BGE 90 I 177 - Gujer |
27. Auszug aus dem Urteil |
vom 23. September 1964 |
i.S. Gujer gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. |
Regeste |
Wirtschaftsgewerbe. Eigentumsgarantie. Handels- und Gewerbefreiheit. Willkür. |
Bestimmung des kantonalen Wirtschaftsgesetzes, wonach die Vergrösserung eines der Bedürfnisklausel unterstellten Wirtschaftsbetriebes einer behördlichen Bewilligung bedarf, welche nur erteilt wird, wenn die Vergrösserung einem Bedürfnis entspricht und dem öffentlichen Wohl nicht zuwiderläuft. |
- Die Anwendung der Bestimmung auf Betriebe mit "ehehaften Tavernenrechten" im Kanton Zürich verstösst weder gegen die Eigentumsgarantie (Erw. 3, 4) noch gegen die Handels- und Gewerbefreiheit (Erw. 6). |
- Als Vergrösserung des Betriebs gilt, wie ohne Willkür angenommen werden kann, nicht nur die Erweiterung der Bodenfläche der Wirtschaftsräume, sondern auch ein Umbau, der zu einem vermehrten Alkoholausschank führt, wie z.B. die Einrichtung einer ständig geöffneten Bar in einem bisher nur gelegentlich zum Wirten benutzten Raum (Erw. 5). |
Sachverhalt |
A.- Nach § 2 des zürcherischen Gesetzes über das Gastwirtschaftsgewerbe vom 21. Mai 1939 (WG) bedarf es zum Betrieb von Gasthöfen und Wirtschaften einer staatlichen Bewilligung (Patent). Eine solche Bewilligung wird nach § 36 WG nur erteilt, wenn der Betrieb einem Bedürfnis entspricht und dem öffentlichen Wohl nicht zuwiderläuft. Die Vergrösserung eines der Bedürfnisklauselunterstellten Wirtschaftsbetriebes ist gemäss § 44 WG nur mit Zustimmung der Finanzdirektion gestattet. Nach § 112 WG sollen die noch bestehenden ehehaften Tavernenrechte auf dem Weg freier Übereinkunft oder nach Massgabe des Gesetzes betreffend die Abtretung von Privatrechten nach Möglichkeit abgelöst werden. § 113 Abs. 2 WG bestimmt, dass Tavernenrechte, die während der Dauer von 10 Jahren nicht mehr ausgeübt werden, ohne Entschädigung dahinfallen. Nach § 114 WG finden die polizeilichen Bestimmungen dieses Gesetzes auch auf Wirtschaften mit ehehaften Tavernenrechten Anwendung; im übrigen bleibt der Inhalt der Tavernenrechte unberührt.
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B.- Der Beschwerdeführer Emil Gujer ist Eigentümer und Wirt des Gasthofes zum "Bären" in Nürensdorf, auf dem ein ehehaftes Tavernenrecht im Sinne von § 112 WG ruht. Bei Einführung des WG umfasste die Wirtschaft gemäss einem am 31. August 1939 aufgenommenen Protokoll der Gesundheitsbehörde Nürensdorf, das vom Beschwerdeführer als damaligem Stellvertreter des Aktuars abgefasst und unterzeichnet ist, vier Ausschankräume: einen Hauptausschankraum mit 36 m2 Bodenfläche und als zeitweilig benützte Räume ein Sitzungszimmer von 13,34 m2 ohne Buffet, einen Theatersaal von 175 m2 mit einem Buffet vor dem Saaleingang und eine Saalgalerie von 55 m2 ohne Buffet. |
Anlässlich einer Besichtigung der Wirtschaftsräume stellte der Sekretär für das Wirtschaftswesen der Finanzdirektion am 22. Juni 1962 fest, dass vom Saal durch 2 Faltwände abgetrennt ein "Säli" von ca. 53 m2 Bodenfläche besteht, in dem eine Bar eingebaut worden ist. Gujer wurde darauf aufmerksam gemacht, dass gemäss § 44 WG für diese Betriebsintensivierung eine Bewilligung der Finanzdirektion erforderlich sei. Am 27. Juni 1962 ersuchte Gujer um diese Bewilligung. Er führte aus, das in Frage stehende Lokal im 1. Stock diene seit der Erbauung des Gasthofes als Gastlokal; eine Intensivierung des Betriebes liege insofern vor, als dieses Lokal früher nur gelegentlich, heute aber täglich benützt werde; der tägliche Umsatz sei jetzt regelmässiger, dafür aber kleiner als bei den früheren gelegentlichen Saalanlässen.
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Nach einer erneuten Besichtigung am 14. Februar 1963 verweigerte die Finanzdirektion die nachgesuchte Bewilligung zur Einrichtung einer Bar und ordnete die Beseitigung der Bareinrichtung an. Sie begründete diesen Entscheid damit, dass es an einem Bedürfnis nach dieser Betriebsintensivierung fehle, da angesichts der Einwohnerzahl von Nürensdorf bereits eine der fünf vorhandenen Wirtschaften überzählig sei.
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Den hiegegen erhobenen Rekurs wies der Regierungsrat am 28. November 1963 ab.
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C.- Emil Gujer ficht den Entscheid des Verwaltungsgerichts mit staatsrechtlicher Beschwerde an und beantragt, ihn aufzuheben. Er macht Verletzung der Eigentumsgarantie sowie der Art. 4 BV (Rechtsgleichheit) und 31 BV (Handels- und Gewerbefreiheit) geltend.
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Auszug aus den Erwägungen: |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 3 |
3.- Das Bundesgericht hat im Urteil vom 29. September 1939 i.S. Genossenschaft Bellevue, Erw. 4 (auszugsweise wiedergegeben in ZBl 40, 559/60) mit eingehender Begründung entschieden, dass § 113 Abs. 2 WG, wonach Tavernenrechte, die während der Dauer von zehn Jahren nicht mehr ausgeübt werden, ohne Entschädigung dahinfallen, nicht gegen die in Art. 4 KV gewährleistete Eigentumsgarantie verstösst. Diese Rechtsprechung, auf die sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Entscheid stützt, wird vom Beschwerdeführer nicht angefochten. Dann kann es aber um so weniger gegen die Eigentumsgarantie verstossen, wenn einem Tavernenberechtigten nicht erlaubt wird, den bisher tatsächlich ausgeübten Umfang seines Rechtes zu erweitern. In §§ 112 und 113 WG kommt die Tendenz des Gesetzes zum Ausdruck, die Tavernenrechte möglichst zu beseitigen, da dies im Interesse einer rationellen Ordnung des Wirtschaftswesens, insbesondere einer gleichmässigen Anwendung der modernen Wirtschaftsgesetzgebung und damit der Allgemeinheit liegt (Urteil i.S. Genossenschaft Bellevue Erw. 2 S. 8). Wenn der entschädigungslose Untergang eines Tavernenrechts, das seit zehn Jahren nicht mehr ausgeübt wurde, vor der Eigentumsgarantie standhält, so kann der Inhaber eines Tavernenrechts auch nicht unter Berufung auf dieses verfassungsmässige Individualrecht beanspruchen, dass er das Tavernenrecht künftig in einem weiteren Umfang ausüben dürfe, als es bisher tatsächlich der Fall war. Ob eine Verletzung der Eigentumsgarantie vorliege, hängt daher von der Frage ab, ob der streitige Barbetrieb über die bisherige Ausübung des Tavernenrechts hinausgehe und eine Vergrösserung der Wirtschaftslokalitäten im Sinne von § 44 WG bedeute, die nur mit Zustimmung der Finanzdirektion zulässig ist. Da es sich hiebei um die Würdigung tatsächlicher Verhältnisse und die Auslegung und Anwendung von einfachem kantonalem Gesetzesrecht handelt, kann das Bundesgericht die Frage nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel des Art. 4 BV prüfen (BGE 89 I 467 Erw. 2 mit Verweisungen), so dass insoweit die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie mit derjenigen des Verstosses gegen Art. 4 BV zusammenfällt. |
Erwägung 4 |
Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, entscheidend sei nicht, dass der betreffende Raum nur gelegentlich zum Wirten benutzt worden sei, sondern dass er ständig für die Bewirtung von Gästen eingerichtet war und zur Verfügung stand. Eine Erweiterung der Ausübung des ehehaften Tavernenrechts lässt sich indes nicht nur in einer Vergrösserung der für den Wirtschaftsbetrieb bereit stehenden Räume erblicken, sondern ohne jede Willkür auch darin, dass ein an sich zum Wirten eingerichteter Raum, der bisher nur "zeitweilig" bzw. "gelegentlich" zu diesem Zwecke benutzt worden ist, so umgestaltet wird, dass er nunmehr täglich der Bewirtung von Gästen dient und so einen gegenüber früher bedeutend intensiveren Wirtschaftsbetrieb erlaubt. Da diese Erweiterung des Wirtschaftsbetriebes im fraglichen Raum die bisherige Ausübung des ehehaften Tavernenrechts überschreitet und die Befugnis zu dieser Betriebserweiterung sich nicht auf das Tavernenrecht stützen lässt (oben Erw. 3), ist sie den gleichen Einschränkungen unterworfen wie die Vergrösserung einer der Bedürfnisklausel unterstehenden Patentwirtschaft. |
Erwägung 5 |
Das Bundesgericht hat denn auch bereits in BGE 82 I 73 Erw. 2 entschieden, dass es dem Sinn und Zweck der Bewilligungspflicht entspreche, eine bewilligungspflichtige Erweiterung des Wirtschaftsbetriebes nicht nur dann als gegeben zu erachten, wenn die Räumlichkeiten erweitert werden, sondern auch dann, wenn infolge einer Änderung der bisherigen Zweckbestimmung eines Konsumationsraumes die Betriebsintensivität und damit der Alkoholkonsum gesteigert wird. |
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass auf Grund der in § 37 WG genannten Verhältniszahlen Nürensdorf bereits eine Alkoholwirtschaft zuviel aufweist (5 statt 4). Er tut auch nicht dar, inwiefern eine der Voraussetzungen von § 38 WG für eine Ausnahmebewilligung vorliege und eine solche willkürlich verweigert worden sei. Dazu reicht die Behauptung, der Beschwerdeführer beherberge während der Reisesaison zahlreiche ausländische Gäste, die in den Hotels der Stadt Zürich keine Unterkunft finden und die sich in einem Raum aufzuhalten wünschen, wie sie ihn gewohnt sind, um so weniger aus, als in der Beschwerde nicht bestritten wird, dass der Gasthof "Bären" nur über 5 Fremdenzimmer verfügt.
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Damit erweist sich die Rüge der Verletzung der Eigentumsgarantie bzw. des Art. 4 BV als unbegründet.
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Erwägung 6 |
6.- Der Beschwerdeführer erblickt in der Verweigerung der Bewilligung der Bar ausserdem eine Verletzung der in Art. 31 BV garantierten Handels- und Gewerbefreiheit. Abs. 2 dieser Verfassungsbestimmung behält indes kantonale Bestimmungen gewerbepolizeilicher Art vor und nach Art. 32 quater BV können die Kantone auf dem Wege der Gesetzgebung die Ausübung des Wirtschaftsgewerbes den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen unterwerfen. Damit wird ihnen zwecks Bekämpfung des Alkoholismus die Befugnis eingeräumt, für die Alkoholwirtschaften die Bedürfnisklausel einzuführen (BGE 82 I 73 Erw. 2). Von dieser Befugnis hat der Kanton Zürich Gebrauch gemacht, indem er in den §§ 36 ff. WG die Erteilung eines Wirtschaftspatentes der Bedürfnisklausel unterstellt und nach § 44 WG auch die Vergrösserung eines bestehenden Wirtschaftsbetriebes von einer Bewilligung abhängig macht. Mit Recht beanstandet der Beschwerdeführer die Verfassungsmässigkeit dieser Einschränkung des Gastwirtschaftsgewerbes nicht. Die Rüge der Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit fällt daher im vorliegenden Fall mit derjenigen der unrichtigen Anwendung und Auslegung von § 44 WG zusammen. Es wurde aber bereits dargelegt, dass diese Gesetzesbestimmung auch auf die Erweiterung der bisherigen Ausübung von ehehaften Tavernenrechten angewendet werden darf und dass gestützt darauf dem Beschwerdeführer die Bewilligung zum Betrieb der neu eingerichteten Bar ohne jede Willkür verweigert werden durfte. Der angefochtene Entscheid hält daher auch vor der Handels- und Gewerbefreiheit stand. |
Entscheid: |
Demnach erkennt das Bundesgericht: |
Die Beschwerde wird abgewiesen.
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