BGE 109 Ia 103
 
21. Urteil der II. Zivilabteilung vom 18. Oktober 1983 i.S. B. gegen Schweizerische Volksbank, Schweizerischer Bankverein und Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden (staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 4 BV; Bewilligung des Wechselrechtsvorschlags, Revision.
 
Sachverhalt


BGE 109 Ia 103 (104):

A.- B. wurde von der Schweizerischen Volksbank und dem Schweizerischen Bankverein aufgrund zweier Wechsel im Betrag von Fr. 28'500.-- bzw. 22'500.-- betrieben (Wechselbetreibungen Nrn. 6/82 und 132/82 des Betreibungsamtes Fünf Dörfer). Mit Entscheiden vom 27. Januar 1982 verweigerte das Kreisamt Fünf Dörfer die Bewilligung des von ihm erhobenen Wechselrechtsvorschlags. Die gegen diese Entscheide erhobene Berufung wies der Bezirksgerichtsausschuss von Unterlandquart am 3. März 1982 ab. Am 7. Mai 1982 eröffnete der Kreispräsident Fünf Dörfer gestützt auf das Begehren der Schweizerischen Volksbank über den Wechselschuldner den Konkurs.
B.- Am 12. August 1982 ersuchte B. beim Bezirksgerichtsausschuss von Unterlandquart um Revision des Entscheids vom 3. März 1982. Er berief sich auf ein Gutachten des Erkennungsdienstes der Kantonspolizei St. Gallen vom 16. Juni 1982, gemäss welchem keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er die beiden Wechsel mit seiner Unterschrift akzeptiert habe; die Unterschriften müssten vielmehr gefälscht sein. Mit Urteil vom 6. Oktober 1982 trat der Bezirksgerichtsausschuss auf das Revisionsbegehren nicht ein, mit der Begründung, gemäss Art. 153 Ziff. 6 ZPO GR sei die Revision im summarischen Verfahren ausgeschlossen. Eine Beschwerde gegen dieses Urteil wurde vom Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 13. Dezember 1982 abgewiesen.
C.- Gegen den Entscheid des Kantonsgerichtsausschusses hat B. staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV erhoben.
Der Kantonsgerichtsausschuss beantragt die Abweisung der Beschwerde, während die Schweizerische Volksbank und der Schweizerische Bankverein in ihren Stellungnahmen keinen Antrag stellen.
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1. Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, ein Anspruch auf Revision bestehe unabhängig vom kantonalen Prozessrecht gestützt auf Art. 4 BV dann, wenn das Nichteintreten auf ein

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Revisionsbegehren eine Rechtsverweigerung darstelle. Eine solche sei bei einem Nichteintreten auf ein Revisionsbegehren immer dann anzunehmen, wenn als Revisionsgründe strafbare Handlungen oder neue Tatsachen geltend gemacht würden und bei einer Verweigerung der Revision dem Gesuchsteller ein nicht wiedergutzumachender Nachteil entstehe. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer Opfer eines Verbrechens geworden, indem über ihn aufgrund gefälschter Wechsel der Konkurs eröffnet worden sei. Wohl hätte der Konkurs durch Bezahlung der Wechselsumme abgewendet und alsdann gestützt auf Art. 187 SchKG die ungerechtfertigte Zahlung auf dem ordentlichen Prozessweg zurückgefordert werden können. Dem Beschwerdeführer hätten aber die hiezu erforderlichen Mittel gefehlt. Unter diesen Umständen verstosse das Nichteintreten auf das Revisionsbegehren gegen Art. 4 BV.
2. Der Beschwerdeführer beruft sich zur Stützung seiner Auffassung auf IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Aufl., Bd. I, S. 264/265, Ziff. III. Die bundesgerichtlichen Urteile, auf die diese Autoren ihrerseits verweisen, beziehen sich indessen ausschliesslich auf Verwaltungssachen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts in Bundessteuersachen ist die Revision einer Steuerveranlagung auch ohne eine entsprechende Gesetzesvorschrift zulässig, wenn die Veranlagung unter Verletzung wesentlicher prozessualer Vorschriften zustande gekommen ist, wenn Tatsachen, die den Akten hätten entnommen werden können, unberücksichtigt geblieben sind oder wenn der Steuerpflichtige Tatsachen oder Beweismittel vorbringt, deren Geltendmachung ihm im früheren Verfahren nicht möglich war (BGE 105 Ib 251, BGE 103 Ib 88, BGE 98 Ia 572 /573, mit Hinweisen). In Anlehnung an diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht auch die Revision kantonaler Steuerveranlagungen ohne gesetzliche Grundlage als zulässig erachtet, ohne jedoch abschliessend festzulegen, unter welchen minimalen Voraussetzungen der Steuerpflichtige gestützt auf Art. 4 BV berechtigt ist, die Revision zu verlangen (BGE 98 Ia 572). Ausserhalb des Steuerrechts hat das Bundesgericht entschieden, dass die kantonalen Verwaltungsbehörden unter gewissen Umständen unmittelbar aufgrund von Art. 4 BV verpflichtet sind, Verwaltungsverfügungen in Wiedererwägung zu ziehen (BGE 100 Ib 371 /372 E. 3a, mit Hinweisen).
Diese Rechtsprechung lässt sich schon deswegen nicht ohne weiteres auf das Zivilprozessrecht übertragen, weil für die Rechtskraft

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von Verwaltungsverfügungen nicht die gleichen Grundsätze gelten wie für diejenige von Zivilurteilen. Dazu kommt, dass die Kantone in ihren Zivilprozessordnungen anders als in ihrer Verwaltungsgesetzgebung, die diesbezüglich oft lückenhaft ist, das Institut der Revision eingehend geregelt haben, so dass nicht leichthin angenommen werden darf, es bestünden neben den Revisionsmöglichkeiten des kantonalen Prozessrechts noch solche, die sich unmittelbar aus Art. 4 BV ergäben. Der Beschwerdeführer vermag denn auch keinen Entscheid anzuführen, gemäss welchem eine kantonale Behörde gestützt auf diese Bestimmung unabhängig vom kantonalen Recht zur Revision eines Zivilurteils verpflichtet worden wäre. Was den Entscheid über den Wechselrechtsvorschlag im besonderen betrifft, ist überdies zu beachten, dass den Kantonen in Art. 185 SchKG nur das Rechtsmittel der Berufung vorgeschrieben wird. Daraus muss geschlossen werden, dass das Bundesrecht die Zulassung ausserordentlicher Rechtsmittel den Kantonen anheimstellt, die auch sonst das anwendbare summarische Prozessverfahren auszugestalten haben (Art. 25 Ziff. 2 SchKG). Ist aber die bundesrechtliche Regelung des Rechtsmittelverfahrens beim Entscheid über den Wechselrechtsvorschlag in diesem Sinne als abschliessend zu betrachten, so können die Kantone nicht auf dem Umweg über Art. 4 BV zur Zulassung der Revision verhalten werden.
3. Es ist dem Beschwerdeführer freilich zuzugeben, dass die Rückforderungsklage gemäss Art. 187 SchKG, auf die ihn der Kantonsgerichtsausschuss verweist, in einem Fall wie dem vorliegenden nur einen unvollkommenen Ersatz für die Revision darstellt. Verfügt der Wechselschuldner nicht über die erforderlichen Mittel, so kann er die Konkurseröffnung nicht durch Bezahlung der Wechselsumme abwenden. Ist der Konkurs aber einmal eröffnet, so ist umstritten, ob die Rückforderungsklage überhaupt zulässig sei (vgl. BGE 98 II 156, mit Hinweisen), ganz abgesehen davon, dass der Gläubiger das empfangene Geld möglicherweise nicht mehr zurückgeben und dass der mit der Konkurseröffnung verbundene Makel ohnehin nicht rückgängig gemacht werden kann. Das ist jedoch die Folge der gesetzlichen Ausgestaltung der Wechselbetreibung, die es eben zulässt, dass die Bewilligung des Wechselrechtsvorschlags verweigert und danach der Konkurs eröffnet wird, wenn keiner der Rechtsvorschlagsgründe des Art. 182 SchKG nachgewiesen ist, insbesondere wenn der Schuldner die Fälschung des Titels nicht glaubhaft machen kann, obwohl die

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Wechselschuld in Wirklichkeit möglicherweise nicht besteht. Indem der Bundesgesetzgeber in Art. 25 Ziff. 2 SchKG den Kantonen für den Entscheid über die Bewilligung des Wechselrechtsvorschlags ein summarisches Verfahren vorschreibt, nimmt er es nach den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Entscheid im Interesse einer der Natur der Wechselbetreibung entsprechenden raschen Verfahrenserledigung in Kauf, dass den Parteien nur beschränkte Beweismittel zur Verfügung stehen. Wenn den Parteien aus dieser Regelung gewisse Nachteile entstehen, so kann darin nicht eine gegen Art. 4 BV verstossende Rechtsverweigerung erblickt werden, die unabhängig von der kantonalen Rechtsmittelordnung von Verfassungs wegen zur Zulassung der Revision führen müsste. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet.