BVerfGE 37, 328 - Gasöl-Verwendungsgesetz


BVerfGE 37, 328 (328):

Zu den Anforderungen an die Gesetzesauslegung und Tatsachenfeststellung bei Vorlagebeschlüssen.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 25. Juni 1974
-- 1 BvL 13, 23, 25/69 --
in den Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b des Gesetzes über die Verwendung von Gasöl durch Betriebe der Landwirtschaft (Gasöl-Verwendungsgesetz-Landwirtschaft) vom 22. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1339) in der bis zum 31. Dezember 1968 gültigen Fassung - Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts in Schleswig vom 20. Januar 1969 (10 A 190/68, jetzt 8 A 183/70) - 1 BvL 13/69 -, vom 21. August 1969 (10 A 192/68, jetzt 8 A 185/70) - 1 BvL 23/69 - und vom 21. August 1969 (10 A 191/68, jetzt 8 A 184/70) - 1 BvL 25/69 -.


BVerfGE 37, 328 (329):

Entscheidungsformel:
Die Vorlagen sind unzulässig.
 
Gründe:
I.
Um die Landwirtschaft beim Bezug von Gasöl (Dieselkraftstoff) von der Mineralölsteuer zu entlasten, werden seit dem Jahre 1951 -- nach früher andersartiger Regelung -- Betriebsbeihilfen (Verbilligungen) gewährt. Bis zum Jahre 1968 war grundsätzlich jeder Betrieb begünstigt, der durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit Bodenbewirtschaftung verbundene Tierhaltung pflanzliche oder tierische Erzeugnisse gewann. Dabei wurde nicht nach der Organisationsform eines Betriebs unterschieden. Diese Rechtslage wurde durch das Gesetz über die Verwendung von Gasöl durch Betriebe der Landwirtschaft (Gasöl-Verwendungsgesetz-Landwirtschaft) vom 22. Dezember 1967 (BGBl. I S. 1339) -- im folgenden: GVL 1967 -- hinsichtlich der begünstigten Betriebe mit Wirkung vom 1. Januar 1968 geändert.
In diesem Gesetz heißt es:
    § 1 Verbilligung
    (1) Für versteuertes Gasöl wird nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen vom 1. Mai 1968 an eine Verbilligung gewährt, wenn es in Betrieben der Landwirtschaft zum Betrieb von
    1. Ackerschleppern,
    2. standfesten oder beweglichen Arbeitsmaschinen und Motoren oder
    3. Sonderfahrzeugen
    bei der Ausführung von Arbeiten zur Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit Bodenbewirtschaftung verbundene Tierhaltung verwendet wird.
    (2) ...
    (3) Als Arbeitsmaschinen oder Sonderfahrzeuge im Sinne des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 gelten Maschinen und Fahrzeuge, die ausschließlich in Betrieben der Landwirtschaft verwendet werden und nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen für die Verwendung in diesen Betrieben geeignet und bestimmt sind.


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    § 2 Abgrenzung der Betriebe
    (1) Betriebe der Landwirtschaft im Sinne dieses Gesetzes sind
    1. Betriebe, die durch Bodenbewirtschaftung oder durch mit  Bodenbewirtschaftung verbundene Tierhaltung pflanzliche oder tierische Erzeugnisse gewinnen und
    a) aus denen natürliche Personen Einkünfte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes erzielen oder
    b) deren Inhaber eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse ist, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient, sowie Teichwirtschaften;
    2. ... bis 3. ...
    (2) ... bis (4) ...
In den §§ 4, 7, 9 und 13 enthält das Gesetz unter anderem Bestimmungen über Form und Frist für die Stellung eines Verbilligungsantrags.
Durch das rückwirkend zum 1. Januar 1969 in Kraft getretene -- mithin die vorliegenden, das Jahr 1968 betreffenden Fälle nicht berührende -- Gesetz zur Änderung des Gasöl-Verwendungsgesetzes-Landwirtschaft vom 8. September 1969 (BGBl. I S. 1589) wurde § 2 GVL 1967 dahin geändert, daß unter ähnlichen Voraussetzungen wie natürliche Personen grundsätzlich auch andere als die bisher schon begünstigten juristischen Personen die Verbilligung erhalten können (vgl. den Schriftlichen Bericht des Finanzausschusses vom 16. Mai 1969 -- BTDrucks. V/3877 [neu], S. 1, 2 -).
II.
1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens 1 BvL 13/69 -- die Kurhessische Hausstiftung Kronberg -- ist eine rechtsfähige Stiftung, deren satzungsmäßiger Zweck es ist, aus den Einkünften die in ihrem Besitz befindlichen Kulturgüter zu erhalten und die Familienmitglieder der Kurhessischen Adelsfamilie zu alimentieren. Ihre am 22. und 25. Mai 1968 gestellten Anträge, für zwei

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Güter sowie eine Revierförsterei die Verbilligungsberechtigung für die Verwendung von Gasöl in den Kalenderjahren 1968 und 1969 anzuerkennen, wurde von der zuständigen Landwirtschaftsbehörde unter Berufung auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 GVL 1967 abgelehnt. Mit der nach erfolglosem Widerspruch erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Nach ihrer Auffassung verstößt § 2 Abs. 1 Nr. 1 GVL 1967 gegen das in Art. 40 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag) enthaltene Diskriminierungsverbot und gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
2. Die Klägerin der Ausgangsverfahren 1 BvL 23, 25/69 ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie betreibt ein Saatzuchtunternehmen und verwaltet und bewirtschaftet mehrere Güter. Am 3. Februar 1968 beantragte sie ohne Verwendung des vorgeschriebenen Vordruckes für ihre Betriebe die Anerkennung der Verbilligungsberechtigung sowie die Gewährung der Verbilligung für die Verwendung von Gasöl für die Jahre 1968 und 1969. Am 22. und 28. Mai 1968 wiederholte sie die Anträge für zwei Güter auf dem vorgeschriebenen Vordruck. Sämtliche Anträge wurden mit Rücksicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 GVL 1967 abgelehnt. Die Widersprüche blieben erfolglos. Mit ihren Klagen verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Auch sie hält § 2 Abs. 1 Nr. 1 GVL 1967 für unvereinbar mit Art. 40 EWG-Vertrag und Art. 3 Abs. 1 GG.
3. Das vorlegende Gericht sieht sich gehindert, den Klagen stattzugeben, weil die Klägerinnen als juristische Personen, die nicht ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienten, nicht unter § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b GVL 1967 fielen. Das Gericht hält die Vorschrift zwar für vereinbar mit europäischem Gemeinschaftsrecht, doch ist sie seiner Ansicht nach wegen Verletzung des Gleichheitsgebots des Grundgesetzes verfassungswidrig. Das Gericht hat deshalb mit Beschlüssen vom 20. Januar und 21. August 1969 die Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Entscheidung vorgelegt,


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    ob die Bestimmungen des § 2 Absatz 1 Ziffer 1 Buchstaben a und b des Gasöl-Verwendungsgesetzes-Landwirtschaft vom 22. Dezember 1967 (BGBl. I Seite 1339) mit Artikel 3 Bonner Grundgesetz vereinbar sind.
Seiner Ansicht nach ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, die Verbilligung, die eine Erleichterung der Produktionsbedingungen für die Landwirtschaft schlechthin bezwecke, nur solchen Betrieben zu gewähren, deren Inhaber eine natürliche Person sei, und als juristische Personen organisierte Betriebe -- abgesehen von der Sonderregelung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVL 1967 -- von der Vergünstigung auszuschließen. Dieser Ausschluß sei um so weniger gerechtfertigt, als er dem im Verkehrsfinanzgesetz 1955 vom 6. April 1955 (BGBl. I S. 166) zum Ausdruck gekommenen System widerspreche, wonach Betrieben der Landwirtschaft, des Gewerbes, des Verkehrs und der Fischerei zum Ausgleich für die zur Straßenbaufinanzierung zweckgebundene Mineralölsteuer die Gasölverbilligung deshalb eingeräumt werden solle, weil sie nicht oder nur geringfügig am allgemeinen Straßenverkehr teilnähmen. Wegen dieses von der Steuergerechtigkeit erforderten Tatbestandes habe der Gesetzgeber im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG eine einzelne Gruppe landwirtschaftlicher Unternehmen, bei denen eine innere Rechtfertigung für die Heranziehung zu der vollen Mineralölsteuer genauso entfalle wie bei den übrigen landwirtschaftlichen und den im Verkehrsfinanzgesetz näher bezeichneten Unternehmen aus anderen Wirtschaftsgebieten, nicht wegen ihrer besonderen rechtlichen Organisationsform vom verbilligten Gasölbezug ausschließen dürfen.
4. a) Für die Bundesregierung hat sich der Bundesminister der Finanzen geäußert. Er hält die Vorlagen mangels hinreichender Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage für unzulässig. Im übrigen ist seiner Meinung nach die zur Prüfung gestellte Norm mit dem Grundgesetz vereinbar. Mit der Zahlung der Subvention solle die Existenzgrundlage natürlicher Personen verbessert werden. Diese Absicht lasse sich nicht unmittelbar durch eine Unterstützung juristischer Personen erreichen; der

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Gesetzgeber habe davon ausgehen können, daß Mitglieder juristischer Personen ihren Lebensunterhalt nicht ausschließlich aus einer landwirtschaftlichen Tätigkeit bezögen. Das soziale Gesamtbild der zum Vergleich gestellten Personengruppen (natürliche Personen -- juristische Personen) sei so verschieden, daß es nicht als sachwidrig betrachtet werden könne, wenn der Gesetzgeber lediglich bestimmte natürliche Personen, nicht aber die Masse der juristischen Personen bevorzuge. Die Gasölverbilligung werde auch nicht allen Verbrauchern von Gasöl gewährt, deren Maschinen nicht am öffentlichen Verkehr teilnähmen. Der Gesetzgeber habe vielmehr aus dieser Gruppe nur solche Mineralölverbraucher begünstigen wollen, bei denen es ihm aus volkswirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Gründen erforderlich erschienen sei.
b) Der VII. Senat des Bundesverwaltungsgerichts vertritt unter Hinweis auf seine Rechtsprechung zu Abschnitt III Art. 4 Verkehrsfinanzgesetz 1955 und den aufgrund dieser Vorschrift ergangenen Gasölbetriebsbeihilfeverordnungen ebenfalls die Auffassung, die unterschiedliche Behandlung von natürlichen und juristischen Personen in § 2 Abs. 1 Nr. 1 GVL 1967 verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz. Der Gesetzgeber sei nicht gehalten gewesen, allen nicht am Straßenverkehr teilnehmenden Mineralölverbrauchern eine Subvention zu gewähren.
III.
Die Vorlagen sind unzulässig.
Nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG muß die Begründung des Vorlagebeschlusses angeben, inwiefern die Entscheidung des vorlegenden Gerichts von der Gültigkeit der zur Prüfung gestellten Rechtsvorschrift abhängt und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Da der Begründungszwang des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG das Bundesverfassungsgericht entlasten soll, muß der Vorlagebeschluß aus sich heraus verständlich sein. Daher hat das vorlegende Gericht in den Gründen des Vorlagebeschlusses den Sachverhalt, soweit er für die rechtliche Beurteilung wesentlich ist, und die rechtlichen Er

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wägungen erschöpfend darzulegen (BVerfGE 17, 135 [138 f.]; 18, 186 [191 f.]; 34, 257 [259] mit weiteren Nachweisen). Der Vorlagebeschluß muß mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, daß das vorlegende Gericht bei Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Fall ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen würde (BVerfGE 35, 303 [306]; 36, 258 [263] jeweils mit weiteren Nachweisen).
Diesen Anforderungen werden die Vorlagebeschlüsse nicht gerecht. Zwar ist das Gericht der Überzeugung, die Entscheidung der Ausgangsverfahren hänge von der Gültigkeit des § 2 Abs. 1 Nr. 1 GVL 1967 ab. Es hat seine Auffassung jedoch weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht ausreichend begründet.
1. Zunächst lassen die Vorlagebeschlüsse nicht erkennen, ob die Klagen nicht bereits wegen Fehlens der Voraussetzungen der §§ 1, 4, 7, 9 und 13 GVL 1967 hätten abgewiesen werden müssen. Sie enthalten keine Ausführungen darüber, daß die Klägerinnen der Ausgangsverfahren Gasöl für in § 1 GVL 1967 aufgeführte Maschinen und zu den in dieser Vorschrift genannten Zwecken verwendet haben. Auch hat das Gericht keine eigenen Feststellungen darüber getroffen, ob die formellen Voraussetzungen für die Anerkennung der Verbilligungsberechtigung und die Gewährung der Verbilligung erfüllt und entsprechende Anträge form- und fristgerecht gestellt sind. In dem Verfahren 1 BvL 13/69 fehlt in dem Vorlagebeschluß eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Anträge auf Anerkennung der Verbilligungsberechtigung für das Jahr 1968 wegen Versäumung der Frist des § 9 Abs. 1 Satz 1 GVL 1967 abzulehnen sind. Die Klägerin des diesem Verfahren zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens hat diese Anträge erstmals am 22. und 25. Mai 1968, also mehr als drei Monate nach Ablauf der Frist für die Anträge auf Gewährung der Verbilligung gestellt. Daß die Frist unverschuldet versäumt worden wäre und deshalb von dem beklagten Amt "Nachsicht gewährt" wird (§ 9 Abs. 1 Satz 2 GVL 1967), geht aus dem Vorlagebeschluß nicht hervor. In den Verfahren 1 BvL 23, 25/69 wurden die Anträge auf Anerkennung der Verbilligungsberechtigung und auf Gewäh

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rung der Verbilligung zwar rechtzeitig, aber ohne Verwendung der in § 13 Satz 1 GVL 1967 vorgeschriebenen Vordrucke gestellt. Es erscheint nicht schlechthin ausgeschlossen, daß diese Nichtbeachtung des § 13 Satz 1 GVL 1967 zur Ablehnung der Anträge führt. Diese Frage hat das vorlegende Gericht indessen ebensowenig erörtert wie die weitere Frage, ob der Formmangel der am 3. Februar 1968 für zwei Güter gestellten Anträge durch die Wiederholung vom 22. und 28. Mai 1968 rückwirkend geheilt wurde.
2. Über diese mehr formellen, vom vorlegenden Gericht trotz Hinweises nicht behobenen Beanstandungen hinaus lassen die Vorlagebeschlüsse eine hinreichende Interpretation der zur verfassungsrechtlichen Prüfung vorgelegten Norm und als Folge davon eine genügende Feststellung des relevanten Sachverhalts vermissen.
a) Bei der Klägerin des dem Verfahren 1 BvL 13/69 zugrunde liegenden Ausgangsverfahrens -- der Kurhessischen Hausstiftung -- lag die Prüfung nahe, ob sie nicht bereits nach der beanstandeten Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVL 1967 für das Jahr 1968 verbilligungsberechtigt ist.
Zwar erzielen Mitglieder und Destinatare der in § 1 des Körperschaftsteuergesetzes -- KStG -- aufgeführten Personenvereinigungen und Vermögensmassen, unter anderem die Bezugsberechtigten einer rechtsfähigen Stiftung (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG), grundsätzlich keine Einkünfte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG; denn die Einkünfte werden zunächst steuerlich als Einkünfte dieser Personenvereinigungen und Vermögensmassen behandelt. Zu Einkünften natürlicher Personen werden sie erst dann, wenn sie an diese ausgeschüttet werden. Dann haben sie jedoch grundsätzlich nicht den Charakter von landwirtschaftlichen Einkünften, auch wenn die Organisation selbst Landwirtschaft betreibt (vgl. §§ 20, 22 EStG; BFH BStBl. 1967 III S. 178). Das vorlegende Gericht hätte jedoch untersuchen müssen, ob dies auch für Stiftungen gilt, die an die Stelle von Familienfideikommissen getreten sind. Diese Untersuchung legt der Zweck der Kurhessischen Hausstiftung

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nahe, welche nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts gerade auch die Aufgabe hat, die Familienmitglieder der Kurhessischen Adelsfamilie zu alimentieren. Nach § 1 der "Verordnung über die Steuerbegünstigung von Stiftungen, die an die Stelle von Familienfideikommissen getreten sind", vom 13. Februar 1926 (RGBl. I S. 101), die nach allgemeiner Auffassung noch heute Gültigkeit besitzt (vgl. Körperschaftsteuer-Richtlinien 1964, 1969 Abschnitt 3; Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., Bd. 2, 1972, § 13 Anm. 5 c, S. 1611; Hermann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 16. Aufl., Lieferung 1970, Bd. VI, § 1 KStG Rdnr. 26), bleiben bei der Körperschaftsteuerveranlagung einer Stiftung, welche durch Umwandlung einer zu einem standesherrlichen Hausvermögen, einem Familienfideikommiß, einem Lehen oder einem Erbstammgute gehörenden Vermögensmasse errichtet worden ist, die Einkünfte außer Ansatz, die an die nach der Stiftungssatzung bezugsberechtigten, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Familienmitglieder verteilt werden. Durch diese Befreiungsvorschrift sollen unbillige Härten vermieden werden, die als Folge der Zwangsauflösung der bezeichneten Familiengüter aufgrund von Art. 155 Abs. 2 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung und der einschlägigen Landesgesetzgebung auf steuerlichem Gebiet eintreten können. Infolge der Zwangsauflösung waren die betroffenen Familien vielfach genötigt, an Stelle der bisherigen Gebundenheit des Familienvermögens eine neue zulässige Form der Gebundenheit zu schaffen und das Fideikommißvermögen in eine Stiftung umzuwandeln. Die steuerliche Folge einer solchen Umwandlung war eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung der Einkünfte des Stiftungsvermögens. Die Verordnung vom 13. Februar 1926 will bewirken, daß die Bezugsberechtigten durch die Umwandlung steuerlich nicht schlechter gestellt werden als bisher (vgl. Kennerknecht, Kommentar zum Körperschaftsteuergesetz vom 16. Oktober 1934, KörpStG, Vorbem. 12 zu §§ 8 bis 10). Deshalb ist nach einfachem Recht zu prüfen, ob aus dem Betrieb einer Stiftung, welche aus einem Familienfideikommiß entstanden ist, die sat

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zungsmäßigen, unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Destinatare nicht grundsätzlich Einkünfte aus Landwirtschaft im Sinn von § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielen können (vgl. Blümich- Falk, a.a.O., § 13 Anm. 5 c, S. 1611). Allerdings hat die Stiftung nach Auffassung von Lehre und Rechtsprechung für diejenigen Einkünfte, die sie als Reserve zurückstellt oder die im Betrieb verwendet werden, Körperschaftsteuer zu zahlen (vgl. Kennerknecht, a.a.O., §§ 8-10, Rdnr. 14; RFH 39, 89 [91]). Die Fälle, in denen aus einem Betrieb sowohl Einkünfte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG als auch körperschaftsteuerpflichtige Einkünfte erzielt werden, hat das Gasöl-Verwendungsgesetz-Landwirtschaft nicht geregelt. Der Bundesminister der Finanzen hat von der Möglichkeit, gemäß § 14 GVL 1967 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Abgrenzung des Kreises der Berechtigten in Zweifelsfällen zu erlassen, keinen Gebrauch gemacht. Infolgedessen muß das zuständige Gericht prüfen, ob und wie es diese Gesetzeslücke ausfüllen kann.
b) Unabhängig von diesem Sonderfall ist zu beachten, daß nicht sämtliche natürlichen Personen, die im landläufigen Sinne "Landwirtschaft" betreiben, nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVL 1967 verbilligungsberechtigt sind. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die für das Jahr 1968 geltende gesetzliche Regelung könnten sich deshalb nur dann ergeben, wenn die Klägerinnen der Ausgangsverfahren nach ihrer Betriebsstruktur für den Fall, daß sie natürliche Personen wären, in den Genuß der Verbilligung kämen und die Versagung lediglich durch ihre Rechtsform als juristische Person bedingt wäre.
Die Beschränkung der Verbilligungsberechtigung für natürliche Personen ergibt sich aus der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVL 1967 enthaltenen Verweisung auf den steuerlichen Begriff der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG; vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks. V/2194 S. 6). Solche Einkünfte erzielen natürliche Personen nur dann, wenn sie als Einzelunternehmer einen Betrieb im Sinn von § 13

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Abs. 1 Nr. 1 EStG führen. Das ist auch dann noch der Fall, wenn neben Produkten aus einem Betrieb im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG fremde Erzeugnisse zur Weiterveräußerung zugekauft werden, der Zukauf jedoch die Grenzen der Steuerschädlichkeit nicht überschreitet, d. h. in der Regel nicht mehr als 20, höchstens 30 vom Hundert des Umsatzes beträgt (Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., 1972, § 12 Rdnr. 10; Einkommensteuer-Richtlinien 1967 Abschnitt 134). Es trifft auch dann zu, wenn neben einem Betrieb im Sinn des § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG ein Gewerbebetrieb besteht, dieser jedoch als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb im Sinn des § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG anzusehen ist, oder wenn neben dem landwirtschaftlichen Betrieb ein von diesem getrennter selbständiger Gewerbebetrieb geführt wird (vgl. Littmann, a.a.O., § 13 Rdnrn. 34 bis 40; Blümich-Boyens-Steinbring -Klein, Gewerbesteuergesetz, 8. Aufl., 1968, § 2 Anm. 50/51, S. 74 bis 78). Für die Qualifizierung von Tierzucht und Tierhaltungsbetrieben als landwirtschaftliche Betriebe sind Grenzen durch § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 51 Abs. 2 bis 5 BewG gezogen (vgl. Littmann, a.a.O., § 13 Rdnrn. 24, 27 d; Blümich -Falk, a.a.O., § 13 Anm. 5 b, 10). Soweit natürliche Personen diese Voraussetzungen nicht erfüllen, erzielen sie keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und kommen deshalb nicht in den Genuß der Gasölverbilligung. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß "landwirtschaftliche" Betriebe, die in der Rechtsform einer juristischen Person betrieben werden, über diesen bei natürlichen Personen für Einkünfte aus Landwirtschaft gezogenen Rahmen hinausgehen.
Entscheidungserheblich wäre die Vorlagefrage sonach nur dann, wenn das vorlegende Gericht bei der Verneinung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVL 1967 für die Kurhessische Hausstiftung die Verordnung vom 13. Februar 1926 berücksichtigt und es darüber hinaus nähere Feststellungen über die Betriebsstruktur beider Klägerinnen der Ausgangsverfahren getroffen hätte. Insbesondere hätte das Gericht darlegen müssen, ob der Zukauf fremder Erzeugnisse sich in den Grenzen der Steuer

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schädlichkeit für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gehalten hat. Weiter wäre darauf einzugehen gewesen, ob die Klägerinnen der Ausgangsverfahren im Jahre 1968 neben der Landwirtschaft einen gewerblichen Betrieb führten, als dessen Teil der landwirtschaftliche Betrieb anzusehen war, oder ob der Gewerbebetrieb als Nebenbetrieb des landwirtschaftlichen Betriebs im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu werten war. Schließlich hätten auch Feststellungen darüber getroffen werden müssen, ob sich eine von den Klägerinnen der Ausgangsverfahren betriebene Tierzucht oder Tierhaltung im Rahmen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in Verbindung mit § 51 Abs. 2 bis 5 BewG gehalten hat.
Die bloße Behauptung des Gerichts, die Klägerinnen erzielten -- unterstellt, sie wären natürliche Personen -- Einkünfte nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG, erfüllt diese Erfordernisse nicht. Es hat seiner umfassenden Darlegungspflicht auch nicht damit genügt, daß es auf Erklärungen der beklagten Kreislandwirtschaftsbehörden verwiesen hat, wonach die Versagung der Verbilligung allein an der Rechtsform der Klägerinnen der Ausgangsverfahren gescheitert sei. Dies läßt nicht erkennen, ob das Gericht das Gesetz unter Beachtung der oben dargelegten rechtlichen Erwägungen selbständig ausgelegt und die erforderlichen Tatsachen eigenverantwortlich festgestellt hat. Eigene Gesetzesauslegung und Tatsachenfeststellung durch das Gericht sind im vorliegenden Fall von besonderer Bedeutung, weil infolge der mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GVL 1967 verbundenen Auslegungsschwierigkeiten ein Irrtum der beklagten Behörden nicht auszuschließen ist.
3. Das vorlegende Gericht sieht sich zur Annahme einer Ungleichheit in der Behandlung natürlicher und juristischer Personen insbesondere dadurch veranlaßt, daß seiner Ansicht nach dem Abschnitt III Art. 4 Verkehrsfinanzgesetz 1955 und den Gasölbetriebsbeihilfeverordnungen (vgl. hierzu Eckelmann-Jüttner, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1956, S. 161 ff.) das System zugrunde gelegen hat, die dort näher bezeichneten Betriebe im wirtschaftlichen, gewerblichen und im Verkehrsbereich sowie im Bereich der Fischerei (teilweise) von der für die Straßen

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baufinanzierung zweckgebundenen Mineralölsteuer zu entlasten, weil sie am allgemeinen Straßenverkehr nicht oder kaum teilnehmen. Bei dieser Schlußfolgerung ist nicht erkennbar, ob das vorlegende Gericht die jahrzehntelange Entwicklung der Mineralölsteuer und die Regelung der Vergünstigung für bestimmte Verbrauchergruppen ausreichend berücksichtigt und in seine Würdigung einbezogen hat (vgl. BVerfGE 29, 348 [360]; Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen).
Abgesehen von den Anfängen der Mineralölsteuer unterlagen ihr außer Stoffen, die zum Straßenverkehr verwendet werden, stets auch solche Produkte, die anderen Zwecken dienten (vgl. hierzu die Zusammenstellung in Schädel-Langer-Gotterbarm, Mineralölsteuer und Mineralölzoll, 4. Aufl., 1970, S. 111 bis 113). Mit dieser Regelung erscheint selbst bei Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau die der Auffassung des vorlegenden Gerichts zugrunde liegende Annahme schwerlich vereinbar, die Steuer sei als Entgelt für die Straßenbenutzung anzusehen und müsse daher bei fehlender oder geringer Straßenbenutzung entfallen.
Das Mineralölsteueraufkommen gehörte auch lange Zeit zu den allgemein verfügbaren Haushaltsmitteln (vgl. die Ausführungen von Staatssekretär Hartmann in der 243. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 1952, StenBer. 1. Wp., S. 11545 [C], [D]; Gutachten der Steuerreform-Kommission, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 17, 1971, Abschnitt X, Rdnr. 63, S. 837). Auch nachdem das Verkehrsfinanzgesetz 1955 eine teilweise Zweckbindung in Form einer Sollbestimmung angeordnet hatte, war das Mineralölsteueraufkommen nach den späteren gesetzlichen Regelungen aufgrund von wechselnden politischen Zweckmäßigkeitserwägungen in verschiedenem Ausmaß für Straßenbauzwecke festgelegt (vgl. Art. 1 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. März 1960 -- BGBl. I S. 201 -; Art. 10 des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl vom 20. Dezember 1963 -- BGBl. I S. 995 -; Art. 10 des Gesetzes zur Sicherung des Haushaltsausgleichs -- Haushalts

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sicherungsgesetz -- vom 20. Dezember 1965 -- BGBl. I S. 2065 -; Art. 8 §§ 1 und 4 des Zweiten Gesetzes zur Überleitung der Haushaltswirtschaft des Bundes in eine mehrjährige Finanzplanung -- Steueränderungsgesetz 1966 -- vom 23. Dezember 1966 -- BGBl. I S. 702 -; Art. 4 Abs. 1 und Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen, des Gesetzes über das Branntweinmonopol und des Zollgesetzes -- Steueränderungsgesetz 1967 -- vom 29. März 1967 -- BGBl. I S. 385 -; Schädel-Langer-Gotterbarm, a.a.O., S. 113 f.). Hieraus ergeben sich zumindest Bedenken dagegen, daß die Zweckbindung für den Straßenbau und die daraus herzuleitende Verbilligung für Verbrauchergruppen, die die Straße kaum oder nicht benutzen, ein notwendiges Merkmal der Mineralölsteuer ist.
Es gab und gibt zudem Gasölverbraucher, die von der Mineralölsteuer entlastet werden, obwohl sie am Straßenverkehr teilnehmen, wie z. B. der Werkfernverkehr im Zonenrandgebiet und in Frachthilfegebieten (Art. 9 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. März 1960), der öffentliche Personennahverkehr mit Kraftfahrzeugen im genehmigten Linienverkehr (Art. 2 des Verkehrsfinanzgesetzes 1971 vom 28. Februar 1972 -- BGBl. I S. 201 -) oder landwirtschaftliche Betriebe, die gewisse Beförderungsleistungen durchführen (§ 2 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 1 bis 3 GVL 1967). Auf der anderen Seite kamen nach der im Jahre 1968 geltenden Fassung des Abschnitts III Art. 4 Abs. 1 Verkehrsfinanzgesetz 1955 (vgl. Art. 8 Nr. 1 bis 3 des Straßenbaufinanzierungsgesetzes vom 28. März 1960; Art. 11 des Gesetzes über Umstellung der Abgaben auf Mineralöl vom 20. Dezember 1963; Art. 2 des Haushaltssicherungsgesetzes vom 20. Dezember 1965; § 16 GVL 1967) im Gegensatz zu der ursprünglichen Fassung dieser Vorschrift z. B. Betriebe, die Gasöl zum Antrieb von bestimmten Maschinen zur Stromerzeugung verbrauchen (vgl. auch Schädel -Langer-Gotterbarm, a.a.O., S. 201), und Betriebe der öffentlichen Wasserversorgung, die Gasöl zum Antrieb von Maschinen zur Wasserförderung verwenden, nicht mehr in den Genuß von Gasölbetriebsbeihilfen, obwohl sie Gasöl nicht zur Teilnahme am

BVerfGE 37, 328 (342):

Straßenverkehr verbrauchen (vgl. auch Gutachten der Steuerreform- Kommission, a.a.O., Abschnitt X Rdnr. 63, S. 837).
Es läßt sich nicht ausschließen, daß das Gericht -- in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts -- bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß nicht alle Mineralöl- (Gasöl-)verbraucher, deren Maschinen nicht oder kaum am Straßenverkehr teilnehmen, begünstigt werden sollten.
Benda Ritterspach Haager Rupp-v. Brünneck Böhmer Faller Brox Simon