungen ab:
2. a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, das Obergericht des Kantons Glarus habe kantonale Prozessvorschriften willkürlich angewendet, indem es das Sparheft nicht als Barkaution

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entgegennahm. Damit habe ihr das Obergericht das rechtliche Gehör verweigert. Die einzige Norm, die hier in Betracht fällt, ist Art. 27 der Zivilprozessordnung des Kantons Glarus vom 2. Mai 1965 (ZPO). Absatz 1 dieser Bestimmung lautet wie folgt:
"Zur Deckung der Gerichtskosten und allfälliger Gebühren oder Ausgaben sind Kläger und Widerkläger pflichtig, einen angemessenen Vorschuss bei der Gerichtskasse zu hinterlegen, dessen Betrag vom Gerichtspräsidenten angesetzt wird, in besonderen Fällen, auf Antrag der Gegenpartei, auch für die ausserrechtliche Entschädigung. Reicht der Vorschuss nicht aus, so sind Kläger und Widerkläger pflichtig, ihn nach Weisung des Gerichtspräsidenten zu ergänzen."
In seinem Entscheid vom 18. Dezember 1980, dessen Begründung sich das Obergericht in vollem Umfang anschloss, hatte der Zivilgerichtspräsident ausgeführt, die zitierte Bestimmung beziehe sich auf einen echten Kostenvorschuss und nicht auf eine blosse Kaution. Der Vorschuss diene dazu, die im Zusammenhang mit einem Verfahren entstehenden Kosten laufend zu begleichen, im Gegensatz zur Kaution, die erst in Anspruch genommen werden könne, wenn einer Partei definitiv Prozesskosten auferlegt worden seien. Die Beschwerdeführerin betrachtet diese Unterscheidung als "spitzfindige Wortklauberei", was auf den Vorwurf des überspitzten Formalismus hinausläuft. Diese Rüge ist indessen nicht gerechtfertigt. Die meisten Zivilprozessordnungen der Schweiz unterscheiden zwischen Vorschüssen zur Deckung der Auslagen des Gerichtes und Kautionen, die entweder der Sicherstellung einer allenfalls der Gegenpartei zuzusprechenden Prozessentschädigung oder auch der bei Prozessende fällig werdenden Gerichtskosten dienen (vgl. z.B. für das Bundesrecht: Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege, OG, Art. 150 und 151; für den Kanton Zürich: Zivilprozessordnung §§ 73-82 einerseits, § 83 anderseits; ferner GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, S. 407 Ziff. 2 mit Fussnoten und S. 408 ff. mit Fussnoten). Die Kantone sind frei, für die gesamten Gerichtskosten das System der Kostenvorschüsse zu wählen und auf die Erhebung von Kautionen zu verzichten. Eine bundesrechtliche Bestimmung, die dies verbieten würde, besteht nicht. Der Zivilgerichtspräsident hat in seinen vom Obergericht übernommenen Erwägungen im einzelnen dargetan, weshalb der - nach seinem blossen Wortlaut nicht völlig eindeutige - Art. 27 Abs. 1 ZPO im Sinne einer Verpflichtung der klagenden Partei zu Kostenvorschüssen zu verstehen sei. Die Beschwerdeführerin tut nicht dar, weshalb diese Erwägungen

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falsch oder gar geradezu willkürlich sein sollten, sondern sie vermengt trotz der klaren Ausführungen der kantonalen Instanzen in der Beschwerde wiederum die Begriffe "Kaution" und "Kostenvorschuss". Auf diese Frage ist daher nicht weiter einzutreten.
b) Handelt es sich aber bei dem auf Grund von Art. 27 ZPO zu leistenden Vorschuss nicht um eine Kaution im technischen Sinne, sondern dient er der laufenden Deckung der Gerichtsauslagen, so ist nicht ersichtlich, weshalb es gegen Art. 4 BV verstossen sollte, wenn die Vorschüsse nur in bar entgegengenommen werden. Es trifft im Gegenteil zu, dass Vorschüsse dieser Art sogenannte Bringschulden sind, so dass dem Gericht nicht zugemutet werden kann, zur Deckung jedes einzelnen Ausgabenpostens jeweils die Bank aufzusuchen. Aus diesem Grunde kann auch das der Beschwerdeführerin bekannte, jedoch in der staatsrechtlichen Beschwerde nicht mehr erwähnte Urteil des Bundesgerichtes vom 7. Mai 1980 i.S. K. hier nicht als Präjudiz herangezogen werden. In jenem Fall ging es nicht um die Leistung eines Barvorschusses, sondern um die Leistung einer sogenannten allgemeinen Prozesskaution nach zürcherischem Recht. § 79 Abs. 2 der zürcherischen Zivilprozessordnung sieht aber ausdrücklich vor, die Kaution könne in bar, durch Hinterlegung solider Wertschriften oder durch Bankgarantie geleistet werden. Das kantonale Recht, dessen Anwendung in jenem Falle auf Willkür hin zu überprüfen war, unterscheidet sich somit grundlegend von demjenigen des Kantons Glarus.
c) Die Beschwerdeführerin glaubt, die Leistung eines Barvorschusses könne deshalb nicht verlangt werden, weil die klagende Partei auf diese Weise für die Prozessdauer um den Genuss der Zinsen des vorgeschossenen Betrages gebracht werde. Sie erblickt darin eine verfassungswidrige Abgabenerhebung und eine unzulässige Doppelbesteuerung. Gerichtsgebühren sind jedoch keine Steuern, also voraussetzungslos geschuldete Abgaben, sondern Gebühren, d.h. Gegenleistungen für das Tätigwerden der Behörden, so dass dem Einwand der Doppelbesteuerung, der übrigens nicht näher begründet wird, jede Berechtigung fehlt. Im übrigen kann die Regel, dass die den Zivilgerichten zu leistenden Vorschüsse nur dann verzinst werden, wenn das Gesetz dies ausdrücklich vorschreibt, als im schweizerischen Zivilprozess allgemein anerkannt gelten. Dass diese Richtlinie gegen die Bundesverfassung verstiesse, kann nicht im Ernst behauptet werden. Nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen Gebühren nach

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dem Kostendeckungsprinzip erhoben werden (BGE 106 Ia 252, E. 3 mit Verweisungen). Es ist allgemein bekannt, dass die Leistungen der Parteien an die Rechtspflege nur einen Teil der entstehenden Gesamtkosten decken. Bestünde nun eine Pflicht, die Vorschüsse und Kautionen zinstragend anzulegen, so hätte dies zur Folge, dass diese Leistungen noch geringer würden, da die Kosten für die Umtriebe den Zinsbetrag häufig übersteigen würden. Zudem kann das Bundesgericht den Kantonen nicht eine Ordnung vorschreiben, die nach den massgeblichen Vorschriften des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege für das Verfahren vor ihm selbst nicht gilt. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob es sich bei dem zur Hinterlage bestimmten Inhabersparheft trotz der darin enthaltenen Legitimationsklausel um ein Wertpapier handelt, das die Bank vorbehaltlos zur Zahlung an den Inhaber verpflichtet (vgl. zu dieser Frage BGE 67 II 30 und GUHL/MERZ/KUMMER, 7. Aufl., S. 819).