Nach Art. 1 Ziffer 17 des Auslieferungsvertrages zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche vom 24. Januar 1874 hat die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung wegen Fälschung von Urkunden, wie auch wegen wissentlichen Gebrauches falscher oder gefälschter Urkunden stattzufinden, "vorausgesetzt, daß die Absicht zu betrügen oder zu schaden obgewaltet hat". Nun bestreitet der Angeschuldigte -- offenbar mit Recht -- nicht, daß die ihm laut Haftbefehl (auf dessen Inhalt auslieferungsrechtlich ohne weiteres abzustellen ist) zur Last gelegte Handlung: die Teilnahme an der Fälschung eines statistischen Anmeldescheins zollfreier Waren und die Veranlassung der Übergabe dieses Scheines an ein deutsches Zollamt zum Zwecke einer unrichtigen Warendeklaration und der dadurch zu ermöglichenden Einfuhr von Saccharin nach Deutschland (die gemäß § 2
litt. b des deutschen Süßstoffgesetzes vom 7. Juli 1902 verboten ist und sich demnach als "Kontrebande" im Sinne von § 134 des deutschen Vereinszollgesetzes darstellt) den Straftatbestand der §§ 267 und 268 Ziff. 1 Reichs-StGB erfüllt und daß dieser Straftatbestand den Merkmalen des erwähnten Auslieferungsdeliktes an sich entspricht. Es kann in der Tat speziell auch darüber kein Zweifel bestehen, daß bei jener Handlung auch die in Art. 1 Ziffer 17 des Auslieferungsvertrages noch besonders geforderte "Absicht zu täuschen oder zu schaden" vorliegt, da die versuchte Umgehung des gesetzlichen Verbotes der Einfuhr von Saccharin sich jedenfalls als "betrügerisch" im strafrechtlichen Sinne charakterisiert, indem sie durch Täuschung der Zollbeamten erreicht werden sollte und ihr die Absicht zu Grunde lag, das eingeführte Saccharin mit eigenem Gewinn abzusetzen, zum effektiven, wenn auch vielleicht nicht bewußt gewollten, Schaden der deutschen
BGE 39 I 113 (116):
Zuckerindustrie, zu deren Schutz das fragliche Einfuhrverbot erlassen worden ist (vergl.
Stenglein, Kommentar zu den strafrechtlichen Nebengesetzen des deutschen Reichs, 4. Auflage I S. 683). Dagegen wendet der Angeschuldigte ein, daß seine Auslieferung gemäß Art. 4 Abs. 3 des Auslieferungsvertrages nicht zulässig sei, weil die angebliche Urkundenfälschung "in Umgehung von Zollvorschriften erfolgt" sei und es sich somit um ein Zollvergehen handle, das kein Auslieferungsdelikt bilde. Dieser Einwand geht fehl. Von Absorption oder Konsumtion der Urkundenfälschung durch das in Betracht fallende Zolldelikt der "Kontrebande", derart, daß die Strafbarkeit jener ersteren in derjenigen dieser letzteren aufgehen würde (was der Angeschuldigte wohl behaupten will), könnte nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen nur die Rede sein, wenn der begriffliche Tatbestand der Urkundenfälschung zu den Begriffsmerkmalen der Kontrebande gehören, diese also eine Urkundenfälschung stets und notwendigerweise in sich schließen würde. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Der "Kontrebande" macht sich, laut § 134 des deutschen Vereinszollgesetzes, jeder schuldig, der "es unternimmt", Gegenstände einem bestehenden Einfuhrverbote zuwider in Deutschland einzuführen; die
Art und Weise des "Unternehmens" ist für den Straftatbestand unerheblich, insbesondere bedarf es dazu überhaupt nicht speziell eines Versuches der Täuschung von Zollbeamten vermittelst einer unrichtigen Warendeklaration. Und zudem setzt auch die unrichtige Warendeklaration als solche begrifflich nicht etwa eine Urkundenfälschung voraus; denn auch sie erfordert nicht notwendig die Verwendung einer gefälschten d.h. tatsächlich nicht von demjenigen, der darin als Aussteller bezeichnet ist, herrührenden und in diesem Sinne
formel unwahren Urkunde, sondern für ihren Tatbestand wesentlich ist nur die
materielle Unrichtigkeit der vom Pflichtigen abgegebenen Deklaration. Die Urkundenfälschung erweist sich somit als ein vom fraglichen Zolldelikt durchaus unabhängiger Straftatbestand, für den die Auslieferung nach Maßgabe des Art. 1 Ziff. 17 des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages zu gewähren ist.