BGE 52 I 353 - Bestattungen Frauenfeld |
48. Urteil |
vom 1. Oktober 1926 i.S. Munizipialgemeinde Frauenfeld gegen Regierungsrat Thurgau. |
Regeste |
Umfang der Gemeindeautonomie nach thurgauischem Recht. |
Gesetzliche Vorschriften können das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde bei Besorgung ihrer Aufgaben nur wirksam einschränken, soweit sie nicht selbst verfassungswidrig sind. Eine Vorschrift, wodurch den Gemeinden als mit dem Bestattungswesen betrauten Verbande untersagt wird, für die Feuerbestattung dem Masse nach die gleichen Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu machen, wie sie von Gesetzes wegen für die Erdbestattung gemacht werden müssen, verstösst gegen Art. 4 und 49 Abs. 4 BV. |
Sachverhalt: |
A. |
Das thurgauische Gesetz betreffend unentgeltliche Leichenbestattung vom 21. November 1898 bestimmt:
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"§ 1: Die Bestattung sämtlicher Leichen geschieht im Kanton Thurgau unentgeltlich und wird durch die Gemeinderäte der Munizipalgemeinden besorgt.
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Die Feuerbestattung ist zulässig, jedoch nur auf Kosten der Angehörigen des Verstorbenen.
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§ 4. Jede Leiche wird in der Regel auf dem Friedhofe derjenigen Munizipalgemeinde bestattet, in welcher der Tod erfolgt oder die Leiche aufgefunden worden ist. Die Hinterlassenen sind jedoch berechtigt, gegen Bezahlung der daraus erwachsenden Mehrkosten die Bestattung des Verstorbenen in der Gemeinde des letzten Wohnortes oder desjenigen seiner Familie oder des Bürgerortes zu verlangen. Der Transport einer Leiche aus einer Gemeinde in die andere kann indessen aus gesundheitspolizeilichen Rücksichten untersagt werden. |
§ 6. Die Bestattung erfolgt zu gleichen Teilen auf Kosten des Staates und der Munizipalgemeinden und umfasst folgende Leistungen:
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a) die Leichenschau; b) die Bekanntmachung der Bestattung; c) die Lieferung des Sarges und Einsargung der Leiche; d) die Verbringung der Leiche auf den Friedhof; e) das Glockengeläute; f) das Öffnen und Zudecken des Grabes; g) die Bezeichnung des Grabes. |
§ 7. Die Rechnungsführung über das Bestattungswesen in der Munizipalgemeinde liegt dem (vom Gemeinderat gewählten) Friedhofvorsteher ob.
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Derselbe hat alljährlich die Ausgabenrechnung anzufertigen und mit den Belegen, behufs Festsetzung des staatlichen Kostenbetreffnisses, je bis Ende Februar dem Regierungsrat einzureichen.
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Der Staatsbeitrag wird nach einheitlichen Durchschnittsansätzen entrichtet, für welche ein Regulativ aufzustellen ist.
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B. |
Mit Eingabe vom 1. Dezember 1925 ersuchte der im Jahre 1924 gegründete Feuerbestattungsverein Frauenfeld den Gemeinderat der Munizipalgemeinde Frauenfeld um Gewährung eines jährlichen Beitrages an die Zwecke des Vereins. Der Gemeinderat kam diesem Gesuche in der Weise entgegen, dass er im Voranschlag der Ausgaben für 1926 Abschnitt G Gesundheitswesen III Begräbniswesen den Posten c Bestattungen ("Beerdigungen") auf 11,500 Fr. ansetzte. In dem begründenden Berichte an die Gemeinde, der einen Bestandteil des Voranschlages bildet, wurde dazu bemerkt:
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"In den Ausgaben für Bestattungskosten (lII c) ist ein Beitrag von 500 Fr. an den Feuerbestattungsverein vorgesehen zwecks Förderung der Feuerbestattung, speziell durch Gewährung von Kostenbeiträgen an diese Bestattungsart für wenig Bemittelte. Im übrigen soll bei Feuerbestattung von der Gemeinde der gleiche Betrag aufgewendet werden, wie sich die Kosten der Gemeinde, Kosten für Friedhofanlagen und Friedhofunterhalt nicht eingerechnet, bei Erdbestattung stellen. Demgemäss werden die Kosten des Leichentransportes nach Winterthur von der Gemeinde direkt vergütet. Auch soll von der Erhebung der Mietgebühren von 3 Fr. für Benützung des Leichenwagens, wie sie bisher üblich war, abgesehen werden. Bei einer Zunahme der Kremationen wird eine Vergrösserung des Friedhofes oder die Neuanlage eines solchen vermieden werden können." |
Die katholische Kirchenvorsteherschaft und die katholische Volkspartei Frauenfeld erhoben gegen die Übernahme dieser Leistungen Einsprache, weil sie gegen § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. November 1898 verstiessen und die katholische Minderheit der Gemeinde dadurch in unzulässiger Weise gezwungen würde, an einen ihren religiösen Überzeugungen widersprechenden Zweck beizutragen. Der Gemeinderat hielt jedoch an seiner Vorlage fest. In der Gemeindeabstimmung vom 14. März 1926 wurde der Voranschlag einschliesslich des beanstandeten Postens mit 1109 gegen 351 Stimmen angenommen. Dr. Hangartner, Redaktor in Frauenfeld, führte hierüber namens der katholischen Volkspartei Frauenfeld und für sich persönlich Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Thurgau, soweit sich der Genehmigungsbeschluss der Gemeinde auf die unter G III c des Voranschlages vorgesehenen Leistungen bei Feuerbestattungen und an den Feuerbestattungsverein Frauenfeld bezog. Durch Entscheid vom 4. Juni 1926 hiess der Regierungsrat die Beschwerde "im Sinne der Motive" gut. In den Motiven wird ausgeführt: Im Streite liege weder die grund sätzliche Zulässigkeit der Feuerbestattung; sie sei im Kanton Thurgau seit der bezüglichen Verordnung vom 14. September 1994 anerkannt und könne heute nach dem Urteile des Bundesgerichts vom 16. Mai 1919 in Sachen Stadtrat Luzern und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Luzern (BGE 45 I S. 119) nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Auch handle es sich nicht um einen Beschluss der Gemeinde als mit der Besorgung des Bestattungswesens betrauten Verbandes, die für diese Bestattungsart notwendigen Einrichtungen zu schaffen oder zu vermehren. Die Beschwerde richte sich vielmehr einzig dagegen, dass die Feuerbestattung aus öffentlichen Mitteln verbilligt und dadurch gefördert werden solle. Die danach allein zu entscheidende Frage aber, ob eine Minderheit verhalten werden dürfe aus Steuermitteln zur Verbilligung der von ihr abgelehnten Bestattungsart beizutragen, beantworte sich nach kantonalem Recht. Den Gemeinden sei die Autonomie nur im Rahmen der geltenden staatlichen Gesetze gewährleistet. Durch § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. November 1898 habe der Gesetzgeber nicht etwa nur den Staat und die Gemeinden vor übermässig hohen Bestattungskosten schützen wollen. Die Bestimmung sei vielmehr veranlasst worden durch den Widerstand der Kreise, die aus religiösen Gründen die Feuerbestattung überhaupt ablehnten und den Gesetzesentwurf benützt hätten, um diese grundsätzliche Frage wieder aufzurollen. Man habe dadurch verhüten wollen, dass das Gesetz an dieser Opposition zu Fall komme. Tatsächlich sei es in der Volksabstimmung nur mit knappem Mehr angenommen worden und wäre sicher verworfen worden, wenn den grundsätzlichen Gegnern der Feuerbestattung nicht diese Beruhigung geboten worden wäre. Es handle sich demnach um eine gewollte Schutzbestimmung zugunsten dieser Kreise, dahingehend, dass öffentliche, insbesondere Steuermittel für jene Bestattungsart nicht zur Verfügung gestellt und verwendet werden dürfen. Der Regierungsrat gehe also nicht über die ihm den Gemeinden gegenüber zustehende Aufsichtsgewalt hinaus, wenn er auf erhobene Beschwerde eine Minderheit gegen widersprechende Gemeindebeschlüsse schütze. Immerhin stehe nichts entgegen, die Bestimmung in dem Sinne auszulegen, dass sie nur auf die eigentliche Kremation, nicht auf die in § 6 des Gesetzes genannten Kosten bezogen werde, soweit diese auch bei Feuerbestattungen aufgewendet werden müssten und im einzelnen Falle wirklich aufgewendet werden. So sei das Gesetz denn auch schon bisher von verschiedenen Gemeinden angewendet worden. "Dabei wird dieser Auffassung kein zu weitgehender Zwang angetan, wenn dem § 6 litt. d (Verbringung der Leiche auf den Friedhof) gleichgestellt wird der Transport der Leiche zur Bahn oder ins Krematorium im Höchstbetrage der Transportkosten auf dem Ortsfriedhof und dem § 6 litt. f (Oeffnen und Zudecken des Grabes) die Beisetzung der Asche auf dem Ortsfriedhof. Nicht haltbar ist dagegen die vom Gemeinderat in der Budgetbotschaft vertretene Auffassung: |
"Im übrigen soll bei Feuerbestattung von der Gemeinde der gleiche Betrag aufgewendet werden, wie sich (...) die Kosten der Gemeinde bei Erdbestattung stellen."
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Es ist vielmehr abzustellen auf die im einzelnen Fall an in § 5 litt. a-g aufgeführte Leistungen wirklich aufgewendeten Kosten, unter Berücksichtigung der oben gegebenen Interpretation, und es ist mit dem Gesetz nicht vereinbar, durch weitere Beiträge aus öffentlichen Mitteln -- ein Beitrag von 500 Fr. an den Feuerbestattungsverein -- die Feuerbestattung zu fördern und zu verbilligen." Ob die vorgesehenen Aufwendungen für die Gemeinde "finanzpolitisch" vorteilhaft wären, weil sie sich beim Zunehmen der Feuerbestattungen die Erweiterung der bestehenden Friedhofanlagen erspare, sei gegenüber dem Verbote des Gesetzes vom 21. November 1898 unerheblich.
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C. |
Gegen diesen Entscheid hat der Gemeinderat der Munizipialgemeinde Frauenfeld den staatsrechtlichen Rekurs ans Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage auf Aufhebung des Entscheides. Er erblickt darin einen unzulässigen Eingriff in das verfassungsmässig gewährleistete Selbstbestimmungsrecht der Gemeinden und eine Verletzung von Art. 4 BV. § 1 Abs. 2 des kantonalen Gesetzes vom 21. November 1898 enthalte einen Zusatz zu der in Abs. 1 aufgestellten Regel der Unentgeltlichkeit der Bestattung, indem er davon eine bestimmte Bestattungsart, nämlich die Feuerbestattung ausnehme. Er habe demnach nur die Bedeutung, dass "wer sich verbrennen lässt, aus dem Gesetze keinen Anspruch an Staat und Gemeinde auf Tragung der Bestattungskosten herleiten kann". Die Befugnis der Gemeinde, von sich aus dennoch solche Beiträge auch für die Feuerbestattung zu gewähren, werde dadurch nicht berührt. Die entgegengesetzte Auslegung, wonach die Bestimmung ein auch an die Gemeinden gerichtetes Verbot der Förderung dieser Bestattungsart aus öffentlichen Mitteln überhaupt enthielte, sei mit Zweck und Zusammenhang des Gesetzes unvereinbar und willkürlich. Auch die vom Regierungsrat angeführten Gesetzesmaterialien gäben dafür keine Stütze; sie sprächen in Wirklichkeit ebenfalls zugunsten der Auffassung des Rekurrenten. Sollte aber die Bestimmung wirklich den vom Regierungsrat angenommenen Sinn haben, so wäre sie selbst, aus den im Urteil des Bundesgerichts vom 16. Mai 1919 in Sachen Stadtrat Luzern angeführten Gründen, bundesrechts- und verfassungswidrig. Wenn danach der Staat den mit Besorgung des Bestattungswesens betrauten Verband, ohne die Rechtsgleichheit zu verletzen, nicht hindern könne, den Anhängern der Feuerbestattung innert des Verbandes durch Schaffung der für diese Bestattungsart nötigen Einrichtungen entgegenzukommen, so dürfe jenem Verbande (im Kanton Thurgau der Munizipalgemeinde) noch viel weniger eine blosse Unterstützung an einen örtlichen Feuerbestattungsverein wie die heute streitige untersagt werden. |
D. |
Der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Der Regierungsrat von Thurgau hat die Abweisung des Rekurses beantragt. Er hält an der im angefochtenen Entscheide vertretenen Auslegung des § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. November 1898 fest und bestreitet, dass das Gesetz so ausgelegt, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bürger verstosse. "An die Bestattung durch Kremation werden aus öffentlichen Mitteln nach unserer weitherzigen Interpretation des Gesetzes diejenigen Kosten getragen, welche bei der üblichen Beerdigung aus öffentlichen Mitteln bestritten werden müssten. Würde man den Argumentationen der Beschwerde folgen, so hätte jeder Bürger das Recht, sich auf Kosten der Allgemeinheit kremieren zu lassen, was der Gesetzgeber nicht nur stillschweigend, sondern ausdrücklich und aus wichtigen referendumspolitischen Gründen ausschloss, und es würde auch nicht zu beanstanden sein, wenn eine Gemeindemehrheit die Übernahme weiterer Leistungen aus Steuergeldern beschliessen würde, als § 6 des Gesetzes sie aufführt."
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Erwägungen: |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 |
1. Der Gemeinderat der Munizipalgemeinde Frauenfeld wäre zwar als Behörde nicht befugt, gegen einen Entscheid seiner Oberbehörde, wodurch ihm für sein Verhalten bestimmte Weisungen erteilt werden, durch staatsrechtlichen Rekurs aufzutreten, weil diese Befugnis nach Art. 176 Ziff. 2 OG nur Bürgern (Privaten) und Korporationen zusteht. Nach dem ganzen Inhalte der Beschwerde ist indessen anzunehmen, dass er in Wirklichkeit auch nicht in eigenem Namen, sondern als Vertreter der Gemeinde rekurrieren will, in deren Selbstbestimmungsrecht die angefochtene Entscheidung in verfassungswidriger Weise eingreife, wie denn der vom Regierungsrat beanstandete Beschluss selbst von der Gemeindeversammlung und nicht vom Gemeinderat ausgegangen ist, dem dabei nur die Vorbereitung und AntragsteIlung zukam. Zur Geltendmachung jenes Beschwerdegrundes namens der Gemeinde ist aber der Gemeinderat als Organ, dem die Vollziehung der Gemeindebeschlüsse obliegt (§ 12 des kant. Gemeindegesetzes vom 8. Nov. 1874), nach der Praxis offenbar befugt (vgl. BGE 40 I S. 278, 51 I S. 143 Erw. 1). Der Regierungsrat hat denn auch in der Antwort die Einrede fehlender Beschwerdelegitimation nicht erhoben, sondern sich darauf beschränkt, die materielle Abweisung des Rekurses zu verlangen. |
Erwägung 2 |
2. Die Annahme des angefochtenen Entscheides, dass § 1 Abs. 2 des kant. Gesetzes vom 21. November 1898 nicht bloss einen Anspruch des Nachlasses oder der Erben des Bestatteten auf Tragung der Bestattungskosten durch Staat und Gemeinde auch im Falle der Leichenverbrennung im Gegensatz zur Erdbestattung verneinen, sondern die Förderung dieser Bestattungsart aus öffentlichen Mitteln überhaupt, auch durch freiwilliges Entgegenkommen der Gemeinde habe ablehnen wollen, kann nicht als willkürlich bezeichnet werden. Sie entspricht dem Wortlaut der Vorschrift, die im Gegensatz zum Gesetzesentwurf des Regierungsrates sich nicht begnügt zu bestimmen, dass unter Bestattung im Sinne von Abs. 1 nur die Erdbestattung zu verstehen sei, sondern positiv erklärt, dass zwar die Feuerbestattung grundsätzlich ebenfalls als zulässig zu gelten habe, jedoch nur auf Kosten der Angehörigen. Neben der damit vorgeschriebenen Tragung der Kosten durch die Angehörigen ist aber für deren Übernahme durch die Gemeinde kein Raum. Dazu kommen die Feststellungen des Regierungsrates über den referendumspolitischen Beweggrund der Bestimmung, die im Rekurse nicht haben widerlegt werden können. Wenn andererseits die erläuternden Berichte des Regierungsrates an den Grossen Rat zum Gesetzesentwurf und an das Volk zur Referendumsvorlage vielleicht gewisse Anhaltspunkte dafür bieten könnten, dass trotz alledem die Bestimmung in Wirklichkeit doch nur den vom Rekurrenten behaupteten beschränkteren Sinn haben sollte, so sind doch diese Äusserungen keinesfalls bestimmt genug, um die abweichende, auf den Gesetzestext selbst sich stützende Auslegung des Regierungsrates als dem klaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufend und ausgeschlossen anzusehen, ganz abgesehen davon, inwiefern überhaupt die blosse Berufung auf Gesetzesmaterialien gegenüber einem an sich nicht unklaren Gesetzestexte zur Begründung der Rüge der Willkür ausreichen könne. Fraglich kann demnach nur sein, ob nicht das Gesetz bei diesem Inhalte selbst verfassungswidrig sei und die Gemeinde in unzulässiger Weise in der Selbstbestimmung einschränke. |
Erwägung 3 |
"Die sämtlichen Gemeinde- und Korporationsgüter behalten diejenige Zweckbestimmung, der sie gewidmet sind; innerhalb der Schranken dieser Zweckbestimmung geniessen die Gemeinden und Korporationen das Recht freier Verfügung, und es soll die Oberaufsicht der Staatsbehörden auf diejenigen Massnahmen sich beschränken, welche die Erhaltung der Gemeindegüter und die Obsorge für das öffentliche Wohl der Gemeinden und Korporationen mit Notwendigkeit erheischen. Veränderungen in der Zweckbestimmung der Gemeindefonds sind an die Zustimmung des Regierungsrates gebunden."
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Dagegen bestimmt § 2 des Gesetzes vom 8. November 1874 über die Organisation der Gemeinden und Gemeindebehörden, anschliessend an die Umschreibung des Aufgabenkreises der Ortsgemeinden als Verbände zur Besorgung der "gesamten Ortsverwaltung":
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Es kann nicht zweifelhaft sein, dass der nämliche Grundsatz, obwohl das Gesetz ihn ausdrücklich nur bei Umschreibung der Stellung der Ortsgemeinden ausspricht, doch nach dem Willen des Gesetzgebers in gleicher Weise auch für die Munizipalgemeinden als den höheren Gemeindeverband hinsichtlich des ihnen zugewiesenen Tätigkeitskreises gelten muss. Der Regierungsrat betrachtet dies denn auch im angefochtenen Entscheide und in der Rekursantwort als selbstverständlich. Er will nur die Autonomie auch der Munizipalgemeinden im gleichen Masse wie diejenige der Ortsgemeinden eingeschränkt, nämlich in die Schranken der Verfassung und staatlichen Gesetzgebung verwiesen wissen.
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§ 1 Abs. 1 des Gesetzes vom 21. November 1898 bezeichnet aber ausdrücklich als eine dieser zum Aufgabenkreis der Gemeinden und zwar der Munizipalgemeinden gehörenden Aufgaben, innert der allgemeinen polizeilichen und sonstigen Schranken des staatlichen Rechts, auch die Besorgung des Bestattungswesens, wie es sich denn dabei um eine Aufgabe handelt, die innert jener Grenzen überall nicht dem Staate, sondern einem engeren territorialen Verbande zugewiesen zu sein pflegt, wobei lediglich die politischen Gemeinden die ursprünglich damit befassten kirchlichen Korporationen abgelöst haben. Und § 8 des Gemeindegesetzes von 1874 zählt unter den Befugnissen der Munizipalgemeinden u.a. auf:
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"Die Erstellung öffentlicher Anstalten für die Gemeinde und die Förderung von Unternehmungen, die in deren Interesse liegen."
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Darunter fällt aber ohne Zweifel auch die finanzielle Förderung solcher privater Zweckverbände, durch deren Tätigkeit der Gemeinde Aufwendungen erspart werden, die sie sonst auf sich nehmen müsste, in dem Masse als letzteres der Fall ist. Schon in der Antwort an die katholische Kirchenvorsteherschaft und katholische Volkspartei Frauenfeld auf deren Einsprache gegen den Budgetentwurf und in der Beschwerdeantwort an den Regierungsrat hatte aber der Gemeinderat Frauenfeld darauf hingewiesen, dass eine Zunahme der Feuerbestattungen infolge ihrer Verbilligung durch Subventionen der Gemeinde geeignet sei, der Gemeinde eine derartige Ersparnis einzubringen, indem dadurch die sonst bald notwendig werdende Erweiterung oder Vermehrung der Friedhofanlagen vermieden werden könne. Die vorgesehenen Leistungen kämen bei weitem nicht dem Betrage gleich, den die Verzinsung des in diesen Erweiterungsanlagen angelegten Kapitals erfordern würde. Im staatsrechtlichen Rekurse sind diese Behauptungen wiederholt worden. Der Regierungsrat hat sie im angefochtenen Entscheide nicht etwa in Zweifel gezogen, sondern lediglich erklärt, dass darauf gegenüber dem Verbote des § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. November 1898 nichts ankommen könne. Und auch in der Rekursantwort an das Bundesgericht hat er sie nicht bestritten, so dass sie in tatsächlicher Hinsicht als zutreffend erachtet werden dürfen. Von beiden Gesichtspunkten aus hat demnach die Gemeinde durch den vom Regierungsrat teilweise aufgehobenen Beschluss innert des ihr zugewiesenen Tätigkeitskreises gehandelt und kann sich also grundsätzlich auf die ihr gewährleistete Autonomie berufen. Wenn der Regierungsrat einwendet, dass diese immerhin im Einzelfalle immer nur in den Grenzen der Gebote und Verbote der staatlichen Gesetzgebung bestehe, so ist das an und für sich richtig. Es setzt aber voraus, dass die staatliche Norm, die dem Akte der Gemeinde entgegengehalten wird, ihrerseits nicht, abgesehen von dem Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Gemeinde, den sie mit sich bringt, verfassungswidrig und deshalb ungültig sei. Gesetzliche Normen des Kantons, welche wegen Widerspruchs zu Grundsätzen des übergeordneten eidgenössischen Verfassungsrechts keinen Anspruch auf Verbindlichkeit erheben können, vermögen wie auf anderen so auch auf diesem Gebiete keine Rechtswirkungen zu entfalten und demnach einem Beschlusse der Gemeinde, mit dem diese sich an sich innert ihres Aufgabenkreises hält, nicht entgegengehalten zu werden. |
Im Urteile in Sachen Stadtrat Luzern und Mitbeteiligte gegen Regierungsrat des Kantons Luzern vom 16. Mai 1919 hat das Bundesgericht es als einen allgemeinen, nach schweizerischem Staatsrecht aus der persönlichen Freiheit fliessenden Anspruch des Bürgers betrachtet, in Fragen, die die Betätigung der geistigen und sittlichen Individualität betreffen, keinen Zwang zu erleiden, der sich nicht durch höhere staatliche Interessen, Rücksichten der Polizei und der Sittlichkeit, rechtfertigen lässt. Um eine solche Frage handle es sich bei der Verfügungsmacht des Lebenden über das Schicksal seines Leibes nach dem Tode, die Art der Bestattung. Da der Bestattung durch Verbrennung der Leiche bei richtiger Ausgestaltung weder triftige polizeiliche, insbesondere gesundheitspolizeiliche Gründe noch Rücksichten der Schicklichkeit entgegengehalten werden könnten, wie denn der Regierungsrat von Luzern solche nicht geltend mache, sei demnach ein grundsätzliches Verbot der Kremation verfassungsrechtlich unzulässig. Freilich vermöge dieser Grundsatz wie jedes blosse Freiheitsrecht keine Verpflichtung des Staates zu positiven Leistungen zu erzeugen; er berechtige also den Bürger noch nicht zu dem Verlangen, dass der Staat ihm die für ein bestimmtes, seinen Überzeugungen entsprechendes, vom üblichen abweichendes Bestattungsverfahren notwendigen Einrichtungen aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle. Wohl aber folge daraus andererseits negativ soviel, dass da, wo diese Einrichtungen vorhanden seien oder der mit Besorgung des Bestattungswesens betraute Verband, die Gemeinde, sie schaffen wolle, die Einführung der neuen, an sich nicht zu beanstandenden Bestattungsart durch die staatliche Gesetzgebung nicht verhindert werden dürfe. Solche Normen verletzten eine Grundregel des Rechtsstaats, die Rechtsgleichheit: sie enthielten eine durch keine staatlichen Interessen zu begründende Zurücksetzung der Anhänger der neuen Bestattungsart gegenüber denjenigen, deren Wünschen und Anschauungen die bisher allein zugelassene Bestattungsart entgegenkomme. Dabei wurde immerhin die Beanstandung derartiger Gemeindebeschlüsse durch die staatliche Aufsichtsbehörde für den Fall vorbehalten, als die für Einführung der neuen Bestattungsart vorgesehenen Aufwendungen mit den Regeln einer guten Gemeindeverwaltung nicht vereinbar sein und die finanziellen Interessen der Gemeinde gefährden sollten. |
Muss es dem mit Besorgung des Bestattungswesens betrauten öffentlichen Verbande kraft eidgenössischen Verfassungsrechts sogar freistehen, wenn sich innert des Verbandes eine Gruppe von Anhängern der Feuerbestattung von einer gewissen Bedeutung gebildet hat, diese Bestattungsart dadurch zu ermöglichen oder doch zu erleichtern, dass er die dazu erforderlichen Einrichtungen schafft, so kann ihm aber noch viel weniger untersagt werden, an die Feuerbestattung im einzelnen Bestattungsfalle dieselben Kostenbeiträge zu leisten, die nach der geltenden Rechtsordnung bei Erdbestattung übernommen werden müssten, unabhängig davon, inwiefern die bei einer solchen in Betracht kommenden Handlungen auch bei der Feuerbestattung vorzunehmen sind. Ferner, einen zur Förderung der Feuerbestattung bestehenden privaten Verband innert der Gemeinde für diesen Zweck auch weitergehend zu unterstützen, letzteres zum mindesten solange, als die Gemeinde damit quantitativ nicht über die Aufwendungen hinausgeht, die sie treffen würden, wenn an die Stelle der Leichenverbrennung in allen Fällen die Beerdigung der Leiche träte. Eine staatliche Vorschrift, die dies verbietet, verstösst in noch stärkerem Masse gegen die im vorerwähnten Urteil entwickelten verfassungsrechtlichen Grundsätze als die Aufhebung eines Gemeindebeschlusses, wie er damals in Frage stand. Der durch den heute angefochtenen Entscheid aufgehobene Beschluss der Muni zipalgemeinde Frauenfeld hält sich aber durchaus innert des eben gezogenen Rahmens. Und zwar auch soweit er neben der Leistung eines gleich hohen Gemeindebeitrages an die einzelne Feuerbestattung wie im Falle der Erdbestattung eine Subvention von 500 Fr. an den Feuerbestattungsverein Frauenfeld zur Förderung seiner Zwecke vorsieht. Wenn der Regierungsrat in der Beschwerdeantwort ausführt, dass hierin eine Begünstigung der Feuer- gegenüber der Erdbestattung liegen würde, so übersieht er, dass auch bei der Erdbestattung die Aufwendungen der Gemeinde sich nicht in den in § 6 des Gesetzes vom 21. November 1898 aufgeführten Leistungen erschöpfen, sondern dazu die Stellung des Grabes und infolgedessen die Kosten für Anlage und allenfalls nötig werdende Erweiterungen der Friedhöfe kommen. Diese Kosten werden aber durch die Feuerbestattung zu einem guten Teile erspart; während bei der Erdbestattung ein Stück des Friedhofs zur Verfügung gestellt werden muss, dem die Leiche der Zerstörung anheimgegeben wird, fällt diese Leistung bei der Feuerbestattung weg oder wird doch verringert, indem die Aschenurne entweder, wie häufig, überhaupt nicht in einem Grabe beigesetzt wird oder solche Urnengräber doch einen geringeren Raum in Anspruch nehmen und darin zudem noch mehrere Urnen beigesetzt werden können. Es liegt aber nichts dafür vor und wird, wie schon oben in anderem Zusammenhange festgestellt, auch nicht behauptet, dass die Gemeinde mit dem verhältnismässig kleinen jährlichen Beitrage von 500 Fr. über die Ersparnisse hinausgehe, die ihr nach der bezeichneten Richtung daraus erwachsen, dass infolgedessen in einer entsprechenden Zahl von Fällen die Erdbestattung durch die Feuerbestattung ersetzt wird. Solange die Gemeinde innert der Aufwendungen bleibt, die sie von Gesetzes wegen auch machen müsste, wenn die Beseitigung der Leiche in allen Fällen durch Beerdigung erfolgte, können gegen die Übernahme der streitigen Leistungen von vorneherein auch keine aus der Rück sicht auf eine geordnete Gemeindefinanzverwaltung hergeleiteten Bedenken angeführt werden, wie denn der Regierungsrat solche nicht erhebt. |
Die gesetzliche Vorschrift, die es verbietet, die Feuerbestattung auch nach der heute fraglichen Richtung, hinsichtlich der daran aus öffentlichen Mitteln zu machenden Aufwendungen, der Erdbestattung wenigstens gleichzuhalten, lässt sich demnach nur aus einer Konzession an bestimmte religiöse Überzeugungen und insbesondere an die Lehre der katholischen Kirche erklären, der ein erheblicher Teil der Kantonsbevölkerung anhängt und die die Feuerbestattung als heidnischen, mit der christlichen Überlieferung nicht vereinbaren Gebrauch verwirft (vgl. die Zitate im früheren Urteil in Sachen Stadtrat Luzern auf S. 137). Diese Bedeutung legt ihr denn auch der Regierungsrat im angefochtenen Entscheide ausdrücklich bei. So betrachtet verstösst das Gesetz aber auch noch gegen eine andere Verfassungsbestimmung, nämlich den Art. 49 Abs. 4 BV. Stellt sich der Anspruch auf Wahl der Feuer- an Stelle der Erdbestattung nach dem Gesagten als ein bürgerliches Recht des Einzelnen dar, so darf dessen Ausübung nicht im Hinblick auf Vorschriften kirchlicher oder religiöser Natur beschränkt oder erschwert werden. Darauf läuft es aber hinaus, wenn der § 1 Abs. 2 des Gesetzes vom 21. November 1898 den Gemeinden die Gleichbehandlung der Feuer- mit der Erdbestattung hinsichtlich der daran aus Gemeindemitteln zu machenden Leistungen aus Beweggründen solcher Art untersagt.
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Dispositiv |
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
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