37. Auszug aus dem Urteil vom 14. Dezember 1960 i.S. Otto Hupfer & Söhne gegen Senn & Co A. G. und Präsident des Bezirksgerichts Liestal.
|
Regeste
|
Vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts. Willkür.
|
Sachverhalt
|
BGE 86 I 265 (265):
Aus dem Tatbestand:
|
A.- Die Firma Senn & Co AG Basel, die heutige Beschwerdegegnerin, liess im Frühjahr 1960 auf ihrem Grundstück Nr. 689 in Ziefen (BL) durch den Bauunternehmer Fred Rosenblatt ein Fabrikgebäude errichten.
|
BGE 86 I 265 (266):
Dieser bestellte bei der Firma Otto Hupfer & Söhne in Basel, der heutigen Beschwerdeführerin, insgesamt 92,5 m3 Frischbeton, von denen 37,5 m3 am 20. Juni und 55 m3 am 27. Juni 1960 geliefert wurden. Die Lieferungen erfolgten mit Liefermischern, welche auf Lastwagen montiert sind und die im gewünschten Verhältnis eingefüllten Mengen Sand, Kies, Zement und Wasser während der Fahrt vom Betonwerk zur Baustelle mischen. Die Beschwerdeführerin stellte Rosenblatt für diese Lieferungen am 30. Juni 1960 mit Fr. 5652.75 Rechnung.
|
Am 10 Juli 1960 ersuchte die Beschwerdeführerin den Bezirksgerichtspräsidenten von Liestal um vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts auf der Parzelle 689 in Ziefen für den Betrag von Fr. 5652.75 nebst Folgen, geschätzt auf total Fr. 6000.--. Der Bezirksgerichtspräsident wies das Grundbuchamt durch Verfügung vom 20. Juli 1960 an, dieses provisorische Bauhandwerkerpfandrecht vorläufig vorzumerken, und befristete die Wirkung dieser Vormerkung vorläufig bis zur Bestätigungsverhandlung; er ging davon aus, dass die Forderung an Hand der Rechnungskopie glaubhaft gemacht sei und die Voraussetzungen von Art. 837 Ziff. 3 und 839 ZGB erfüllt erschienen.
|
In der Bestätigungsverhandlung vom 17. August 1960 machte die Beschwerdeführerin geltend, die Zubereitung und Lieferung von Frischbeton in der vom Besteller gewünschten besondern Mischung müsse als Lieferung von Material und Arbeit im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB betrachtet werden, zumal da Frischbeton bei Nichtabnahme in wenigen Stunde verderbe. Die Beschwerdegegnerin wandte ein, es handle sich um eine reine Materiallieferung, für die ein Bauhandwerkerpfandrecht nicht in Frage komme; ferner bestritt sie die Forderung grundsätzlich und der Höhe nach.
|
Durch Entscheid vom 26. August 1960 hob der Bezirksgerichtspräsident die Verfügung vom 20. Juli 1960 auf und wies das Grundbuchamt Liestal an, das vorgemerkte provisorische BGE 86 I 265 (267):
Bauhandwerkerpfandrecht wieder zu löschen. Zur Begründung führte er aus: Wer bloss Baumaterial liefere, ohne es in die Baute zu verarbeiten, sei nicht Baugläubiger im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB, denn er sei auf Grund nicht eines Werk-, sondern eines Kaufvertrages an der Baute beteiligt und könne daher seine Lieferung bis zur Bezahlung oder Sicherstellung des Preises zurückbehalten. Dagegen sei der Lieferant von genau nach Mass verfertigten und anderweitig nicht brauchbaren Gegenständen (Türen, Fenster, Balken usw.) Baugläubiger, da er Kredit gewähren müsse und erst Bezahlung verlangen könne, wenn sich das Werk durch Einpassung in die Baute als brauchbar erwiesen habe und abgenommen sei. Der vorliegend gelieferte Beton sei kein solches eigens für die betreffende Baute hergestelltes Material, denn das würde ja bedeuten, dass der fertig fabrizierte Beton nur gerade für dieses Bauwerk verwendet werden könnte und bei Nichtlieferung oder Nichtabnahme unbrauchbar wäre. Wenn der Kläger auch verschiedene Betonmischungen herstelle, so sei die einmal fabrizierte Mischung doch nicht so individualisiert, dass sie nur an einer bestimmten Baustelle verwendet werden könne. Die Tatsache, dass Beton nicht auf Lager fabriziert werden könne, sei eine Folge seiner kurzen Haltbarkeit und ändere nichts daran, dass er eine vertretbare Sache sei und einmal hergestellt wie zahlreiche andere Baumaterialien für verschiedene Bauten verwendbar sei. Als blosser Sachlieferant sei der Kläger auch nicht zur Vorleistung und Kreditgewährung gezwungen gewesen, sondern er hätte Bezahlung oder Sicherstellung des Kaufpreises vor der Lieferung verlangen können. Es stehe ihm somit für seine Betonlieferungen kein Bauhandwerkpfandrecht zu.
|
B.- Mit der staatsrechtlichen Beschwerde beantragt die Firma Otto Hupfer & Söhne, dieser Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten von Liestal sei aufzuheben. Sie beruft sich auf Art. 4 BV und macht geltend: Die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts sei BGE 86 I 265 (268):
zu bewilligen, wenn das Begehren nicht offenbar trölerisch oder schikanös sei (BGE 39 II 139). Dies sei hier sicher nicht der Fall und die Abweisung des Begehrens daher unhaltbar und willkürlich.
|
C.- Der Bezirksgerichtspräsident von Liestal und die Firma Senn & Co AG beantragen die Abweisung der Beschwerde.
|
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
|
1./2. - (Prozessuales).
|
|
Der angefochtene Entscheid ist begründet, wie wenn der Bezirksgerichtspräsident mit freier Prüfung und endgültig über das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. 837 Ziff. 3 ZGB und über das Bestehen des von der Beschwerdeführerin beanspruchten Bauhandwerkerpfandrechts zu entscheiden gehabt hätte; dass er bloss zu prüfen hatte und nur geprüft hätte, ob der Pfandrechtsanspruch glaubhaft gemacht sei, ist mit keinem Worte auch nur angedeutet. Ob der Bezirksgerichtspräsident diese Beschränkung seiner BGE 86 I 265 (269):
Kognition tatsächlich übersehen oder nur in den Erwägungen seines Entscheids nicht zum Ausdruck gebracht hat, kann indessen dahingestellt bleiben, da auch ersteres für sich allein noch nicht zur Gutheissung der Beschwerde führen würde. Die Aufhebung eines kantonalen Entscheids auf Grund von Art. 4 BV rechtfertigt sich nur, wenn der Beschwerdeführer im Ergebnis willkürlich behandelt worden ist, nicht schon, wenn die Motive des angefochtenen Entscheids unhaltbar sind (vgl. BIRCHMEIER, Handbuch des OG, S 352/3). Es ist daher zu prüfen, ob sich aus den im Entscheid des Bezirksgerichtspräsidenten enthaltenen Gründen die Auffasung vertreten lässt, die Beschwerdeführerin habe ihren Pfandrechtsanspruch nicht einmal glaubhaft gemacht.
|
In BGE 39 II 139 Erw. 2 hat das Bundesgericht ausgeführt, der Richter sollte die vorläufige Eintragung eines Bauhandwerkerpfandrechts stets bewilligen, wenn es sich nicht um ein offenbar trölerisches oder schikanöses Begehren handle, wovon vorliegend, wie der Bezirksgerichtspräsident in der Vernehmlassung in der gleichgelagerten Beschwerdesache Sutter mit Recht anerkennt, nicht die Rede sein kann. Nun ist freilich ein kantonaler Entscheid nicht schon deshalb willkürlich, weil er von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung abweicht (BGE 71 I 229, BGE 73 I 188). Allein auch wenn man nicht so weit wie das erwähnte Urteil gehen und nicht nur die Abweisung geradezu trölerischer und schikanöser Begehren zulassen will, kann es doch nicht zweifellos sein, dass an die in Art. 961 Abs. 3 ZGB verlangte Glaubhaftmachung keine strengen Anforderungen gestellt werden dürfen (in diesem Sinne ausser BGE 39 II 139 und BGE 79 II 439 auch die Rechtslehre; vgl. LEEMANN N. 42 zu Art. 839 ZGB, HOMBERGER N. 31 zu Art. 961 ZGB, SIMOND, L'hypothèque légale de l'entrepreneur S. 144/45). Das folgt insbesondere daraus, dass der Baugläubiger das Pfandrecht wegen der kurzen Verwirkungsfrist von Art. 839 Abs. 2 ZGB im Falle der Verweigerung der vorläufigen Eintragung endgültig verliert, BGE 86 I 265 (270):
während die Bewilligung, sofern das Pfandrecht im nachfolgenden ordentlichen Prozess nicht anerkannt wird, für den Grundeigentümer nur eine vorübergehende Belastung seiner Liegenschaft zur Folge hat, die zudem durch Leistung einer anderweitigen hinreichenden Sicherheit vermieden werden kann (Art. 839 Abs. 3 ZGB). Angesichts dieser besonderen Interessenlage darf die vorläufige Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechts nur verweigert werden, wenn der Bestand des Pfandrechts als ausgeschlossen erscheint oder höchst unwahrscheinlich ist; im Zweifelsfall, bei unklarer oder unsicherer Rechtslage, ist die vorläufige Eintragung dagegen zu bewilligen und die Entscheidung dem ordentlichen Richter zu überlassen (vgl. SJZ 24 S. 43, 47 S. 374; ZR 27 S. 114, 32 S. 260).
|
Im vorliegenden Falle fragt sich, ob die Beschwerdeführerin mit dem bestellten Frischbeton Material und Arbeit im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 ZGB geliefert habe. Die Abgrenzung solcher Lieferungen von den nicht pfandrechtsgeschützten reinen Materiallieferungen ist im Einzelfall oft heikel. In BGE 72 II 349 führte das Bundesgericht aus, um blosse Materiallieferung handle es sich bei Sachen, die der Lieferant zwar selbst, aber als vertretbare Lagerware wie z.B. Backsteine, Ziegel usw. hergestellt habe; als Lieferung von Material und Arbeit sei dagegen zu betrachten die Lieferung von unvertretbaren Sachen, die auf Grund eines Werkvertrags oder Werklieferungsvertrages eigens für den betreffenden Bau angefertigt worden seien und deren Zurückbehaltung daher den Lieferanten nicht vor Schaden bewahren würde, weil sie anderweitig nicht oder nur schwer verwendbar wären. Die Beschwerdeführerin macht geltend, letzteres sei hier der Fall; Frischbeton sei keine vertretbare Sache, da er nicht ab Lager verkauft, sondern aus einer grossen Zahl möglicher Mischungen jeweils auf Grund eines Werk- oder Werklieferungsvertrages für den Besteller besonders hergestellt werde und bei Nichtabnahme in wenigen Stunden unbrauchbar und völlig wertlos sei. Diese Betrachtungsweise ist BGE 86 I 265 (271):
keineswegs so abwegig, wie der angefochtene Entscheid annimmt. Wenn Frischbeton auch ein Baumaterial im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs ist, so ist er doch insofern von besonderer Art, als er, anders als Backsteine, Ziegel usw., in der Form, in der er auf Bestellung hergestellt und geliefert wird, nur ganz kurze Zeit, nämlich nur wenige Stunden, verwendbar und haltbar ist. Mit den auf Grund eines Werk- oder Werklieferungsvertrages hergestellten Sachen wie Türen, Fenster oder Betonbalken, um die es in BGE 72 II 349 ging, hat der Frischbeton sodann gemein, dass seine Qualität und Tauglichkeit erst nach der Verwendung abschliessend geprüft werden kann (vgl. BGE 72 II 351), sodass es zweifelhaft ist, ob dem Lieferanten entgegengehalten werden kann, er sei nicht vorleistungspflichtig. Im Hinblick auf diese besondern Eigenschaften, durch die sich der Frischbeton von den andern Baumaterialien unterscheidet, erscheint es nicht als ausgeschlossen, dass der Richter im ordentlichen Prozess das der Lieferung zugrunde liegende Vertragsverhältnis als Werklieferungsvertrag betrachten und dem Lieferanten in Anwendung der in BGE 72 II 349 ff. aufgestellten Grundsätze das Bauhandwerkerpfandrecht einräumen könnte. Die Frage ist jedenfalls einer näheren Prüfung wert, und es geht nicht an, die Möglichkeit, hierüber einen Entscheid des ordentlichen Richters herbeizuführen, durch Verweigerung der vorläufigen Eintragung abzuschneiden. Der Bezirksgerichtspräsident selber hat denn auch in der Begründung seiner provisorischen Verfügungen vom 14. Juli (Fall Sutter) und vom 20. Juli 1960 (Fall Hupfer) zutreffend ausgeführt, die Voraussetzungen des Bauhandwerkerpfandrechts im Sinne von Art. 837 Ziff. 3 und 839 ZGB "sind glaubhaft gemacht" bzw. "erscheinen als erfüllt". Die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende gegenteilige Auffassung, die Beschwerdeführerin habe ihre Berechtigung nicht einmal glaubhaft gemacht, ist unhaltbar, weshalb der Entscheid wegen Verletzung von Art. 4 BV aufzuheben ist.
|
|
BGE 86 I 265 (272):
Demnach erkennt das Bundergericht:
|
Die Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des Präsidenten des Bezirksgerichts Liestal vom 26. August 1960 aufgehoben.
|