BGE 118 Ia 384 - Variètè-Theater
 
53. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. November 1992
i.S. Kinvar AG gegen Basler Heimatschutz, Freiwillige Basler Denkmalpflege, Regierungsrat und Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
(staatsrechtliche Beschwerde)
 
Regeste
Art. 4 und Art. 22ter BV, Art. 17 RPG; Denkmalschutz, Gebot von Treu und Glauben.
1. Der Verzicht auf eine Schutzzonenzuweisung hat nicht zur Folge, dass eine Liegenschaft nicht mit einer Einzelverfügung (Eintrag in ein Denkmalverzeichnis) unter Denkmalschutz gestellt werden kann, da diese beiden Massnahmen grundsätzlich andere Zwecke verfolgen (E. 3).
2. Gesetzliche Grundlage für die Unterschutzstellung eines Variété-Theaters, das heute als Kino mit Gastwirtschaftsbetrieb geführt wird (E. 4a); Kognition des Bundesgerichtes in Beachtung der dem kantonalen Verwaltungsgericht zustehenden freien Ermessensüberprüfung (E. 4b).
3. Verfassungsrechtliche Voraussetzungen für die Anordnung denkmalschützerischer Massnahmen (E. 5a); Gewichtung der öffentlichen Interessen, namentlich der architektonischen und städtebaulichen Aspekte (E. 5b-d); Verhältnismässigkeit des Eigentumseingriffes, Bedeutung der finanziellen Interessen des Eigentümers (E. 5e).
 


BGE 118 Ia 384 (385):

Sachverhalt
A.- Die Kinvar AG ist Eigentümerin der Liegenschaft Steinenvorstadt 55 mit dem in den Jahren 1911/1912 im Auftrag des Unternehmers Karl Küchlin im Jugendstil erbauten Variété-Theater "Küchlin". Das Gebäude umfasst einen grossen Saal, welcher als Kino "Küchlin 1" mit 1056 Plätzen betrieben wird. Im Parterre befindet sich ein Restaurant, im ersten Stock ein "Night Club". Im Untergeschoss wurde im Jahre 1983 das Studio-Kino "Küchlin 2" gebaut.
Zwischen Juli 1984 und September 1986 wurde im Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt über eine Revision des Zonenplanes für das Gebiet der inneren Stadt Basel diskutiert. Es stand auch die Festsetzung von Schutz- und Schonzonen gemäss dem Hochbautengesetz des Kantons Basel-Stadt vom 11. Mai 1939 (HBG) sowie dem Gesetz über den Denkmalschutz vom 20. März 1980 (DSchG) in Frage. Entsprechende Abklärungen wurden getroffen, ebenso für die Steinenvorstadt. Doch stand das Küchlin nie zur Diskussion. Im Oktober 1986 wurde die Zonenplanrevision verabschiedet. Die Liegenschaft Steinenvorstadt 55 wurde keiner Schutz- oder Schonzone zugewiesen, weshalb die Kinvar AG eine Gesamtplanstudie für eine bessere Nutzung der Liegenschaft in Auftrag gab. Diese Studie sah den Abbruch des Küchlin vor. Die Basler Denkmalpflege nahm daher im November 1988 ein Inventar über das Theater auf. Am 12. Juni 1989 stellte das Erziehungsdepartement dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt den Antrag, die Liegenschaft Steinenvorstadt 55 (Theater Küchlin) ins Denkmalverzeichnis einzutragen. Diesen Antrag lehnte der Regierungsrat am 22. August 1989 ab.
Auf Beschwerde des Basler Heimatschutzes und der Freiwilligen Basler Denkmalpflege hin hob das Appellationsgericht (als Verwaltungsgericht) des Kantons Basel-Stadt am 28. Juni 1991 den

BGE 118 Ia 384 (386):

Entscheid des Regierungsrates auf. Das Gericht wies diesen an, die Liegenschaft Steinenvorstadt 55 (Theater Küchlin) in das Denkmalverzeichnis einzutragen. Dagegen erhob die Kinvar AG staatsrechtliche Beschwerde. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab
 
Auszug aus den Erwägungen:
aus folgenden Erwägungen:
 
Erwägung 3
3.- a) Die Beschwedeführerin erachtet das aus Art. 4 BV fliessende Gebot von Treu und Glauben als verletzt, weil im Rahmen der Überarbeitung der Ortsplanung für die innere Stadt das Küchlin nie als schutzwürdig betrachtet worden sei. Massnahmen des Denkmalschutzes können nicht nur mittels Festlegungen in Zonenplänen (Art. 17 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung vom 22. Juni 1979 [SR 700]; § 1 lit. a Ziff. 9, §§ 3 und 3a des Anhanges zum Hochbautengesetz sowie § 13 DSchG), sondern auch durch andere geeignete Massnahmen wie Einzelverfügungen getroffen werden (Art. 17 Abs. 2 RPG; BGE 116 Ia 47 E. 4c, cb). Dazu gehört der Eintrag in das Denkmalverzeichnis. Die Schutz- bzw. Schonzonenfestsetzung bezweckt einen flächendeckenden Schutz, der sich im wesentlichen auf das Äussere von Bauten, aber auch auf Ensembles bezieht (§§ 3 und 4 des Anhanges zum Hochbautengesetz). Demgegenüber hat der Eintrag in das Denkmalverzeichnis auch den Schutz des Inneren einer Baute zur Folge (§§ 13 und 17 ff. DSchG; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 17. August 1989 i.S. P. Sp. Bau AG gegen Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt, E. 3b und c). Der Verzicht auf eine Schutz- oder Schonzonenfestsetzung bedeutet demnach noch nicht, dass eine Baute nicht schutzwürdig ist. Unter diesen Umständen liegt keine Verletzung des Vertrauensprinzips vor. Dass die kantonalen Behörden mit der Aufnahme in das Denkmalverzeichnis zugewartet hatten, bis konkreten Abbruchabsichten bekannt wurden - eine Praxis, die das Verwaltungsgericht ausdrücklich kritisierte -, ändert hieran nichts, da diese Unterlassung einer wenn auch späten Gesetzesanwendung nicht entgegensteht.
b) Es trifft sodann nicht zu, dass das Küchlin vor dem Eintrag ins Denkmalverzeichnis zunächst hätte ins Inventar der Denkmäler gemäss § 14 der Verordnung über den Denkmalschutz vom 14. April 1982 (DSchV) aufgenommen werden müssen. Diesem Inventar kommt keine Rechtswirkung zu; es dient lediglich der Information (§ 14 Abs. 1 Satz 2 DSchV; CHRISTOPH WINZELER, Grundfragen des

BGE 118 Ia 384 (387):

neuen baselstädtischen Denkmalschutzrechtes, BJM 1982, S. 178). Auch wenn die Aufnahme einer Baute in das Inventar dem Grundeigentümer angezeigt werden muss (§ 14 Abs. 2 DSchV), hat dieses primär verwaltungsinternen Charakter (§ 14 Abs. 3 DSchV; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 19. April 1989 i.S. Sch. gegen Gemeinde Alterswil, E. 3b). Aus der kantonalen Denkmalschutzgesetzgebung ergibt sich nicht, dass die Eintragung in das Inventar gemäss § 14 DSchV Voraussetzung wäre, um eine Baute ins Denkmalverzeichnis aufzunehmen.
 
Erwägung 4
Mit dem Eintrag in das Denkmalverzeichnis wird der Beschwerdeführerin die bisherige Nutzung ihrer Liegenschaft als Kino, Theater, Restaurant und Night Club nicht verunmöglicht. Sie hat jedoch das Küchlin so zu unterhalten, dass sein Bestand dauernd gesichert bleibt. Dieser Eingriff ist namentlich deshalb als schwer zu bezeichnen, weil wesentliche Nutzungsänderungen, welche die Beschwerdeführerin zur Sicherstellung einer dauerhaften wirtschaftlichen Nutzung ihrer Liegenschaft als notwendig erachtet, im Falle des Denkmalschutzes grundsätzlich ausgeschlossen sind. Es ist daher frei zu prüfen, ob eine klare und eindeutige gesetzliche Grundlage vorliegt (BGE 116 Ia 45 E. 4c; 113 Ia 440 E. 2).
§ 5 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes bezeichnet als Denkmäler "Einzelwerke, Ensembles und deren Reste, die wegen ihres kulturellen, geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Wertes erhaltenswürdig sind". Als solche kommen gemäss § 5 Abs. 2 DSchG unter anderem in Betracht: private Bauwerke wie Wohn- und Geschäftshäuser, Gaststätten, technische Anlagen (Ziffer 1), Fassaden (Ziffer 4), einzelne Objekte wie Beleuchtungseinrichtungen (Ziffer 5), Bauteile und Zubehör wie Treppenanlagen, Böden, Getäfer, Stukkaturen, Schilder und Verzierungen (Ziffer 6). Diese weite, mit nicht abschliessenden Beispielen präzisierte Begriffsumschreibung

BGE 118 Ia 384 (388):

ist als klar und eindeutig zu bezeichnen. Wortlaut und Zweck dieser Bestimmungen erlauben den umfassenden Schutz eines privaten Geschäftshauses mit Gastwirtschaftsbetrieb, dem als ursprüngliches, der "leichten Muse" dienendes Variété-Theater eine gewisse kulturelle Bedeutung nicht abzusprechen ist und dessen Zweckbestimmung in der baulichen Gestaltung im Innern und Äussern zum Ausdruck kommt.
b) Das Bundesgericht prüft ebenfalls frei, ob für eine Denkmalschutzmassnahme öffentliche Interessen sprechen, welche die entgegenstehenden privaten Interessen überwiegen. Der Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Interessenabwägung willkürlich vorgenommen, kommt deshalb keine selbständige Bedeutung zu (BGE 116 Ia 225 E. 1d, bb). Das Bundesgericht auferlegt sich indes Zurückhaltung, soweit die Beurteilung von der Würdigung örtlicher Verhältnisse abhängt, welche die kantonalen Behörden besser kennen und überblicken, und soweit sich ausgesprochene Ermessensfragen stellen. Diese Zurückhaltung, die auch dann gilt, wenn das Bundesgericht einen Augenschein durchgeführt hat (BGE 115 Ia 372 E. 3 und 386 E. 3), ist auf dem Gebiet des Denkmalschutzes geboten. Es ist in erster Linie Sache der Kantone, darüber zu befinden, welche Objekte Schutz verdienen (BGE 115 Ia 30 E. 4a und 372 E. 3).
In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass das Verwaltungsgericht in Fragen des Denkmalschutzes über eine volle Kognition verfügt, welche die Überprüfung der Angemessenheit einer Verfügung einschliesst (§ 28 DSchG). Auch wenn es zu Recht nicht sein Ermessen an die Stelle desjenigen des Regierungsrates gesetzt hat, ist der ihm zugewiesenen vollen Kognition bei der Beurteilung des "kulturellen, geschichtlichen, künstlerischen oder städtebaulichen Wertes" einer Baute (§ 5 Abs. § DSchG) Rechnung zu tragen. Das Gericht hat entgegen der Kritik des Justizdepartementes nicht "ausserhalb seines Ermessens" entschieden. Es ist vielmehr in Ausübung des ihm eingeräumten Beurteilungsspielraumes zu der vom Regierungsrat abweichenden Beurteilung der Schutzwürdigkeit gelangt. Ob das Gericht seine Folgerung ohne Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Beschwerdeführerin ziehen durfte, ist nachfolgend in Respektierung der dem Bundesgericht als Verfassungsgericht obliegenden Zurückhaltung zu prüfen.
 
Erwägung 5
5.- a) Eigentumsbeschränkungen zum Schutz von Baudenkmälern liegen ganz allgemein im öffentlichen Interesse (BGE 116 Ia 49; 115 Ia 373 E. 3a; 109 Ia 259 E. 5a). Damit ist allerdings die Frage

BGE 118 Ia 384 (389):

noch nicht beantwortet, wie weit das öffentliche Interesse an Denkmalschutzmassnahmen allgemein reicht bzw. welche Objekte durch denkmalpflegerische Massnahmen Schutz verdienen und in welchem Ausmass. In dieser Hinsicht haben die Auffassungen eine starke Entwicklung erfahren. Während früher in erster Linie Bauten von überragender Schönheit und Altertümer unter Schutz gestellt wurden, erstreckt sich heute der Blick des Denkmalschutzes auch auf Objekte aus neuerer Zeit und auf Gebäude, welche für ihre Entstehungszeit charakteristisch sind (BGE 101 Ia 219 E. 5a; 97 I 642 E. 6b; 91 I 342 f. E. 3a und b): Der Denkmalschutz kann sich dabei etwa auf typische Zeugen aus dem ausgehenden 19. und sogar aus dem 20. Jahrhundert beziehen, so auf Gewerbe- und Fabrikbauten oder technischen Anlagen aus dieser Zeit (Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Juli 1986, publiziert in ZBl 88/1987 S. 538 ff.). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Objekt Schutz verdient, hat eine sachliche, auf wissenschaftliche Kriterien abgestützte Gesamtbetrachtung Platz gegriffen, welche den kulturellen, geschichtlichen, künstlerischen und städtebaulichen Zusammenhang eines Bauwerkes mitberücksichtigt. Eine Baute soll als Zeuge und Ausdruck einer historischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Situation erhalten bleiben (BGE 109 Ia 260 f. E. 5b; Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Juli 1986, E. 3c, publiziert in ZBl. 88/1987 S. 541 f.).
Das Recht des Kantons Basel-Stadt trägt diesem Verständnis Rechnung, indem Einzelwerke nicht nur aufgrund ihres künstlerischen oder städtebaulichen, sondern namentlich auch wegen ihres kulturellen und geschichtlichen Wertes als erhaltenswürdig betrachtet werden können (§ 5 Abs. 1 DSchG; nicht publiziertes Urteil des Bundesgerichtes vom 17. August 1988 i.S. Sp. Bau AG gegen Grosser Rat des Kantons Basel-Stadt, E. 4d). In diesem Sinne hat das Bundesgericht die Unterschutzstellung des im Jugendstil gehaltenen Inneren des Zürcher Cafés Odeon unter anderem deshalb geschützt, weil es Begegnungsort berühmter Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Literatur, Musik und Kunst war (BGE 109 Ia 261 E. 5b). Doch ist, was das Verwaltungsgericht nicht verkannt hat, zu beachten, dass Denkmalschutzmassnahmen mit den oftmals schwerwiegenden Eigentumseingriffen nicht lediglich im Interesse eines begrenzten Kreises von Fachleuten erlassen werden dürfen. Sie müssen breiter, auf objektive und grundsätzliche Kriterien abgestützt sein und von einem grösseren Teil der Bevölkerung bejaht werden, um Anspruch auf eine gewisse Allgemeingültigkeit erheben zu können (BGE 89 I 474 E. 4b; Urteil des Bundesgerichtes vom 2. Juli 1986,

BGE 118 Ia 384 (390):

E. 3c, publiziert in ZBl. 88/1987 S. 542). Die Anwendung dieser Grundsätze führt zu folgenden Ergebnissen:
b) Mit Bezug auf den architektonischen und architekturhistorischen Wert des Küchlin ist vorab festzustellen, dass es im Inventar der neueren Schweizer Architektur (INSA), welches städtebaulich wertvolle Bauten erfassen will, verzeichnet ist. Zum Äusseren hebt Prof. Mörsch in seinem Gutachten die sichere typologische und künstlerische Umsetzung der neuartigen Bauaufgabe "Variété-Theater" an der Fassade hervor, welche von grosser architektonischer Reife zeuge. Rebsamen kommt zum gleichen Ergebnis und legt in seiner Expertise dar, die Bedeutung des Küchlin als Variété werde durch den sechsteiligen, vom Bildhauer Karl Albiker geschaffenen Fries unterstrichen, der mit seinen zahlreichen bewegten Figuren das im Haus damals gebotene Programm veredle und verewige und umgekehrt die Kunstgattung des Reliefs als Werbemittel einsetze. Das Inventar der Basler Denkmalpflege weist ebenfalls auf den Zusammenhang zwischen den Reliefs und der Theaterform des Variété hin. Am Augenschein bestätigte sich dieser Eindruck.
Hinsichtlich der Innengestaltung misst Mörsch der architektonischen Leistung eine grosse Bedeutung namentlich wegen der Art und Weise zu, wie das klassische Rangtheater aufgegriffen und der anspruchsvolle Jugendstildekor dem Spielzweck des Gebäudes angepasst wird. Sodann unterstreicht er die Kohärenz zwischen Innen und Aussen, Betrieb und Typ, Nutzung und Dekor, welcher für das Küchlin besonders dicht und entsprechend auch stets betont worden sei. Die Verzierungen des ersten und zweiten Ranges mit den Akanthusblättern und der darin integrierten Beleuchtung mit kleinen Birnen hat er anlässlich des Augenscheines als "sehr schön" bezeichnet, was die Verfahrensbeteiligten nicht in Abrede stellten. Bezüglich des grossen Kinosaales zeigte der Vertreter der Basler Denkmalpflege anlässlich des Augenscheines auf, dass der ganze Raum und die Decke auch heute noch sehr gut auf den Betrachter wirke, auch wenn der ehemalige Deckenleuchter verschwunden sei. Namentlich lenkte er den Blick auf die gut wirkende Spannung zwischen den Verzierungen an den Rängen und den modernen Konstruktion mit feinen Betonsäulen und -sockeln mit dem Unterzug an den Rängen hin. Diese Beurteilung blieb am Augenschein unbestritten.
Das Verwaltungsgericht hielt die Schlussfolgerungen der beiden Gutachter sowie der Basler Denkmalpflege gemäss Inventar vom November 1988, wonach das Küchlin in architektonischer Hinsicht

BGE 118 Ia 384 (391):

übereinstimmend als erhaltenswert bezeichnet wird, für überzeugend, weshalb sich eine Unterschutzstellung rechtfertige. Das Bundesgericht hat bei der ihm als Verfassungsgericht gebotenen Zurückhaltung und unter Berücksichtigung der Feststellungen anlässlich des Augenscheines keinen Anlass, die auf sachkundigen Erwägungen beruhende Würdigung des Verwaltungsgerichtes zu beanstanden.
c) Die Beschwerdeführerin meint, die Hauptfassade mit den in unregelmässigen Abständen gesetzten, dick wirkenden Säulen, die sich nicht verjüngten, wie dies für den klassischen Stil kennzeichnend sei, verdiene es deshalb wie auch wegen des im Vergleich zum klassischen griechischen Theater fehlenden Dachaufbaues nicht, geschützt zu werden. Wie der Gutachter Mörsch jedoch anlässlich des Augenscheines dargelegt hat, ist die Fassade nicht zuletzt deshalb wertvoll, weil sie an der Schwelle zwischen Jugendstil und Neuzeit gebaut worden sei und die Säulen durchaus mit dem Dach harmonierten, auch wenn die gewählte Säulenkonstruktion keinem der klassischen griechischen Typen entspreche. Auch die Tatsache, dass im Innern des Küchlin verschiedene bauliche Veränderungen vorgenommen worden sind. ändert nichts an der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Es hat auf diese Umbauten Bezug genommen und die Würdigung der Basler Denkmalpflege, wonach die Veränderungen als Verminderung des architektonischen Eigenwertes zu bezeichnen sind, grundsätzlich geteilt, doch dargelegt, dies spreche nicht gegen die Unterschutzstellung, da das Küchlin - gesamthaft betrachtet - dennoch als wertvoll zu bezeichnen sei.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Küchlin zufolge der erwähnten Umbauten im Innern an architektonischem Wert eingebüsst hat, ist daraus nicht zu folgern, eine Unterschutzstellung komme nicht in Betracht. Einerseits ist daran zu erinnern, dass es der heutigen Denkmalpflege nicht nur ausschliesslich um die Erhaltung des besonders Schönen und Wertvollen geht. Anderseits hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf die Symbolwirkung der Baute als markanter und prägender Bau in der Steinenvorstadt sowie dessen wichtige Rolle als Institution für Vergnügen und Unterhaltung und damit für die Lebensfreude im allgemeinen hingewiesen. Dies deckt sich mit den im Inventar der Basler Denkmalpflege wie auch im Gutachten Rebsamen getroffenen Feststellungen, wonach das Küchlin eine städtebauliche Entwicklung in Gang gesetzt habe, die aus der ehemals stillen Steinenvorstadt den Vergnügungsboulevard Basels werden liess.
Unter dem Gesichtspunkt der städtebaulichen und kulturhistorischen Bedeutung des Küchlin ist die Unterschutzstellung auch

BGE 118 Ia 384 (392):

deshalb nicht zu beanstanden, weil das Küchlin eines der ältesten heute noch bestehenden Variété-Theater der Schweiz und somit ein wichtiger Zeuge einer um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufgekommenen, das Unterhaltungsleben lange Zeit prägenden Theaterform ist. Weiter steht das Küchlin an der Schwelle zwischen Variété und dem Anfang dieses Jahrhunderts immer populärer werdenden Lichtspieltheater, war doch nach den Feststellungen der Basler Denkmalpflege gerade der Erbauer des Küchlin eine der Persönlichkeiten in Basel, die dem Film zur Durchbruch verhelfen wollte. In Basel ist das Küchlin überhaupt die einzige noch erhaltene historische Theaterbaute. Dies rechtfertigt den Eintrag im Denkmalverzeichnis ungeachtet der Frage, ob es in Basel andere Jugendstilbauten wie Villen und Geschäftshäuser gibt, die aus architektonischer Sicht noch erhaltenswerter als das Küchlin sind. Auch spielt es keine entscheidende Rolle, ob es in der Schweiz oder im Ausland Theaterbauten gibt, die noch bedeutender als das Küchlin wären. Selbst ein Werk von lokaler Bedeutung kann geschützt werden, wenn es das noch einzige Zeugnis seiner Stilrichtung und Zwecksetzung ist (YVO HANGARTNER, Grundsätzlich Probleme der Eigentumsgarantie und der Entschädigungspflicht in der Denkmalpflege, in: Rechtsfragen der Denkmalpflege, St. Gallen 1981, S. 62). Bei dieser Sachlage ist dem "biographischen" Denkmalwert des Küchlin, weil darin früher namentlich international wie national berühmte Künstler aufgetreten waren, keine entscheidende Bedeutung beizumessen, wie das Verwaltungsgericht zu Recht erkannte.
d) Dass die Unterschutzstellung des Küchlin nur im Interesse eines engen Kreises fachspezifisch Interessierter stehe, kann nicht gesagt werden, auch wenn für diese Schlussfolgerung nicht ohne weiteres auf die von 15000 Personen unterzeichnete Petition abgestellt werden kann. Immerhin liegt darin ein nicht unbeachtliches Indiz für die herrschende breitere Zustimmung für den Schutz des Küchlin, die von den offiziellen Denkmalpflegebehörden, den privaten Heimatschutzorganisationen und den Experten übereinstimmend geteilt wird. Dass namentlich das Basler Baudepartement und das Finanzdepartement sich grundsätzlich nicht für eine Unterschutzstellung aussprechen, ändert daran nichts. Die ablehnende Haltung des Baudepartementes, welche vom Kantonsbaumeister am Augenschein bestätigt wurde, beruht auf den bei einer Unterschutzstellung aller Voraussicht nach aufzubringenden hohen Renovationskosten und der Schwierigkeit, das Küchlin in das Theaterkonzept einzubauen. Das Finanzdepartement befürchtet die finanziellen Folgen einer

BGE 118 Ia 384 (393):

allfälligen materiellen Enteignung. Diesen Fragenkomplexen kommt jedoch für die Beurteilung des vorliegenden Falles in Anbetracht der dargelegten Bedeutung der Baute in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht keine entscheidende Bedeutung zu. Ob im übrigen der Eintrag in das Denkmalverzeichnis zu einer materiellen Enteignung führt, steht nicht fest, weshalb die Frage einer allfälligen Übernahme der Liegenschaft durch den Kanton offen ist. Für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Eigentumsbeschränkung genügt es, dass ein gerichtliches Verfahren für die Beurteilung allfälliger Entschädigungsansprüche zur Verfügung steht.
e) Das Verwaltungsgericht durfte somit in Ausübung der ihm zugewiesenen umfassenden Rechts- und Ermessenskontrolle ein überwiegendes öffentliches Interesse an der integralen Unterschutzstellung des Küchlin bejahen, auch wenn die Beschwerdeführerin meint, ihr sei die Denkmalschutzmassnahme nicht zuzumuten, weil ihr ein kostendeckender Betrieb der Liegenschaft nicht möglich sei. Diese rein finanziellen Interessen an einer möglichst gewinnbringenden Ausnutzung der Liegenschaft vermögen das öffentliche Interesse an der Denkmalschutzmassnahme grundsätzlich nicht zu überwiegen. Wäre dem nicht so, könnten in Stadtzentren wie der Steinenvorstadt unter Umständen überhaupt keine Bauten mehr, deren Schutzwürdigkeit gegeben ist, ins Denkmalverzeichnis aufgenommen werden (BGE 109 Ia 263 E. 5d; nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtes vom 17. August 1989 i.S. Sp. Bau AG gegen Basel-Stadt, E. 4e). Es ist verständlich, dass ein Eigentümer einer in diesen Gebieten liegenden Parzelle sein Grundeigentum möglichst gewinnbringend nutzen möchte. Doch übersieht die Beschwerdeführerin, dass sie bei der aus dem Eintrag in das Denkmalverzeichnis folgenden Eigentumsbeschränkung nicht von der Nutzungsmöglichkeit ausgehen darf, die sie ohne die Beschränkung besässe. Es kommt daher bei der Frage der Unterschutzstellung nicht entscheidend auf die Rendite an, die sie bei einer Neuüberbauung erzielen könnte.
Der Eintrag ins Denkmalverzeichnis ist nicht unverhältnismässig. Zwar lehnt die Beschwerdeführerin eine allfällige Unterschutzstellung nur der zur Steinenvorstadt gerichteten Hauptfassade nicht ab, auch wenn sie dies in ihrer Stellungnahme vor dem Verwaltungsgericht vom 18. März 1991 als unerwünscht bezeichnete. Dem Gutachten Mörsch ist eingehend und überzeugend zu entnehmen, dass der Schutz einzelner Bauteile nicht mehr der heutigen Auffassung über den Denkmalschutz entspricht und dem Interesse an der Erhaltung wertvoller Bauten, die - wie das Küchlin - vom Zusammenwirken

BGE 118 Ia 384 (394):

zwischen Innerem und Äusserem leben, nicht Rechnung trägt. Diese Meinung, welcher an der Instruktionsverhandlung der Kantonsbaumeister von Basel zustimmte, vertritt auch das Bundesgericht (BGE 109 Ia 261 E. 5b; so auch ALBERT KNOEPFLI, Schweizerische Denkmalpflege, Zürich 1972, S. 57 und 161).
Es ist unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismässigkeitsprinzips sodann nicht unwesentlich, dass es der Eintrag des gesamten Bauwerkes in das Denkmalverzeichnis grundsätzlich nicht ausschliesst, am Objekt Veränderungen vorzunehmen (§ 18 DSchG, § 13 DSchV, § 44 der Verordnung zum Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 9. Dezember 1991). Wie die Vertreter der kantonalen Behörden anlässlich der Instruktionsverhandlung ausführten, ist es, auch wenn das Küchlin integral unter Schutz steht, unter gewissen Voraussetzungen und ihm Rahmen des Schutzzweckes und -umfanges (§ 17 DSchG) denkbar, dass im Interesse der Eigentümerin massvolle bauliche Veränderungen vorgenommen werden dürfen, damit die auf der Liegenschaft betriebene Nutzung weiterhin gewährleistet ist. Insoweit kann auch den erwähnten finanziellen Interessen der Beschwerdeführerin in einem gewissen Rahmen Rechnung getragen werden. Schliesslich ergibt sich auch aus den §§ 21 und 22 des Denkmalschutzgesetzes, dass von Unverhältnismässigkeit des Eingriffes unter den gegebenen Umständen zur Zeit nicht die Rede sein kann. § 21 DSchG gibt dem Eigentümer das Recht, die Streichung des Denkmals im Denkmalverzeichnis zu beantragen, sofern seiner Auffassung nach die Gründe, die zur Eintragung führten, nicht mehr zutreffen. Unter der gleichen Voraussetzung sowie dann, wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Interesses dies verlangen, kann auch der Regierungsrat die Streichung anordnen.