BVerfGE 76, 83 - Zwangsvollstreckung III


BVerfGE 76, 83 (83):

Die Durchsuchung von Räumen des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher zur Erledigung mehrerer Pfändungsaufträge (§ 827 Abs. 3 ZPO) verstößt gegen Art. 13 Abs. 1 GG, wenn für einen Teil der Gläubiger keine Durchsuchungsanordnung vorliegt, der Gerichtsvollzieher sich aber wegen der Vollstreckung für die übrigen Gläubiger länger in den Räumen des Schuldners aufhalten muß.
 
Beschluß
des Ersten Senats vom 16. Juni 1987
-- 1 BvR 1202/84 --
in dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde der Fa. X .. GmbH -- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Sieghart Ott, Kurfürstenstraße 22, München 40 -- gegen a) den Beschluß des Landgerichts München I vom 1. August 1984 -- 20 T 13544/84 -, b) den Beschluß des Amtsgerichts München vom 16. Juli 1984 -- 33 M 1604/84, 33 M 1691/84 -.
Entscheidungsformel:
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
 
Gründe:
 
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob es gegen Art. 13 Abs. 2 GG verstößt, wenn der Gerichtsvollzieher bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen zum Zwecke der Zwangsvollstreckung Pfändungen auch für diejenigen Gläubiger vornimmt, die keine richterliche Durchsuchungsanordnung erwirkt haben.


BVerfGE 76, 83 (84):

I.
§ 758 der Zivilprozeßordnung lautet:
    (1) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert.
    (2) Er ist befugt, die verschlossenen Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse öffnen zu lassen.
    (3) Er ist, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann zu diesem Zwecke die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachsuchen.
Dabei erfordert Art. 13 Abs. 2 GG, außer bei Gefahr im Verzuge, eine -- besondere -- richterliche Anordnung für die Durchsuchung (vgl. BVerfGE 51, 97).
Das Verfahren bei mehrfacher Prüfung ist wie folgt geregelt:
    § 827 ZPO
    (1) Auf den Gerichtsvollzieher, von dem die erste Pfändung bewirkt ist, geht der Auftrag des zweiten Gläubigers kraft Gesetzes über, sofern nicht das Vollstreckungsgericht auf Antrag eines beteiligten Gläubigers oder des Schuldners anordnet, daß die Verrichtungen jenes Gerichtsvollziehers von einem anderen zu übernehmen seien. Die Versteigerung erfolgt für alle beteiligten Gläubiger.
    (2) Ist der Erlös zur Deckung der Forderungen nicht ausreichend und verlangt der Gläubiger, für den die zweite oder eine spätere Pfändung erfolgt ist, ohne Zustimmung der übrigen beteiligten Gläubiger eine andere Verteilung als nach der Reihenfolge der Pfändungen, so hat der Gerichtsvollzieher die Sachlage unter Hinterlegung des Erlöses dem Vollstreckungsgericht anzuzeigen. Dieser Anzeige sind die auf das Verfahren sich beziehenden Schriftstücke beizufügen.
    (3) In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die Pfändung für mehrere Gläubiger gleichzeitig bewirkt ist.
Zur Pfändung bereits gepfändeter Sachen genügt die in das Protokoll aufzunehmende Erklärung des Gerichtsvollziehers, daß er die Sachen für seinen Auftraggeber pfände (§ 826 Abs. 1 ZPO -- Anschlußpfändung). Diese braucht nicht angesichts der Pfandsache vorgenommen zu werden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 45. Aufl., § 826 Anm. 3).


BVerfGE 76, 83 (85):

II.
1. Gegen den Widerspruch der Beschwerdeführerin pfändete der Gerichtsvollzieher in ihren Geschäftsräumen für 32 Gläubiger Gegenstände in einem Gesamtwert von 17 800 DM. Die Forderungen von 17 Gläubigern, für die richterliche Durchsuchungsanordnungen ergangen waren, beliefen sich auf insgesamt 35 249,93 DM. In Höhe dieses Betrags übergab der Vertreter der Beschwerdeführerin dem Gerichtsvollzieher im Anschluß an die Pfändung einen Verrechnungsscheck. Der Gerichtsvollzieher suchte ein weiteres Mal die Geschäftsräume der Beschwerdeführerin auf, um Forderungen anderer Gläubiger zu vollstrecken, von denen wiederum nur ein Teil richterliche Durchsuchungsanordnungen erwirkt hatten. Er nahm eine Anschlußpfändung der bereits gepfändeten Gegenstände für alle Gläubiger vor. Erneut erhielt der Gerichtsvollzieher einen Verrechnungsscheck zur Begleichung der Forderungen der Gläubiger, für die Durchsuchungsanordnungen ergangen waren, und zwar über den Betrag von 13 499,17 DM. Sämtliche Verrechnungsschecks sind eingelöst worden.
2. Die Beschwerdeführerin legte Erinnerung gegen die Zwangsvollstreckung ein, soweit sie von Gläubigern betrieben wurde, die keine Durchsuchungsanordnungen erwirkt hatten. Dies verstoße gegen Art. 13 Abs. 2 GG. Das müsse insbesondere dann gelten, wenn die Forderungen sofort beglichen würden, für die eine richterliche Erlaubnis zur Durchsuchung vorgelegen hätte.
Das Amtsgericht wies die Erinnerung zurück: Art. 13 Abs. 2 GG gebiete nur, daß der Gerichtsvollzieher die Durchsuchung der Räume nicht ohne richterliche Ermächtigung vornehme; daß eine Durchsuchungsanordnung stets für jeden einzelnen Vollstreckungsgläubiger erforderlich sei, lasse sich dem Grundgesetz nicht entnehmen und folge auch nicht aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 758 ZPO. Auf die Wirksamkeit der Pfändung sei es ohne Einfluß, daß die Beschwerdeführerin dem Gerichtsvollzieher nach Durchsuchung und Pfändung einen Verrechnungsscheck für einen Teil der Gläubiger gegeben habe. Bereits mit der Pfändung sei ein gleichrangiges Pfändungspfandrecht für alle Gläubiger

BVerfGE 76, 83 (86):

entstanden. Eine nach dieser Pfändung erfolgte Zahlung habe allein das Pfändungspfandrecht derjenigen Gläubiger berühren können, deren Forderungen befriedigt werden sollten. Selbst wenn die Beschwerdeführerin dem Gerichtsvollzieher den für einen Teil der Gläubiger bestimmten Scheck bereits vor der Durchsuchung der Räume angeboten hätte, wäre dieser zur Pfändung für alle Gläubiger verpflichtet gewesen.
Hinsichtlich des weiteren Pfändungsvorgangs sei nicht ersichtlich, daß eine Durchsuchung der Räume der Beschwerdeführerin überhaupt stattgefunden habe. Nach dem Protokoll des Gerichtsvollziehers sei eine Anschlußpfändung vorgenommen worden, die ohne einen solchen Eingriff möglich sei.
Das Landgericht ist den Gründen der Entscheidung des Amtsgerichts gefolgt und hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Landgerichts hat die Beschwerdeführerin Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie rügt eine Verletzung von Art. 13 Abs. 1 und 2 GG.
Die Durchsuchungen seien zwar beendet; das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfassungsbeschwerde sei aber nicht entfallen, weil mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen zu rechnen sei.
Die Verweisung in Art. 13 Abs. 2 GG auf einfaches Recht hinsichtlich der Form, in der Durchsuchungen durchzuführen seien, führe nicht zu dem Ergebnis, daß die von einem Gläubiger erwirkte richterliche Anordnung die Durchsuchung für eine unbestimmte Vielzahl von Gläubigern gestatte. Der Wortlaut des § 827 Abs. 3 ZPO schreibe dies nicht vor. Er bestimme lediglich die gleichberechtigte Befriedigung der Gläubiger nach dem Verhältnis ihrer Forderungen, wenn der Erlös zur vollständigen Deckung nicht ausreiche. § 107 Nr. 8 Abs. 3 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher -- GVGA -- in der seit 1. Januar 1983 geltenden Fassung bestimme zwar, daß dann, wenn eine richterlicher Durchsuchungsanordnung vorliege, auch alle weiteren dem Gerichtsvollzieher vorliegenden Aufträge gleichzeitig vollstreckt werden könnten. Diese Bestimmung sei aber kein Gesetz im verfassungsrechtlichen Sinne.
Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden habe, sei die

BVerfGE 76, 83 (87):

Durchsuchungsanordnung nicht ein bloße Formalie. Der Richter habe vielmehr Prüfungsrechte und -pflichten sowie einen Entscheidungsspielraum. So werde er festzustellen haben, ob die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung gegeben seien. Die tägliche Praxis zeige, daß mangelhafte Titel und Zustellungen nicht selten seien und der Gerichtsvollzieher nicht immer in der Lage sei, solche Fehler zu erkennen. Auch die Übereinstimmung des Vollstreckungsgegners mit dem Schuldner, der sich aus dem Titel ergebe, sei nicht immer gewährleistet. Der Richter werde zudem das Schikaneverbot zu beachten haben.
Soweit der Gerichtsvollzieher im vorliegenden Falle lediglich eine Anschlußpfändung durchgeführt habe, sei die Argumentation, für diese habe es keiner Durchsuchungsanordnung bedurft, nicht schlüssig. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn der Gerichtsvollzieher die Anschlußpfändung im Bürowege bewirkt hätte. Dies sei jedoch nicht geschehen. Er habe vielmehr zunächst die Geschäftsräume der Beschwerdeführerin erneut durchsucht.
III.
1. Der Bayerische Ministerpräsident hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
Es sei zweifelhaft, ob Art. 13 Abs. 2 GG für die Durchsuchung von Geschäftsräumen nach § 758 ZPO eine besondere richterliche Anordnung erfordere. Da juristischen Personen keine Intimsphäre zukomme, erscheine hier eine andere verfassungsrechtliche Wertung als bei privaten Wohnräumen möglich. Selbst wenn man aber bei Geschäftsräumen eine richterliche Durchsuchungsanordnung für erforderlich hielte, sei es bei einer Vielzahl von Gläubigern nicht erforderlich, daß jeder eine richterliche Anordnung erwirke. Durchsuchungsanordnungen ermächtigten zu allen gleichzeitig vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen und wirkten nicht nur gegenüber einem bestimmten Gläubiger. Die Durchsuchung im Rahmen der Zwangsvollstreckung sei ein einheitliches Geschehen, das sich nicht in einen erlaubten Teil für einige Gläubiger und in einen nicht erlaubten für andere aufteilen lasse. Da der Inhalt des

BVerfGE 76, 83 (88):

vollstreckbaren Titels nicht mehr überprüft werde, käme es einer übertriebenen Förmlichkeit gleich, weitere Durchsuchungsanordnungen zu verlangen, obwohl ein unabhängiger Richter das Vorliegen der Voraussetzungen für das Durchsuchen der Wohnung bereits bejaht habe.
2. Der Deutsche Gerichtsvollzieher Bund e. V. hält es von Verfassungs wegen nicht für geboten, daß bei gleichzeitiger Vollstreckung jeder Gläubiger im Besitz einer Durchsuchungsanordnung sei. In Wahrheit gehe es der Beschwerdeführerin nicht um die Abwehr eines Eingriffs in das durch Art. 13 Abs. 2 GG geschützte Rechtsgut; sie nehme vielmehr in nicht gerechtfertigter Weise Vermögensinteressen wahr. Auch Art. 13 Abs. 2 GG unterliege immanenten Schranken und dürfe dem Wohnungsinhaber nicht als Vorwand dienen, sich von Pflichten loszusagen. Der Vertreter der Beschwerdeführerin habe die Forderung einiger Gläubiger nur deshalb nicht beglichen, weil sie keine Durchsuchungsbefehle erwirkt hätten. Dadurch werde die Anordnung gleichsam der materielle Rechtsgrund für die Erfüllung des titulierten Anspruchs. Das Verhalten des Vertreters der Beschwerdeführerin sei rechtsmißbräuchlich. Nicht Gründe fehlender Verhältnismäßigkeit, sondern allein das Interesse an einer Verzögerung oder gar Verhinderung der Befriedigung eines titulierten Anspruchs seien für ihn maßgeblich.
 
B. -- I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Die Beschwerdeführerin kann als Gesellschaft mit beschränkter Haftung Trägerin des Grundrechts aus Art. 13 Abs. 1 GG sein. Ihre Räume haben teil am Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG; der dort verwendete Begriff der "Wohnung" umfaßt auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume (vgl. BVerfGE 44, 353 [371] m. w. N.).
2. Die beanstandete Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin ist beendet. Dennoch besteht das Rechtsschutzinteresse der Beschwerdeführerin an der begehrten verfassungsgerichtlichen Entscheidung fort. Es würde der Bedeutung des Grund

BVerfGE 76, 83 (89):

rechtsschutzes nach Art. 13 GG nicht entsprechen, wenn die Befugnis, Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchungen einzulegen, mit deren Beendigung ohne weiteres entfiele (vgl. BVerfGE 51, 97 [105]). Hinzu kommt, daß die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, sie müsse mit weiteren Vollstreckungsmaßnahmen in ihren Geschäftsräumen rechnen.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Die Durchsuchungsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers haben das Grundrecht der Beschwerdeführerin aus Art. 13 GG nicht verletzt.
1. Wie das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, gebietet Art. 13 Abs. 2 GG, daß auch Durchsuchungen zum Zwecke der Vollstreckung aufgrund des § 758 ZPO und im Rahmen dieser Bestimmung vom Richter angeordnet werden, falls nicht Gefahr im Verzuge ist (vgl. BVerfGE 51, 97 [106]). Dabei ist für den Begriff der Durchsuchung kennzeichnend das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatlicher Organe nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines Sachverhalts, um etwas aufzuspüren, was der Inhaber der Wohnung von sich aus nicht offenlegen oder herausgeben will (BVerfGE 28, 285 [287 ff.]; 47, 31 [36 f.]). Die Durchsuchung erschöpft sich nicht in einem Betreten der Wohnung, sondern umfaßt als zweites Element die Vornahme von Handlungen in den Räumen (vgl. Gentz, Die Unverletzlichkeit der Wohnung, S. 70 f.). Die Besichtigung der Räumlichkeiten und der Vollstreckungsobjekte sowie die Durchführung der Vollstreckungsmaßnahmen machen es erforderlich, daß sich der Gerichtsvollzieher während einer Zeitspanne, deren Dauer nicht von vornherein bestimmbar ist, in der Wohnung des Schuldners aufhält. Daraus ergibt sich, daß die richterliche Erlaubnis dem Gerichtsvollzieher einmal das Betreten der Räume des Schuldners gestattet, diesem aber zum anderen auch das Recht gewährt, sich dort so lange aufzuhalten, wie es zur Durchführung des Auftrags erforderlich ist, für den die Durchsuchungsanordnung ergeht. Diese Sicht der Durchsuchungsermächtigung entspricht zugleich dem Grundrecht der Unverletzlichkeit der Woh

BVerfGE 76, 83 (90):

nung, das nicht nur grundsätzlich das Eindringen in eine Wohnung, sondern auch das Verweilen darin durch Organe der öffentlichen Gewalt gegen den Willen des Wohnungsinhabers untersagt (Dagtoglou, in: Bonner Kommentar, Art. 13 Rdnr. 41).
2. Dieser Schutzzweck des Art. 13 Abs. 1 GG, der für den Inhalt der richterlichen Durchsuchungsanordnung maßgeblich ist, muß bei der Prüfung zugrunde gelegt werden, ob und inwieweit der Gerichtsvollzieher bei Pfändungen nach § 827 Abs. 3 ZPO für einen Teil der Gläubiger auch ohne richterliche Anordnung gegen den Willen des Schuldners in dessen Räumen Vollstreckungsmaßnahmen durchführen darf.
a) Die vollstreckungsrechtliche Praxis, die nach der innerdienstlich bindenden Regelung des § 107 Nr. 8 Abs. 3 GVGA verfährt, wird in der Rechtsprechung allgemein als mit Art. 13 Abs. 2 GG vereinbar angesehen. Die Durchsuchungsanordnung ermächtige zu allen gleichzeitig vorzunehmenden Vollstreckungsmaßnahmen und wirke nicht nur gegenüber einem bestimmten Gläubiger. Die Durchsuchung der Wohnung im Rahmen der Zwangsvollstreckung sei eine einheitliche und lasse sich nicht in eine "erlaubte" und eine "nicht erlaubte" aufteilen. Zwar möge durch ein gleichzeitiges Vorgehen der Umfang der Pfändung größer werden, dies habe jedoch nichts mit dem geschützten Rechtsgut des Art. 13 Abs. 1 GG zu tun (AG Ibbenbüren und LG Münster, DGVZ 1981, S. 188 [189]). Es gebe keine gesetzliche Regelung, die den Gerichtsvollzieher zwinge oder es ihm auch nur ermögliche, von einer Pfändung mit Gleichrang zugunsten aller Gläubiger abzusehen, sofern dazu eine vorherige gewaltsame Öffnung der Räume notwendig gewesen sei, in denen die Vollstreckung stattfinden sollte, und die erforderliche Ermächtigung auch nur von einem Gläubiger beigebracht gewesen sei (LG Hamburg, DGVZ 1982, S. 45).
Die Literatur ist dieser Rechtsprechung weitgehend gefolgt (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O., § 758 Anm. 2 C h und § 827 Anm. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 14. Aufl., § 758 Anm. 2 d, g; Stöber, in: Zöller, ZPO, 15. Aufl., § 758 Rdnr. 12 und § 808 Rdnr. 25; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 827 Rdnr. 7).


BVerfGE 76, 83 (91):

Diese Auffassung ist indessen mit Art. 13 GG nicht uneingeschränkt vereinbar; sie läßt außer Betracht, daß -- auch -- dem Zeitmoment des Verweilens Grundrechtsrelevanz beizumessen ist und die richterliche Ermächtigung deshalb den Aufenthalt des Gerichtsvollziehers in den Räumen des Schuldners zeitlich begrenzt.
b) Die Gegenmeinung, nach der die richterliche Durchsuchungsanordnung das Ergebnis einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit sei, sich daher allein im jeweiligen Vollstreckungsverhältnis auswirke und aus diesem Grunde für jeden Vollstreckungsauftrag eine Durchsuchungsanordnung erforderlich sei, wenn der Schuldner das Betreten seiner Räume nicht freiwillig zulasse (vgl. Frank, JurBüro 1983, S. 802 [812]; im Ergebnis ebenso Seip, DGVZ 1979, S. 97 [102]; Kühne, DGVZ 1979, S. 145 [146]; Bittmann, DGVZ 1985, S. 163 [164]), geht andererseits über den Schutzzweck des Art. 13 GG hinaus. Der in einer Durchsuchung liegende schwere Eingriff in das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung darf stattfinden, wenn zuvor eine neutrale, mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestattete Instanz geprüft hat, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Ein Gerichtsvollzieher, der sich aufgrund einer richterlichen Durchsuchungsanordnung in der Wohnung des Schuldners befindet, dringt nicht in rechtswidriger Weise in diese ein, wenn er nur für einen Teil der Vollstreckungstitel eine richterliche Durchsuchungsanordnung hat und bei dieser Gelegenheit auch andere Titel vollstreckt; denn Art. 13 GG gewährt dem Schuldner nicht den Schutz vor Vollstreckungsmaßnahmen.
c) Unter Berücksichtigung der beiden Komponenten der Durchsuchungsanordnung (Erlaubnis zum Eindringen in die Wohnung und angemessenes Verweilen in dieser) kommt es für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Maßnahmen des Gerichtsvollziehers nach Art. 13 GG darauf an, ob die Durchsuchung deshalb zu einem intensiveren Eingriff in den Wohnbereich führt, weil sie fortgesetzt wird, bis zu erwarten ist, daß die Verwertung der vorgefundenen Vollstreckungsobjekte auch die Forderungen der Gläubiger deckt, für die keine richterliche Ermächtigung vorliegt. Wird der Grundrechtseingriff durch die Vollstreckung für Gläubiger oh

BVerfGE 76, 83 (92):

ne Durchsuchungsanordnung nicht erweitert, so kann der Gerichtsvollzieher in Übereinstimmung mit Art. 13 GG auch für Gläubiger vollstrecken, die keine Durchsuchungsanordnung erwirkt haben. Wenn die Vollstreckung für diese keine zusätzlichen, weitergehenden Maßnahmen (Durchsuchung anderer Räume und Behältnisse) erfordert, die zwangsläufig zu einem längeren Verweilen des Gerichtsvollziehers in den Räumen des Schuldners führen, wird sie durch die vorliegende Durchsuchungsanordnung eines anderen betreibenden Gläubigers gedeckt (Behr, DGVZ 1980, S. 49 [57]). Andernfalls bedarf es einer weiteren richterlichen Durchsuchungsanordnung oder der Gläubiger muß sich mit einer Anschlußpfändung nach § 826 ZPO begnügen, die außerhalb der Räume des Schuldners erfolgen kann, wenn diese auch den Gläubiger rangmäßig schlechterstellt.
III.
Unter Zugrundelegung dieses Ergebnisses kann die Verfassungsbeschwerde keinen Erfolg haben. Bei der ersten Durchsuchung der Geschäftsräume der Beschwerdeführerin lagen dem Gerichtsvollzieher Durchsuchungsanordnungen für Titel in einer Gesamthöhe von 35 249,93 DM vor, wobei nur Gegenstände in einem geschätzten Wert von 17 800 DM gepfändet wurden. Daraus folgt, daß sich der Gerichtsvollzieher nicht außerhalb der von den Durchsuchungsanordnungen gedeckten Verweildauer in den Räumen der Beschwerdeführerin aufgehalten haben kann. Selbst wenn die spätere Anschlußpfändung in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin gegen den Willen ihres Geschäftsführers durchgeführt worden ist, so ist diese Vollstreckungsmaßnahme jedenfalls nicht unter Verletzung von Art. 13 GG erfolgt. Für sie lagen Durchsuchungsanordnungen von Gläubigern vor, die sich auf titulierte Forderungen in einer Gesamthöhe von 13 499,17 DM bezogen.
(gez.) Dr. Herzog, Dr. Simon, Dr. Hesse, Dr. Katzenstein, Dr. Niemeyer, Dr. Heußner, Dr. Henschel, Dr. Seidl