BVerfGE 2, 124 (124): Der Normenkontrolle durch das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen nicht solche Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind.
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Urteil
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des Ersten Senats vom 24. Februar 1953
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-- 1 BvL 21/51 --
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in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung der §§ 1, 3 und des Zweiten Abschnitts des Ersten Teils der Rechtsanordnung zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) für Württemberg-Hohenzollern vom 5. November 1946 (Amtsbl. 1947 S. 1 ff.) auf Antrag des Amtsgerichts Tuttlingen.
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Entscheidungsformel:
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Der Antrag ist unzulässig.
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Gründe:
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I.
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Das Direktorium des Staatssekretariats für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns hat am 5. November 1946 eine Rechtsanordnung zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung) beschlossen. Die §§ 1 und 3 dieser Handwerksordnung (Amtsblatt des Staatssekretariats für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns 1947 S. 1 f.) haben folgenden Wortlaut:
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(2) Die Landesdirektion der Wirtschaft stellt auf Vorschlag der Handwerkskammer ein Verzeichnis aller Gewerbe auf, die handwerksmäßig betrieben werden können; sie kann das Verzeichnis ändern und es auf Gewerbe ausdehnen, die eine dem Handwerk ähnliche Betriebsführung und eine geordnete Ausbildung des Nachwuchses aufweisen.
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(1) In die Handwerksrolle wird nur eingetragen, wer die Meisterprüfung für das von ihm betriebene oder für ein diesem verwandtes Handwerk bestanden hat oder die Befugnis zur Anleitung von Lehrlingen in einem dieser Handwerke besitzt. Der Meisterprüfung stehen die gemäß § 133 Absatz 10 der Gewerbeordnung anerkannten Prüfungen gleich. Die Landesdirektion der Wirtschaft bestimmt auf Vorschlag der Handwerkskammer welche Handwerke als verwandt im Sinne dieser Rechtsanordnung gelten.
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Im Zweiten Abschnitt des Ersten Teils der Handwerksordnung (§§ 7 bis 15) ist das Verfahren bei Eintragung und Löschung in der Handwerksrolle geregelt. § 19 Abs. 2 enthält eine Strafbestimmung gegen denjenigen, der entgegen den Vorschriften der Handwerksordnung selbständig ein Handwerk als stehendes Gewerbe betreibt.
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II.
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Der seit etwa 30 Jahren im Baugewerbe tätige Schachtmeister Johann W. aus Tuttlingen hat in der Zeit von August 1950 BVerfGE 2, 124 (126):
bis Juli 1951 als selbständiger Maurer auf eigene Rechnung laufend Bauarbeiten kleineren Umfanges ausgeführt, ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein. Die Staatsanwaltschaft Rottweil hat gegen W. Anklage wegen eines Vergehens nach § 19 Abs. 2 in Verbindung mit § 1 der Handwerksordnung erhoben. Das Amtsgericht Tuttlingen hat das Strafverfahren gegen W. durch Beschluß vom 8. September 1951 gemäß Art. 100 GG ausgesetzt und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beantragt. Es hält die §§ 1, 3 und den Zweiten Abschnitt des Ersten Teils der Handwerksordnung wegen Verstoßes gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG für verfassungswidrig.
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Das Amtsgericht Tuttlingen hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das Oberlandesgericht Tübingen eingeholt.
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III.
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Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß §§ 82, 77 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Landtag von Württemberg-Hohenzollern, der Landesregierung von Württemberg- Hohenzollern, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks, dem Kreisinnungsverband Tuttlingen, der Staatsanwaltschaft Rottweil und dem Angeklagten Johann W. Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung haben von einer Stellungnahme abgesehen. Die Frage der Zulässigkeit des Antrags des Amtsgerichts Tuttlingen ist in den von den übrigen Beteiligten abgegebenen Äußerungen nicht behandelt.
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In der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 1952 waren die Bundesregierung, die Landesregierung von Baden-Württemberg und der Angeklagte Johann W. vertreten. Die Bundesregierung und die Landesregierung von Baden-Württemberg sind dem Verfahren gemäß § 82 Abs. 2 BVerfGG beigetreten. Die Verhandlung wurde auf die Rechtsfrage der Zulässigkeit des Antrags beschränkt.
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BVerfGE 2, 124 (127):
Die Bundesregierung will von der Prüfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts solche Gesetze ausgeschlossen wissen, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangen sind; der Bevollmächtigte des Angeklagten Johann W. bejaht diese Zuständigkeit auch gegenüber "vorkonstitutionellen" Gesetzen.
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IV.
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1. Das Amtsgericht Tuttlingen hat seinen Beschluß über das Oberlandesgericht Tübingen vorgelegt, obwohl die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über das zuständige obere Bundesgericht hätte eingeholt werden sollen. Die zur Nachprüfung gestellte Handwerksordnung vom 5. November 1946 ist - ihre Wirksamkeit unterstellt - nach Art. 125 Ziff. 2 GG Bundesrecht geworden, da sie Gegenstände regelt, die gemäß Art. 74 Ziff. 11 GG in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes fallen und da sie nach dem 8. Mai 1945 früheres Reichsrecht (die Dritte Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 18. Januar 1935 - RGBl. I S. 15 -) geändert hat. Gemäß § 80 Abs. 1 BVerfGG mußte die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht deshalb über den Bundesgerichtshof erfolgen. Es ist davon abgesehen worden, die Akten dem vorlegenden Gericht zurückzugeben; der Verfahrensmangel (vgl. Urteile vom 20. März 1952 und 20. Mai 1952, BVerfGE 1, 189 und 291) ist dadurch geheilt, daß das Bundesverfassungsgericht die Akten dem Bundesgerichtshof unmittelbar zugeleitet hat.
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2. Im Urteil vom 20. März 1952 (BVerfGE 1, 184) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß es im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG nur Gesetze im formellen Sinne am Maßstab des Grundgesetzes zu prüfen hat. Die Handwerksordnung ist einem solchen Gesetze gleichzustellen. Sie ist als "Rechtsanordnung" durch das Direktorium des Staatssekretariats erlassen worden. Nach dem Statut des Staatssekretariats übte dieses bis zum Inkrafttreten der Landesverfassung vom 20. Mai 1947 die Staatsgewalt aus. Es wurde repräsentiert durch das BVerfGE 2, 124 (128):
Direktorium, das befugt war, Rechtsvorschriften zu erlassen (vgl. Art. I, II, IV, V des Statuts vom 30. Oktober 1945, Amtsblatt für Württemberg-Hohenzollern 1945 S. l; die Rechtsanordnung über die Verkündung und das Inkrafttreten von Rechtsanordnungen vom 22. Februar 1946, ebenda 1946 S. 9). Hiernach besaß das Direktorium in vorkonstitutioneller Zeit die gesetzgebende Gewalt für das französisch besetzte Gebiet Württembergs und Hohenzollerns. Die Rechtsvorschriften, die es als Gesetzgeber erließ, wurden als "Rechtsanordnungen" bezeichnet (vgl. auch die Erklärung des Generals König vom 4. Dezember 1946, Amtsblatt für Württemberg-Hohenzollern S. 255).
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V.
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Dennoch ist der Antrag des Amtsgerichts Tuttlingen unzulässig, da das Bundesverfassungsgericht Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind, auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz in einem Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht nachzuprüfen hat.
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Weder das Grundgesetz noch das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht hat die Frage, ob nur das Bundesverfassungsgericht vorkonstitutionelles Recht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklären darf (negatives Entscheidungsmonopol), ausdrücklich geregelt. Jedoch ergeben Sinn und Zweck des Art. 100 Abs. 1 GG, daß die Befugnis der Gerichte, Normen als verfassungswidrig nicht anzuwenden (Verwerfungskompetenz), bestehen bleiben sollte, soweit es sich um vorkonstitutionelles Recht handelt. Diese Auslegung des Art. 100 Abs. 1 GG wird durch die Geschichte des richterlichen Prüfungsrechts in der Zeit der Weimarer Reichsverfassung und durch die Entstehungsgeschichte der Bestimmungen über Normenkontrolle im Grundgesetz (Art. 93,100, 123 bis 126 GG) bestätigt.
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1. Im Urteil vom 20. März 1952 (BVerfGE 1, 184) hat das Bundesverfassungsgericht "aus der Bedeutung der gesamten Normenkontrolle im Rahmen des Grundgesetzes und der dem Bun BVerfGE 2, 124 (129):
desverfassungsgericht dabei zugewiesenen Aufgaben" zwei Grundsätze für die Auslegung des in seinem Wortlaut nicht eindeutigen Art. 100 Abs. 1 GG entwickelt:
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Einmal ist es im Rahmen des Art. 100 Abs. 1 GG "Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, zu verhüten, daß jedes einzelne Gericht sich über den Willen des Bundes- oder Landesgesetzgebers hinwegsetze, indem es die von ihnen beschlossenen Gesetze nicht anwendet, weil sie nach Auffassung des Gerichts gegen das Grundgesetz oder die bundesstaatliche Rangordnung von Bundes- und Landesrecht verstoßen". Zum anderen "tritt bei der Normenkontrolle nach Art. 100 GG ... die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, Hüter der Verfassung zu sein, zurück"; denn Art. 100 Abs. 1 GG "will schon seinem Wortlaut nach die Gerichte nicht etwa von der Prüfung und Entscheidung aller verfassungsrechtlicher Fragen ... ausschließen und hierfür die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts begründen", sondern er setzt im Gegenteil voraus, daß "die Gerichte die für ihre Entscheidung in Betracht kommenden Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und landesrechtliche Vorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit dem Bundesrecht hin selbständig prüfen und in eigener Zuständigkeit die Vereinbarkeit bejahen".
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Diese Grundsätze führen - wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen - notwendig zu dem Ergebnis, daß jedes Gericht selbständig die Rechtsfrage zu prüfen und zu entscheiden hat, ob die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassenen Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind oder nicht.
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a) Die Entscheidung über die Vereinbarkeit vorkonstitutionellen Rechts mit dem Grundgesetz läßt die Autorität der gesetzgebenden Gewalt unberührt. Wenn ein Gericht vorkonstitutionelles Recht wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz für "verfassungswidrig" hält und deshalb außer Anwendung läßt, setzt es sich nicht über den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers hinweg. Denn die Prüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit einer später erlassenen Verfassung setzt gerade BVerfGE 2, 124 (130):
die ursprüngliche Rechtswirksamkeit der zu prüfenden Norm voraus; nur dann, wenn der Gesetzgebungsakt des früheren Gesetzgebers als wirksam betrachtet wird, kann sich überhaupt die Frage der Vereinbarkeit mit dem später erlassenen Grundgesetz erheben. Wird sie verneint, so wird dadurch nicht die Autorität des früheren Gesetzgebers geschmälert, sondern lediglich objektiv festgestellt, daß der spätere gesetzgeberische Wille dem abweichenden früheren gesetzgeberischen Willen vorgeht. Daß jener sich zugleich in einer ranghöheren Norm kundtut, ist zur Beantwortung der Frage, ob das frühere Gesetz mit dem späteren übereinstimmt, ohne Bedeutung. Insoweit ist also die Frage, ob die Gerichte die Vereinbarkeit von früherem Recht mit dem Grundgesetz zu prüfen befugt sind, ein Problem der Kollision zwischen älterem und jüngerem Recht (vgl. Bachof, DVBl. 1951, 14, 110; Zinn, Verhandlungen des 37. Deutschen Juristentages 1949, S. 56; v. Brentano, Schriftlicher Bericht zum Abschnitt XI des Entwurfs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 68; Holtkotten im Bonner Kommentar, Art. 100 GG, Anm. II A 2 a und b; Tietz, AöR 77, 336/337; LVG Hannover vom 14. 2. 1951, DVBl. 1951, 389; Württ.-Bad. VGH vom 14. 6. 1951, DVBl. 1951, 762; Bad. VGH vom 26.10. 1949, DÖV 1950, 596).
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b) Ein negatives Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts für vorkonstitutionelles Recht läßt sich auch nicht aus der Überlegung herleiten, daß für die Prüfung älteren Rechts am Maßstabe des Grundgesetzes andere Grundsätze gelten müßten als für die Prüfung, ob ein früheres Gesetz durch ein späteres außer Kraft gesetzt oder geändert worden sei. Freilich enthält das Grundgesetz vorwiegend allgemeine Regelungen; es stellt im wesentlichen Grundsätze für das politische und soziale Leben des Volkes auf und kann nicht für sämtliche Gebiete der staatlichen Ordnung erschöpfende Spezialbestimmungen treffen. Diese besondere Bedeutung und dieser besondere Inhalt des Grundgesetzes haben jedoch nicht dazu geführt, die Auslegung der Verfassung allgemein den Gerichten zu entziehen und sie allein dem BVerfGE 2, 124 (131):
Bundesverfassungsgericht zu übertragen. Das Grundgesetz hat gerade nicht bestimmt, daß die Entscheidung über die Vereinbarkeit von Bundes- oder Landesrecht mit dem Grundgesetz in jedem Falle vom Bundesverfassungsgericht zu treffen sei. Vielmehr sind alle Gerichte zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze und damit zur Auslegung des Grundgesetzes berechtigt und verpflichtet, und jedes Gericht kann in eigener Zuständigkeit entscheiden, daß Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind - ohne Rücksicht darauf, ob sie vor oder nach seinem Inkrafttreten erlassen worden sind. Sind aber die Gerichte bei dieser Entscheidung befugt, jede Verfassungsnorm selbst auszulegen und in ihrer Tragweite abzugrenzen, so kann der Umstand, daß viele Verfassungsbestimmungen generelle Regelungen sind, nicht Anlaß dafür gewesen sein, für diese Fälle dem Bundesverfassungsgericht ein Entscheidungsmonopol vorzubehalten.
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Ein solches Monopol ist im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG vielmehr ein Feststellungsmonopol für Fälle, in denen dem unter der Herrschaft des Grundgesetzes tätig gewordenen Gesetzgeber unterstellt wird, er habe durch seinen Gesetzgebungsakt das Grundgesetz verletzt. Es handelt sich also um kein Auslegungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts in seiner Stellung als Hüter der Verfassung, wie sie ihm Art. 93 GG einräumt.
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c) Zwar entsteht durch die Anerkennung einer Verwerfungskompetenz der Gerichte gegenüber früherem Recht für eine gewisse Übergangszeit die Gefahr der Rechtszersplitterung, mindestens der Rechtsunsicherheit (Hufnagl, DVBI. 1951, 277). Sie wird sich jedoch in dem Maße vermindern, in dem die verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen durch die Rechtsprechung geklärt werden. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, daß nach Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG die dort genannten Verfassungsorgane die Frage der Vereinbarkeit auch vorkonstitutionellen Rechts mit dem Grundgesetz jederzeit dem Bundesverfassungsgericht unmittelbar zur Entscheidung vorlegen können.
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2. Aus dem Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 GG ist weder für noch gegen das Inzidentprüfungsrecht der Gerichte gegenüber BVerfGE 2, 124 (132):
vorkonstitutionellem Recht etwas zu gewinnen. Zwar spricht Art. 100 Abs. 1 GG schlechthin von "Gesetz", ohne auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes abzustellen. Andererseits deuten Ausdrücke wie "Verletzung" und "verfassungswidrig" darauf hin, daß der Grundgesetzgeber nur an Gesetze gedacht hat, die gegen eine bereits bestehende höhere Norm verstoßen. Allerdings wird in Abs. 1 Satz 2 das Wort "Unvereinbarkeit" neben dem Ausdruck "Verletzung" verwendet. Der Bundesgesetzgeber hält aber beide Ausdrücke offenbar für gleichbedeutend, wie sich aus der Fassung des § 13 Nr. 11 BVerfGG ergibt. Jedenfalls steht der Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 GG dem Inzidentprüfungsrecht der Gerichte gegenüber vorkonstitutionellem Recht nicht entgegen.
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3. Die Entstehungsgeschichte der Bestimmungen über Normenkontrolle im Grundgesetz bietet Belege dafür, daß Art. 100 Abs. 1 GG die richterliche Prüfungszuständigkeit im Sinne der obigen Ausführungen regeln will, zumal wenn man sie im Lichte der Entwicklung des richterlichen Prüfungsrechts in der Zeit der Weimarer Reichsverfassung betrachtet.
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a) Das Inzidentprüfungsrecht der Gerichte mit Verwerfungskompetenz gegenüber früherem Recht wurde für die Weimarer Zeit aus Art. 178 Abs. 2 Satz 1 RV als schlechthin selbstverständlich gefolgert, während die Befugnis der Gerichte, die seit Inkrafttreten der RV erlassenen Reichsgesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, sehr umstritten war (vgl. Ernst v. Hippel, Das richterliche Prüfungsrecht, HdbDStR II S. 546 [552, 554]).
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Den Gerichten sollte das Inzidentprüfungsrecht gegenüber vorkonstitutionellen Gesetzen auch nicht durch den Entwurf des Gesetzes über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Reichsrechts vom Jahre 1926 (Reichstagsdrucks. III. Wahlperiode 1924/26 Nr. 2855) versagt werden. Das gleiche gilt von dem entsprechenden Gesetzentwurf aus dem Jahre 1928 (Reichstagsdrucks. IV. Wahlperiode 1928 Nr. 382). In diesen Gesetzentwürfen war - ähnlich der Regelung des Grundgeset BVerfGE 2, 124 (133):
zes - vorgesehen, das richterliche Prüfungsrecht hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Reichsrecht den ordentlichen Gerichten zu entziehen und beim Staatsgerichtshof zu konzentrieren. § 1 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 beider Entwürfe hatten folgenden Wortlaut:
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§ 1 Abs. 1: Bestehen Zweifel oder Meinungsverschiedenheiten darüber, ob eine nach Inkrafttreten dieses Gesetzes als Gesetz oder Verordnung verkündete Rechtsvorschrift des Reichsrechts mit der Reichsverfassung vereinbar oder unvereinbar und daher rechtsungültig ist, so können mehr als ein Drittel der Mitglieder des Reichstags oder mehr als ein Drittel der im Reichsrat vertretenen Stimmen oder die Reichsregierung die Entscheidung des Staatsgerichtshofes für das Deutsche Reich beantragen.
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§ 6 Abs. 1: Hält ein Gericht eine von ihm anzuwendende, nach Inkrafttreten der Reichsverfassung vom 11. August 1919 als Gesetz oder Verordnung verkündete Rechtsvorschrift des Reichsrechts für unvereinbar mit der Reichsverfassung und daher für rechtsungültig, so hat es das Verfahren auszusetzen, bis diese Frage nach Maßgabe der folgenden Vorschriften entschieden ist. § 1 Abs. 2 findet Anwendung.
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§ 1 Abs. 1 entspricht dem Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 GG, § 6 Abs. 1 dem Art. 100 Abs. 1 GG. Während im Verfahren auf Antrag von Verfassungsorganen auch das vorkonstitutionelle Recht vom Staatsgerichtshof geprüft werden sollte, war diese Normenkontrolle auf Antrag der Gerichte auf die Gesetze beschränkt, die unter der Herrschaft der Reichsverfassung erlassen wurden. Auch der 34. Deutsche Juristentag in Köln im Jahre 1926, auf dem u. a. ein Gesetzentwurf über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Vorschriften des Reichsrechts beraten wurde, war davon ausgegangen, daß die damals vorgeschlagenen Vorschriften über die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen durch den dafür in Aussicht genommenen Staatsgerichtshof sich logisch und systematisch nur auf Gesetze beziehen könnten, die nach dem Inkrafttreten und auf Grund der Verfassung erlassen seien (vgl. Verhandlungen des 34. Deutschen Juristentages 1926, Bd. lI S. 193, insbesondere S. 209 und 217; BVerfGE 2, 124 (134):
siehe auch Verhandlungen des 37. Deutschen Juristentages 1949, S. 56).
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b) Aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes kann nichts dafür entnommen werden, daß von dieser Rechtsauffassung abgegangen werden sollte. Die Materialien zu den Bestimmungen über Normenkontrolle und Fortgeltung früheren Rechts (Art. 93, 100, 123 bis 126 GG) ergeben nicht, ob nach dem Willen der Schöpfer des Grundgesetzes über die Vereinbarkeit von früherem Recht mit dem Grundgesetz im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden solle. Insbesondere findet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die ausdrückliche Zuständigkeitsregelung in der Frage der Prüfung vorkonstitutionellen Rechts, wie sie noch in Art. 139 ba des Entwurfs in der Fassung der 3. Lesung des Hauptausschusses des Parl. Rates enthalten war (PR Drucks. Nr. 751 vom 2. Mai 1949 mit Drucks. Nr. 751 a vom 3. Mai 1949 und Nr. 840 vom 5. Mai 1949), in Art. 127 des Entwurfs des Hauptausschusses 4. Lesung (PR Drucks. Nr. 850 vom 5. Mai 1949 mit Drucks. Nr. 850 a, 854 und 878 vom 6. Mai 1949), dem jetzigen Art. 126 GG, deshalb aufgehoben wurde, weil man der Ansicht gewesen wäre, die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts zur Prüfung früheren Rechts auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz ergebe sich ohnehin aus Art. 100 Abs. 1 GG. Die Änderung des Art. 139 ba dahin, daß die Regelung der Prüfung vorkonstitutionellen Rechts weggelassen wurde, ist auf einen Antrag Zinn (Drucks. Nr. 751) zurückzuführen, der keine Begründung enthält und vom Hauptausschuß bei der 4. Lesung in der 57. Sitzung am 5. Mai 1949 ohne Debatte angenommen wurde (vgl. Verhandlungen des HA des PR S. 763). Die Äußerungen der Abgeordneten Zinn und v. Brentano, die beide als Berichterstatter des Parlamentarischen Rats tätig waren, lassen erkennen, daß durch Art. 100 Abs. 1 GG die allgemeine richterliche Prüfungszuständigkeit gegenüber vorkonstitutionellem Recht nicht beschränkt werden sollte (Zinn, Verhandlungen des 37. Deutschen BVerfGE 2, 124 (135):
Juristentags, S. 55; schriftlicher Bericht v. Brentanos zum Abschnitt XI des Entwurfs des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, S. 68). Beide vertreten die Auffassung, daß Art. 100 Abs. 1 GG sich nur auf Rechtsnormen beziehe, die als Gesetze des Bundes oder der Länder nach Inkrafttreten des Grundgesetzes ergangen sind. Angesichts des maßgeblichen Anteils, den beide Abgeordnete an der Formulierung der hier in Frage stehenden Bestimmungen des Grundgesetzes genommen haben, muß gerade ihren Stimmen besonderes Gewicht beigemessen werden. Jedenfalls kann aus der Tatsache, daß Art. 100 Abs. 1 GG nicht wie Art. 92 Abs. 2 der Verfassung von Württemberg-Baden vom 28. November 1946 die Prüfung vorkonstitutionellen Rechts ausdrücklich ausschließt, nicht geschlossen werden, das Entscheidungsmonopol habe auch hinsichtlich dieses Rechts dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen werden sollen (vgl. hierzu auch Holtkotten im Bonner Kommentar zu Art. 100 GG Anm. II A 2a).
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4. Vorkonstitutionell im Sinne der vorstehenden Ausführungen sind jedenfalls alle Gesetze, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes, also vor dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind. Diese Gesetze waren zur Zeit ihrer Verkündung nicht an das Grundgesetz gebunden.
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Im vorliegenden Falle braucht nicht entschieden zu werden, ob sich die hiernach den Gerichten zustehende Verwerfungskompetenz auch auf Gesetze erstreckt, die von zuständigen Gesetzgebungsorganen noch bis zum Zusammentritt des Bundestags, also bis zum 7. September 1949, erlassen worden sind.
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VI.
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Der Antrag des Amtsgerichts Tuttlingen bezieht sich auf ein Gesetz, das am 9. Januar 1947 verkündet worden ist. Nach dem unter V. Ausgeführten unterliegt es daher nicht der Prüfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG. Der Antrag ist deshalb unzulässig.
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