BGE 99 Ib 244 |
30. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. Juni 1973 i.S. Jentzsch gegen Gunzenhauser und Regierungsrat des Kantons Uri |
Regeste |
Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters (Art. 18 ff. GBV); BB über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland. |
2. Der Grundbuchverwalter hat in der Regel das Rechtsverhältnis, das einer Anmeldung zur Eintragung zugrundeliegt, in materieller Hinsicht nicht zu überprüfen. Eine besondere Prüfungspflicht besteht indessen dann, wenn es sich um den bewilligungspflichtigen Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland handelt (Erw. 3). |
3. Ein Rechtsgeschäft auf bewilligungspflichtigen Erwerb eines Grundstücks ist nichtig, wenn die zuständige Behörde die Bewilligung verweigert, und kann nicht als Rechtsgrundausweis für einen Eintrag im Grundbuch dienen (Erw. 3). |
Sachverhalt |
A.- Am 10. Oktober 1964 beurkundete Notar Dr. A. Christen in Altdorf einen Kaufvertrag, gemäss welchem der in Berlin wohnhafte deutsche Staatsangehörige Hellmut Jentzsch von Walter Gunzenhauser das hälftige Miteigentum am Grundstück HB 651 und dem dazugehörigen Ferienhaus "Felsennest" in Gurtnellen erwarb. Wegen des ausländischen Wohnsitzes des Erwerbers bedurfte dieser Kaufvertrag nach dem Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961 einer Genehmigung. Die Gewerbedirektion des Kantons Uri als hiefür zuständige kantonale Behörde wies ein Genehmigungsgesuch, das Notar Dr. Christen im Namen des Käufers eingereicht hatte, mit Entscheid vom 23. März 1965 ab. Dieser Entscheid erwuchs in Rechtskraft. |
B.- Am 6. Juni 1972 reichte der gleiche Notar den Kaufvertrag vom 10. Oktober 1964 dem Grundbuchamt Uri zur Eintragung in das Grundbuch ein. Er fügte ein Schreiben der Gewerbedirektion des Kantons Uri vom 25. August 1971 bei. Darin wird ausgeführt, dass H. Jentzsch keiner Bewilligung für den Erwerb von Grundstücken bedürfe, da er seit dem 12. Juli 1966 eine mehrmals verlängerte Aufenthaltsbewilligung besitze. W. Gunzenhauser teilte sowohl dem Notar wie dem Grundbuchamt mit Schreiben vom 7. Juni 1972 mit, dass der Kaufvertrag vom 10. Oktober 1964 zufolge der Nichtgenehmigung durch die Gewerbedirektion des Kantons Uri seine Gültigkeit verloren habe, weshalb er, Gunzenhauser, sich einer Eintragung in das Grundbuch widersetze.
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Das Grundbuchamt Uri schrieb W. Gunzenhauser am 27. Juli 1972, es erachte den Rechtsgrundausweis für die Begründung von Miteigentum als vollständig und ordnungsgemäss; dem Begehren um Eintragung in das Grundbuch müsse daher Folge geleistet werden; der Kaufvertrag bestehe, da Gunzenhauser nicht einseitig davon zurücktreten könne, heute noch zu Recht. Das Grundbuchamt fügte bei, sofern das Schreiben von W. Gunzenhauser als Einsprache aufzufassen sei, werde diese abgewiesen. |
C.- Gegen diesen Entscheid erhob W. Gunzenhauser Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Uri. Er machte geltend, dass die Voraussetzungen für die Eintragung des Kaufvertrages in das Grundbuch nicht erfüllt seien. Am 22. Januar 1973 fällte der Regierungsrat folgenden Entscheid:
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1. "Die Beschwerde Dr. Leo Arnold, Altdorf, namens Walter Gunzenhauser, Winterthur, vom 3. August/24. August 1972, wird auf Grund der Erwägungen gutgeheissen. Es wird ausdrücklich festgestellt, dass infolge Nichtigkeit des Kaufvertrages vom 10. Oktober 1964 zwischen dem Käufer Hellmut Jentzsch/Walter Gunzenhauser, ausgefertigt durch Dr. Alex Christen, Altdorf, zur Zeit kein Ausweis für die Eintragung des Grundeigentums im Grundbuch besteht. Die Anmeldung entspricht somit insbesondere nicht der in Artikel 18 der Verordnung betreffend das Grundbuch aufgestellten Anforderung, weshalb die Anmeldung durch den Grundbuchverwalter abzuweisen und eine Eintragung in das Grundbuch abzulehnen ist."
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(Ziff. 2 enthält die Rechtsmittelbelehrung und regelt die Mitteilung.)
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Der Regierungsrat nahm an, dass die seinerzeitige Verweigerung der Genehmigung des Kaufvertrages vom 10. Oktober 1964 durch die Gewerbedirektion des Kantons Uri nicht nur bewirkt habe, dass der Käufer Jentzsch kein Miteigentum an der in Frage stehenden Parzelle erwerben konnte, sondern auch, dass der Vertrag als solcher dahinfiel; diese Rechtsfolge ergebe sich zwar nicht ausdrücklich aus den Art. 11 und 12 des massgebenden Bundesbeschlusses, sie dränge sich indessen auf Grund von deren Sinn und Zweck auf.
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D.- Gegen diesen Entscheid erhob H. Jentzsch Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem Antrag, er sei aufzuheben und der beim Grundbuchamt Uri zur Anmeldung gebrachte Kaufvertrag sei zur Eintragung zuzulassen.
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E.- Der Regierungsrat des Kantons Uri nahm in einer Vernehmlassung zur Beschwerde Stellung und beantragt deren Abweisung. Den gleichen Antrag stellte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement in der von ihm ausgearbeiteten Vernehmlassung. W. Gunzenhauser reichte keine Vernehmlassung ein.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: |
1. Nach Art. 103 Abs. 1 und 4 der Grundbuchverordnung (GBV) kann im Falle der Abweisung der Anmeldung einer Grundbucheintragung gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben werden. Art. 104 GBV sieht sodann vor, dass auch gegen weitere Verfügungen des Grundbuchverwalters Beschwerde geführt werden kann. Die Revision des OG vom 20. Dezember 1968 hat an der Möglichkeit des Weiterzuges solcher Beschwerden an das Bundesgericht nichts geändert (BGE 97 I 270 Erw. 1 u. 697 Erw. 1; BGE 98 Ib 94 Erw. 1a). |
Diese Betrachtungsweise erscheint indessen als zu eng. Solange die Eintragung im Grundbuch noch nicht vollzogen ist, kann auf dem Weg einer allgemeinen Aufsichtsbeschwerde gemäss Art. 104 GBV versucht werden, die bevorstehende Vornahme der Eintragung zu verhindern (BGE 90 I 310 /11 Erw. 1). Nachdem das Grundbuchamt Uri nach den Abklärungen des EJPD den Kaufvertrag noch nicht in das Hauptbuch eingetragen hat, war die auf Verhinderung eines solchen Eintrages gerichtete Beschwerde des Verkäufers und Eigentümers Gunzenhauser zulässig. Die kantonale Aufsichtsbehörde ist somit zu Recht materiell auf die Beschwerde eingetreten.
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Es trifft zu, dass es grundsätzlich nicht Sache der Grundbuchbehörden ist, das Rechtsverhältnis, das einer Anmeldung zur Eintragung zugrunde liegt, in materiell-rechtlicher Hinsicht zu überprüfen (vgl. z.B. BGE 98 Ib 95 Erw. 2, BGE 90 I 312 Erw. 3, BGE 87 I 478 Erw. 4,BGE 79 I 263). Eine Ausnahme mag immerhin gemacht werden, wenn ein Vertrag, der als Rechtsgrundausweis für die Eintragung dienen soll, offensichtlich nichtig ist (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 23. Februar 1950 i.S. G. c. Justizdepartement des Kantons Tessin, in deutscher Übersetzung wiedergegeben in ZBGR 1953 S. 284/285; AUER, Die Prüfungspflicht des Grundbuchverwalters, Diss. Bern 1932 S. 81; DESCHENAUX, SJK 1278 S. 5). Das muss insbesondere dann gelten, wenn es sich wie hier um einen Fall von Grundstückserwerb durch Personen im Ausland handelt. Der Bundesbeschluss über die Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 23. März 1961 und derjenige über die Weiterführung dieser Bewilligungspflicht vom 30. September 1965 (AS 1961 S. 203 ff. und 1965 S. 1239 ff.) auferlegen dem Grundbuchverwalter in dieser Hinsicht eine besondere Prüfungspflicht. So bestimmt der hier anwendbare Bundesbeschluss vom 23. März 1961 in Art. 12 folgendes: |
"1 Ein nichtiges Rechtsgeschäft im Sinne von Artikel 11, Absatz 1 und 2 verschafft keinen Anspruch auf Eintragung im Grundbuch.
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2 Der Grundbuchverwalter hat, wenn ein solches Rechtsgeschäft angemeldet wird oder wenn Zweifel über Art und Voraussetzungen des Rechtsgeschäftes obwalten, den Anmeldenden an die Bewilligungsbehörde zu verweisen und ihm eine Frist von zehn Tagen mit der Androhung anzusetzen, dass nach unbenutztem Ablauf dieser Frist die Anmeldung abgewiesen werde."
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Im vorliegenden Fall hatte der Grundbuchverwalter durch das Schreiben von W. Gunzenhauser vom 7. Juni 1972 davon Kenntnis erhalten, dass der ihm von Notar Dr. Christen zur Eintragung in das Grundbuch eingereichte Kaufvertrag von der Gewerbedirektion des Kantons Uri als Bewilligungsbehörde seinerzeit nicht genehmigt worden war. Trotz des ihm bei der Anmeldung übergebenen Schreibens der gleichen Amtsstelle, nach welchem der Erwerber nunmehr keiner Bewilligung im Sinne des massgebenden Bundesbeschlusses bedürfe, hätte der Grundbuchverwalter Anlass gehabt zu prüfen, ob der vor mehr als sieben Jahren abgeschlossene Kaufvertrag unter den gegebenen Umständen als Ausweis für die Eintragung gemäss Art. 18 GBV noch in Frage komme. Diese Prüfung hätte, wie im angefochtenen Entscheid zutreffend ausgeführt wird, zum Ergebnis führen müssen, dass der Kaufvertrag zufolge der Nichtgenehmigung durch die zuständige Bewilligungsbehörde seine Gültigkeit verloren hatte, beziehungsweise dass er ein nichtiges Rechtsgeschäft im Sinne von Art. 12 Abs. 1 des zitierten Bundesbeschlusses vom 23. März 1961 darstellte. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 des betreffenden Bundesbeschlusses, der folgenden Wortlaut hat: |
"1 Rechtsgeschäfte auf bewilligungspflichtigen Erwerb von Grundstücken im Sinne von Artikel 1 und 2, Absatz 1 sind ohne rechtskräftige Bewilligung nichtig."
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Nach der Rechtsprechung der zur Anwendung dieses Bundesbeschlusses geschaffenen eidgenössischen Rekurskommission sind Rechtsgeschäfte aufÜbertragung von Grundeigentum ohne Bewilligung unvollendet und bleiben in der Schwebe, bis der Entscheid über die Bewilligung vorliegt. Wird die Bewilligung verweigert, fallen sie dahin (Botschaft des Bundesrates über die Weiterführung der Bewilligungspflicht für den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland vom 27. November 1964, BBl 1964 II 1259). Der an die Stelle des hier anwendbaren Bundesbeschlusses getretene Bundesbeschluss vom 30. September 1965 über die Weiterführung der Bewilligungspflicht hat, dieser Praxis Rechnung tragend, in Art. 12 Abs. 1 die Nichtigkeitsfolge folgendermassen ausdrücklich geregelt:
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"Die rechtskräftige Verweigerung der Bewilligung oder die rechtskräftige Abweisung der Anmeldung haben die Nichtigkeit des dem Erwerb zugrunde liegenden Rechtsgeschäftes zur Folge."
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Der angefochtene Entscheid geht somit zutreffend davon aus, dass der zur Eintragung eingereichte Kaufvertrag keinen genügenden Rechtsgrundausweis im Sinne von Art. 18 GBV bildet und dass die Grundbuchanmeldung deshalb abzuweisen ist.
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4. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wäre jedoch selbst dann abzuweisen, wenn angenommen werden wollte, die Prüfung des Kaufvertrages auf dessen Nichtigkeit hin überschreite in einem Fall wie dem vorliegenden die Befugnis des Grundbuchverwalters und müsse dem ordentlichen Richter vorbehalten bleiben. Das Grundbuchamt Uri hatte auf Grund des Schreibens von W. Gunzenhauser davon Kenntnis, dass über die Frage der Gültigkeit des Kaufvertrages zwischen den Vertragsparteien Streit herrschte. Wenn es schon davon ausging, es sei nicht seine Sache, über diese materiell-rechtliche Frage selber zu entscheiden, hätte es die Anmeldung abweisen und so die Voraussetzung dafür schaffen sollen, dass vor der Eintragung ein Entscheid des ordentlichen Richters über die Gültigkeit des Vertrages hätte herbeigeführt werden können (vgl. in diesem Sinne den unveröffentlichten Entscheid des Bundesgerichtes vom 10. Oktober 1969 i.S. Lüdi c. Sonderegger und Mitbeteiligte S. 10 f.). |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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